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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art148a Abs1Leitsatz
Zuständigkeit der Volksanwaltschaft zur Prüfung vermuteter Mißstände in der Verwaltung des Bundes von Amts wegen ohne eine Beschwerde, vorliegendenfalls bei Einrichtung eines Steuerombudsmannes durch das Bundesministerium für FinanzenSpruch
Die Volksanwaltschaft ist gemäß Art148 a Abs2 B-VG zuständig, von ihr vermutete Mißstände bei der Einrichtung einer Beschwerde- und Auskunftsstelle ("Steuerombudsmann") durch das Bundesministerium für Finanzen einschließlich des damit zusammenhängenden Abschlusses eines Werkvertrages zwischen dem Bundesminister für Finanzen und dem "Steuerombudsmann" von Amts wegen zu prüfen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Volksanwaltschaft stellte am 2. März 1995 zum AZ KV 1/95 mit Berufung auf Art148 f B-VG iVm §36 g VerfGG 1953 den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, daß
"die Überprüfung der Einrichtung einer Beschwerde- und Auskunftsstelle ('Steuerombudsmann') und der Abschluß eines Werkvertrages durch den Bundesminister für Finanzen als Akt der Bundesverwaltung gemäß Art148 a Abs1 und 2 B-VG in die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft fällt und der Bundesminister für Finanzen gemäß Art148 b Abs1 B-VG als Organ des Bundes verpflichtet ist, der Volksanwaltschaft sämtliche Akten zur Einsicht vorzulegen, welche sich auf die Bestellung eines Steuerombudsmannes, die Festlegung seiner Aufgaben, Befugnisse und Pflichten sowie die (amtsinterne) Verlautbarung hierüber beziehen."
1.2. Diesem Antrag lag folgender Sachverhalt zugrunde:
1.2.1.1. Die Volksanwaltschaft führte in ihrem an den Bundesminister für Finanzen gerichteten und ein amtswegiges Prüfungsverfahren (Art148 a Abs2 B-VG) einleitenden Schreiben vom 27. Mai 1994, ZVA 109-FI/94, ua. aus:
"Die Volksanwaltschaft hat durch einen Höflichkeitsbesuch des
(N.N.) am 6. Mai erfahren, daß der (G)enannte nun als
'Steuerombudsmann' fungiere. Offiziell wurde ihr dies durch ein
Rundschreiben des ... Bundesministers für Föderalismus und
Verwaltungsreform vom 13. Mai bekannt. ...
Die Bestellung eines Ombudsmannes, der nicht
weisungsgebundenes Organ (Art20 B-VG) ist, durch einen
Bundesminister hat ... wesentliche Bedenken auszulösen.
Zunächst wäre darauf hinzuweisen, daß der Begriff 'Ombudsmann' der österreichischen Rechtsordnung zwar fremd ist, aber international mit einem ganz bestimmten Inhalt verknüpft wird.
...
Als Ombudsmann ... ist in Österreich durch die Bundesverfassung die Volksanwaltschaft berufen. Wenn auch von verschiedener Seite - wie insbes. von Zeitungen - der rechtlich nicht geschützte Begriff unzulässigerweise in Anspruch genommen wird, so kann doch wohl erwartet werden, daß die Organe der Republik ihre Terminologie den verfassungsrechtlichen Gegebenheiten anpassen.
Noch schwerer wiegt aber die Frage, ob Ihrerseits nicht durch die 'Bestellung' (Schreiben Ihres Ministeriums an das Bundeskanzleramt vom 20. April 1994 ...) eines Ombudsmannes ein Akt gesetzt wird, der keine gesetzliche Deckung aufzuweisen vermag.
Die 'Bestellung' eines weisungsfreien Funktionsträgers im Rahmen der staatlichen Verwaltung durch Entscheidung eines Bundesministers erscheint höchst problematisch. ...
Sie werden daher ... verstehen, wenn Sie die Volksanwaltschaft
um eine erschöpfende Darlegung Ihres Bestellungsaktes in
formeller und inhaltlicher Hinsicht ersucht. In diesem
Zusammenhang wird auch gebeten, im Sinne des Legalitätsprinzips
(Art18 B-VG) darzulegen, inwieweit sich der ... Bestellungsakt
auf gesetzliche Grundlagen stützt."
1.2.1.2.1. Daraufhin antwortete der Bundesminister für Finanzen mit Zuschrift vom 14. Juli 1994 wie folgt:
"Erstmals im Jahr 1988 erfolgte eine Installierung einer finanzinternen Beschwerde- und Auskunftsstelle. Die vorrangige Überlegung war damals, daß dieser Stelle ein unmittelbarer Zugang zu internen Informationen möglich ist und ihre Einrichtung sich daher als ein Ausfluß der finanzinternen Dienstaufsicht darstellt. Als Bezeichnung für diese finanzinterne Beschwerde- und Bürgerservicestelle bot sich der nicht geschützte Begriff des Steuerombudsmannes bzw. Steuerombudsdienstes an.
Die 'Bestellung' des Steuerombudsmannes erfolgte nicht durch
einen hoheitlichen Akt, sondern ... wurde (mit N.N.) ein
Werkvertrag abgeschlossen. Sein Aufgabengebiet ist im §1 dieses Vertrages wie folgt umschrieben: ...
Der Abschluß eines ... Werkvertrages ist gesetzlich
zweifelsfrei gedeckt. Unter Berücksichtigung der vom Steuerombudsmann zu erbringenden Werkleistungen ist eine Kollision mit der Bestimmung des Art148 b B-VG nicht erkennbar."
1.2.1.2.2. In einer weiteren Zuschrift vom 14. September 1994 führte der Bundesminister für Finanzen zu einzelnen Fragen, welche die Volksanwaltschaft mit Schreiben vom 27. Juli 1994 gestellt hatte, ua. aus:
"Bereits in meinem Schreiben vom 14. Juli 1994 ... habe ich
das Aufgabengebiet und den Tätigkeitsbereich des
Steuerombudsmannes dargestellt. ... (D)em Steuerombudsmann
(obliegt) ua. die Erteilung allgemeiner Informationen und
Auskünfte über das Abgabenrecht und die Organisation der
Bundesabgabenverwaltung. In Verfolgung des Bürgerservicegedankens
und im Sinne eines verbesserten Zuganges zum Abgabenrecht soll
der Steuerombudsmann das Bundesministerium für Finanzen im
Bestreben nach verbesserter Bürgernähe unterstützen. Dadurch soll
in einer informellen und unbürokratischen Art und Weise dem
Bedürfnis der Information- und Ratsuchenden durch eine
ressortinterne Einrichtung entsprochen werden. Die in ... §4 BMG
zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers findet somit hiedurch eine besondere Form der Umsetzung.
Demgegenüber erstreckt sich die Kompetenz der
Volksanwaltschaft auf die Prüfung konkreter Beschwerden sowie von
ihr vermuteter Mißstände in der Verwaltung. ... Daraus ist
ersichtlich, daß die Tätigkeit des Steuerombudsmannes der
Finanzverwaltung in keiner Weise in den gesetzlich beschriebenen
Aufgabenkreis der Volksanwaltschaft eingreift oder mit der
Zuständigkeit der Volksanwaltschaft konkurriert. ... (B)eide
Einrichtungen (verfolgen) im Interesse der (Staatsbürger) die
Zielsetzungen einer ... modernen und demokratischen Verwaltung.
...
Die von Ihnen geäußerten Bedenken erscheinen somit in keiner
Weise nachvollziehbar. Durch die ... bereits mehrfach erfolgte
vollinhaltliche Darstellung der vom Steuerombudsmann zu erbringenden Werkleistungen und die ausführliche Erläuterung seines Aufgabengebietes dürfte sich ein Eingehen auf die von Ihnen gestellten Fragen wohl erübrigen."
1.2.2.1. Mit Schreiben vom 28. September 1994 ersuchte die Volksanwaltschaft
"(i)n Fortführung des Prüfverfahrens ... um Zurverfügungstellung sämtlicher Akte zur Einsicht, welche sich auf die Bestellung des (N.N.) zum Steuerombudsmann, die Festlegung seiner Aufgaben, Befugnisse und Pflichten sowie die (amtsinterne) Verlautbarung hierüber beziehen."
1.2.2.2. Der Bundesminister für Finanzen kam der Bitte um Einsichtnahme in die bezughabenden Akten nicht nach und teilte der Volksanwaltschaft in einer (abschließenden) Zuschrift vom 18. November 1994 ua. mit:
"Auch Ihr letztes Schreiben bringt in dieser Angelegenheit
keine neuen Gesichtspunkte, sodaß ... keine Veranlassung besteht,
von der vom Bundesministerium für Finanzen ... geprüften
Rechtsansicht abzugehen. Ich gehe davon aus, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Art148 a B-VG nicht vorliegen, weshalb die Bestimmung des Art148 b B-VG nicht anwendbar ist.
..."
1.2.3.1. Am 5. Dezember 1994 trat die Volksanwaltschaft an die Bundesregierung mit dem Ersuchen heran,
"einen die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft ... betreffenden Beschluß zu fassen, welcher ... die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof ermöglicht."
1.2.3.2. Hiezu führte der Bundeskanzler im Schreiben vom 27. Jänner 1995 aus, daß
"(i)m Hinblick auf die mit der VerfGG-Nov. BGBl. 510/1993 geschaffene Rechtslage davon auszugehen (ist), daß es einer Beschlußfassung der Bundesregierung nicht bedarf."
1.2.4. Mit Schriftsatz vom 10. April 1995 schränkte die Volksanwaltschaft ihren (beim Verfassungsgerichtshof am 2. März 1995 eingelangten) Antrag (s. Pkt. 1.1.) dahingehend ein, es möge (lediglich) festgestellt werden, daß
"die Überprüfung der Einrichtung einer Beschwerde- und Auskunftsstelle ('Steuerombudsmann') und der Abschluß eines Werkvertrages durch den Bundesminister für Finanzen als Akt der Bundesverwaltung gemäß Art148 a Abs1 und 2 B-VG in die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft fällt."
1.2.5. Im verfassungsgerichtlichen Verfahren nahm der Bundesminister für Finanzen als Verfahrenspartei zum Antrag der Volksanwaltschaft ua. wie folgt Stellung:
"Der Aufgabenbereich des Steuerombudsmannes betrifft nur Agenden, die an sich vom Bundesministerium für Finanzen (bzw. von anderen Abgabenbehörden des Bundes) zu erfüllen sind. In diesem Zusammenhang ist insbes. auf die sich aus §4 Abs1 BMG ergebende Pflicht zur Dienstaufsicht hinzuweisen. Weiters ergibt sich aus §4 Abs2 BMG, daß die Bundesminister Mißstände, die sie in Ausübung der Dienstaufsicht feststellen, mit den ihnen gesetzlich zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich abzustellen haben. In welcher organisatorischen Form der jeweilige Bundesminister dieser Verpflichtung nachkommt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben; dies kann daher - wie im Bundesministerium für Finanzen - in dem Teilbereich 'Steueradministration' auch durch einen Steuerombudsmann erfolgen, der in dieser Funktion allerdings gegenüber dem Bundesminister für Finanzen wegen Art20 Abs1 B-VG weisungsgebunden ... (ist). ...
Wenn Art148 b B-VG anordnet, daß alle Organe des Bundes ...
die Volksanwaltschaft bei der Besorgung ihrer Aufgaben zu
unterstützen haben, so ist festzuhalten, daß die
Volksanwaltschaft in einem Verfahren wie dem gegenständlichen
nicht in Erfüllung der ihr durch Art148 a B-VG zugewiesenen
Aufgaben tätig wird. Aus Art148 a Abs1 B-VG ergibt sich
nämlich, daß sich jedermann bei der Volksanwaltschaft wegen
behaupteter Mißstände in der Verwaltung des Bundes ... beschweren
kann, sofern er von diesen Mißständen betroffen ist und soweit
ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht.
Dem Abs2 leg. cit. zufolge ist die Volksanwaltschaft berechtigt,
von ihr vermutete Mißstände in der Verwaltung des Bundes ... von
Amts wegen zu prüfen.
Aus dem logischen Zusammenhang dieser beiden Bestimmungen,
somit in systematischer Interpretation, ergibt sich, daß unter
Mißständen im Sinn des Abs2 nur solche gemeint sein können,
durch die sich 'jedermann' (s. Abs1), aber eben jemand anderer
als die Volksanwaltschaft betroffen fühlen könnte. Eine Maßnahme,
durch die sich die Volksanwaltschaft selbst beschwert fühlt, weil
hier nach ihrer Ansicht ein unzulässiges Konkurrenzinstitut
besteht, kann ... somit nicht gemeint sein. Abgesehen davon
erfolgte die Einrichtung des Steuerombudsdienstes ... auf Grund
der dem Bundesminister für Finanzen obliegenden gesetzlichen
Verpflichtungen und ... hatte die Volksanwaltschaft zumindest
seit Juli 1988 (davon) Kenntnis. Die Voraussetzungen des Art148 a Abs2 B-VG liegen daher in diesem Sonderfall offensichtlich nicht vor; deshalb können auch die sich aus Art148 b Abs1 B-VG ergebenden Verpflichtungen des Bundesministers für Finanzen zur Unterstützung der Volksanwaltschaft bei der Besorgung ihrer Aufgaben nicht bestehen.
Wie bereits erwähnt, geht es im gegenständlichen Verfahren nicht um die gegenüber der Volksanwaltschaft zur Besorgung der ihr zugewiesenen Aufgaben bestehende Unterstützungspflicht, sondern um Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft regeln, somit um die Frage, ob die Volksanwaltschaft i(m) konkreten Fall überhaupt ein Prüfungsrecht hat. Eine Auslegung des Art148 a Abs2 B-VG in der Form, daß die Volksanwaltschaft ohne jede Einschränkung amtswegige Prüfungsverfahren einleiten könnte und damit in Fällen wie dem vorliegenden, in dem ganz offenkundig 'niemand' durch einen Mißstand betroffen ist, weil der Steuerombudsdienst ausschließlich in Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen des Bundesministers für Finanzen eingerichtet ist, dennoch eine Zuständigkeit arrogieren könnte, wäre hingegen verfehlt und daher abzulehnen. ..."
2. Der Verfassungsgerichtshof hat über den - zulässigen - Antrag der Volksanwaltschaft erwogen:
2.1.1. Entstehen zwischen der Volksanwaltschaft und einem Bundesminister Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft regeln, so entscheidet auf Antrag der Volksanwaltschaft der Verfassungsgerichtshof (Art148 f B-VG).
Der Verfassungsgerichtshof legte bereits im Erk. VfSlg. 12835/1991 dar, daß der Begriff "Zuständigkeit der Volksanwaltschaft" in Art148 f B-VG nicht nur im Sinn einer Befugnis zur Prüfung schlechthin zu verstehen ist, sondern darüber hinaus auch im Sinn der Zuständigkeit zur Vornahme ganz bestimmter Prüfungsakte gedeutet werden muß.
2.1.2. Eine der (Zuständigkeits-)Vorschriften, von denen Art148 f B-VG handelt, findet sich in Art148 a Abs2 B-VG. Danach ist die Volksanwaltschaft berechtigt, "von ihr vermutete Mißstände in der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten" von Amts wegen zu prüfen (vgl. Art148 a Abs1 und 2 B-VG sowie die bis zur B-VG-Nov. BGBl. 350/1981 insoweit wortgleichen Verfassungsbestimmungen des §1 Abs1 und 2 des BG über die Volksanwaltschaft, BGBl. 121/1977; s. dazu auch Klecatsky - Pickl, Die Volksanwaltschaft, 1989, S 74 f.).
Somit erstreckt sich die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft, wie eine Wortinterpretation ergibt, auf die gesamte Verwaltungstätigkeit des Bundes, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich dabei um unmittelbare oder mittelbare, um hoheitliche oder nichthoheitliche Besorgung von Aufgaben handelt (VfSlg. 13323/1992).
2.2.1. Die Volksanwaltschaft geht in ihrem an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag von der Auffassung aus, daß die Bestellung eines Steuerombudsmannes durch den Bundesminister für Finanzen zum Verwaltungsbereich des Bundes zähle, wie ihn Art148 a Abs2 B-VG umschreibt. Dieser Rechtsmeinung tritt der Bundesminister für Finanzen nicht entgegen, er meint allerdings, daß die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Volksanwaltschaft nach Art148 a Abs2 B-VG deswegen nicht gegeben seien, weil die bezogene Verfassungsbestimmung nur "Mißstände" erfasse, "durch die sich 'jedermann', aber eben jemand anderer als die Volksanwaltschaft betroffen fühlen könnte". Begründend verweist der Bundesminister für Finanzen auf Art148 a Abs1 B-VG, wonach sich "jedermann ... bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Mißstände in der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten beschweren (kann), sofern er von diesen Mißständen betroffen ist und soweit ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht".
2.2.2. Der Rechtsansicht des Bundesministers für Finanzen über den normativen Inhalt des Art148 a Abs2 B-VG vermag der Verfassungsgerichtshof nicht beizutreten. Nach Art148 a Abs2 B-VG ist die Volksanwaltschaft berechtigt, "von ihr vermutete Mißstände in der Verwaltung des Bundes ... von Amts wegen zu prüfen". Ein Zusammenhang der eigenständigen Prüfungsvoraussetzungen des Abs2 mit Abs1 des Art148 a B-VG läßt sich schon angesichts des klaren und unmißverständlichen Wortlautes der entsprechenden Verfassungsbestimmungen nicht herstellen. Art148 a Abs1 B-VG verpflichtet die Volksanwaltschaft zur Prüfung der an sie herangetragenen Beschwerden wegen behaupteter Mißstände in der Verwaltung des Bundes. Diese Beschwerden stehen "jedermann" offen, soweit er von diesen Mißständen betroffen ist und ihm ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zur Verfügung steht. Hängt daher das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht nach Art148 a Abs1 B-VG von Beschwerden (irgend-)einer Person ab, so berechtigt die hier maßgebende Norm des Art148 a Abs2 B-VG die Volksanwaltschaft zum Einschreiten von Amts wegen, wobei es allerdings, entgegen der Meinung des Bundesministers für Finanzen, in keinem der beiden Fälle eine Rolle spielt, ob die "behaupteten" (Art148 a Abs1 B-VG) oder "vermuteten" (Art148 a Abs2 B-VG) Mißstände den Wirkungskreis der Volksanwaltschaft selbst berühren oder nicht. Art148 a Abs2 B-VG ermächtigt also die Volksanwaltschaft jedenfalls auch zur Durchführung von Prüfungen, die über eine Beschwerde hinausgehen, sowie zur Prüfung von vermuteten Mißständen ohne jede Beschwerde; irgendeines "Anlaßfalles" bedarf es dazu nicht (s. Mayer, Das österreichische Bundes-Verfassungsrecht, S 353 II.1.).
2.2.3. Aus diesen Erwägungen mußte spruchgemäß entschieden werden.
2.3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
VolksanwaltschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:KV1.1995Dokumentnummer
JFT_10049386_95KV0001_00