TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/8 W112 2149419-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch


W112 2149419-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Russische Föderation, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.02.2017, ZI. XXXX , zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 50, 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9, § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz und wies sich dabei mit ihrem russischen Inlandsreisepass aus.

1.2. Bei der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.11.2014 gab die Beschwerdeführerin befragt zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sie eine Liebesbeziehung mit einem Ukrainer eingegangen sei. Nachdem es ihre Verwandten erfahren haben, habe ihr die Schwester geraten, ins Ausland zu flüchten, weil sie ansonsten von ihren Verwandten getötet werde. In ihrer Tradition sei es eine große Schande, wenn eine unverheiratete Frau eine Liebesbeziehung mit einem Mann anderer Herkunft und Religion eingehe.

1.3. Die Beschwerdeführerin wurde am 03.02.2016 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Die Beschwerdeführerin gab dabei an, dass sie vor ihrer Flucht in der Stadt XXXX , Dorf XXXX , XXXX gewohnt und RUSSLAND im November 2014 verlassen habe. Sie habe zehn Jahre lang die Schule besucht und danach für drei Monate eine Friseurausbildung gemacht. In ihrer Heimat leben noch vier Schwestern und ein Bruder; ihre Eltern seien bereits verstorben. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab sie auszugsweise Folgendes an:

„[…]

A: Es hat damit begonnen, dass ich mit einem Mann befreundet war. Ich war nicht verheiratet und dieser Mann gehörte nicht unserer Volksgruppe an. Meine Familie hat von unserer Beziehung erfahren, ich weiß nicht von wem. Meine Schwester rief mich an und beschimpfte mich. Sie sagte, dass ich in meinen alten Jahren Schande über die Familie bringe. Sie sagte, dass mein Bruder durchdreht und mich umbringen möchte. Sie hat gesagt, dass ich ausreisen soll, weil alle davon erfahren würden, wenn mein Bruder mir etwas antun würde. Das würde Schande über die ganze Familie bringen. Deshalb musste ich ausreisen.

F: Haben Sie alleine gewohnt oder mit Ihrem Bruder zusammen?

A: Mit meinem Bruder zusammen.

F: Wie lange hatten Sie diese Beziehung, von der Sie gesprochen haben?

A: Zwei Monate.

F: Wo haben Sie diesen Mann kennen gelernt?

A: Im Friseursalon, in dem ich gearbeitet habe.

F: Wie regelmäßig haben Sie sich getroffen?

A: Ungefähr einmal pro Woche.

F: Wo haben Sie sich immer getroffen?

A: Ich mietete in XXXX eine kleine Wohnung, weil ich oft am Wochenende extrem lange arbeiten musste und es zu spät war, um nach Hause zu fahren. Dieser Mann besuchte mich im Friseursalon und einmal hat er mich in dieser Wohnung besucht. Es muss jemand davon erfahren haben.

F: Das heißt, Sie haben sich einmal privat getroffen und sonst immer im Friseursalon?

A: Ja, entweder im Friseursalon, oder wir gingen spazieren.

F: Wo sind Sie spazieren gegangen?

A: Wir sind in den Straßen von XXXX herumspaziert.

F: Wie lange nach dem Telefonat mit Ihrer Schwester haben Sie Ihre Heimat verlassen?

A: Ich bin in derselben Nacht ausgereist.

F: Wo haben Sie sich gerade befunden, als Ihre Schwester Sie angerufen hat?

A: In der Stadt.

F: Was haben Sie gleich nach dem Telefonat gemacht?

A: Ich ging schnell in meine Wohnung, nahm meine Sachen und ging weg.

F: In welche Wohnung sind Sie gegangen?

A: In die Wohnung, die ich gemietet hatte.

F: Weshalb sind Sie nicht in eine andere Stadt Russlands gegangen?

A: Sie würde mich dort finden.

[…]

F: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu diesem Mann?

A: Ich glaube Ende Oktober 2014.

F: Haben Sie nicht mit ihm telefoniert, seit Sie in Österreich sind?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Das hätte keinen Sinn. Bei uns in Tschetschenien gelten eigene Bräuche. Er hätte mir nicht helfen können, sondern hätte selbst Probleme bekommen. Vorhalt: Folgendes klingt nicht glaubwürdig: Sie gaben an, dass es in Tschetschenien nicht erlaubt ist, mit jemanden eine Beziehung einzugehen, der eine andere Volkgruppe hat. Trotzdem sind Sie mit diesem Mann einfach so mehrmals durch XXXX spaziert?!

A: Ich habe niemanden gesagt, dass er Russe ist. Außerdem trifft man ja nicht unbedingt Bekannte, wenn man in der Stadt spazieren geht. Vorhalt: Ich dachte, dieser Mann ist Ukrainer?!

A: Was ist der Unterschied? Die Ukrainer sind auch Russen. Vorhalt: Man muss nicht unbedingt Bekannte treffen, aber es kann durchaus sein! Wenn man eine „verbotene“ Beziehung eingeht, dann trifft man sich doch eher heimlich und nicht an Orten, an denen man von Bekannten und Verwandten gesehen werden kann?!

A: So ist das einfach gekommen. Ich habe auch nicht gedacht, dass meine Familie so streng sein wird. Ich konnte mit keinem Tschetschenen mehr eine Beziehung haben, weil mir die Tschetschenen viele Fragen stellen würden. Z.B. warum ich nicht verheiratet bin.

[…]“

Die Beschwerdeführerin legte in der Einvernahme Deutschkursbestätigungen sowie diverse Arztbefunde vor.

1.4. Laut Untersuchungsbericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 15.03.2015 ergaben sich Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung des russischen Inlandsreisepasses der Beschwerdeführerin, der Formularvordruck sei authentisch.

1.5. Das Bundesamt wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 16.02.2017 (zugestellt am 21.02.2017) sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem erteilte es ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen sie und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Es räumte ihr eine Frist zur freiwilligen Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt führte begründend aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht schlüssig und somit nicht glaubhaft sei. Die Beschwerdeführerin sei nicht willens oder in der Lage gewesen, ihr Vorbringen ausführlich zu schildern und habe lediglich Behauptungen in den Raum gestellt ohne den Versuch, diese auch glaubhaft zu machen. Die Angaben zu den Fluchtgründen seien auch widersprüchlich gewesen. Zudem sei auch festzuhalten, dass das Vorbringen jedenfalls keine Furcht vor Verfolgung aus den in der GFK genannten asylrelevanten Gründen darstelle, die von staatlichen Organen ausgehen oder dem Herkunftsstaat sonst zurechenbar seien. Da der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat keine Verfolgung drohe, sie weder eine lebensbedrohliche Erkrankung noch einen sonstigen, auf ihre Person bezogenen „außergewöhnlichen Umstand“ behauptet habe oder bescheinigt habe, gehe das Bundesamt davon aus, dass ihr im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen.

1.6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 02.03.2017 (eingebracht am 02.03.2017) fristgerecht Beschwerde. Sie monierte darin die Verletzung von Verfahrensvorschriften, insbesondere wegen Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens in Folge mangelhafter Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Dies begründete sie zusammengefasst damit, dass sehr wohl eine asylrechtlich relevante Verfolgung vorliege. Die Beschwerdeführerin habe eine Liebesbeziehung mit einem christlichen Ukrainer gehabt. Die Verwandten haben davon erfahren und sie als „ehrlos“ stigmatisiert und aus diesem Grund sei sie von ihrer Familie verfolgt worden. Während ihres Aufenthalts in Tschetschenien habe die Beschwerdeführerin unter ständiger Angst gelebt und aufgrund ihres modernen Lebens sei sie von der Familie und ihrer Nachbarschaft immer unter Druck gesetzt worden. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft, weil die Beschwerdeführerin nicht befragt worden sei, wie sie als moderne Frau in einer patriarchalischen Gesellschaft gelebt habe. Aufgrund der amtsbekannten Diskriminierungen von Frauen mit dem Persönlichkeitsprofil der Beschwerdeführerin in TSCHETSCHENIEN haben die Behörde jedenfalls in Erwägung ziehen müssen, dass sie wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der „westlich orientierten“ Frauen Verfolgung in Tschetschenien drohe. Zur Situation der Frauen in TSCHETSCHENIEN wurden weitere Länderberichte angeführt. Die derzeitige Situation in ihrem Heimatstaat wirke sich so aus, dass sie im Falle einer Rückkehr, einem Klima latenter Bedrohung und unmittelbaren Einschränkungen ausgesetzt sei. Hinzu komme, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Frau mit einer „westlich-orientierten“ Wertehaltung handle, die durch ihre nachvollziehbaren und glaubhaften Aussagen als auch ihrem Auftreten bzw. Erscheinungsbild nach einem „westlichen Lebensstil“ lebe und im Falle einer Rückkehr nach TSCHETSCHENIEN würde sie aufgrund der ihr unterstellten politischen Gesinnung asylrelevant verfolgt werden.

1.7. Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 03.03.2017 die Beschwerde samt zugehörigem Verwaltungsakt vor.

1.8. Mit Eingabe vom 28.09.2020 legte die Beschwerdeführerin verschiedene integrationsbezeugende Unterlagen vor. Mit Eingabe vom 16.11.2020 übermittelte die Beschwerdeführerin weitere Schriftstücke zu ihrer Integration in Österreich. Der Aufforderung zur Beweismittelvorlage betreffend den Gesundheitszustand, den Herkunftsstaat und den aktuellen Lebensverhältnissen in Österreich kam sie mit Eingabe vom 20.11.2020 nach: Sie legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen sowie zum Teil bereits aktenkundige Unterlagen zur Integration in Österreich vor. Mit Eingabe vom 23.11.2020 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung der Teilnahme am Musikunterricht.

1.9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.12.2020 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an der die Beschwerdeführerin und ihre Rechtsberaterin als gewillkürte Vertreterin teilnahmen, aber kein Vertreter der belangten Behörde.

Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:

„R: Sie wurden am 11.11.2014 von der Polizei erstbefragt und am 03.02.2016 vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Wie würden Sie die dortige Einvernahmesituation beschreiben?

BF: Als die Einvernahme in XXXX stattgefunden hat, war die Dolmetscherin krank, sie hat jede Minute gehustet. Die Richterin war sauer, ich habe damals überhaupt kein Deutsch verstanden, sie haben sich nicht einmal vorgestellt. Aber ich habe verstanden, dass die einvernehmende Person gefragt hat, warum ich überhaupt gekommen bin und sie hat gesagt, dass sie erst begonnen hat zu husten, deswegen war die Richterin nicht zufrieden. Nur zum Schluss, als man mir gesagt hat, dass man noch etwas sagen darf, hat sie mich nichts mehr sagen lassen. Sie hat mir nur den Kugelschreiber in die Hand gedrückt und gesagt, dass ich unterschreiben soll.

R: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor dem Bundesamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtigstellen oder ergänzen?

BF: Ich habe die Wahrheit gesagt.

[…]

R: Sie sind russische Staatsangehörige, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und muslimischen Glaubens. Sie haben außerhalb des Aufenthaltsrecht[s] während des Asylverfahrens kein anderes Aufenthaltsrecht für Österreich oder einen anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union. Ist das korrekt?

BF: Ja.

R: Haben Sie Österreich seit der Einreise am 09.11.2014 jemals verlassen?

BF: Nein.

R: Schildern Sie Ihren Fluchtgrund! Warum mussten Sie die Russische Föderation verlassen?

BF: Aus dem Grund, den ich schon geschildert habe, deswegen musste ich flüchten.

R: Schildern Sie mir Ihren Fluchtgrund detailliert. Warum mussten Sie ausreisen?

BF: Ich habe mich dort mit einem Mann getroffen, der eine andere Sprache gesprochen hat. Er hatte auch eine andere Religion. Ich habe ihn im Salon kennengelernt, in dem ich gearbeitet habe. Er ist zu mir in diesen Salon gekommen und dort haben wir uns getroffen. Dann sind wir spazieren gegangen, wir sind am Abend spazieren gegangen, weil ich tagsüber gearbeitet habe. Ich habe ihn zu mir eingeladen, zu Besuch. Ich weiß, dass man das bei uns nicht darf. Ich möchte erklären, warum ich das so gemacht habe. Es ist schwer zu sprechen, wenn man die Maske anhat.

Als ich diese Arbeit gefunden habe, habe ich einen Mann kennengelernt, einen Tschetschenen. Wir haben in einem Gebäude gearbeitet, wir waren befreundet. Er war zwar ein Tschetschene, aber er war den Tschetschenen nicht ähnlich, auch dem [Ä]ußerlichen nach. Er hat ausgeschaut wie ein Russe und hat nur Russisch gesprochen. Alle dachten, dass er ein Russe ist. Wir waren befreundet und er hat sich sehr um mich gekümmert. Ich meine damit, er hat sich anders benommen, als ein tschetschenischer Mann. Das war wie im Kino. Ich dachte nie, dass mir so etwas passieren kann. Er hat mir viel Aufmerksamkeit gewidmet. Er hatte sehr gute Manieren, er hat immer die Türe aufgemacht. Er war kein typischer Tschetschene. Ich habe auch sein Foto. Alle haben mir gesagt, dass es so einen Mann nur im Kino gibt. Nach einigen Jahren ist er verstorben. Er ist krank geworden und gestorben. Ich habe dann niemanden mehr getroffen. Es gab einfach keine anderen Männer so wie ihn.

Dann habe ich im Salon diesen Mann kennengelernt. Er war ihm zwar äußerlich nicht ähnlich, aber er hat sich ähnlich um mich gekümmert, wie der Mann, von dem ich vorhin gesprochen habe. Er hat mir gefallen. Ich verstehe, dass man das bei uns nicht darf, weil ich eine muslimische Frau bin, aber das habe ich meinem Herzen nicht vermitteln können. Ich habe ihn kennengelernt und dann blieben wir in Kontakt. Einmal kam er zu mir zu Besuch, das war in der Nacht. Ich weiß nicht, wer das weitergeleitet hat. Scheinbar wurde erzählt, dass er bei mir zu Besuch war. Dann musste ich Tschetschenien verlassen. Meine Schwester hat mir gesagt, dass ich wegfahren soll. Ich bin ein einfach eine schwache Frau. Ich wollte so leben, wie ich es wollte.

R: Nennen Sie die Namen der zwei Männer.

BF: Der erste hieß XXXX und der zweite hieß XXXX .

R: Und die Nachnamen?

BF: Den Familiennamen vom zweiten weiß ich nicht, weil wir uns nicht lange gekannt haben und uns nur einmal in der Woche getroffen haben. Der Familienname vom ersten Mann weiß ich schon, XXXX .

R: Schilden Sie mir Ihre Beziehung mit XXXX . Wie haben Sie sich kennengelernt? Schilden Sie mir die Geschichte genau.

BF: Ich habe in einem Friseursalon gearbeitet. Ich bin ein Meister in meinem Beruf. Er ist zu mir gekommen, um seine Haare zu schneiden. So haben wir uns kennengelernt. Er hat mir Komplimente gemacht und hat gesagt, dass er aus der Ukraine gekommen ist, aus dem Krieg in Donezk. Er hat gesagt, dass er bei Freunden oder Bekannten in XXXX wohnt und dass er vorher gearbeitet und derzeit nicht arbeitet. Er ist einmal in der Woche gekommen und wir haben geredet. Dann nach der Arbeit, in der Nacht, bin ich mit ihm spazieren gegangen. Ich dachte nicht, dass das so schlimme Folgen haben wird. XXXX schaute auch nicht aus, wie ein Tschetschene und trotzdem hat niemand danach gefragt. Ich verstehe, dass ich nicht richtig vorgegangen bin.

R: Wie ging es weiter?

BF: Wir haben geredet, er ist wie ein normaler Kunde in den Salon gekommen. Dann sind wir manchmal am Abend spazieren gegangen, nicht immer aber manchmal. Er kam dann zu mir zu Besuch[…], aber ich weiß nicht, wer das weitergeleitet hat.

Bei uns ist das so, dass die Leute nach der Arbeit zuhause sitzen. Es ist nicht so wie hier, dass man am Abend vielleicht noch raus geht. Deswegen dachte ich nicht, dass ein Bekannter das sehen wird und erzählen wird. Niemand hat mich gefragt, wer er ist und welcher Volksgruppe er angehört. Dann bin ich ausgereist. Ich kann ihnen auch jetzt keine Garantie geben, dass mich von einem solchen Mann lossagen kann, wenn er jetzt vor mir stehen würde. Ich möchte mein Leben gestalten, so wie ich es will.

R: Sie haben sich kennengelernt und gingen spazieren, was war dann?

BF: Irgendwer hat diese Information weitererzählt, dass er bei mir zuhause war. Meine Schwester hat mich dann angerufen und mir erzählt, dass man es weiß und dass es besser wäre, Tschetschenien zu verlassen, weil das eine Schande für alle ist.

R: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

BF: Man könnte mich dort umbringen – leise und ohne darüber zu sprechen, so wie man das meistens macht.

R: Wer konkret sollte Ihnen warum konkret etwas antun wollen?

BF: Meine Verwandten und mein Bruder. Wenn man darüber spricht und wenn es bekannt wird, dann können das nicht nur die Verwandten machen, sondern auch unsere Beamten.

R: Was würde passieren, wenn Sie (hypothetisch) an einen anderen Ort in der Russischen Föderation außerhalb TSCHETSCHENIENS zurückkehren müssten, zB nach SARATOV, MOSKAU, OMSK, STAWROPOL oder WLADIWOSTOK?

BF: Wir können in ganz Russland reisen. In Russland könnte man mich jederzeit finden, weil dort Reisefreiheit ist, nur in Europa wäre es ein Problem mich zu finden.

R: Waren Sie in Österreich jemals einer Bedrohung ausgesetzt?

BF: Nein. Hier in Österreich habe ich keinen Kontakt zu Tschetschenen, weil ich Angst habe, weil sie zu viele Fragen stellen, weil ich nicht verheiratet bin. Bei uns ist es nicht üblich, dass eine Frau alleine irgendwohin reist. Sie sind verwundert, warum ich als eine nicht verheiratete Frau einfach so ausgereist bin. Ich habe in der Pension eine Mitbewohnerin gehabt. Ich habe bei der EB gesagt, dass ich die Kopie meines Einvernahmeprotokolls nicht mitnehmen will, weil ich Angst hatte, dass meine Mitbewohnerin vielleicht das Dokument lesen könnte und meine Geschichte erfährt.

R: Sie haben Die Grundschule XXXX in XXXX absolviert. Wo liegt das?

BF: Das ist in der Nähe von XXXX .

R: Wie weit ist XXXX von XXXX mit dem Auto entfernt?

BF: Mit dem Auto vielleicht 10-15 Minuten.

R: Sie sind in XXXX , KASACHSTAN, geboren. Wie alt waren Sie, als Sie in die Russische Föderation gezogen sind?

BF: Man hat mir gesagt, dass ich damals vier Monate alt war. Das war kurz nach meiner Geburt.

R: Haben Sie außer in XXXX sonst noch wo gewohnt?

BF: Ich habe in XXXX gelebt und in XXXX . In XXXX war ich nicht, ich wurde dort nur geboren.

R: Wann sind Ihre Eltern gestorben?

BF: XXXX .

R: Beide?

BF: Ja.

R: In der Erstbefragung gaben Sie an, dass Ihre Mutter XXXX verstorben ist, Ihr Vater vor 25 Jahren. Warum geben Sie das so an und nicht, dass ihr Vater ein Jahr nach Ihrer Mutter, XXXX , gestorben ist?

BF: Ich habe damals gesagt, dass meine Eltern XXXX verstorben sind und dann im Zuge des Gesprächs habe ich gesagt, dass das vor 25 Jahren war.

R: Als Ihre Eltern gestorben sind waren Sie ca. 20 Jahre alt. Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Man hat mir geholfen, die Schwester[n] haben mir geholfen. Ich hatte kein eigenes Geld.

R: Laut Erstbefragung haben Sie als FRISEURIN gearbeitet. Von wann bis wann haben Sie wo gearbeitet? (angestellt, eigener Salon, wenn ja, beschreiben Sie den…)

BF: Ich habe 2003 diese Arbeit gefunden. Das war ein Salon für Frauen, Männer und Kinder, halt für alle. Wir haben keinen Lohn bekommen, wir haben einfach für diese Arbeitsstelle bezahlt. Es hat drei Meister in unserem Salon gegeben und jeder hat für die Stelle bezahlt, wo er die Kunden bedient. Deswegen konnte ich mittags, nachmittags oder vormittags zur Arbeit kommen. Das hat den Besitzer des Salons insofern nicht interessiert, weil er sowieso das Geld bekommen hat. So habe ich Geld verdient. Wenn wir genügend Kunden hatten, dann haben wir auch Geld verdient und wenn wir keine hatten oder zu wenige, mussten wir trotzdem Miete zahlen. Der Salon war in XXXX , fast an der Zentralstraße. Auf Nachfrage, war der Salon am Prospekt XXXX

R: An welcher Ecke oder Kreuzung war der Salon?

BF: Die Ecke weiß ich jetzt nicht, aber es gibt die zentrale Straße dort. Dort gibt es einen Tunnel und übe[r] dem Tunnel gibt es eine Eisenbahn. Wenn man vom Tunnel rauskommt, ich meine wenn man vom Zentrum der Stadt hinausfährt, ist es vor dem Tunnel und wenn man von der anderen Richtung fährt, ist es nach dem Tunnel. Wenn man vom Zentrum kommt ist er rechts.

R: Wer waren Ihre Kollegen dort? Waren das Männer oder Frauen?

BF: Nur Frauen. Bei uns sind Männer als Friseure äußert selten, vielleicht nur sehr wenige.

R: Wo und mit wem zusammen haben Sie gelebt?

BF: Ich habe mit meinem Bruder gelebt. Ich habe auch eine Wohnung in XXXX gemietet.

R: Sie gaben an, dass Sie zur Arbeit nach XXXX gependelt sind. Wie sind Sie gependelt? Auto, Bus, Zug?

BF: Bei uns gibt es keine normalen Busse, sondern Kleinbusse und auch Taxis.

R: Sie gaben an, dass Sie eine Wohnung in XXXX gemietet haben. Wie lange hatten Sie die?

BF: Das genaue Jahr kann ich nicht sagen, aber ich glaube, dass ich diese Wohnung drei oder vier Jahre hatte.

R: Warum sind Sie dennoch abgesehen von den Wochenenden täglich zu Ihrem Bruder gependelt und haben dort gelebt, wenn Sie eine Wohnung in XXXX h[a]tten?

BF: Weil die nicht wussten, dass ich eine Wohnung miete.

R: Aber es muss Ihrem Bruder aufgefallen sein, wenn Sie nächtens nicht da waren?

BF: Es war so, dass mit mir eine ältere Kollegin gearbeitet hat. Diese Kollegin hat eine Wohnung im gleichen Haus gehabt, wie der Friseursalon. Ich habe bei ihr übernachtet. Hinter dem Haus waren fünfstöckige (russische Zählweise) Häuser. Das, was ich meine, in dem sich der Friseursalon befand, war neunstöckig. Das Haus und der Salon hießen XXXX (D: Das bedeutet „kräftig“, „riesig“). Meine Wohnung war in einem der fünfstöckigen Häuser.

R: Also hinter dem Salon?

BF: Ja.

R: Was ist die Adresse Ihrer Wohnung in XXXX ?

BF: Jetzt kann ich es nicht mehr sagen, ich kann mich nicht mehr erinnern. Es ist nämlich nicht so kompliziert, wie hier, wenn man eine Wohnung mietet. Man wird nicht gemeldet. Wir zahlen auch nicht für Strom oder Sonstiges, sondern zahlen einfach eine Pauschale.

R: Aber Sie müssen die Adresse zu Ihrer Wohnung wissen?

BF: Ich kann mich nicht erinnern.

R: Wie oft haben Sie in Ihrer eigenen Wohnung übernachtet? Einmal in der Woche, im Monat, im Jahr?

BF: Eigentlich oft, man kann nicht sagen, dass das ein oder zwei Mal war. Wir haben bis spät nachts gearbeitet. Es ist nicht so wie hier, dass die Friseure um 5 oder 6 schließen. Wir haben sogar manchmal bis Mitternacht gearbeitet.

R: Meinen Sie mit „oft“. Dass Sie mehrmals die Woche in Ihrer Wohnung geschlafen haben?

BF: Ja.

R: Und wann haben Sie bei Ihrer Kollegin geschlafen?

BF: Ich habe bei ihr geschlafen, bevor ich die Wohnung gemietet habe.

R: Was war Ihre Dienstbekleidung?

BF: Ich war gekleidet, so wie jetzt, das war kein Unterschied. (Offenes Haar, [L]angarm-Kleid, knielang und Overknee-Stiefel). Die Leute bei uns waren natürlich nicht zufrieden, dass wir in solcher Kleidung arbeiten, ohne Kopftuch und keine lange Bekleidung. Sie wissen, dass es bei uns ungeschriebene Gesetze gibt. Ende des Jahres hat es immer eine Überprüfung geben, in den Salons und Geschäften. Wenn die Beamten nichts zu beanstanden hatten, weil die Papiere in Ordnung waren, haben sie begonnen Probleme bei unserer Kleidung zu suchen. Sie sagten, die Frauen haben keine Kopftücher auf und zu kurze Sachen. Sie sind mit Kameras gekommen, damit das auch in die Nachrichten kommt, weil uns Kultur fehlt. Dann musste unser Besitzer Geld bezahlen und eine Woche später durfte der Salon wieder öffnen.

R: Wann wurde der Salon geschlossen?

BF: Das war jedes Jahr so. Ende des Jahres musste man nämlich der Regierung vorlegen, wie gut man arbeitet. Die Beamten machten Ende des Jahres eine Überprüfung.

R: Das heißt, den anderen Salons ging es gleich?

BF: Außer den Salons von diesen Leuten. Neben uns gab es ein Salon namens „VIP“. Er gehörte der Nichte von Kadirow, dort hat es keine Überprüfungen gegeben.

R: Wo war der Unterschied zwischen Ihrem Salon und dem Salon der Kadirow?

BF: Das war der Salon von den Leuten, der die ganze Republik gehörte. Die werden sich wohl nicht selber bezahlen.

R: Das heißt, der einzige Unterschied war, dass diese nicht zahlen mussten?

BF: Ja.

R: Wo leben Ihre Schwestern XXXX ?

BF: In XXXX . XXXX lebt in XXXX (Offizieller Name XXXX ist die Koseform) auch und XXXX Koseform) lebt in XXXX . Wir haben fast alle russische Vornamen, weil wir in Kasachstan geboren wurden. XXXX lebt in XXXX .

R: Wovon leben sie? Wie geht es ihnen?

BF: Die Älteren sind schon in der Pension. Die ältere hat überhaupt nie gearbeitet, sie war Hausfrau. XXXX hat als Sekretärin gearbeitet und jetzt schon in Pension. XXXX hat als Buchhalterin gearbeitet und XXXX hat auch nie gearbeitet, sie war Hausfrau.

R: Wie halten Sie von Österreich aus Kontakt mit Ihren Schwestern?

BF: Gar keinen.

R: Wieso nicht?

BF: Ich will es nicht, ich habe Angst.

R: Wo lebt Ihr Bruder XXXX ?

BF: Er lebt in der Siedlung XXXX .

R: Wovon lebt er? Wie geht es ihm?

BF: Ich weiß nicht, ob er arbeitet oder nicht.

R: Wie halten Sie von Österreich aus Kontakt mit ihm?

BF: Ich kontaktiere ihn nicht.

R: Sie haben im Verwaltungsverfahren von einem Bräutigam erzählt. Meinen Sie damit XXXX ?

BF: Ja, XXXX .

R: Wann und woran ist XXXX gestorben?

BF: Er war krank, aber er hat mir nicht gesagt, dass er krank ist. Man hat ihn aber angesehen, dass er krank ist. Er ist ganz dünn geworden, so dünn, wie ich, aber er hat mir trotzdem nicht gesagt, was er hat.

R: Wann ist er ungefähr gestorben?

BF: Ca. 2010.

R: Waren Ihre Eltern Einzelkinder?

BF: Sie sind schon alle verstorben.

R: Gibt es Onkel und Tanten?

BF: Sie hatten schon Geschwister.

R: Wie ist die Beziehung zu Ihren Onkeln und Tanten?

BF: Derzeit haben wir keinen Kontakt.

R: Und als Sie in Russland gelebt haben?

BF: Als Verwandte hatten wir natürlich Kontakt zueinander. Bei uns ist es nicht üblich keinen Kontakt zu seinen Verwandten zu haben. Es gab keine Probleme mit ihnen.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

R: Sie sind mit 44 Jahren nach Österreich eingereist. Waren Sie im Herkunftsstaat jemals verheiratet?

BF: Nein.

R: In welchem Zusammenhang steht dann das Vorbringen in der Beschwerde zur Zwangsheirat?

BFV: Es handelt sich um ein allgemeines Vorbringen zu Frauenrechten, ohne Bezug auf die BF.

R: Sie haben Ihren Lebensunterhalt selbst verdient, selbst eine Wohnung gemietet, gearbeitet, Schule und Ausbildung absolviert. In welchem Zusammenhang steht dann das Vorbringen in der Beschwerde zur frauenverachtenden Unterdrückung im patriarchalen Familienverband, in dem Frauen abhängig sind von ihren Ehemännern, Brüdern oder Verwandten?

BFV: Auch das hat keinen Zusammenhang mit dem Vorbringen der BF.

BF: Bei uns sind die Frauen an zweiter Stelle. Es ist nicht so, wie in Österreich. Es gibt keine Gleichberechtigung. Bei uns ist der Mann an erster Stelle.

R: Sie sind 50 Jahre alt und haben die Russische Föderation im Alter von 44 Jahren verlassen. In welchem Zusammenhang steht das Beschwerdevorbringen zur Gefährdung junger Frauen?

BFV: Hier besteht kein Zusammenhang zur BF.

R: Wann wurde Ihnen der Auslandsreisepass ausgestellt?

BF: Ich kann mich nicht mehr erinnern.

R: 2002 oder 2014?

BF: Ich kann mich wirklich nicht erinnern, echt nicht.

R: Warum sollte der Schlepper den Auslandspass einbehalten?

BF: Ich weiß es nicht. Er hat mir das nicht erklärt.

R: Sie gaben an, dass Sie von der UKRAINE aus im Fonds des PKW sitzend nach Österreich gereist sind. Wie kann es sein, dass Sie da nicht mitbekommen haben, durch welche Staaten Sie durchquert haben und keine Grenzkontrollen wahrgenommen haben?

BF: Ich weiß nicht. Ich stand unter großem Stress und habe die ganze Zeit geweint. Ich kann mich auch jetzt nicht erinnern, es ist viel Zeit vergangen. Ich war in dem Lager 10 Tage lang und habe in der Zeit 10kg abgenommen. Damit meine ich XXXX .

R: Woher wussten Sie, dass Sie nach XXXX fahren mussten, um den Asylantrag zustellen?

BF: Ich weiß es nicht, der Taxifahrer hat mich dorthin gebracht. Ich kann keine Fremdsprache, ich kann weder Englisch noch Deutsch.

R: Meinen Sie mit Taxifahrer den Schlepper?

BF: Der, der mich hierhergebracht hat, hat mich nach Wien gebracht. Er hat mir gesagt, dass das Wien ist und dann bin ich mit einem Taxi weitergefahren.

R: Warum war Österreich Ihr Reiseziel?

BF: Ich wurde hierhergebracht. Ich dachte nicht, dass ich nach Österreich komme. Wir sind nicht einmal während des Krieges ausgereist. Es ist sehr schwer in meinem Alter das Land zu verlassen. Ich konnte die Sprache nicht und habe hier keine Verwandten.

R: Warum sind Sie nicht innerhalb der Russischen Föderation umgezogen?

BF: Weil man mich dort leicht hätte finden können. Wir können in Russland ja frei reisen.

[…]

R: Sie geben an, dass Sie mit einem URKAINER zusammenwaren. Ist das dieser XXXX ?

BF: Ja.

R: Welcher Volksgruppe gehörte er an, welche Religion hatte er und wie haben sie sich unterhalten?

BF: Wir haben uns auf Russisch unterhalten. Er war Christ.

R: Warum hat sich Ihr Freund in TSCHETSCHENIEN aufgehalten?

BF: Ich weiß es nicht, wahrscheinlich ist er nach XXXX gekommen, weil XXXX in der Nähe von XXXX ist. Ich habe ihn nicht gefragt.

R: Sie gaben in der Einvernahme an, dass er in XXXX , bei Bekannten lebte. Warum sollte er im 3h mit dem Auto entfernten XXXX zum Friseur gehen?

BF: Er ist nicht extra zum Friseur nach XXXX gekommen, aber als er nach XXXX kam, ging er gleich zum Friseur, um sich die Haare schneiden zu lassen. Ich glaube nicht, dass er extra zum Friseur gefahren ist, sondern aus einem anderen Grund nach XXXX gekommen ist.

R: Aus welchem Grund?

BF: Ich habe ihn nicht gefragt.

R: Dann kam er jede Woche ins 3 Stunden entfernte XXXX , um Sie zu besuchen?

BF: Ja.

R: Wo hat er da übernachtet?

BF: Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht so detailliert Fragen gestellt. Ich habe nur zugehört, wenn er etwas erzählt hat.

R: Warum ist er als russischer Ukrainer gerade nach XXXX geflüchtet und nicht in einen anderen Teil der Russischen Föderation, wo doch der KAUKASUS wirtschaftlich schwach ist und es immer wieder zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, wenn er vor dem Krieg flüchtet? Auf Russisch hätte er sich in anderen Landesteilen auch leichter getan.

BF: Er hatte dort nur Bekannte. So genau weiß ich nicht, warum er dorthin geflüchtet ist.

R: Sie haben angegeben, dass Sie Ihren Freund im Frisiersalon kennengelernt haben. Ist es in XXXX üblich, dass in einem Friseurstudio Männer und Frauen frisiert werden und dass Friseurinnen auch Männer betreuen?

BF: Ja, bei uns ist es so: In einem Salon werden an einer Seite die Frauen bedient und an der anderen Seite die Männer. Es ist so wie hier (deutet auf den Corona-Plexiglasschirm). Allerdings ist es nicht aus Plexiglas, es wird nur abgrenzt. Die Waschplätze waren an einer Stelle, das heißt, dort wurden Männer und Frauen bedient.

R: Wie passt das zur strikten Geschlechtertrennung, die Sie in der Beschwerde vorbringen?

BF: Ich habe immer gesagt, dass in unserem Salon Männer und Frauen bedient wurden.

R: Wie passt dieses Vorbringen, Ihr UKRAINISCHER Freund habe sich jede Woche mit Ihnen in Ihrem Salon getroffen, mit Ihrem Beschwerdevorbringen, dass in Tschetschenien nur im HIJAB arbeiten dürfen, zusammen?

BF: Dort, wo Männer bedient werden beim Friseur, arbeiten die Frauen nicht im Hijab. Nur dort, wo Frauen sind, dort tragen die Frauen Hijab.

R wiederholt die Aussage und fragt, ob Sie sie richtig verstanden hat.

BF: Die, die Hijab tragen, arbeiten nur als Frauenfriseurinnen. In dem Teil des Salons, wo die Männer bedient werden, arbeiten die Frauen so angezogen wie ich, höchstens mit einem Kopftuch drüber.

R: Wie ist Ihr Beziehung zu XXXX aktuell?

BF: Wir haben keine Beziehung.

R: Sie sind wegen der Beziehung zu ihm ausgereist. Haben Sie sich nicht ausgetauscht und Kontaktdaten gepflegt?

BF: Nein.

R: Was heißt „Nein“?

BF: Wir haben nicht über dieses Thema gesprochen.

R: Ich verstehe das nicht. Sie sagen, Sie sind mit ihm eine Beziehung eingegangen und sagen auch, dass Sie sich von so einem Mann nicht fernhalten können und dann sagen Sie ihm nicht, dass Sie ausreisen?

BF: Ich hatte Angst um Leben.

R: Warum sind Sie nicht bei ihm in XXXX vorbeigefahren, bevor Sie ausreisen, wenn Sie ihn so lieben?

BF: Ich bin gleich weggefahren, nachdem ich meine Schwester angerufen habe. Ich hatte keine Zeit.

R: Sie haben gesagt, Sie sind von Ihrer Wohnung in XXXX aus aufgebrochen und sofort ausgereist. Gewohnt haben Sie aber bei Ihrem Bruder und dann hatten Sie gleich alles in der Wohnung in XXXX , [was] sie brauchten?

BF: Ja, weil ich meine Dokumente immer bei mir hatte. Das Dokument, das ich Friseurin bin, musste ich auch immer im Salon haben.

R: Acht Monate vor der Ausreise wurde Ihr Pass ausgestellt. Warum haben Sie sich den Pass genau acht Monate vor der Ausreise ausstellen lassen?

BF: Ich verstehe die Frage nicht.

R: Woher wussten Sie im Jänner, dass Sie den Pass brauchen werden?

BF: Ich dachte, dass wir vielleicht eine Reise machen können.

R: Wer ist wir? XXXX kannten Sie erst zwei Monate lang.

BF: Mit Kolleginnen.

R: Wohin wollten Sie reisen?

BF: In die Türkei oder irgendwohin zur Erholung. Die ältere Frau, bei der ich übernachtet habe, die Kollegin, ich wollte mir ihr und ihren Kindern gemeinsam Urlaub machen.

R: Erstmals in der Beschwerde bringen Sie vor, von der Familie und Ihrer Nachbarschaft wegen Ihres modernen Lebens unter Druck gesetzt worden zu sein. Wenn Sie in XXXX eine Wohnung mieten und dort arbeiten konnten, warum sind Sie nicht in einen anderen Teil der Russischen Föderation gezogen, um dort so zu leben, wie Sie wollten?

BF: Weil man in Russland frei reisen kann und meine Verwandten hätten mich finden können, weil diese auch frei reisen können.

R: Wie hätten diese Sie finden können?

BF: Bei uns gibt es in ganz Russland Tschetschenen, sie fahren auch hin und her.

R: Es sitzen jetzt Leute vor dem Verhandlungssaal. Wer ist das?

BF: Eine Bekannte von mir.

R: Und der Mann daneben?

BF: Das ist ihr Bekannter.

R: Wer sind diese Personen, die vor der Tür sitzen?

BF: Ich habe die Frau hier kennengelernt.

R: Nennen Sie die Namen.

BF: Den Familiennamen des Mannes weiß ich nicht und den Vornamen weiß ich auch nicht. Ich bin mit der Bekannten hergekommen, sie heißt XXXX . Sie ist auch Tschetschenin. Sie ist in Scheidung und hat keinen Mann. Ansonsten habe ich mit niemanden Kontakt.

R: Und der Mann, der neben Ihr sitzt, ist nicht ihr Mann?

BF: Nein.

R: Sie haben vorher angegeben, dass in Russland überall Tschetschenen sind und dass Sie in Österreich mit keinen Tschetschenen Kontakt haben. Es sitzen zwei Tschetschenen vor dem Verhandlungssaal. Können Sie das erklären?

BF: Ich weiß, dass ich das gesagt habe. Wir sind nur Freunde und ich erzähle ihr nichts. Sie ist in Scheidung und hat keinen Mann. Ich habe mich nicht getraut, allein zu fahren. Sie ist mit mir gefahren.

R: In der Einvernahme gaben Sie an, an XXXX zu leiden, sie hatten einen XXXX . Im September 2015 wurden Sie wegen XXXX behandelt. Laut Befund vom OKTOBER 2020 haben Sie XXXX , aber es ist alles in Ordnung. Laut Befund vom JULI 2020 haben Sie wegen behaupteter XXXX untersucht, es liegt aber ein kompletter Normalbefund vor. Laut Befunden von APRIL und MAI 2020 wurden Sie wegen XXXX untersucht, es liegt ein Normalbefund vor. Laut Befund vom JÄNNER 2020 wurden Sie wegen XXXX untersucht. Auch diesbezüglich liegt ein Normalbefund vor. Auch die XXXX aus OKTOBER 2019 ist unauffällig. Den Befunden zu Folge sind Sie also gesund.

BF: Ja.

R: Laut dem Befund von NOVEMBER 2020 haben Sie nicht von der Notwendigkeit einer XXXX überzeugt werden können, Sie überlegen noch. Was ist die weitere Vorgangsweise?

BF: Man hat mir zwei Varianten angeboten, ich konnte mich nicht entscheiden. Der Arzt sagte, dass ich wieder zum Augenarzt gehen soll und mich beraten lassen solle. Er sagte mir, dass ich mir das noch überlegen kann und wenn es in einem halben Jahr sein wird, ist es auch noch nicht zu spät.

R: Wie geht es Ihnen psychisch?

BF: Jetzt? Gut.

R: Sind Sie aktuell in psychiatrischen Behandlung?

BF: Nein.

R: Laut dem psychiatrischen Befund vom Verein XXXX litten Sie an einer XXXX Dr. XXXX forderte für Sie eine Verlegung aus psychiatrischen Gründen und verschrieb XXXX . Wie ging die Behandlung weiter?

BF: Ich kann mich nicht erinnern, aber ich nehme die Tabletten nicht.

R: Als Belastungsfaktoren gab er im Befund nur Konflikte mit den Mitbewohnern betreffend Küche und Bad an, v.a. wegen der Hygiene. Auch im Befund des psychosozialen Zentrum XXXX wird ausschließlich Ihre Wohnsituation – Zimmer gemeinsam mit zwei Syrerinnen und einer Somalierin – als Belastungsfaktor angegeben. Ist das der Grund für Ihre XXXX , die Sie gehabt haben?

BF: Ja, wir haben zu viert dort gelebt, als ich in XXXX gelebt habe.

R: Dr. XXXX gibt an, „nur was Sie früher in der Heimat erlebt haben, können Sie nicht vergessen“. Sie geben an, dass Sie auf Grund eines Anrufes Ihrer Schwester ausgereist sind, bevor etwas passiert ist. Können Sie mir das erklären?

BF: Ich weiß, was später passieren hätte können. Ich bin nicht in so einem Alter, dass ich normal Geld verdienen kann, normal arbeiten kann und normal leben kann (Im Zuge der Rückübersetzung: Ich habe normal gelebt und konnte normal Geld verdienen). Ich würde nicht wegfahren, wenn es nicht einen wirklich wichtigen Grund gegeben hätte. Ich bin in ein fremdes Land gefahren, ohne die Sprache zu kennen. Ich bin auch schon älter und es ist schwierig eine neue Sprache zu erlernen. Ich habe selbst nicht verstanden, wie Leute in ein fremdes Land reisen können, ohne die Sprache zu sprechen. Ich habe keine Verwandten, niemanden.

R: Das Psychosoziale Zentrum XXXX gibt an, dass Sie bereits seit 1996 an chronischen XXXX gelitten haben. Wie wurden die in der Russischen Föderation behandelt?

BF: Ich hatte dort keine Behandlung.

R: Wie geht es Ihnen sonst gesundheitlich? Gibt es ein Problem, dass nicht zur Sprache kam?

BF: Nein, es gibt keine Probleme. Ich war schon bei den Ärzten. Ich bin jetzt nur im XXXX und habe deswegen Frauen-spezifische Probleme.

R: Welche Behandlung wegen welcher Erkrankungen erhielten Sie in der Russischen Föderation?

BF: Ich war niemals in Behandlung in Russland.

R: Sie legten am 03.02.2016 das Zertifikat über Ihre Friseurausbildung vor, warum erst zu diesem Zeitpunkt?

BF: Was meinen Sie?

R: Hatten Sie das ganze Zeit bei sich oder hat man es Ihnen erst später geschickt?

BF: Ich hatte es mit und habe es bei der Einvernahme auch vorgelegt.

R: Wann legten Sie den Inlandsreisepass vor?

BF: Ich habe den Pass abgegeben, in XXXX . Ich habe eine Bestätigung.

R: Möchten Sie zu den Länderberichten vom 21.07.2020 etwas angeben?

BFV: Nein, danke.

R: Leben Sie in Österreich allein oder in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Ich bin alleine, aber ich würde gerne eine Beziehung eingehen.

R: Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt, seit Sie in Österreich sind?

BF: Ich verdiene hier kein Geld, ich lebe in der Pension.

R: Haben Sie versucht, in Österreich Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit, zB im Rahmen von Dienstleistungscheques, herzustellen?

BF: Ich gehe zu Frau Dr. XXXX . Sie hat zwei kleine Söhne. Ich helfe ihr manchmal zuhause beim Putzen und sowas, z.B. vorgestern habe ich mich um ihren kleinen Sohn gekümmert, wir haben Bücher gelesen.

R: Bekommen Sie das bezahlt?

BF: Ja, sie hat mir Geld bezahlt. Ich glaube, dass das Wort Scheck gefallen ist.

R: Wenn dann würden Sie ihn ausgehändigt bekommen haben.

BF: Nein, ich glaube, dass sie mir das Geld auf mein Konto überwiesen hat.

R: Welche Fortbildungsmaßnahmen haben Sie in Österreich gesetzt? Im Akt erliegt nur die Bestätigung über einen Werte- und Orientierungskurs aus 2017!

BF: Was meinen Beruf anbelangt, konnte ich noch keine Bestätigung bekommen. Ich würde das gerne machen, aber ich brauche zuerst Papiere. Ich habe Deutschkurse gemacht.

R: Im Akt erliegt nur das Zeugnis vom 27.11.2019 für das Niveau A2! Welche Deutschkurse und –prüfungen haben Sie seither absolviert?

BF: Ich besuche einen Kurs, aber das ist nur Online-Unterricht wegen der Coronasituation. Früher ist die Frau zweimal pro Woche zu uns gekommen, jetzt ist es online.

R: Laut dem Empfehlungsschreiben vom OKTOBER 2020 verbessern Sie wöchentlich Ihre Deutschkenntnisse, laut der Bestätigung über den Kursbesuch des B1-Kurses vom NOVEMBER 2020 ist Ihr Deutschniveau immer noch zwischen A2 und B1! Was sagen Sie dazu?

BF: Ich weiß, dass es noch zu wenig ist, aber in meinem Alter und mit meinem Gedächtnis ist es nicht leicht. Ich habe schon seit ich ein Kind Probleme mit meinem Gedächtnis. Ich kann ein Gedicht auswendig lernen, aber wenn ich einen Film anschaue und den Fernseher danach abdrehe, weiß ich nicht mehr, was ich gesehen habe. Jüngeren fällt das leichter.

R: Sie haben einen Kurs über medizinische Kommunikation gemacht, laut den vorgelegten Befunde brauchen Sie immer noch einen Dolmetscher bei den Untersuchungen. Warum?

BF: Weil ich nicht wirklich gut verstehe, was man mir sagt.

R: Wie schätzen Sie Ihre Deutschkenntnisse ein?

BF: Nicht sehr gut. Ehrlich gesagt, würde ich gerne jeden Tag Kurse machen, damit ich die Sprache auch gut kann. Zweimal in der Woche ist zu wenig, weil ich es dazwischen vergessen. Ich würde lieber mehr Kurse machen und lernen.

R fordert den BF auf, die folgenden Fragen auf Deutsch zu beantworten:

R: Wie sind Sie nach Wien gekommen?

BF: Heute?

R: Heute.

BF: Mit Mitfahrer, Taxi.

R: Wo wohnen Sie in der XXXX ?

BF: In XXXX , im XXXX Bezirk.

R: Wie verbringen Sie dort Ihre Freizeit?

BF: Ich laufe dreimal pro Woche. Ich besuche einen Gitarrenkurs. Im Sommer gehe ich schwimmen. Ich gehe in die Sauna, usw. Ich lerne zuhause auch ein bisschen Deutsch. Wenn man in Kirchen Hilfe braucht, wenn es ein Fest gibt, dann… Ich viel spazieren, einkaufen. Einmal war ich mit einer Frau, der Frau, die draußen sitzt, in der Oper, sie hat mich eingeladen.

R stellt fest, dass die BF grundlegende Deutschkenntnisse aufweist und die Verdolmetschung der Verhandlung notwendig ist.

R: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

BF: Nein.

R: Sind Sie Mitglied an einer Musikschule Mitglied oder wo haben Sie den Gitarrenkurs?

BF: Ich besuche einen Kurs. Ich lerne Gitarre spielen.

R: Sind Sie ehrenamtlich tätig? Im Akt erliegt nur eine Bestätigung der XXXX im Ausmaß von 2 h von FEBRUAR bis AUGUST 2017 in der Sachspendensortierung. Welche Tätigkeiten üben Sie in welchem Ausmaß für XXXX aus?

BF: Zuerst waren es zwei Stunden bei der XXXX und dann vier Stunden. Im XXXX helfen wir am Samstag. Wir sammeln Müll auf der Straße und wenn Bezirksfest ist, dann helfen wir beim Putzen und Kochen, aber heuer ist alles anders wegen Corona.

R: In welchem Ausmaß arbeiten Sie dort regelmäßig? Ist das Stundenweise?

BF: Wenn etwas vorbereitet wird, z.B. eine Feier, dann helfen wir mit.

R: Und das Müllsammeln, ist das etwas Regelmäßiges?

BF: Einmal im Jahr gibt es eine Samstagsaktion. Früher gab es öfter Feiern, aber jetzt ist es nicht mehr so. Ich habe auch ein Foto, da gab es eine Feier, an der ich teilgenommen habe und ich habe dort auch geholfen.

BF zeigt vor, Fotos vom XXXX , offenbar ein Treffen im Sommer, gemeinsames Essen, Krippenspiel, Weihnachtsfotos in der Küche und offensichtlich bei einem Ausflug.

Die Fotos werden gesichtet und an BF retourniert.

R: Warum sind Ihre Bindungen zu Österreich intensiver und schützenswerter als Ihre Bindungen zur Russischen Föderation?

BF: Weil ich mich hier frei fühle. Ich kann z.B. zum Schwimmbad gehen und schwimmen, ich kann mich mit Sport beschäftigen, ich kann in Sportbekleidung joggen, ich kann Fahrrad fahren. Zuhause durfte ich das nicht. Jetzt tragen dort noch mehr Frauen eine geschlossene Kleidung. Ich möchte so bleiben, wie ich bin.

R: Möchten Sie noch Beweismittel vorlegen, die Sie bisher im Verfahren noch nicht vorgelegt haben?

BF: Nein, ich habe sonst nichts.

R: Möchten Sie Fragen an die Beschwerdeführerin stellen?

BFV: Wie sieht XXXX aus? Welche Größe hat er, wie schaut sein Gesicht aus, etc.?

BF: Er hat dunkles Haar gehabt, hat sportlich ausgeschaut. Was die Gesichtsfarbe anbelangt, kann man nicht sagen, dass er dunkel war, aber sehr hell war es auch nicht.

BFV: Lieben Sie XXXX bzw. haben Sie ihn geliebt?

BF: Ja, er gefällt mir.

BFV: War XXXX für Sie nur ein netter Freund oder haben Sie ihn geliebt? War er ein Kumpel oder ein Geliebter?

BF: Ich kann nicht sagen, dass ich ihn tiefgreifend geliebt habe. Wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, hätte sich vielleicht etwas entwickelt.

BFV: Keine weiteren Fragen, danke.

R: Möchten Sie eine abschließende Stellungnahme abgeben?

BF (weint): Ich möchte, dass Sie mich als Frau verstehen. Ich habe das nicht absichtlich gemacht, ich kann meinem Herzen keine Befehle erteilen.

BFV: Nein, danke.

R an D: Was ist der Eindruck bezüglich der Russischkenntnisse der BF?

D: Sehr gut, es gab keine Verständigungsschwierigkeiten.

R an D: Ist Russisch die Muttersprache der BF oder die Zweitsprache?

D: Das kann ich nicht sagen, ob sie noch eine zweite Sprache auf diesem Niveau spricht, aber Russisch spricht sie perfekt.

R fragt die BF, ob er die Dolmetscherin gut verstanden habe; dies wird bejaht.

R: Die Dolmetscherin wird Ihnen jetzt die gesamte Verhandlungsschrift rückübersetzen. Bitte passen Sie gut auf, ob alle Ihre Angaben korrekt protokolliert wurden. Sollten Sie einen Fehler bemerken oder sonst einen Einwand haben, sagen Sie das bitte.

[…]“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

1.1.1. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie ist volljährig, Staatsangehörige der Russischen Föderation, Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Sie ist ledig und hat keine Kinder. Sie spricht Russisch und Tschetschenisch auf muttersprachlichen Niveau.

1.1.2. Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX in KASACHSTAN, XXXX , geboren und verzog gemeinsam mit ihrer Familie kurz nach der Geburt in die RUSSISCHE FÖDERATION, Teilrepublik TSCHETSCHENIEN. Sie besuchte dort zehn Jahre lang die Grundschule und absolvierte eine drei- bis viermonatige Friseurausbildung. Ihre Eltern sind bereits 1989/90 verstorben; danach sorgten ihre Schwestern für ihren Lebensunterhalt. Sie war seit 27.06.1996 in der Siedlung XXXX , registriert. Die Beschwerdeführerin arbeitete seit 2003 in einem Friseursalon. Wo sich dieser Friseursalon befand, kann nicht festgestellt werden, insbesondere ist nicht glaubhaft, dass sich der Salon in TSCHETSCHENIEN befand. Sie arbeitete dort bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2014 als Friseurin und konnte so ihren Lebensunterhalt selbstständig finanzieren. Die Beschwerdeführerin hatte eine eigene Mietwohnung. Dass sie in TSCHETSCHENIEN an zwei verschiedenen Wohnsitzen gelebt hat, kann nicht festgestellt werden.

Die Beschwerdeführerin verschleiert ihren Reiseweg nach Österreich; es kann nicht festgestellt werden, wie die Beschwerdeführerin nach Österreich reiste und wann sie einreiste.

1.1.3. Die Beschwerdeführerin hat insgesamt vier Schwestern namens XXXX und XXXX sowie einen Bruder namens XXXX . Die zwei ältesten Schwestern sind Pensionistinnen (früher Hausfrau bzw. Sekretärin) und in XXXX aufhältig. XXXX ebenfalls in Pension (früher Buchhalterin) und ihr Bruder, dessen Beruf nicht festgestellt werden kann, leben in XXXX . XXXX ist Hausfrau und lebt in XXXX . Die Beschwerdeführerin steht auch von Österreich aus in Kontakt mit ihren Verwandten, insbesondere ihren Schwestern.

1.1.4. Die Beschwerdeführerin litt an XXXX , verursacht durch einen XXXX . Sie wurde im September 2015 wegen XXXX behandelt. Aktuell ist die Beschwerdeführerin im XXXX , bedarf aus diesem Grund aber keiner Behandlung.

Im Laufe des Jahres 2020 wurde die Beschwerdeführerin aufgrund von angegebenen XXXX untersucht. In allen Fällen war ihr Befund normal.

Laut Befund vom 03.11.2020 leidet die Beschwerdeführerin an XXXX , konnte aber von der Notwendigkeit einer XXXX bisher nicht überzeugt werden. Sie bedarf regelmäßiger augenärztlicher Kontrollen.

Der Beschwerdeführerin litt am Anfang ihres Aufenthalts an einer XXXX ; diese stand im Zusammenhang mit der damaligen Wohnsituation; das ihr zur Behandlung verschriebene Medikament XXXX nahm sie nicht, sie war auch nicht in psychiatrischer Behandlung. In ihrem Heimatstaat litt die Beschwerdeführerin seit 1996 an chronischen XXXX , die aber nicht behandelt wurden. Aktuell liegt keine psychische krankheitswertige Störung vor.

1.1.5. Die Beschwerdeführerin ist arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

1.2.1. Die Beschwerdeführerin war keiner konkreten und individuell gegen sie gerichteten Verfolgung oder Bedrohung wegen einer Liebesbeziehung mit einem Ukrainer oder wegen ihres selbstbestimmten Lebensstils durch ihren Bruder oder andere Verwandten ausgesetzt. Die Beschwerdeführerin hat die RUSSICHE FÖDERATION weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität, noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Bei einer Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION droht der Beschwerdeführerin individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in ihre körperliche Integrität durch russische Behörden, durch ihre Familie oder durch andere Personen.

1.2.2. Der Beschwerdeführerin droht in der RUSSISCHEN FÖDERATION weder eine Zwangsheirat noch eine Verfolgung wegen ihrer Eigenschaft als Frau noch wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der alleinstehenden oder „westlich-orientieren“ Frauen. Ihr droht im Falle der Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION auch keine Verfolgung wegen ihrer Volksgruppen- und/oder Religionszugehörigkeit.

1.2.3. Ferner droht der Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in die RUSSISCHE FÖDERATION wegen ihres Antrags auf internationalen Schutz in Österreich und/oder wegen ihres mehrjährigen Aufenthalts außerhalb der RUSSISCHEN FÖDERATION weder Verfolgung noch sonst psychische oder physische Gewalt.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat:

1.3.1. Die Beschwerdeführerin kann nach TSCHETSCHENIEN oder auch an einen anderen Ort in der RUSSSICHEN FÖDERATION außerhalb Tschetscheniens zB nach Saratov, Moskau, Omsk, Stawropol oder Wladiwostok zurückkehren.

Die Beschwerdeführerin könnte im Falle ihrer Rückkehr eine Wohnung mieten, wie sie es vor ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation tat.

1.3.2. Sie verfügt über ein familiäres Netz in ihrem Heimatstaat, das sie früher bereits unterstützt hat, ist arbeitsfähig und gesund. Sie lebte ihr gesamtes Leben vor der Einreise nach Österreich in der RUSSISCHEN FÖDERATION und spricht perfekt Russisch und Tschetschenisch. Sie schloss in ihrem Herkunftsstaat die Grundschule ab und absolvierte eine Ausbildung zur Friseurin. Sie verfügt über eine ca. zehnjährige Arbeitserfahrung als Friseurin. Die Beschwerdeführerin kann nach der Rückkehr ihren Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit wie vor der Ausreise sichern und wird in keine existenzgefährdende Notlage geraten bzw. es wird ihr nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen. Sie läuft nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Überdies kann sie auf das staatliche Sozialsystem oder auf die Unterstützung ihrer Familie zurückgreifen.

Die Beschwerdeführerin ist mit den russischen und tschetschenischen Gepflogenheiten vertraut und wurde mit diesen sozialisiert.

1.3.3. Im Falle der Abschiebung in den Herkunftsstaat ist die Beschwerdeführerin nicht in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.

Kontrollen durch den Augenarzt sind auch in der RUSSISCHEN FÖDERATION möglich. Die Beschwerdeführerin leidet an keiner lebensbedrohenden physischen oder psychischen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten