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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. April 1995, Zl. 4.305.208/10-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, reiste am 15. September 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am 17. September 1990 den Antrag, ihr Asyl zu gewähren. Bei der am gleichen Tag von der Bundespolizeidirektion Schwechat durchgeführten Ersteinvernahme gab die Beschwerdeführerin an, nie Mitglied einer bestimmten religiösen, ethnischen, politischen oder bewaffneten Gruppe gewesen zu sein. Die Verwandten ihrer Mutter wären jedoch Mitglieder der Modjahedin-Gruppe. Bei den Verwandten handle es sich um die Neffen ihrer Mutter und sie wisse nur, daß diese sehr wichtige Persönlichkeiten in dieser Gruppe gewesen seien. Sie habe auch gehört, daß ihre Verwandten vor ca. vier Jahren hingerichtet worden seien, könne dies aber nicht genau sagen. Ihre Verwandten seien hauptsächlich in Teheran selbst und auch im Norden des Landes tätig gewesen. Sie habe ihr Land verlassen, da sie die Umgebung und die Gesellschaft nicht mehr ertragen könne. Sie habe den Druck der religiösen Vorschriften nicht mehr ausgehalten und sei dadurch psychisch am Ende gewesen. Sie sei vor drei Jahren geschieden worden und lebe seit ihrer Scheidung bei ihren Eltern und werde auch von ihnen unterstützt; sie habe nicht mehr arbeiten können, da sie mit ihren Nerven am Ende gewesen sei. Über eine dritte Person hätten ihre Eltern einen Schlepper kennengelernt, welcher das Ticket besorgt habe. Sie habe eigentlich nur aus dem Iran weg wollen, egal wohin. Da sie jedoch kein Visum für Kopenhagen und New York gehabt habe, sei sie in Österreich geblieben.
Hinsichtlich allfälliger behördlicher Zwangsmaßnahmen gegen ihre Person brachte die Beschwerdeführerin vor, daß im Jahre 1989 bei ihr zu Hause eine Hausdurchsuchung stattgefunden habe, da sie während einer Geburtstagsfeier "zu laut mit Musikkassetten gespielt" habe. Die Hausdurchsuchung sei vom "Kommite" durchgeführt worden.
Anläßlich ihrer niederschriftlichen Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 28. September 1990 gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, daß Frauen im Iran keine Rechte hätten und als Sklaven der Männer gelten würden. Sie habe größte Schwierigkeiten gehabt, sich von ihrem Mann scheiden lassen zu können. Der Scheidungsgrund seien private Probleme gewesen. Bei allen Verhandlungen in der Gegenwart des Mullah sei nur die Version ihres Mannes angehört und seien ihm sämtliche Rechte zuerkannt worden. Sie habe nicht einmal die ihr vom Gesetz zustehende Abfindung erhalten. Frauen dürften sich nur dann in der Öffentlichkeit aufhalten, wenn ihre Kleidung den strengen Vorschriften der Sitte des Iran entspreche. Falls nur einige Haare unter dem Schleier sichtbar seien, werde man verhaftet, beleidigt, ausgepeitscht, mit Säure bespritzt und mit Rasierklingen im Gesicht geschnitten. Sie selbst sei zwar nie verhaftet worden, sei jedoch unter großem psychischen Druck gestanden, sobald sie auf die Straße bzw. in die Öffentlichkeit gegangen sei. Zwei ihr sehr nahestehende Freundinnen seien von Revolutionsgardisten verhaftet, beschimpft, auf der Straße niedergeschlagen und zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Sie seien erst nach heftigen Interventionen der Passanten losgelassen worden. Dies sei vor wenigen Monaten geschehen. Sie habe unter Depressionen und Angstzuständen gelitten und sich deshalb in ärztliche Behandlung begeben müssen. Via Medien sei verbreitet worden, daß jene Familien, welche im Krieg Todesopfer zu beklagen hätten, das Recht hätten, gegen jene Personen, die gegen die Bekleidungsvorschriften verstoßen, Selbstjustiz zu üben. In dieser Lage hätten ihr ihre Eltern, besonders ihre Mutter geraten, Persien aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes, welcher als direkte Folge der derzeitigen politischen Situation im Iran anzusehen sei, zu verlassen. Sie habe sich hiezu entschlossen, um dem ständigen Druck der geltenden Sitte und der Willkür der Revolutionsgardisten zu entgehen.
Hinsichtlich ihres Fluchtweges gab die Beschwerdeführerin noch an, mangels Einreisegenehmigung für Holland oder die BRD sei der Weg nach Kopenhagen mit Zwischenlandung in Wien gewählt worden. Mangels dänischen Visums habe sie die Weiterreise nach Kopenhagen nicht antreten können und daher in Österreich um Asyl angesucht.
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. Dezember 1990 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Feststellung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie darauf hinwies, daß sie vor drei Jahren ihren Arbeitsplatz verloren habe und seither arbeitslos sei, da sie sich geweigert habe, an ihrem Arbeitsplatz einen Schleier zu tragen, und sich dem Verbot widersetzt habe, mit Männern zu sprechen; darüber hinaus habe sie ihre demokratische Gesinnung mehrmals geäußert, was schließlich zum Verlust ihres Arbeitsplatzes geführt habe. Sie empfinde diese Restriktionen als eine Beschränkung und in der Folge als Bedrohung ihrer Freiheit. Durch ihre politische (demokratische) Einstellung sei sie im Iran der Willkür und der Verfolgung durch die Behörden ausgesetzt, sodaß sie nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes auch um ihre Freiheit habe fürchten müssen.
Mit ihrem Bescheid vom 6. August 1993 gab die belangte Behörde dieser Berufung nicht Folge. Infolge der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0959, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (im Hinblick auf die Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) auf, sodaß das Berufungsverfahren wieder bei der belangten Behörde anhängig wurde.
Aufgrund eines Manuduktionsschreibens der belangten Behörde erstattete die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 2. Februar 1995 eine Berufungsergänzung, in der sie unter anderem angab, daß in der Zwischenzeit beachtliche Veränderungen eingetreten seien. Die Beschwerdeführerin habe am 18. April 1991 in P die Ehe mit V geschlossen und sei am gleichen Tag vom Taufspender E getauft worden. Sie sei Bekennerin einer christlichen Religion und vom islamischen Glauben abgefallen. Nach dem Gesetz der Scharia habe sie daher vor islamischen Gerichten mit der Todesstrafe zu rechnen. Dies müsse wohl Beachtung finden. Obwohl es äußerst schwierig sei, mit den Verwandten oder Bekannten im Iran Verbindung aufzunehmen, würden doch Gerüchte durchdringen, wonach die Verfolgung und Bestrafung von Abtrünnigen strenger denn je vorgenommen werde. Es wäre daher notwendig, einen Situationsbericht der österreichischen Vertretungsbehörde darüber einzuholen, wie im Falle eines Abfalles vom Islam unter dem Einfluß der Fundamentalisten derzeit vorgegangen werde.
In einem weiteren Schriftsatz auf Grundlage einer eigenhändigen Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 6. März 1995 stellte diese in detaillierterer Form die Vorgänge vor ihrer Flucht, insbesondere (erstmals) Aktionen gegen das Regime selbst und ihre Rolle dabei dar. Auch das Schicksal ihrer Verwandten und Freunde wurde in dieser Stellungnahme ausführlicher geschildert und als Grund für die erstmalige Nennung dieser Umstände zu diesem (späten) Zeitpunkt angegeben, daß sie Angst um das Leben ihrer Eltern gehabt habe, nun aber beschlossen habe, die ganze Wahrheit zu schreiben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin erneut abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, bezüglich der politischen Aktivitäten ihrer Verwandten sei zu sagen, daß die Beschwerdeführerin selbst laut eigenen Angaben politisch nicht aktiv gewesen und aus diesem Grund keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Unabhängig davon müsse es sich um Nachteile des Asylwerbers selbst handeln, nicht etwa um Nachteile betreffend seine Angehörigen. Die im Jahre 1989 erfolgte Hausdurchsuchung wegen "zu lauter Musik" hätte keinerlei Konsequenzen nach sich gezogen und würden Hausdurchsuchungen allein noch keine Verfolgungshandlungen darstellen.
Bezüglich der strengen islamischen Gesetze hinsichtlich Sitte und Moral sowie der Einhaltung der Bekleidungsvorschriften werde bemerkt, daß es sich hiebei um eine Maßnahme handle, welche der Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral diene und somit als allgemein gültiges Recht anzusehen sei, das von allen Frauen ihres Heimatlandes im gleichen Ausmaß zu beachten sei. Die bloß ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatstaat herrschenden innen- und außenpolitischen System bilde für sich allein noch keinen Grund, ihn als Flüchtling anzuerkennen. Das Bestehen eines islamisch-fundamentalistischen Regimes im Heimatstaat der Beschwerdeführerin sei unbestritten, jedoch seien von dieser Gegebenheit alle Bürger gleichermaßen betroffen. Damit eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung angenommen werden könne, müßten die Zustände im Heimatland des Asylwerbers auch aus objektiver Sicht betrachtet so sein, daß ein weiterer Verbleib dort unerträglich wäre.
Zum von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufungsergänzung angeführten Begründungselement, daß sie am 18. April 1991 in Österreich konvertiert sei, sei anzumerken, daß dieser Schritt für sie offensichtlich nicht ein dringendes Bedürfnis gewesen sei, widrigenfalls sie sich bereits erheblich kürzer nach der Einreise in Österreich dazu entschlossen hätte. Darüber hinaus sei sie zu einem Zeitpunkt konvertiert, als ihr bereits der abweisliche Bescheid der damaligen erstinstanzlichen Asylbehörde zugestellt worden sei und sie Berufung gegen diesen Bescheid erhoben habe, jedoch lange Zeit vor Erlassung des nunmehr behobenen Berufungsbescheides vom 6. August 1993. Zusätzlich sei anzumerken, daß für die belangte Behörde dem erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren kein Verfahrensmangel angelastet werden könne, sodaß das Bundesministerium für Inneres vom Ermittlungsverfahren erster Instanz auszugehen habe, da keiner der im § 20 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle vorliege, aufgrund derer eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen sei. Andererseits sei der Religionswechsel der Beschwerdeführerin im Ausland bewußt gesetzt worden und es unterliege ausschließlich ihrer individuellen Einflußsphäre, inwieweit sie diesen Umstand der Behörde ihres Heimatlandes für den Fall ihrer Rückkehr mitteile. Auf die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Berufung beantragten Beweisanträge sei nicht näher einzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Die Beschwerdeführerin wendet sich in ihrer Beschwerde unter anderem dagegen, daß die belangte Behörde den Umstand, daß sie konvertiert sei und die Ehe mit einem Getauften geschlossen habe, sowie die sich daraus für sie ergebende massive Gefahr der Verfolgung im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht als subjektiven Nachfluchtgrund qualifiziert habe, sondern vom Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 2 AsylG 1991 Gebrauch gemacht habe, wobei es nach ihren Ausführungen unschlüssig sei, ihr vorzuwerfen, der Glaubenswechsel sei für sie kein dringendes Bedürfnis gewesen und auch der Zeitpunkt des Glaubenswechsels sei bewußt gewählt worden. Wenn die Behörde meine, es liege in ihrer individuellen Einflußsphäre, inwieweit sie diesen Umstand der Behörde ihres Heimatlandes im Fall einer Rückkehr mitteile, so erscheine diese Passage geradezu als naiv, sei doch allgemein bekannt, daß in einem islamischen Land, wo Angehörige anderer Religionen unterdrückt und verfolgt werden, gerade die Tatsache der Religionszugehörigkeit nicht zu verschweigen sei. Daß sie diesen Umstand den Behörden ihres Landes nicht direkt mitteilen würde, liege auf der Hand, könne sie aber in keiner Weise vor einer drohenden Verfolgung schützen.
Bei richtiger Würdigung ihres Vorbringens wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, nach § 20 Abs. 2 AsylG eine Ergänzung oder Wiederholung des Beweisverfahrens anzuordnen.
Gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist Flüchtling, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 des Asylgesetzes 1991 wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er die Umstände, mit denen er seine Furcht vor Verfolgung begründet, in Österreich mit der Absicht herbeigeführt hat, Asyl gewährt zu erhalten.
§ 20 leg. cit. bestimmt in seinem Abs. 1, daß der Bundesminister für Inneres über eine zulässige Berufung in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat. Abs. 2 legt fest, daß eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen ist, wenn es mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren vor dem Bundesasylamt nicht zugänglich waren, ODER WENN SICH DER
SACHVERHALT, DER DER ENTSCHEIDUNG ERSTER INSTANZ ZUGRUNDEGELEGT
WURDE, IN DER ZWISCHENZEIT GEÄNDERT HAT.
Gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. sind am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. In den Fällen des § 20 Abs. 2 ist mit der Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens das Bundesasylamt zu betrauen.
Die belangte Behörde geht davon aus, daß dem erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren kein Verfahrensmangel angelastet werden könne und daher vom Ermittlungsverfahren erster Instanz auszugehen sei, da "keiner der im § 20 Abs. 2 leg. cit. angeführten Fälle vorliege", aufgrund dessen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre.
Die belangte Behörde übersieht, daß die Beschwerdeführerin ihren Behauptungen zufolge während des Berufungsverfahrens die Ehe mit einem Christen geschlossen hat und selbst zum christlichen Glauben übergetreten ist und daher im Falle einer Rückkehr in den Iran aufgrund der Gesetze der Scharia die Todesstrafe zu gewärtigen hätte.
Damit machte die Beschwerdeführerin aber Fluchtgründe geltend, die erst nach Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten sind und die die belangte Behörde dazu hätten veranlassen müssen, gemäß § 20 Abs. 2 dritter Fall AsylG 1991 eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen.
Die belangte Behörde hätte daher vom Vorliegen einer der Fälle des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 ausgehen und weitere Ermittlungen in Ergänzung des erstinstanzlichen Verfahrens, z. B. die von der Beschwerdeführerin beantragte Einholung eines Situationsberichtes der österreichischen Vertretungsbehörde darüber, wie im Falle eines Abfalles vom Islam unter dem Einfluß der Fundamentalisten vorgegangen werde, anordnen müssen.
Die belangte Behörde stellt zwar die Richtigkeit der von der Beschwerdeführerin behaupteten neuen Tatsachen nicht in Abrede, hinterfragt aber offenbar in beweiswürdigender Absicht Zeit und Motivation für den behaupteten Glaubensübertritt. Eine Beweiswürdigung findet aber nicht statt, dennoch geht die Behörde - implizit - vom Vorliegen des Ausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 2 AsylG aus.
Nun ist unter "Absicht" im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 2 AsylG 1991 ein willentlich zielstrebiges Vorgehen in dem Sinne zu verstehen, daß es der betreffenden Person gerade darauf ankommt, Asyl gewährt zu erhalten. Diese Bestimmung bringt zum Ausdruck, daß Nachfluchtgründe als Umstände, mit denen ein Fremder seine Furcht vor politischer Verfolgung begründet, bei Entscheidung über die Gewährung von Asyl dann unberücksichtigt bleiben, wenn sich aus bestimmten Tatsachen ergibt, daß der Fremde sie im Bundesgebiet zu dem Zweck herbeigeführt hat, die Voraussetzungen seiner Asylgewährung zu schaffen. Unter "Absicht" im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 2 AsylG 1991 ist daher ein zielgerichtetes Verhalten zu verstehen. Dolus eventualis genügt für die Verwirklichung des Asylausschlußtatbestandes des § 2 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Februar 1996, Zl. 95/20/0187).
Die belangte Behörde wirft der Beschwerdeführerin erkennbar vor, diese habe ihren Religionswechsel "bewußt gesetzt", "dieser sei offensichtlich kein dringendes Bedürfnis", womit die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Erlangung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet als Motiv für dieses Verhalten unterstellt. Die von der belangten Behörde angestellten Überlegungen erweisen sich jedoch nicht als schlüssig. Wenn die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vorwirft, der Glaubenswechsel sei kein dringendes Bedürfnis gewesen, widrigenfalls "sie sich bereits erheblich kürzer nach der Einreise in Österreich dazu entschlossen hätte", so ist nicht ersichtlich, warum diesfalls ein "dringendes Bedürfnis" in bezug auf die angegebene Konversion anzunehmen und inwiefern daraus andere - für die Beschwerdeführerin günstigere - Schlußfolgerungen zu ziehen gewesen wären. Soweit die belangte Behörde daraus Rückschlüsse auf den Beweggrund für den Religionswechsel ziehen will, müssen diese schon deshalb fehlerhaft sein, weil sie es unterlassen hat, Ermittlungen über die näheren Umstände und Motive der Konversion anzustellen. Darüber hinaus übersieht die belangte Behörde, daß die Beschwerdeführerin den Glaubenswechsel gemeinsam mit ihrer (neuerlichen) Verehelichung vorgenommen hat, weswegen auch der Zeitpunkt des Glaubenswechsels nicht den Schluß auf die von der belangten Behörde angenommene Absicht der Beschwerdeführerin auf Herbeiführung eines asylrechtlich relevanten Umstandes statt einer durch persönliche Erfahrung und Entwicklung beeinflußten religiösen Neuorientierung rechtfertigt.
Sollte die belangte Behörde in ihren Ausführungen auf Seite 9 zweiter und vierter Absatz den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Z. 2 AsylG gemeint haben, so ist ihre der Beschwerdeführerin unterstellte Annahme, diese habe den Glaubenswechsel "bewußt" herbeigeführt, um die Furcht vor Verfolgung zu begründen und dadurch Asyl gewährt zu erhalten, nicht nachvollziehbar begründet.
Sollte die belangte Behörde aber mit ihren Ausführungen nicht den Fall des § 2 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. im Auge gehabt haben, sondern der Beschwerdeführerin mangelnde Glaubwürdigkeit hinsichtlich ihres Glaubenswechsels vorwerfen wollen, so erweist sich auch dies aus den gerade dargestellten Gründen als nicht nachvollziehbar, nicht zuletzt auch mangels weiterer Erhebungen hinsichtlich Motiv, Ort und Zeitpunkt des Glaubenswechsels.
Sollte die belangte Behörde aber gemeint haben, die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin seien zwar glaubwürdig, aber für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft irrelevant, so übersieht sie, daß die Beschwerdeführerin ihren Behauptungen zufolge im Falle ihrer Rückkehr in den Iran drohende Verfolgung fürchten mußte. Die belangte Behörde stellt dies auch gar nicht in Abrede, wenn sie im Bescheid ausführt, daß "es ausschließlich Ihrer Einflußsphäre unterliegt, inwieweit Sie diesen Umstand der Behörde Ihres Heimatlandes für den Fall Ihrer Rückkehr mitteilen".
Damit gibt sie zu erkennen, daß dem Religionswechsel Asylrelevanz zukommt. Diesfalls wäre aber vom Vorliegen wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Religion auszugehen gewesen, was - nach der Prüfung des Vorliegens von Ausschließungsgründen (zum § 2 Abs. 2 Z. 2 AsylG wird auf die obigen Ausführungen verwiesen) - zur Folge gehabt hätte, daß der Beschwerdeführerin die Asylgewährung nicht hätte verweigert werden dürfen.
Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit - prävalierender - Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995200371.X00Im RIS seit
20.11.2000