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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/20/0837Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerden 1.) des VN und 2.) der TN, beide vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres, jeweils vom 3. Mai 1996, gemeinsame Zl. 4.316.974/16-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerden und der diesen angeschlossenen Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Beschwerdeführer, vietnamesische Staatsangehörige, sind am 26. Mai 1991 in das Bundesgebiet eingereist und haben am 31. Mai 1991 beantragt, ihnen Asyl zu gewähren. Aus den die Beschwerdeführer betreffenden hg. Vorakten, Zlen. 94/20/0597, und 94/20/0598, ergibt sich, daß der Erstbeschwerdeführer anläßlich seiner Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 6. Juni 1991 zu seinen Fluchtgründen angegeben hat, er habe kein Geld mitgenommen, als er Vietnam verlassen habe, seinen Lebensunterhalt habe er in der CSFR selbst bestreiten können. Er habe in der CSFR keine Schulden hinterlassen. In der CSFR sei er Mitglied der kommunistischen Jugendvertretung als Vorstandsmitglied gewesen. Er sei weder aus religiösen noch aus rassischen Gründen nach Österreich gekommen. Die Beweggründe seien andere gewesen. Der Arbeitsvertrag, den er erhalten habe, wäre am 30. Juni 1991 abgelaufen und er hätte in sein Heimatland zurückkehren müssen. Dies habe er auf keinen Fall tun wollen. Durch die Presse habe er gewußt, daß die Umstände in seinem Heimatland so seien, "wie er sie nicht" wolle. Da er in der CSFR gesehen habe, wie die Demokratie in den westlichen Ländern funktioniere und welche Mißstände in seiner Heimat herrschten, wäre es für ihn "äußerst schwer" gewesen, dort in seiner Heimat wieder Fuß zu fassen. Außerdem hätte er mit Sicherheit in seiner Heimat keinen Arbeitsplatz gefunden. Also sei sein Heimatland für ihn (offenbar gemeint: nicht mehr) "in Frage gekommen". Leider seien einige (Personen) in der CSFR in letzter Zeit auch gegen die Vietnamesen vorgegangen. Sie seien plötzlich unerwünscht gewesen. In der Stadt - wie auch überall im Lande - seien Jugendgruppen gebildet worden, die sich "Punks" nennten. Diese Jugendlichen seien einfach nur auf Streit ausgewesen. Sie hätten die Lokale aufgesucht, in denen sich Vietnamesen aufgehalten hätten, hätten diese angepöbelt und Streit angefangen. Es sei einfach nicht mehr auszuhalten gewesen. Sie seien (gemeint: die Vietnamesen in der CSFR) von ihnen beraubt und geschlagen worden, auch die vietnamesischen Frauen seien von ihnen belästigt worden. Wenn "man" zur Polizei gegangen sei, hätte man dabei nur als Antwort erhalten, daß sie (die Vietnamesen) "ohnehin nach Hause" gehen könnten. Daher hätten sie auch keine Hilfe zu erwarten gehabt. Vom Fernsehen her hätten sie dann Österreich kennengelernt und von Erzählungen her sei es ihnen erstrebenswert erschienen, in dieses Land zu kommen. Daher hätten seine Frau und er sich entschlossen, nach Österreich zu gehen.
Die Zweitbeschwerdeführerin hatte anläßlich ihrer Erstbefragung am 6. Juni 1991 angegeben, sie sei in ihrem Heimatland und der CSFR Mitglied der kommunistischen Partei, jedoch in dieser Funktion weder da noch dort tätig gewesen. Da sie in ihrer Heimat friedlich und ruhig gelebt habe, habe sie "Bonuspunkte" erhalten, die ihr später die Ausreise in die CSFR ermöglicht hätten. Das Leben in Vietnam sei für alle schwer gewesen, man habe sehr wenig Geld verdienen können.
Im übrigen schilderte die Zweitbeschwerdeführerin die Lage in der CSFR und ihre Motive für eine Flucht nach Österreich im wesentlichen mit ihrem Ehegatten gleichlautend.
In der gegen den abweislichen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 26. September 1991 gerichteten Berufung machten beide Beschwerdeführer als weiteren Fluchtgrund geltend, dadurch, daß sie nicht nach Vietnam zurückgekehrt seien, hätten sie ihre Arbeitsverträge nicht eingehalten und dadurch eine in Vietnam strafbare Handlung gesetzt. Im Falle ihrer Rückkehr nach Vietnam erwarte sie ein Umerziehungslager. Diese Lager lägen weit entfernt von jeglicher Siedlung, um den Kontakt mit der restlichen Bevölkerung zu unterbinden. Folterungen seien an der Tagesordnung und es komme nicht selten vor, daß jemand "verschwinde". Sie hätten ihre Fluchtgründe bereits im ersten Interview bekanntgegeben, doch seien diese im erstinstanzlichen Bescheid in keiner Weise berücksichtigt worden.
Mit Bescheiden jeweils vom 25. Jänner 1994 wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer ab.
Auf Grund der dagegen gerichteten Beschwerden hob der Verwaltungsgerichtshof die bekämpften Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof durch dessen Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) auf, sodaß die Berufungsverfahren bei der belangten Behörde neuerlich anhängig wurden. Von der ihnen mit Manuduktionsschreiben, jeweils vom 27. März 1996, eingeräumten Möglichkeit, ihre Berufungen entsprechend zu ergänzen, machten die Beschwerdeführer zwar Gebrauch, behaupteten jedoch keine Umstände, die eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens im Sinne des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 (in der Fassung der Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994) notwendig machten.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde diese Berufungen (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, Österreich gewähre den Beschwerdeführern kein Asyl.
Zur Begründung verwies sie im wesentlichen auf ihre Ausführungen in ihren (Vor-)bescheiden jeweils vom 25. Jänner 1994 und ergänzte, das Vorbringen, die vietnamesische Botschaft habe sich geweigert, den Beschwerdeführern neue Reisepässe auszustellen, lasse keinen Umstand im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 erkennen. Darüber hinaus stelle dies keinesfalls ein Indiz dafür dar, daß die Beschwerdeführer im Falle einer möglichen Rückkehr asylrechtlich relevanten Verfolgungen ausgesetzt wären. Ein Staat, der gegen einen Staatsangehörigen Verfolgungsmaßnahmen beabsichtige, werde eher bestrebt sein, den Betreffenden zu ergreifen. Die Verweigerung der Einreise von Staatsbürgern sei dagegen einem solchen Zugriff der vietnamesischen Behörde nicht dienlich, sondern verhindere ihn. Dies belege, daß die Volksrepublik Vietnam kein Verfolgungsinteresse an den im Ausland befindlichen Staatsangehörigen und somit an den Beschwerdeführern habe.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach ihrer Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung infolge ihres inhaltlichen und persönlichen Zusammenhanges in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Beide - wortgleiche - Beschwerden erschöpfen sich in ihren Rechtsausführungen in folgendem:
"Die erkennende Behörde übernimmt in Erledigung ihrer Berufung die Ausführungen des Bescheides des Bundesministeriums für Inneres vom 25.1.1994, Zl. 4.316.974/3-III/13/91 und erhebt dessen Begründung zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides.
Da jeoch meiner Verfahrenshelferin dieser Bescheid vom 25.1.1994 nicht zugestellt wurde, und diese somit den Inhalt des obigen Bescheides bzw. dessen Begründung nicht kennt, ist es meiner Verfahrenshelferin unmöglich, zu beurteilen, ob der Bescheid rechtmäßig ist oder ob meine von der Rechtsordnung anerkannten Interessen verletzt wurden. Gemäß § 67 AVG sind Bescheide der Berufungsbehörde immer zu begründen und ist die Berufungsbehörde dieser Begründungspflicht nicht nachgekommen.
Weiters wird in der angefochtenen Entscheidung der Standpunkt vertreten, daß aus dem Umstand, daß die vietnamesische Botschaft sich geweigert habe, mir einen neuen Reisepaß auszustellen, geschlossen werden könne, daß die Volksrepublik Vietnam kein Verfolgungsinteresse an den im Ausland befindlichen Staatsangehörigen habe, weil ein Staat, der gegen einen Staatsangehörigen Verfolgungsmaßnahmen zu setzen beabsichtige, bestrebt sei, den Betreffenden zu ergreifen. Diese Rechtsansicht der Behörde ist unzutreffend.
Tatsächlich ist es so, daß mich im Fall meiner Rückkehr nach Vietnam ein Umerziehungslager erwartet und auch meiner Familie schwere Strafen drohen. Es ist aber auch mittlerweile hier in Österreich bekannt, daß in derartigen Umerziehungslagern körperliche Mißhandlungen auf der Tagesordnung sind und ist daher sicherlich davon auszugehen, daß mir die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Körperliche Mißhandlungen stellen Verfolgungen im Sinn der Flüchtlingskonvention dar, wenn die Verfolgung vom Staat ausgeht. Die Umerziehungslager sind staatliche Einrichtungen und ist die Volksrepublik Vietnam auch sicherlich nicht willens im Fall meiner Abschiebung die Verfolgung hintanzuhalten.
Im übrigen könnten gegen Asylwerber gesetzte Maßnahmen auch dann als Verfolgung angesehen werden, wenn sie nicht von staatlichen Stellen ausgehen und die Behörde nicht willens ist, gegen solche Übergriffe Schutz zu bieten."
Dem ist zunächst zu entgegnen, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 10. Oktober 1996, Zl. 95/20/0501, und Zl. 95/20/0521, bereits ausgesprochen hat, daß er in der von der belangten Behörde gewählten Vorgangsweise, sich begründend im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG lediglich auf den - aufgehobenen - Vorbescheid zu stützen, nicht als rechtswidrig erkannt hat. Auf die dortigen Ausführungen wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Daran ändert auch nichts, daß der Beschwerdevertreterin als (der erst in diesem Verfahren bestellten) Verfahrenshelferin diese Vorbescheide selbst nicht zugestellt worden sind; daß die Zustellung an den (damaligen) Rechtsvertreter der Beschwerdeführer nicht gesetzmäßig erfolgt sei, behauptet sie nicht. Die Kenntnis vom Inhalt dieser Bescheide ist den beiden Beschwerdeführern jedenfalls zurechenbar. Es wäre daher auch der nunmehrigen Beschwerdevertreterin möglich und zumutbar gewesen, sich vom Inhalt dieser, den Beschwerdeführern rechtswirksam zugestellten Bescheide der belangten Behörde Kenntnis zu verschaffen.
In den Beschwerden wird auch nicht in Abrede gestellt, daß die Berufungen der Beschwerdeführer keine Umstände enthielten, die eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 notwendig gemacht hätten. Zutreffend hat daher die belangte Behörde das Ermittlungsergebnis der Verfahren erster Instanz im Sinn des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 ihren Entscheidungen zugrundegelegt. Ausgehend davon erweist sich aber auch die (für beide Beschwerdeführer gleichlautende) rechtliche Beurteilung der belangten Behörde als zutreffend, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weder die innere Abneigung eines Beschwerdeführers gegen das gesellschaftliche oder politische System in seinem Heimatland einen Umstand darstellt, der im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 zur Asylgewährung führen könnte (es sei denn, diese Einstellung habe sich bereits nach außen hin den Behörden seines Heimatlandes erkennbar dargestellt; dies ist aber nach der Darstellung der Fluchtgründe der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall auszuschließen; vgl. auch hg. Erkenntnisse vom 10. März 1993, Zlen. 92/01/1076, 1077, und vom 25. Mai 1994, Zl. 94/20/0034, und die dort angeführte weitere Judikatur), noch aus den allgemeinen politischen Verhältnissen im Heimatland eines Asylwerbers allein nicht Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 abgeleitet werden kann, vielmehr müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete bzw. ihm drohende Maßnahmen in der von der Genfer Konvention geforderten Intensität glaubhaft gemacht werden. Durch die Mutmaßung allein, nach Rückkehr in sein Heimatland in ein "Umerziehungslager" gesteckt zu werden, kann aber eine konkrete, gegen die Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungsmaßnahme (noch) nicht dargetan werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof ferner in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust des Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, so lange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1994, Zl. 94/20/0034, und die dort wiedergegebene Judikatur). Derartiges haben die Beschwerdeführer ebenfalls nicht behauptet.
Bereits aus diesem Grunde erweist sich das Vorbringen der Beschwerdeführer nicht als geeignet, wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob dem Verhalten der vietnamesischen Botschaft (Verweigerung der Ausstellung von neuen Reisepässen) jene Motivation unterstellt werden kann, die die belangte Behörde als Begründung herangezogen hat.
Da sich sohin bereits aus dem Inhalt der Beschwerden ergibt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996200836.X00Im RIS seit
03.04.2001