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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1995, Zl. 4.341.893/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. Februar 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines irakischen Staatsangehörigen, der am 26. Oktober 1992 in das Bundesgebiet eingereist war und am 28. Oktober 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hatte, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. November 1992, mit welchem der Antrag auf Gewährung von Asyl abgewiesen worden war, abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 und 2 des Asylgesetzes 1991 (AsylG) wurde dem Beschwerdeführer der befristete Aufenthalt im Bundesgebiet bis 14. Februar 1996 bewilligt.
Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 30. Oktober 1992 angegeben, von 1977 bis 1983 die Grundschule und von 1983 bis 1991 die Allgemeinbildende Höhere Schule in Bagdad besucht zu haben. Er habe am 6. April 1992 seine Heimat verlassen und sei über mehrere Staaten letztlich aus der Türkei kommend am 26. Oktober 1992 illegal nach Österreich eingereist.
Zu seinen Fluchtgründen führte er aus:
"Ich war nie Mitglied einer politischen Partei oder Organisation.
Während meiner Schulzeit wurde ich des öfteren unter Druck gesetzt, der regierenden Baath-Partei beizutreten. Das wollte ich aber nicht.
Im Jahre 1989 war es üblich, daß die Schüler in den Sommermonaten sich zu einer Ausbildung bei der Volksarmee zu melden hatten. Da ich aber eine Nachprüfung hatte, und lernen mußte, ging ich nicht zu dieser Ausbildung.
Daraufhin mußte ich die Klasse wiederholen.
Nach dem Einmarsch der irakischen Armee in Kuwait kamen am 12.08.1990 Funktionäre der Baath-Partei zu uns in die Schule, und suchten mich und ca. 30 andere Kollegen von mir aus, die kräftiger Statur waren.
Wie erhielten den Befehl, uns in 2 Monaten bei einem Ausbildungslager zu melden.
Ich leistete diesem Befehl jedoch nicht Folge.
Aus Angst, daß ich wegen meines Nichtantrittes in diesem Ausbildungslager mit negativen Konsequenzen zu rechnen gehabt hätte, besuchte ich auch nicht mehr die Schule.
Am 01.10.1991 hätte ich mich bei der für mich zuständigen Stellungskommission zum Militärdienst melden müssen. Ich leistete dieser Aufforderung jedoch nicht Folge und wurde ca. 1 Monat später bei einer Ausweiskontrolle erwischt und verhaftet.
Dies war am 03.11.1991.
Ich wurde in ein Militärgefängnis in H gebracht und wurde dort
bis zum 08.01.1992 inhaftiert.
Während meiner Haft wurde ich geschlagen und mißhandelt. Ich mußte einige Male meine Hände in kochendes Wasser halten. Weiters wurde ich auch mit einem Plastikkabel auf den Rücken geschlagen.
Von der Mißhandlung mit dem Plastikkabel auf dem Rücken, weise ich noch Spuren auf.
Weiters wurde ich als Verräter und Feigling bezeichnet und beschimpft.
Nach meiner Entlassung wurde ich gleich in der Kaserne in H eingesetzt.
Nach einem Monat hatte ich Urlaub, welchen ich nützte, um vom
Militär zu desertieren.
Dies war ca. am 09.02.1992.
Ich versteckte mich bis zum 08.04.1992 bei mir zu Hause.
Vom 06.04.1992 bis 29.07.1992 lebte ich bei meinem Onkel in B (Irak).
Am 29.07.1992 flüchtete ich in den Iran.
Ich wollte nicht im Iran bleiben, weil ich im Iran nicht in Ruhe hätte leben können.
Am 07.08.1992 kam ich in die Türkei und hielt mich dort bis zum 26.10.1992 auf.
Ich hatte sowohl im Iran und auch in der Türkei Angst, von irakischen Geheimdienstbeamten erkannt und verraten zu werden.
Ich hielt mich sowohl im Iran und auch in der Türkei illegal auf.
Falls ich in meine Heimat zurückkehren würde, hätte ich mit der Todesstrafe zu rechnen."
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. November 1992 wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 AsylG abgewiesen. Die Begründung stützt sich darauf, daß allgemeine Benachteiligungen beruflicher, wirtschaftlicher oder schulischer Natur keine Verfolgung darstellen würden, die vom Beschwerdeführer geschilderten Mißhandlungen zwar bedauerlich seien, aber schon zu lange zurücklägen, um zum Zeitpunkt der Ausreise noch relevant zu sein und die Furcht vor einer wegen Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung, keine Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 1 AsylG darstelle. Darüber hinaus sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer persönlich keinen Verfolgungen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei.
In seiner aufgrund der abweisenden Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß auch im Falle der Wehrdienstverweigerung Asylrelevanz vorliegen könne. Die außergewöhnliche Härte einer drohenden Strafe wegen Wehrdienstentziehung gebe regelmäßig dann Anlaß zur Prüfung ihrer Asylrelevanz, wenn in einem totalitären Staat ein geordnetes und berechenbares Gerichtsverfahren fehle und solche Strafen auch willkürlich verhängt würden. Aufgrund der Resolution 1370 des irakischen Revolutionskommandorates vom 2. Jänner 1984 drohe ihm die Todesstrafe und sei seine Furcht, bei einer Rückkehr in seine Heimat die Todesstrafe zu erleiden, durchaus berechtigt.
Die belangte Behörde erließ darauf den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14. Februar 1995, in dem sie unter Spruchpunkt 1. die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes abwies. Zu den Vorfällen und Umständen während der Schulzeit des Beschwerdeführers hielt sie fest, daß diese Ereignisse schon längere Zeit vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Irak zurücklägen und daher nicht mehr beachtlich seien. Die wohlbegründete Furcht müßte aber vielmehr bis zur Ausreise andauern. Weiters stellten die im Heimatland des Asylwerbers allgemein herrschenden politischen Verhältnisse, so zum Beispiel die allgemeinen Benachteiligungen beruflicher, wirtschaftlicher oder schulischer Natur keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des AsylG 1991 dar.
Was die Desertion und Wehrdienstverweigerung betreffe, so seien diese auch in klassisch demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern mit Strafe bedroht. Die Strenge und Art der angedrohten Strafe sei nicht maßgeblich. Auch der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, daß die "Flucht" vor einer wegen Desertion bzw. Wehrdienstverweigerung drohenden, auch strengen Bestrafung, keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstelle. Aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht im Irak komme es nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Entziehung oder Verweigerung habe somit nicht erkennbar den Zweck, die Wehrpflichtigen in schutzwürdigen persönlichen Merkmalen zu treffen. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei jedenfalls nicht glaubwürdig ableitbar, daß dieser aufgrund eines in der Genfer Konvention bzw. in § 1 Z. 1 AsylG genannten Grundes im Falle seiner Aufgreifung und Verurteilung eine differenzierte Bestrafung im Vergleich zu anderen irakischen Staatsangehörigen zu erwarten habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer unter Heranziehung bundesdeutscher Judikatur zur Frage der Wehrdienstverweigerung geltend, die Voraussetzungen des § 1 Z. 1 AsylG lägen bei ihm vor, weil ihm infolge der Wehrdienstverweigerung in seinem Heimatland die Todesstrafe drohe.
§ 1 Z. 1 AsylG bestimmt, daß als Flüchtling anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Dem Beschwerdevorbringen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, daß weder die Flucht eines Asylwerbers vor einem drohenden Militärdienst noch die Furcht vor einer wegen Wehrdienstverweigerung oder Desertion drohenden, unter Umständen auch strengen Bestrafung, ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt, sofern nicht Umstände hinzutreten, die die Annahme rechtfertigen, die Einberufung und die Behandlung während des Militärdienstes sei infolge einer der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe für den Beschwerdeführer ungünstiger erfolgt bzw. die Bestrafung wegen Verweigerung des Wehrdienstes oder Desertion würde aus diesen Gründen im Vergleich zu anderen Staatsbürgern ungünstiger erfolgen (vgl. hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377).
Daß die Einberufung oder die dem Beschwerdeführer drohende Bestrafung auch einen asylrechtlich relevanten Aspekt hätte, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet.
Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie - ausgehend von den Ergebnissen des Verfahrens 1. Instanz gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 - zur Auffassung gelangte, dem Beschwerdeführer sei mangels Flüchtlingseigenschaft kein Asyl zu gewähren. Wenn der Beschwerdeführer meint, die Behörde vertrete in seinem Fall die sogenannte "Sonderopfer-Theorie", ist er darauf hinzuweisen, daß Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers deshalb verneint wurde, weil der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, aus den in § 1 Z. 1 AsylG 1991 genannten Gründen, die mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention übereinstimmen, verfolgt zu werden. Sowohl die Flüchtlingskonvention als auch das Asylgesetz läßt aber Verfolgung allein für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht genügen, sondern verlangt, daß diese Verfolgung auf einem der genannten Motive beruht (vgl. Kälin, Grundriß des Asylverfahrens, Seite 86 f).
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die Feststellung der belangten Behörde sei aktenwidrig, daß es im Irak bei der Rekrutierung nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen komme; die Behörde habe sich offenbar nicht mit der Niederschrift und der Berufung auseinandergesetzt, woraus zu entnehmen sei, daß er und ca. 30 seiner Schulkollegen wegen der kräftigen Statur für den Golfkrieg rekrutiert worden seien. Daher liege eine zielgerichtete Auswahl vor.
Es ist zwar zutreffend, daß der Beschwerdeführer seine kräftige Statur als Auswahlkriterium bei seiner Ersteinvernahme nannte. Allerdings wird auch dadurch die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 des AsylG nicht begründet.
Die Beschwerde macht weiters geltend, die belangte Behörde habe sich weder mit der Behauptung des Beschwerdeführers, daß ihm in seinem Heimatstaat die Todesstrafe drohe, noch mit der unmenschlichen Vollzugspraxis von Strafen gegenüber Deserteuren und der allgemeinen Situation im Irak ausreichend auseinandergesetzt. Selbst die Bedrohung mit der Todesstrafe begründet aber keinen Anspruch auf Asylgewährung, wenn - wie im Beschwerdefall - kein Zusammenhang mit Konventionsgründen besteht. Im Falle einer Bedrohung mit der Todesstrafe (oder mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe) kommt jedoch bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen das Ab- bzw. Zurückschiebungsverbot des § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, in Betracht.
Soweit in der Beschwerde schließlich die Ansicht vertreten wird, die Androhung der Todesstrafe wegen Desertion mache deutlich, daß die Entziehung vom Wehrdienst vom irakischen Staat als politische Haltung betrachtet werde - dies ergebe sich insbesondere aus der Resolution 1370 des irakischen Revolutionskommandorates - ist zu bemerken, daß diese auf der Sachverhaltsebene angesiedelte Argumentation erstmals in der Beschwerde erhoben wird, weshalb diesem Vorbringen das aus § 41 VwGG ableitbare Neuerungsverbot entgegensteht. Noch in der Berufung legte der Beschwerdeführer nämlich dar, daß in der Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung keine politische Verfolgung liege.
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995200370.X00Im RIS seit
20.11.2000