TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/1 W171 1426442-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2021
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Entscheidungsdatum

01.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch


W171 1426442-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Nadja Lorenz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III, IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 05.10.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 01.04.2023 erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 09.10.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit am 15.10.2013 mündlich verkündeten und am 23.10.2013 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis des Asylgerichtshofes, Zl. XXXX , wurde dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und dem BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 14.10.2014 erteilt. Dies mit der Begründung, dass die Sicherheitslage in der afghanischen Provinz Kunar als sehr schlecht zu beschreiben sei und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht vorliege. Als innerstaatliche Fluchtalternative würde allenfalls Kabul in Betracht kommen. Existenzmöglichkeiten am Ausweichort seien aber von den persönlichen Umständen des Betroffenen und der jeweils aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage abhängig. Eine Rückkehr komme sohin nur dann in Betracht, wenn der betreffende Afghane in der Lage sei, sich sofort und aus eigenen Mitteln oder auf Grund von bestehendem Familienanschluss in einem hinreichend sicheren Ort ein sicheres Rückzugsgebiet vor allem für die Nacht zu schaffen. Zumal der BF in Kabul weder über ein familiäres noch über ein soziales Netzwerk verfüge, wäre er im Falle einer Rückkehr vorerst auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, sich einen Wohnraum zu suchen, ohne jedoch ausreichende Kenntnisse über die infrastrukturellen Gegebenheiten zu haben. Wie sich auch anhand der ins Verfahren einbezogenen Länderdokumente zeige, stelle sich die Versorgung mit Wohnraum, aber auch mit Nahrungsmitteln insbesondere für alleinstehende Rückkehrer meist nur unzureichend dar. Eine staatliche Unterstützung sei zudem anhand der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan unwahrscheinlich. Sohin sei es dem BF nicht zuzumuten, in seine Heimat zurückzukehren, da er für den Fall einer Abschiebung nach Afghanistan auch mangels eines sozialen Netzes in eine aussichtlose Situation kommen würde, sodass diese im Blickwinkel des Artikels 3 EMRK unzulässig sei.

3. In weiterer Folge wurde dem BF die Aufenthaltsberechtigung als subsidiärer Schutzberechtigter bis zum 14.10.2016 und zuletzt mit Bescheid des BFA vom 27.10.2016 bis 14.10.2018 verlängert.

4. Der BF wurde am 04.02.2016 gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG, 15 StGB und §§ 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

5. Am 09.01.2018 wurde der BF gemäß § 91 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

6. Mit Bescheid vom 02.08.2018, wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt. Dies begründete das BFA zusammengefasst damit, dass sich die Lage in Afghanistan verbessert habe und dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zumutbar wäre.

7. Am 05.10.2018 beantragte der BF die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.01.2020, XXXX , wurde dieser Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ersatzlos behoben.

Begründend führte das BVwG aus, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG (vgl. Art. 16 Abs. 2 Status-richtlinie) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht dargetan habe. Es sei weder seit erstmaliger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten noch seit letztmaliger Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den BF zu einer maßgeblichen Verbesserung der objektiven Lage im Herkunftsstaat und/oder der subjektiven Lage des BF gekommen.

Der BF verfüge seit vielen Jahren über keinen Kontakt mehr nach Afghanistan. Er stehe auch nicht mit afghanischen Verwandten oder Bekannten im Iran in Kontakt. Der BF habe sich seit seiner Einreise in Österreich am 09.10.2011 durchgehend in Österreich und somit seit mehr als acht Jahren nicht mehr in Afghanistan aufgehalten. Während seines Aufenthaltes in Afghanistan habe er ausschließlich in der Provinz Kunar gelebt und sich lediglich im Zuge seiner Flucht aus Afghanistan einen Tag in Kabul aufgehalten.

Der BF habe zwar in Österreich Arbeitserfahrung gesammelt, ohne jedoch eine profunde Ausbildung genossen zu haben, die es ihm wesentlich erleichtern würde, im Fall der Rückkehr nach Afghanistan am dortigen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Es habe sich insofern auch diesbezüglich keine wesentliche Besserung ergeben, die es dem BF maßgeblich erleichtern würde, seinen Lebensunterhalt in Afghanistan sichern zu können.

Schließlich habe sich entgegen der Ansicht des BFA die allgemeine Lage in Afghanistan nicht gebessert.

Zur Frage, ob die Straffälligkeit des BF eine Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z2 AsylG rechtfertigen würde, führte das BVwG aus, dass die letzte strafbare Handlung des BF mehr als 3,5 Jahre zurückliege. Er habe sich seither nichts mehr zu Schulden kommen lassen und konsumiere seit vier Jahren kein Suchtgift mehr. Der BF sei zwar rechtskräftig verurteilt, die über ihn verhängten Strafen bewegten sich jedoch bei einem Strafrahmen von jeweils einem Jahr und einer tatsächlich verhängten Strafe von einem bzw. drei Monaten – zumal bedingt nachgesehen – im untersten Bereich. Der BF habe sich vom damaligen Umfeld, das negativen Einfluss auf ihn ausübte, getrennt. Er sei im Erwerbs- und Gesellschaftsleben nachhaltig integriert und er gehe einem unbefristeten Job nach. Sein Dienstgeber sei zufrieden und schätze den BF. Der BF sei selbsterhaltungsfähig. Er beziehe seit knapp zwei Jahren keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr. Er verfüge über einen unbefristeten Mietvertrag. Er verfüge über einen Freundeskreis, der den BF unterstütze und ihm gelungene Integration in Österreich bescheinige. Er habe Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache gemacht.

9. Der BF wurde am 14.02.2020 durch das BFA einvernommen.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.02.2020 wurde der dem BF mit Erkenntnis vom 23.10.2013 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Der Antrag des BF auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist zur Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI).

Beweiswürdigend wurde im angefochtenen Bescheid zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Folgendes ausgeführt:

„Sie gaben im Rahmen Ihrer Einvernahme vor dem BFA am 14.02.2020 in Bezug auf Ihr Heimatland Afghanistan keine aktuelle bzw. individuelle Gefährdungslage zu Protokoll, zumal Sie in diesem Zusammenhang lediglich zu Protokoll brachten, dass Sie die allgemeine Sicherheitslage fürchten würden. Mehr brachten Sie nicht vor. Sie lassen schließlich nichts erkennen, das anzeigen würde, dass Sie im Falle der Rückkehr in Ihr Heimatland einer individuellen Bedrohungslage ausgesetzt sein würden, umso mehr Sie eben bloß die allgemeine Sicherheitslage vorgebracht haben. Hinweise einer aktuellen Verfolgung gegen Ihre Person konnten Ihrem Vorbringen keinesfalls entnommen werden.

Ihnen wurde mit Erkenntnis vom 23.10.2013 der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich zuerkannt, weil für Sie als Zivilperson im Falle einer Rückkehr eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung Ihres Lebens nicht ausgeschlossen werden konnte, umso mehr die Sicherheitslage in Ihrer Heimatprovinz schlecht gewesen sei und Sie über keine familiären Anknüpfungspunkte in Kabul verfügt haben sollen; aufgrund dessen ist die Behörde davon ausgegangen, dass Sie im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen wären.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht vor, umso mehr Ihnen nun eine Neuansiedlung in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat zuzumuten ist.

Sie befinden sich im erwerbsfähigen Alter und bejahten im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA ausdrücklich Ihre Arbeitsfähigkeit. Sie haben acht Jahre die Schule besucht und haben zudem Arbeitserfahrung als Verkäufer gesammelt. Dies wird Ihnen freilich bei der Arbeitssuche in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat sowie der Wiedereingliederung in der afghanischen Gesellschaft nützlich sein.

Aus diesen Gründen ist schließlich einzig festzustellen, dass Sie im Falle der Rückkehr für Ihre Existenzsicherung aufkommen können. Auch ein fehlender sozialer bzw. familiärer Background bzw. fehlende Unterstützung in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat führt freilich nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung in diesen Städten, umso mehr Sie als erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann Ihren Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen und dabei im Bedarfsfall auch auf die diversen Unterstützungsnetzwerke (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO´s) zurückgreifen könnten. Anzumerken ist, dass bereits der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung erkannt hatte, dass selbst fehlende familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte bzw. Unterstützungen in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Rückkehr an diese Orte führen. Auch eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Rückkehrer vorfinden würde, reicht für sich betrachtet nicht mehr aus, um eine Rückkehr in die Städte Mazar-e-Sharif oder Herat zu verneinen.

Da es Ihnen in Österreich schließlich gelungen ist, Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten sowie die im Alltag immer wieder auftretenden Schwierigkeiten in den diversen Bereichen zu bewältigen, ist es Ihnen freilich nun sehr wohl zuzumuten, mit Ihrer (neu gewonnenen) Lebenserfahrung auch in Afghanistan, speziell in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt, zumutbar leben zu können. Dies alles spricht schließlich dafür, dass Sie nun in der Lage sein werden, sich (auch) aus eigenen Kräften ein notdürftiges Überleben in Afghanistan zu sichern, und somit ist davon auszugehen, dass Sie nun aufgrund Ihrer bisherigen Lebenserfahrung über die hierfür erforderlichen Fertigkeiten verfügen.

Aufgrund soeben genannter Gründe liegen derzeit jene Voraussetzungen, die die Gewährung subsidiären Schutzes unabdingbar machen, nicht vor.

Bezugnehmend auf eine etwaige Ortsunkenntnis oder anfänglich möglicherweise bestehende Orientierungslosigkeit in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat ist anzumerken, dass dies - alleine gesehen - freilich nicht zur Feststellung führen kann, diese Orte kämen nicht als taugliche Fluchtalternative in Frage, zumal nun gerade mit den ansässigen Hilfsorganisationen Möglichkeiten gegeben sind, um diesem etwaigen Problem Abhilfe zu verschaffen. Hinzu kommt, dass es einem Erwachsenen wohl zumutbar ist, sich in den Großstädten seines Heimatlandes Kenntnisse der örtlichen Begebenheiten anzueignen, genauso wie er dies – wohl wesentlich komplizierter – im (weiten) Ausland ohne Sprachkenntnisse zu erlangen in der Lage sein wird müssen. In Anbetracht der Vielzahl an Rückkehrern aus dem Ausland und deren Möglichkeiten, sich im Heimatland Afghanistan anzusiedeln, lässt sich kein Grund feststellen, der gerade in Ihrem Fall eine solche Rückkehr unmöglich erscheinen ließe, umso mehr Sie diesbezüglich auch keine plausible Begründung abgegeben oder eine besondere Stellung erklärt haben.

Dass Sie schließlich den Lebensunterhalt sowohl in Mazar-e-Sharif als auch in Herat Stadt bestreiten könnten, ist Ihrem Vorbringen insofern zu entnehmen, als Sie glaubhaft machten, zweifellos über eine achtjährige Schulbildung zu verfügen, über mehrere Jahre hinweg Arbeitserfahrung gesammelt zu haben und auch nach wie vor absolut erwerbsfähig sind. Es ist Ihnen schließlich nun zuzumuten, dass Sie auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebestunterhalt - (auch) ohne unmittelbar in Herat Stadt oder Mazar-e-Sharif bestehendem familiären Background - bestreiten könnten.

Überdies ist anzumerken, dass das BFA zum Zeitpunkt der Schutzgewährung davon ausgegangen ist, dass Sie im Falle der Rückkehr vor eine ausweglose Situation gestellt gewesen wären. Nunmehr hat sich jedoch insbesondere aufgrund der Schilderung Ihres Lebenslaufes die damalige Ausgangslage zu den Merkmalen Ihrer Person gänzlich konträr dargestellt; wie dieser schließlich zu entnehmen ist – und durch den im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA gewonnenen Eindruck durch den zur Entscheidung berufenen Organwalter bestätigt wird -, zeichnen Sie sich durch Ihr freundliches Verhalten aus und überzeugen zudem mit Ihrer Flexibilität und Aufgeschlossenheit. Diese (zuvor genannten) positiven Attribute werden Ihnen im Falle der Rückkehr freilich von hohem Nutzen sein.

Sie haben schließlich während Ihres Aufenthaltes hier in Österreich gezeigt, dass Sie sich sogar in einem fremden Land, in welchem sich insbesondere die Kultur, die Sprache sowie auch die Religion von Ihrem Heimatland unterscheidet, anpassen können und zurechtfinden. Dies wird Ihnen bei der Eingliederung in die afghanische Gesellschaft nützlich sein, und eine ausweglose Situation im Falle der Rückreise muss aus diesen Gründen – auch trotz eines fehlenden familiären Backgrounds in den als IFA geprüften Gebieten – ausgeschlossen werden.

Aufgrund der diesbezüglichen Länderinformationen, Ihrer Schulbildung und Ihrer bis dato ausgeübten Arbeitstätigkeit lässt sich schließlich kein Grund mehr feststellen, der Ihre Rückkehr nach Afghanistan unzumutbar machen würde. Zudem befinden Sie sich im erwerbsfähigen Alter und es ist in Ihrem Fall – wie bereits zur Würdigung Ihrer Person ausführlichst dargestellt – nicht ersichtlich, dass bei Ihnen eine grundsätzliche Arbeitsfähigkeit nicht gegeben wäre. Es ist gerade für junge Menschen ein leichtes Unterfangen, neue soziale Kontakte in einer Ihnen noch weitestgehend unbekannten Umgebung zu knüpfen. Darüber hinaus könnten Sie selbstverständlich im Falle der Rückkehr - wie den Feststellungen zum Herkunftsland klar hervorgeht - zum Zwecke des Bestreitens des Lebensunterhaltes Unterstützungen, insbesondere in Zusammenhang mit einer Rückkehr, vom UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen. Daher besteht schließlich kein Zweifel daran, dass Sie sich als arbeitsfähiger und gesunder Mann in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt ohne kulturelle, traditionelle und sprachliche Barrieren selbst versorgen können, zumal auch ebendort internationale Hilfsorganisationen den Wiedereinstieg für Rückkehrer unterstützen.

Des Weiteren geht der Länderinformation klar hervor, dass Mazar-e-Sharif und Herat gut bzw. sicher erreichbare Städte sind.

Auch wenn Sie schon lange nicht mehr in Ihrem Heimatland gewesen sind, ist dies kein Rückkehrhindernis, umso mehr Sie im Rahmen Ihrer Familie aufgewachsen sind und somit die afghanischen Traditionen und Gepflogenheiten kennen. Des Weiteren arbeiten Sie in Österreich und könnten Sie Ihre neu erlernten Fähigkeiten in Afghanistan mit Sicherheit nutzen und wohl auch schnell Arbeit finden. Ebenso sprechen Sie eine der Landessprachen, womit Ihnen eine Eingliederung leichter fallen müsste, als wenn Sie nur im Iran aufgewachsen sind.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. führte das BFA Folgendes aus:

„Zu Beginn sei hier auf das Erkenntnis des BVwG vom 14.05.2019 ( XXXX ) hinzuweisen, in welchem Folgendes steht:

[…]

Zunächst ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer durch seine rechtskräftige Verurteilung wegen unerlaubten Umgang mit Suchtmitteln gemäß § 27 (3) SMG straffällig iSv § 2 Abs. 3 AsylG 2005 geworden ist. Hieraus folgt gemäß § 9 Abs. 3 AsylG 2005, dass, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 oder 2 AsylG 2005 wahrscheinlich ist, ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einzuleiten ist, wobei zunächst das Vorliegen der Tatbestände des Abs. 1 leg.cit. und subsidiär des Abs. 2 leg.cit. zu prüfen ist (vgl. auch RV 330 XXIV GP (Abs. 2 und 3):

„Der neue Abs. 2 stellt demgemäß eine Erweiterung der Aberkennungstatbestände des Abs.1 dar. So hat eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch in drei weiteren Fällen von Amts wegen zu erfolgen (Z. 1 bis 3). [ … ] Die Z. 1 und 2 orientieren sich dabei auch an den Aberkennung- bzw. Ausschlussgründen für den Status des Asylberechtigten gemäß § 6 Abs. 1 Z. 2 und 3. [ … ] Die neuen Aberkennungstatbestände des Abs. 2 sind nur subsidiär anzuwenden, wenn die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus Gründen des Abs. 1 zu erfolgen hat. “

Angesichts der aktuellen Judikatur zum Refoulementschutz von alleinstehenden, jungen, gesunden und arbeitsfähigen Männern betreffend Afghanistan war das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 AsylG 2005 bei einer diesbezüglich vorzunehmenden Grobprüfung als wahrscheinlich anzusehen, sodass das BFA zu Recht ein Aberkennungsverfahren gem.§ 9 AsylG 2005 eingeleitet hat.

Gem. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen

für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen.

Durch die Wortfolge „nicht oder nicht mehr“ hat der Gesetzgeber zwei Fall-Varianten normiert, nämlich einerseits dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung zunächst vorgelegen haben und aufgrund einer Änderung der Umstände (Änderung der Lage im Land oder der persönlichen Umstände des BF, etc.) zum Entscheidungszeitpunkt „nicht mehr“ vorliegen, sowie andererseits, dass – unabhängig von einer Lageänderung – zum Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen (schlicht) „nicht“ vorliegen. Dies korreliert mit den Ausführungen zur Aberkennung des Asylstatus wegen Straffälligkeit in der RV 952 XXII.GP zu § 7 Abs. 2 AsylG (auf die in der RV 330 XXIV. GP ausdrücklich verwiesen wird „Siehe dazu die Erläuterungen zu § 7 Abs. 2“), wonach im Falle einer Straffälligkeit eines Schutzberechtigten wörtlich eine „neue individuelle Bewertung“ des Schutzstatus durchgeführt werden solle (vgl. “Der neue Abs. 2 soll jedoch klar darlegen, dass der Prüfung, ob die Asylgründe weiterhin vorliegen, gerade bei straffälligen Fremden besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, um diesen Personen internationalen Schutz nur im tatsächlich notwendigen Ausmaß zu gewähren. Es ist daher angebracht, eine gesetzliche Verpflichtung des Bundesasylamtes zu normieren, den Fall bei Vorliegen von Straffälligkeit einer neuen individuellen Bewertung zu unterziehen.“).

Eine solche Neubewertung hat folglich ausschließlich auf Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt zu erfolgen, und ist dabei nicht notwendigerweise auf eine Lageänderung abzustellen. Andernfalls wäre auch dem Wort „nicht“ in der Wortfolge „nicht oder nicht mehr“ in § 9 Abs. 1 Z. 1 der Anwendungsbereich gänzlich entzogen, da, wenn immer eine Lageänderung notwendige Voraussetzung für eine Aberkennung wäre, die Wortfolge „nicht mehr“ allein ausreichen würde.

[…]

Somit kann man in Ihrem Fall von einer Neubewertung ausgehen, umso mehr Sie eben straffällig geworden sind. Da Sie eben keine relevante Gefährdungslage vorgebracht haben, ist Ihr Schutzstatus abzuerkennen, umso mehr Ihnen eine IFA offensteht. Sie könnten, wie schon oben besprochen, in Mazar-e-Sharif oder Herat Ihr Leben bestreiten und dort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden, demnach einer Rückkehr in Ihr Heimatland nichts im Wege steht.

Des Weiteren ist gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs.1) nicht oder nicht mehr vorliegen.

Während der 2. Fall des § 9 Abs.1 Z 1 AsylG jene Fälle betrifft, in denen sich die für die Erteilung maßgeblichen Voraussetzungen nach dem Erteilungszeitpunkt wesentlich geändert haben, stellt die erstgenannte Variante darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung nie vorgelegen haben. Die Bestimmung normiert in den angeführten Fällen eine Verpflichtung zur Aberkennung.

Mit Urteil vom 23.5.2019, Bilali, C-720/17, hat der EuGH zu Recht erkannt, dass Art. 19 Abs.1 in Verbindung mit Art. 16 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes dahin auszulegen sei, dass ein Mitgliedstaat den subsidiären Schutzstatus aberkennen müsse, wenn er diesen Status zuerkannt habe, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt gewesen seien, indem er sich auf Tatsachen gestützt habe, die sich in der Folge als unzutreffend erwiesen hätten, und obgleich der betroffenen Person nicht vorgeworfen werde könne, sie habe den Mitgliedstaat bei dieser Gelegenheit irregeführt. Der Gerichtshof verweist schließlich auf die Zielsetzung und allgemeine Systematik der Richtlinie, insbesondere auf Art. 18, der die Zuerkennung von subsidiären Schutzstatus nur an Personen vorsieht, die die genannten Voraussetzungen erfüllen. Wenn der Mitgliedstaat diesen Status nicht rechtmäßig gewähren durfte, muss er erst recht verpflichtet sein, ihn abzuerkennen, wenn sein Irrtum festgestellt wird (vgl. Urteil vom 24.6.2015, H.T., C-373/13)

Artikel 8 der Statusrichtlinie normiert die Möglichkeit der Nicht-Gewährung von internationalem Schutz, steht dem Antragsteller interner Schutz zur Verfügung (inländische Fluchtalternative).

Die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes sind nach der österreichischen Rechtslage gemäß § 8 Abs. 1 und § 11 AsylG dann gegeben, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat

1.       eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder

2.       für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde und zudem

3.       eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht offen steht.

§ 8 Abs. 3 AsylG greift also die Möglichkeit des Art. 8 der Statusrichtlinie auf und bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass in jenem Fall, in dem Fremden eine innerstaatliche Schutzalternative zur Verfügung steht, die in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht gegeben sind (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Das Nicht-Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative ist im österreichischen Asylrecht also eine Erteilungsvoraussetzung.

Der Ansicht, dass im Aberkennungsverfahren die Frage des Bestehens einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgeklammert zu bleiben habe, weil § 9 Abs.1 Z 1 nur auf § 8 Abs. 1 AsylG, nicht aber auf § 8 Abs. 3 AsylG verweise, ist nicht zuzustimmen (VwGH v 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Der VwGH führt aktuell zur Aberkennung des subsidiären Schutzstatus aus, dass die Bestimmung des oben angeführten § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG das Ziel verfolge, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt (vgl. VwGH 14.08.2019, Ra 2016/20/0038).

Der VwGH führt in diesem Erkenntnis aus: Dies wird auch in den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP, 38) - wenngleich dort auch nur kurz angesprochen, so dennoch deutlich – zum Ausdruck gebracht, indem betont wird, dass der Fremde (auch) in einem solchen Fall den Schutz Österreichs nicht mehr benötige. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, betrifft der von der Behörde und vom BVwG hier zur Anwendung gebrachte § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind.

Dem Erkenntnis zugrundeliegenden Verfahren lag der Sachverhalt zugrunde, dass die fehlenden Voraussetzungen in der Person des Antragstellers gelegen waren, die Behörde damit Tatsachen den Asylwerber betreffend, die bereits im Zeitpunkt der Zuerkennung vorlagen, fälschlicherweise nicht berücksichtigt hat.

Allerdings trifft der VwGH in diesem Erkenntnis keinerlei Aussage darüber, wie vorzugehen ist, wenn die Behörde entscheidungsrelevante Tatsachen, die außerhalb der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht berücksichtigt hat. Die allgemeinen Erläuterungen des VwGH im oa Erkenntnis treffen eindeutig auch auf einen solchen Sachverhalt zu. Auch in einem solchen Fall würde eine Aberkennung des Schutzstatus nicht auf einer Änderung der relevanten Tatsachenumstände beruhen, sondern auf einer Neubewertung des bereits zum Zeitpunkt der Gewährung des Schutzstatus vorliegenden Sachverhaltes. Auch hier hat der Verweis auf die Materialen des Fremdenrechtspaketes (RV 952 BlgNr 22. GP, 38) Gültigkeit, wonach die Bestimmung des § 9 Abs.1 Z1 AsylG 2005 das Ziel verfolgt, sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt.

Der Wortlaut dieser Bestimmung ist eindeutig. Wenn die Erteilungsvoraussetzungen nicht vorliegen, so ist abzuerkennen. Für Interpretationen etwa dahingehend, dass die Aberkennung etwa nur bei bestimmten Fällen von Tatsachenunkenntnis der Behörde anzuwenden wäre, besteht angesichts dieser Eindeutigkeit der Formulierung kein Raum.

Und tatsächlich wird in der Judikatur von einer weitreichenden Möglichkeit der Durchbrechung der Rechtskraft ausgegangen.

So führte bereits der AsylGH am 23.9.2010 in E9 318.625-2/2010 aus, dass die Konstellation des 1. Falles jener entspricht, die der „Zurücknahme“ der Anerkennung als Asylberechtigter zugrunde liegt – mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Fälle der vom AsylG 2005 vorgesehenen Zurücknahme Umstände betreffen, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil bereits zum Entscheidungszeitpunkt Asylausschlussgründe vorgelegen sind. Bei der Aberkennung des subsidiären Schutzes stellt das AsylG 2005 hingegen lediglich darauf ab, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Eine Differenzierung, ob die Voraussetzungen mangels Schutzwürdigkeit oder mangels Schutzbedürftigkeit nicht vorgelegen haben, nimmt das Gesetz nicht vor. Diese Abänderung sieht die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung vor.

Der AsylGH bestätigt die von der ersten Instanz vorgenommene Durchbrechung der Rechtskraft, bewertet die Rückkehrgefährdung neu und bestätigt die Aberkennung des Schutzstatus: Das Ermittlungsergebnis ergab, dass die Voraussetzungen weder zum Zeitpunkt ihrer Zuerkennung vorlagen, noch aktuell gegeben sind. Die Grundlagen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf Basis des § 9 Abs.1 Z 1, 1. Fall AsylG 2005 liegen somit vor.

In der Entscheidung XXXX vom 09.09.2019 stellt das BVwG fest, dass „Fremde nicht über den Status des subsidiären Schutzes verfügen sollen, wenn sie die Voraussetzungen dafür nicht erfüllen. Es ist in einem solchen Fall mit einer Aberkennung vorzugehen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Gewährung auch tatsächlich vorgelegen haben oder ob sie nachträglich weggefallen sind. Im Aberkennungsverfahren ist demnach eine aktuelle Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes vorzunehmen, was sich erstens schon aus der Formulierung des ersten Falles des § 9 Abs.1 Z 1 AsylG ergibt, und zudem durch die Rechtsprechung des VwGH Bestätigung findet.“

Gestützt auf diese Bestimmung nimmt das BVwG schließlich eine Aberkennung wegen Vorliegens einer innerstaatlichen Fluchtalternative vor und stellt dabei fest, dass sich die Umstände seit der Zuerkennung des Status nicht wesentlich und nachhaltig verändert haben. Unabhängig davon, wieso diese im Zeitpunkt der Erteilung des Schutzes nicht berücksichtigt wurde, beurteilt das BVwG die allgemeine Lage rein zum jetzigen Zeitpunkt und gelangt zur Feststellung, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative dem Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegenstehe.

Wie oben bereits kurz angeschnitten, würde es auch der Systematik und den Zielen der Statusrichtlinie widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (EuGH 23.05.20019, Bilali, C-720/17). Damit stellte der EuGH klar, dass die Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen nicht in den Anwendungsbereich der Statusrichtlinie fällt und es für die Gewährung nationalen Schutzes aus solchen Gründen einer Form bedarf, die die Gefahr der Verwechslung mit der Schutzgewährung im Sinne der Statusrichtlinie ausschließt (VwGH 21.5.2019, Ro 2019/01/0106).

Um Härtefälle, die sich im Zuge einer Aberkennung ergeben können, zu vermeiden, hat die österreichische Rechtsordnung die Verpflichtung der Behörde normiert, einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, wenn dies im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten ist. Keinesfalls aber kann einem Drittstaatsangehörigen der subsidiäre Schutz aus anderen Erwägungen als denen in § 8 AsylG 2005 genannten beibehalten werden.

Im Aberkennungsverfahren ist demnach eine aktuelle Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes vorzunehmen.

Im gegenständlichen Fall ist aus folgenden Gründen gem. § 9 Abs. 1 Z. 1, 1.Fall AsylG abzuerkennen:

Wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargestellt, sind in Ihrem Fall die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vorliegend, umso mehr Sie auf Nachfragen des zur Entscheidung berufenen Organwalters auch nichts vorbrachten oder glaubhaft machten, das eine aktuell vorliegende Gefährdung Ihrer Person im gesamten Heimatstaat annehmen ließe.

Es konnte zwar für Ihr unmittelbares Herkunftsgebiet in der Provinz Kunar eine reale Gefahr im Sinne einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bzw. für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts erkannt werden. Nicht aber konnte festgestellt werden, dass Ihnen aktuell keine innerstaatliche Fluchtalternative offen stünde.

Den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 entsprechend, braucht es keiner externen Unterstützung, um für alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten vorliegen, eine IFA in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul erkennen zu können. Auch entspricht es der Rechtsprechung des VwGH, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden kann, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. VwGH Ra 2019/20/0175).

Den obigen Ausführungen entsprechend (siehe dazu Feststellungen und Beweiswürdigung) fallen Sie unter die Personengruppe, der eine IFA in Mazar-e Sharif, Herat und auch Kabul, offen steht, umso mehr in Ihrem Fall auch keinerlei besondere Gefährdungsfaktoren hervorgekommen sind.

Auf Grundlage des aktuellen Kenntnisstandes der Behörde zu der Situation in Ihrem Heimatland, wird festgestellt, dass Sie derzeit nicht die Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1 und § 11 AsylG erfüllen, weshalb auch gemäß § 9 Abs. 1 Z 1, erster Fall des AsylG der Status des subsidiären Schutzberechtigten abzuerkennen war.

Der Vollständigkeit halber wird ausgeführt, dass diese nunmehrige Entscheidung keineswegs von einer Änderung der Rechtsprechung alleine getragen ist, sondern von einer Aktualisierung des Kenntnisstandes der Behörde zur allgemeinen Situation in Ihrem Heimatland.

Berücksichtigt wurde dabei auch Ihre konkrete Einzelsituation, wobei das Ermittlungsverfahren spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu Tage brachte, die im Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus keine Berücksichtigung fanden.“

11. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 03.04.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der unter I. angeführte Sachverhalt wird zur Feststellung erhoben.

1.2. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz der Familie des BF, sowie in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Kabul, haben sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15.10.2013, bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Erkenntnis des BVwG vom 16.01.2020 nicht wesentlich und nachhaltig verändert.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Punkt II.1.1. ergeben sich aus den insoweit unstrittigen Verwaltungs- und Gerichtsakten des BF.

Die Feststellungen zu Punkt II.1.2. beziehen sich darauf, dass sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens keine wesentliche und nachhaltige Änderung der Umstände für die Person des BF seit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15.10.2013 bzw. seit dem Erkenntnis des BVwG vom 16.01.2020 ergeben haben.

Dabei erfolgte bereits im Rahmen des Erkenntnisses vom 16.01.2020 insbesondere auch eine Gegenüberstellung der dem ursprünglichen Erkenntnis zugrunde gelegten Länderberichte sowie jener der belangten Behörde bzw. des Gerichts zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung vorliegenden Informationen aus dem entsprechenden Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zu Afghanistan.

Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Sicherheits- und Versorgungslage sowie die Erreichbarkeit der als innerstaatliche Fluchtalternative angeführten Städte Mazar-e Sharif, Herat und Kabul. Eine diesbezüglich maßgebliche und nachhaltige Lageänderung konnte seinerzeit nicht festgestellt werden und kann auch im Rahmen dieses Verfahrens nicht erkannt werden.

Eine allgemein in Afghanistan eingetretene und für den gegenständlichen Fall relevante Lageänderung kann sohin sowohl im Vergleich zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als auch im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides verneint werden (vgl. dazu etwa auch BVwG 21.02.2020, Zl. W229 2203885-1/6E; BVwG 25.06.2020, Zl. W169 2153738-2/5; BVwG 25.06.2020, Zl. W242 2150296-3/6E; BVwG 02.07.2020, Zl. W278 2228621-1/5E).

Es kann – insbesondere angesichts des kurzen Zeitraumes zwischen der letzten Verlängerung (bzw. Aufhebung der seinerzeitigen Aberkennung) - auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die maßgebliche Situation in Afghanistan nunmehr seit der bekämpften Entscheidung zwischenzeitlich nachhaltig verbessert hätte, wobei auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen (vgl. dazu etwa BVwG 19.10.2020, Zl. W266 2189955-1/10E; BVwG 14.10.2020, Zl. W109 2160438-1/37E; BVwG 13.10.2020, Zl. W127 2127910-2/11E

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Unionsrecht:

Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in Folge: „Statusrichtlinie“) lautet:

„Interner Schutz

(1) Bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz können die Mitgliedstaaten feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern er in einem Teil seines Herkunftslandes

a) keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht oder

b) Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden gemäß Artikel 7 hat,

und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung hat oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in einem Teil seines Herkunftslandes gemäß Absatz 1 in Anspruch nehmen kann, berücksichtigen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers gemäß Artikel 4. Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, eingeholt werden.“

Art. 16 der Statusrichtlinie lautet:

„Erlöschen

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.

(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

(3) Absatz 1 findet keine Anwendung auf eine Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, die sich auf zwingende, auf früher erlittenem ernsthaftem Schaden beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, oder wenn sie staatenlos ist, des Landes, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, abzulehnen.“

Art. 19 der Statusrichtlinie lautet:

„Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus

(1) Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

(2) Die Mitgliedstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absatz 3 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen.

(3) Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen eine Verlängerung ab, wenn

a) er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absätze 1 und 2 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist;

b) eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seinerseits, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war.

(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat.“

2.2. Nationales Recht:

§ 8 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

„Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“

2.2.2. § 9 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“

3. Zu Spruchpunkt A.I.: Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte I., III, IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheids

In ihrer rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheids geht die belangte Behörde auf S. 87ff vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zusammengefasst davon aus, dass aufgrund des Urteils des EuGH vom 23.05.2019, Rs. C-720/17, Bilali (in Folge: „Urteil Bilali“ oder „Rechtssache Bilali“), eine aktuelle Prüfung der Notwendigkeit des subsidiären Schutzes zwingend erforderlich sei. So würde es der Statusrichtlinie widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck internationalen Schutzes aufweisen. Personen, deren gewährter Schutz auf falschen Daten und Beurteilungen aufbaue und die sich in keiner Situation befinden, welche die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes erfüllen, stehen somit in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes. Damit sei der nicht rechtmäßig gewährte Status auch jedenfalls abzuerkennen, wenn der Irrtum hinsichtlich der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen zur Gewährung des Schutzes festgestellt wird. Wenn also niemals eine tatsächliche Gefahr bestanden habe, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden, welche die Gewährung des subsidiären Schutzes gerechtfertigt hätte, müsse daraus geschlossen werden, dass sich die Gründe, die zur Zuerkennung des Status geführt haben, in einer Weise geändert haben, dass die die Aufrechterhaltung bzw. die Notwendigkeit des Status nicht mehr gerechtfertigt sei.

Zur möglichen Erfüllung von § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der (1.) in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder (2.) dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn in den Fallen 1. oder 2. eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden u.a. dann der Status als subsidiär Schutzberechtigter abzuerkennen wenn die Voraussetzungen für die Gewährung dieses Status „nicht“ (1. Fall) oder „nicht mehr“ (2. Fall) gegeben sind.

Gegenständlich ist aus dem Spruch des bekämpften Bescheides nicht eindeutig zu entnehmen, ob die belangte Behörde von der Erfüllung des ersten Falls, des zweiten Falls oder ohnedies beider Fälle von § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ausging. In der Bescheidbegründung stützt sich die belangte Behörde jedoch ausschließlich auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005. Im Bescheid findet sich zwar folgende Feststellung: „Die oben genannten (positiven) persönlichen Eigenschaften lagen zum Zeitpunkt der Schutzgewährung vor, waren der Behörde allerdings nicht bekannt.“, es fehlen jedoch konkrete Feststellungen dazu, welche „positiven Eigenschaften“ der Behörde zum Zeitpunkt der Schutzgewährung nicht bekannt gewesen seien. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (siehe oben) wurde abschließend Folgendes angeführt: „Berücksichtigt wurde dabei auch Ihre konkrete Einzelsituation, wobei das Ermittlungsverfahren spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu Tage brachte, die im Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus keine Berücksichtigung fanden.“ Feststellungen, eine Beweiswürdigung oder rechtliche Beurteilung dieser „spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten“ finden sich im angefochtenen Bescheid jedoch nicht. Konkrete Ausführungen, weshalb im Fall des BF geänderte persönliche Umstände vorliegen würden, weshalb § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall verwirklicht sei, enthält der angefochtene Bescheid daher nicht. Darüber hinaus wurde bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.01.2020 festgestellt, dass im Fall des BF keine geänderten persönlichen Umstände vorliegen.

§ 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verfolgt das Ziel sicherzustellen, dass nur jenen Fremden, die die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllen, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt. Dies lässt sich auch den Materialien zum Fremdenrechtspaket 2005, kundgemacht mit BGBl. BGBl. I Nr. 100/2005 entnehmen, indem betont wird, dass der Fremde auch in einem solchen Fall den Schutz Österreichs nicht mehr benötige. Während der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 die Konstellation erfasst, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiären Schutz die dafür notwendige Voraussetzung nicht erfüllt hat, betrifft § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind. Dies steht im Einklang mit Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie, wonach bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 StatusRL nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz. 77f, unter Hinweis auf das erwähnte Urteil des EuGH vom 23.05.2019, und darin Rz. 44ff).

Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß dem Art. 4 Abs. 1 Statusrichtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist gemäß Art. 19 Abs. 4 leg. cit. der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Abs. 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz hat (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153, Rz. 78).

Zunächst ist in Erinnerung zu rufen, dass die von Amts wegen durch die belangte Behörde wie auch durch das Bundesverwaltungsgericht zu prüfende Frage, ob einem Antragsteller auf internationalem Schutz eine – ihm auch zumutbare – innerstaatliche Fluchtalternative i.S.d. § 11 AsylG offensteht oder nicht, eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, welche auf Grundlage entsprechender Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten ist (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2018/19/0217, Rz. 15). „Zumutbar“ bedeutet i.S. einer Auslegung konform mit Art. 8 der Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/02/0096, m.w.N.). Dabei reicht es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er im als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebiet keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erwarten hat. Vielmehr muss es ihm möglich sein, in diesem Gebiet nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landesleute führen können (vgl. VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, Rz. 23). Betreffend die Sicherheitslage wiederum muss mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden können, dass der Asylwerber im als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würde, findet (vgl. VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160, Rz. 37). Diese Fragen sind auf Grundlage ausreichender Sachverhaltsfeststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit zu beantworten (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118, m.w.N.).

Ausgehend von getroffenen Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Afghanistan sowie zu persönlichen Umständen des BF zog der Asylgerichtshof im Erkenntnis vom 15.10.2013 die rechtliche Schlussfolgerung, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorlagen (s. S. 6f dieses Erkenntnisses).

Nunmehr vertritt die belangte Behörde jedoch unter Hinweis auf das Urteil Bilali die Auffassung, dass vor dem Hintergrund einer unveränderten Tatsachenlage auch dann nach § 9 Abs. 1 Z 1 1. Fall AsylG 2005 abzuerkennen wäre, wenn die Gewährung des subsidiären Schutzes erfolgte, ohne dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt waren.

Dem im Vorabsatz erwähnten Urteil des EuGH lag die Frage zugrunde, ob die unionsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Art. 19 Abs. 3 der Statusrichtlinie einer nationalen Bestimmung eines Mitgliedstaats betreffend die Möglichkeit der Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten entgegenstehen, wonach auf Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erkannt werden kann, ohne dass sich die für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstände selbst geändert haben, sondern nur der diesbezügliche Kenntnisstand der Behörde eine Änderung erfahren hat und dabei weder eine falsche Darstellung noch das Verschweigen von Tatsachen seitens des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend waren. Hintergrund war ein Irrtum über die Staatsangehörigkeit des dortigen Antragstellers (vgl. Urteil des vom EuGH 23.05.2019, Rz. 38).

Zu dieser Frage führte der EuGH in den Erwägungsgründen 40 bis 44, 47 bis 49 und 51 des erwähnten Urteils wörtlich aus:

„40 In Art. 19 der Richtlinie 2011/95 sind die Fälle festgelegt, in denen die Mitgliedstaaten den Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkennen, beenden oder seine Verlängerung ablehnen können oder müssen.

41 In diesem Zusammenhang ist zweitens darauf hinzuweisen, dass Art. 19 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie, wie das vorlegende Gericht ausführt, den Verlust des subsidiären Schutzstatus nur für den Fall vorsieht, dass der Betroffene etwas falsch dargestellt oder verschwiegen hat und dies bei der Entscheidung, ihm diesen Status zuzuerkennen, ausschlaggebend war. Des Weiteren sieht keine andere Bestimmung dieser Richtlinie ausdrücklich vor, dass der genannte Status dann aberkannt werden muss oder kann, wenn die betreffende Entscheidung über die Zuerkennung wie im Ausgangsverfahren ohne eine falsche Darstellung oder das Verschweigen seitens des Betroffenen aufgrund unzutreffender Tatsachen getroffen wurde.

42 Drittens ist jedoch festzustellen, dass Art. 19 der Richtlinie 2011/95 auch nicht ausdrücklich ausschließt, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten verloren gehen kann, wenn sich der Aufnahmemitgliedstaat gewahr wird, dass er diesen Status aufgrund unzutreffender, nicht dem Betroffenen zuzurechnender Daten gewährt hat.

43 Es ist daher zu prüfen, ob unter Berücksichtigung auch der Zielsetzung und der allgemeinen Systematik der Richtlinie 2011/95 auf eine solche Situation einer der anderen Gründe für den Verlust des subsidiären Schutzes anwendbar ist, die in Art. 19 der Richtlinie 2011/95 aufgeführt sind.

44 Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2011/95 widersprechen würde, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M’Bodj, C?542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 44). Die Situation einer Person, die den subsidiären Schutzstatus auf der Grundlage falscher Daten erlangt hat, ohne jemals die Voraussetzungen hierfür erfüllt zu haben, steht aber in keinem Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes.“

[…]

„47 Gemäß diesem Art. 16 Abs. 1 ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser grundsätzlich nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Eine solche Änderung der Umstände muss nach Art. 16 Abs. 2 so wesentlich und endgültig sein, dass die betroffene Person nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden.

48 Bereits aus dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95 ergibt sich somit, dass ein Kausalzusammenhang besteht zwischen der Änderung der Umstände nach Art. 16 dieser Richtlinie und der Unmöglichkeit für den Betroffenen, seinen Status des subsidiär Schutzberechtigten zu behalten, da seine ursprüngliche Furcht, einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Richtlinie zu erleiden, nicht mehr begründet erscheint (vgl. entsprechend Urteil vom 2. März 2010, Salahadin Abdulla u. a., C?175/08, C?176/08, C?178/08 und C?179/08, EU:C:2010:105, Rn. 66).

49 Zwar ergibt sich eine solche Änderung im Allgemeinen daraus, dass sich die tatsächlichen Umstände im Drittland geändert haben und durch diese Änderung die Ursachen, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, beseitigt worden sind, jedoch sieht zum einen Art. 16 der Richtlinie 2011/95 nicht ausdrücklich vor, dass sein Anwendungsbereich auf einen solchen Fall beschränkt ist, und zum anderen kann eine Änderung des Kenntnisstands des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich der persönlichen Situation der betroffenen Person in gleicher Weise dazu führen, dass die ursprüngliche Bef

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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