Entscheidungsdatum
16.03.2021Norm
AsylG 2005 §12aSpruch
W119 2177882-2/15E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5.3.2020, Zl IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1092638010/191241784, beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 12a AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 7.10.2015 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 29.10.2015 wurde er vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei zu seinem Fluchtgrund an, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht sei. Er sei mit seiner Frau geflüchtet, da ihre Familie, die zu den Taliban gehöre, gegen die Heirat gewesen wäre und geschworen hätte, beide zu töten.
Am 31.10.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat und in Österreich sowie zu seinem Fluchtgrund einvernommen. Dabei hielt er sein Fluchtvorbringen aus der Erstbefragung im Wesentlichen aufrecht.
Mit Bescheid vom 31.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 24.11.2017 fristgerecht Beschwerde.
Am 27.5.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Lebensumständen in Afghanistan und Österreich sowie zu seinem Fluchtvorbringen und der Möglichkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt wurde.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.6.2019, Zl W233 2177882-1/14E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft verhängt.
Am selben Tag wurde ihm auch der für den 10.12.2019 festgelegte Abschiebetermin nachweislich bekanntgegeben.
Am 2.12.2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).
Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab der Beschwerdeführer an, dass er ungefähr seit einem Jahr eine Beziehung mit einem Mann führe. Da er afghanischer Staatsangehöriger und Homosexualität in seiner Kultur nicht erlaubt sei, habe er sich geschämt, sich zu seiner sexuellen Ausrichtung zu bekennen. Zudem gab der Beschwerdeführer den Namen, die Adresse und den Beruf seines vorgebrachten Partners an.
Mit Aktenvermerk des Bundesamtes vom 2.12.2019 wurde festgestellt, dass im Sinne des § 76 Abs. 6 FPG Gründe zur Annahme bestünden, dass der am 2.12.2019 gestellte Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei und die Anhaltung in Schubhaft aufrecht bleibe, da die Voraussetzungen hierfür vorlägen. Dieser Aktenvermerk wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag persönlich zugestellt.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 4.12.2019, Zl 1092638010-191241784/BMI-EAST_OST, wurde gemäß § 12a Abs 4 AsylG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorlägen. Der faktische Abschiebeschutz werde dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs 4 AsylG nicht zuerkannt.
Mit Schriftsatz vom 9 12.2019 übermittelte der Rechtsberater des Beschwerdeführers eine Vorstellung gegen diesen Bescheid und führte im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebe, sodass er aufgrund seiner sexuellen Orientierung in Afghanistan asylrelevant verfolgt werden würde.
Am 10.12.2020 erfolgte die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan.
Mit gegenständlich bekämpftem Bescheid des Bundesamtes vom 5.3.2020, Zl IFA-Zahl/Verfahrenszahl 1092638010-191241784, wurde gemäß § 12a Abs 4 AsylG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorlägen. Der faktische Abschiebeschutz werde dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs 4 AsylG nicht zuerkannt.
Begründend wurde ausgeführt, dass bereits mit Bescheid vom 28.11.2019 über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt und ihm unter einem ein für den 10.12.2019 festgelegter Abschiebetermin mitgeteilt worden sei. Der Beschwerdeführer, gegen den eine Rückkehrentscheidung bestanden habe, habe den Folgeantrag somit binnen 18 Tagen vor dem festgelegten Abschiebetermin aus der Schubhaft gestellt. Es liege daher ein Fall vor, in dem gemäß § 12a Abs. 3 AsylG 2005 ex lege kein faktischer Abschiebeschutz bestehe. Es sei dem Beschwerdeführer im Verfahren nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt hätte stellen können. Er habe nämlich anlässlich der Erstbefragung angegeben, seit ungefähr einem Jahr von seinen geänderten Fluchtgründen zu wissen. Daher sei naheliegend, dass der Beschwerdeführer aufgrund der behaupteten Verfolgungsgefahr bereits zu einem früheren Zeitpunkt einen solchen Antrag eingebracht hätte und nicht erst 5 Tage vor dem ihm zur Kenntnis gebrachten Abschiebetermin. Seit der Abweisung seines ersten Antrages auf internationalen Schutz habe sich die Lage in Afghanistan nicht wesentlich verändert. Dem Beschwerdeführer drohe bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat weiterhin insbesondere keine Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK. Die Voraussetzungen der Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 4 AsylG 2005 lägen daher nicht vor.
Es sei deshalb festzuhalten, dass der Beschwerdeführer den Folgeantrag zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt habe. Da die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 nicht vorlägen, komme eine Zuerkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12 AsylG nicht in Betracht.
Dieser Bescheid wurde dem Rechtsberater des Beschwerdeführers zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 20.3 2020 wurde die gegenständliche Beschwerde eingebracht. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Coming-out Prozess nichtlinear und die Situation des Beschwerdeführers bisher durch eine komplexe psychosoziale Problemstellung gekennzeichnet gewesen sei. Begleitet werde ein Coming-out von Ängsten in Bezug auf die Verurteilung durch andere sowie von Scham und Schuldgefühlen, weshalb es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, seine Homosexualität früher bekanntzugeben. Im Herkunftsland bestünden massive existenzielle Bedrohungen durch institutionelle Stigmata alle Lebensbereiche betreffend. Zum Beweis der Glaubwürdigkeit der vorgebrachten sexuellen Orientierung des Beschwerdeführers wurde die zeugenschaftliche Einvernahme seines Partners beantragt.
Die bezughabenden Verwaltungsakten sind am 27.3.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.3.2020, GZ W119 2177882-2/2E, wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 für nicht rechtmäßig erklärt und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5.3.2020, Zl IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1092638010/191241784, aufgehoben.
Diesen Beschluss hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3.12.2020, Ra 2020/19/0191-5, soweit das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen hat, die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des Beschwerdeführers sei gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 nicht rechtmäßig, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 7.10.2015 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 31.10.2017 wurde der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.6.2019, Zl W233 2177882-1/14E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG die Schubhaft verhängt. Am selben Tag wurde ihm auch der für den 10.12.2019 festgelegte Abschiebetermin nachweislich bekanntgegeben.
Am 2.12.2019 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab der Beschwerdeführer an, dass er ungefähr seit einem Jahr eine Beziehung mit einem Mann führe. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 4.12.2019, Zl 1092638010-191241784/BMI-EAST_OST, wurde gemäß § 12a Abs 4 AsylG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorlägen. Der faktische Abschiebeschutz werde dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs 4 AsylG nicht zuerkannt. Mit Schriftsatz vom 9.12.2019 übermittelte der Rechtsberater des Beschwerdeführers eine Vorstellung gegen diesen Bescheid.
Am 10.12.2020 erfolgte die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan.
Mit gegenständlich bekämpftem Bescheid des Bundesamtes vom 5.3.2020, Zl IFA-Zahl/Verfahrenszahl 1092638010-191241784, wurde gemäß § 12a Abs 4 AsylG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12a Abs 4 Z 1 und 2 AsylG nicht vorlägen. Der faktische Abschiebeschutz werde dem Beschwerdeführer gemäß § 12a Abs 4 AsylG nicht zuerkannt.
Der Beschwerdeführer stellte seinen Folgeantrag binnen achtzehn Tagen vor dem festgelegten und ihm bereits nachweislich zur Kenntnis gebrachten Abschiebetermin. Zu diesem Zeitpunkt bestand gegen ihn eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG. Zum Antragszeitpunkt befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft.
Es ist dem Beschwerdeführer niicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt hätte stellen können.
Die allgemeine Lage in Afghanistan hat sich zwischen 19.6.2019 und 5.3.2020 nicht entscheidungsrelevant geändert.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Gang des ersten Asylverfahrens, des gegenständlichen Verfahrens sowie zum verfahrensgegenständlichen Bescheid und zur Situation in Afghanistan wurden auf Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten getroffen.
Dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass er den Folgeantrag zu keinem frühren Zeitpunkt hätte stellen können, beruht auf folgenden Überlegungen:
Laut seinen eigenen Angaben im Rahmen der Begründung des Folgeantrages bestand sein neuer Fluchtgrund – die homosexuelle Beziehung zu einem Mann – schon seit einem Jahr und hätte somit bereits sogar während des Beschwerdeverfahrens zum ersten Asylantrag vorgebracht bzw. hätte der Folgeantrag viel früher gestellt werden können. Wenn auch das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass sich ein Coming-out vor allem auch für Personen aus dem Kulturkreis des Beschwerdeführers bzw. seinem Herkunftsstaat als schwierig gestalten kann, so ist der Beschwerde dennoch entgegenzuhalten, dass es dem Beschwerdeführeres nun wenige Tage vor dem ihm mitgeteilten Abschiebetermin und im Stande der Schubhaft problemlos möglich war, vorzubringen, er wäre homosexuell. Der belangten Behörde ist somit darin beizupflichten, dass der Beschwerdeführer bezüglich der behaupteten Verfolgungsgefahr bereits zu einem früheren Zeitpunkt seinen Folgeantrag hätte einbringen können.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 3 Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G) BGBl. I Nr. 87/2012 idgF obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl.I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl.I Nr.100 (Z 4).
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
Zu A)
§ 12a Abs. 2, 3 und 4 AsylG 2005 lautet:
„(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.“
Nach § 2 Abs. 1 Z 2 3 ist ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgende weitere Antrag. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.6.2019, Zl W233 2177882-1/14E, wurde der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz rechtskräftig erledigt. Beim am 2.12.2019 gestellten zweiten Antrag handelt es sich somit um einen Folgeantrag.
Aus den Erläuterungen zu § 12a AsylG 2005 geht hervor, dass die Bestimmung insbesondere das Ziel verfolgt, klar missbräuchliche Antragstellungen als Mittel zur Hintanhaltung fremdenpolizeilicher Maßnahmen unbrauchbar zu machen (ErläutRV 330 Blg NR 24. GP 11). Konkret zu Abs. 3 leg. cit. betonen die Materialien, dass es für die Anwendbarkeit der Bestimmung auf die Kenntnis der zeitnah bevorstehenden Abschiebung und des geplanten Termins ankomme (ErläutRV 330 Blg NR 24. GP 13), wobei sich auch aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, dass die Bestimmung auf einen (festgelegten) abstellt.
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bereits betont, dass durch das Abstellen auf nach der Mitteilung des Abschiebetermins gestellte Folgeanträge jene potentiellen Missbrauchsfälle erfasst werden sollen, in denen der Antrag gerade im Hinblick auf den bekannten, unmittelbar bevorstehenden Abschiebetermin gestellt wird und dies als "ratio legis" des § 12a Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 bezeichnet (VwGH 20.12.2013, 2012/21/0118).
§ 12a Abs. 3 AsylG 2005 sieht vor, dass unter den dort genannten Voraussetzungen einem Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat, ex lege kein faktischer Abschiebeschutz (§ 12 Abs. 1 AsylG 2005) zukommt. In diesen Fällen hat das BFA nach § 12a Abs. 4 AsylG 2005 mit Mandatsbescheid nach Maßgabe der Voraussetzungen der Z 1 und 2 leg. cit. über die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes zu entscheiden. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, hat eine Entscheidung des BFA nach § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vor einer Abschiebung zu ergehen und dient dazu, den gemäß Art. 13 EMRK (sowie auf Grund des Rechtsstaatsprinzips) gebotenen Rechtsschutz zu gewährleisten (vgl. VwGH 20.12.2013, 2012/21/0118; vgl. insoweit zu den unionsrechtlichen Grundlagen und Vorgaben auch die Art. 40 Abs. 1, 41 und 46 Abs. 6 der Verfahrensrichtlinie [Richtlinie 2013/21/EU]). (VwGH 3.12.2020 Ra 2020/19/0191-5).
Voraussetzung einer Entscheidung des BFA über die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 4 AsylG 2005 ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung, dass ein Fall des § 12a Abs. 3 AsylG 2005 vorliegt, somit im Sinn dieser Bestimmung dem Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat, ex lege kein faktischer Abschiebeschutz zukommt. (VwGH 3.12.2020 Ra 2020/19/0191-5)
Wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung ausgeführt, liegen im konkreten Fall die Voraussetzungen des § 12a Abs. 3 AsylG 2005 vor: Der Beschwerdeführer stellte seinen Folgeantrag binnen achtzehn Tagen vor dem festgelegten und ihm bereits nachweislich zur Kenntnis gebrachten Abschiebetermin. Zu diesem Zeitpunkt bestand gegen ihn eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG. Zum Antragszeitpunkt befand sich der Beschwerdeführer in Schubhaft. Dem Beschwerdeführer kam somit ex lege der faktische Abschiebeschutz nicht zu.
Da es dem Beschwerdeführer niicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt hätte stellen können und sich die allgemeine Lage in Afghanistan zwischen 19.6.2019 und 5.3.2020 nicht entscheidungsrelevant geändert hat, ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass der Folgeantrag zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde und hat zu Recht den faktischen Abschiebeschutz nach § 12a Abs. 4 AsylG 2005 nicht zuerkannt.
Die Beschwerde war sohin spruchgemäß abzuweisen.
Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W119.2177882.2.00Im RIS seit
14.06.2021Zuletzt aktualisiert am
14.06.2021