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L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Tir 1989 §31 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde der U GmbH in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. April 1996, Zl. Ve1-550-2390/1-1, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 12. Dezember 1994 wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft der Neubau einer Gartenhütte auf dem Grundstück in K Nr. NN26/4, EZ XX7, beantragt. Die Ausmaße des erdgeschoßigen Bauvorhabens betragen 6,75 m x 5,10 m. Der vordere Teil der Gartenhütte ist als Grill- und Sitzplatz, der hintere Teil als Abstellraum geplant. Die aufgehenden Wände sind in Holzblockbauweise vorgesehen und sollen auf Stampfbetonstreifenfundamenten aufgesetzt werden. Als Dachkonstruktion ist ein gleichhüftiger Satteldachstuhl mit einer Neigung von 18,5 Grad vorgesehen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 18. August 1995 wurde das Bauvorhaben gemäß § 31 Abs. 4 Tiroler Bauordnung abgewiesen.
Die dagegen erhobene Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft wurde mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. Oktober 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 31 Abs. 4 Tiroler Bauordnung und § 38 Abs. 1 und 4 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Die dagegen von der beschwerdeführenden Gesellschaft erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wird im wesentlichen nach Anführung des § 38 Abs. 4 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 damit begründet, es sei im Lichte dieser Bestimmung wesentlich, daß es sich um eine Nebenanlage zu einem Gebäude handle, weshalb dabei von einem gewissen Zusammenhang bzw. Naheverhältnis des Gebäudes und der Nebenanlage auszugehen sei. Werde jedoch die Nebenanlage, wie im gegenständlichen Fall die Gartenhütte, auf einer eigenen Grundparzelle errichtet, so könne von einem Naheverhältnis nicht mehr gesprochen werden und sei von einem eigenen, auf dieser Parzelle zu errichtenden Bauvorhaben auszugehen. Eine Zulässigkeit sei daher nicht gegeben. Diese Auslegung entspreche den Intentionen des Gesetzgebers, der zwar Nebenanlagen zu Gebäuden in den besagten Widmungskategorien erlaube, andererseits aber eine sogenannte "Verhüttelung", die durch derartige Nebenanlagen auf eigenen Grundparzellen entstehen würde, verhindern wollte. Dies gelte auch für den Hinweis der beschwerdeführenden Gesellschaft, daß gemäß § 38 Abs. 4 leg. cit. auch "sonstige Bauvorhaben" ausgeführt werden dürften. Weder die im Einreichplan dargestellte Raumbezeichnung noch die anläßlich der Bauverhandlung festgestellte Ausgestaltung der Gartenhütte ließen den Schluß zu, daß dieses Gebäude einen dem Grundstück Nr. 1726/4 entsprechenden Verwendungszweck entspreche. Die bei der Verhandlung am 27. Juli 1995 vorgefundene Gartenhütte diene in ihrer Ausgestaltung in Form eines Raumes mit Kachelofen und eines zweiten Raumes mit Holzverschalung und Elektroanschlüssen kaum dem Abstellen von Geräten und Werkzeugen, die für die Pflege und Bewirtschaftung des Gartens notwendig seien, wie es von der Beschwerdeführerin glaubhaft zu machen versucht worden sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Bescheid nicht schon dann rechtswidrig, wenn er die tragende Rechtsnorm nicht angebe, sondern nur dann, wenn eine solche überhaupt nicht vorhanden sei. Wenn der Inhalt eines Bescheides eindeutig erkennen lasse, auf welche Vorschrift er sich gründe, müsse der Bescheid als in Vollziehung dieser Norm angesehen werden, auch wenn er die angewendeten Vorschriften nicht ausdrücklich nenne. Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde sei grundsätzlich als Ganzes zu beurteilen. Da Spruch und Begründung somit eine Einheit bildeten, sei im Zweifel aus dem Zusammenhalt beider der nähere Sinn und Inhalt der Entscheidung zu schließen, was im gegenständlichen Fall aufgrund der ausführlichen Begründung des angefochtenen Bescheides problemlos möglich sei.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich insbesondere im Recht auf richtige Auslegung des § 38 Abs. 4 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994 verletzt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. November 1996, G 195/96-8, u.a. hat der Verfassungsgerichtshof das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993, i.d.F. der Kundmachungen LGBl. Nr. 6/1995 und Nr. 68/1995 insoweit als verfassungswidrig aufgehoben, als ihm nicht durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996, derogiert wurde, und insoweit als verfassungswidrig festgestellt, als ihm durch die 1. Raumordnungsgesetz-Novelle, LGBl. Nr. 4/1996, derogiert wurde. In Spruchpunkt I.2. hat der Verfassungsgerichtshof auch in bezug auf den vorliegenden Beschwerdefall ausgesprochen, daß das verfassungswidrige Gesetz auch in diesem Fall nicht mehr anzuwenden ist. § 38 Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, LGBl. Nr. 81/1993, sieht in Abs. 1 vor, daß im Wohngebiet folgende Gebäude errichtet werden dürfen:
"a) Wohngebäude;
b)
Gebäude, die neben Wohnzwecken auch der Unterbringung von Büros, Kanzleien, Ordinationen und dergleichen oder der Privatzimmervermietung dienen; dabei darf außer bei Eigenheimen nach § 2 Abs. 1 des Tiroler Wohnbauförderungsgesetzes 1991 eine Nutzung zu anderen als Wohnzwecken nur in untergeordnetem Ausmaß erfolgen;
c)
Gebäude für Betriebe und Einrichtungen, die der täglichen Versorgung oder der Befriedigung der sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung des betreffenden Gebietes dienen, von denen typischerweise weder eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit noch eine unzumutbare Belästigung der Bevölkerung, insbesondere durch Lärm, Luftverunreinigungen, Geruch oder Erschütterungen, ausgeht und die typischerweise auch keine unzumutbare Verkehrsbelastung bewirken."
Gemäß § 31 Abs. 4 Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, ist ein Bauansuchen ferner abzuweisen, wenn sich bei der Bauverhandlung ergibt, daß
"a) ein Abweisungsgrund nach Abs. 3 vorliegt;
b)
das Grundstück für die vorgesehene Bebauung nicht geeignet ist (§ 4);
c)
das Bauvorhaben diesem Gesetz oder Verordnungen aufgrund dieses Gesetzes widerspricht;
d)
..."
Gemäß § 31 Abs. 3 Tiroler Bauordnung ist ein Bauansuchen ohne Durchführung einer Bauverhandlung abzuweisen, wenn sich bereits aus dem Bauansuchen ergibt, daß das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan oder örtlichen Bauvorschriften nach § 20 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 widerspricht oder wenn dem Bauvorhaben eine Bausperre nach § 29 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 entgegensteht.
Im vorliegenden Beschwerdefall ist entsprechend dem angeführten Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes das Tiroler Raumordnungsgesetz 1994, insbesondere dessen § 38 Abs. 4 leg. cit., nicht anzuwenden. Da die belangte Behörde unter Anführung dieser Bestimmung des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 die Abweisung des Bauansuchen begründet hat, fehlte der belangten Behörde dafür daher die Rechtsgrundlage und hat der angefochtene Bescheid dadurch in subjektiv-öffentliche Rechte der beschwerdeführenden Gesellschaft eingegriffen. Die Prüfung des verfahrensgegenständlichen Bauansuchens an Hand der Tiroler Bauordnung obliegt den Baubehörden im fortgesetzten Verfahren.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da Kostenersatz in bezug auf Stempelgebühren nur in bezug auf erforderliche Schriftsätze und Beilagen gebührt (im vorliegenden Fall die Beschwerde in dreifacher Ausfertigung und den Bescheid in einfacher Ausfertigung), war das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996060147.X00Im RIS seit
20.11.2000