TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/6 W255 2172622-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2021
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Entscheidungsdatum

06.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W255 2172622-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin MMag.a Marion BATTISTI, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2021, Zl. 1106066101-201176819, zu Recht:

A)       

I.       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm. § 3 Abs.1 AsylG 2005 abgewiesen.

II.      Der Beschwerde gegen Spruchpunkte II., III., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid in diesem Umfang aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

1.        Verfahrensgang:

1.1.    Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz (in Rechtskraft erwachsen):

1.1.1.  Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 18.02.2016 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.2.  Am 19.02.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion XXXX die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF an, afghanischer Staatsangehöriger und Schiite zu sein sowie der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Als Fluchtgrund führte er an, dass in Afghanistan Krieg herrsche. Seine Eltern seien verstorben. Er habe kein Haus und keine Angehörigen, deshalb sei er geflüchtet. Der BF sei auch Kämpfer gegen „Kochiha“ gewesen, deshalb habe er nicht bleiben können.

1.1.3.  Am 30.08.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Dabei gab der BF an, dass seine Eltern verstorben wären, als er noch ein Kind gewesen sei. Der BF habe sieben Jahre die Grund- und Mittelschule und drei Jahre eine höhere Schule besucht. Er habe von 2010 bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan als Hilfsarbeiter bei einem Schneider, in einem Hotel und in einem Geschäft gearbeitet. Nach dem Tod seiner Eltern sei er bei seinem Onkel und dessen Frau aufgewachsen. Als der BF zu arbeiten angefangen habe, sei er ausgezogen. Seine Familie besitze nichts mehr in Afghanistan. Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan hätte der BF keine Unterstützung durch Verwandte. Das Heimatdorf des BF sei mehrmals von Kuchis angegriffen worden. Der BF habe am Krieg gegen die Kuchis teilgenommen. Das Hauptproblem des BF in Afghanistan sei, dass er Hazara und Schiite sei. Es habe in Afghanistan abgesehen von den besagten Vorfällen keine Übergriffe gegen den BF gegeben. Es sei auch niemand persönlich an ihn herangetreten.

1.1.4.  Mit Bescheid vom 13.09.2017, Zl. 16-1106066101-160268135, wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) gegen den BF erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.)

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF persönlich von den Kuchis bedroht oder verfolgt worden wäre. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der BF verhaftet oder geschlagen worden wäre oder sonst Probleme wegen seiner Volksgruppe gehabt hätte.

Aufgrund der Sicherheitslage sei dem BF eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz nicht zumutbar. Er könne aber in Kabul Sicherheit finden.

1.1.5.  Am 03.10.2017 brachte der BF fristgerecht Beschwerde gegen den unter Punkt 1.1.4. genannten Bescheid des BFA ein, in welcher zusammengefasst begründend ausgeführt wurde, dass die generelle Sicherheitslage in Afghanistan schlecht sei und eine Gruppenverfolgung der Hazara bestehen würde.

1.1.6.  Am 10.12.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF und seines Rechtsvertreters durch. Dabei gab der BF an, dass sich an den Gründen seiner Asylantragstellung seit Erhalt des negativen Bescheides „ein bisschen“ was geändert habe. Sein Onkel väterlicherseits habe damals mit seiner Familie in Afghanistan gelebt und lebe seit sieben Monaten mit seiner Familie im Iran. Der BF habe keinen Kontakt zu seinem Onkel, habe dies aber durch seinen Bruder erfahren.

Der BF habe Afghanistan verlassen, da es dort keine Sicherheit gegeben habe. Er sei einmal auf dem Weg von XXXX nach Kabul von den Taliban angehalten worden, weil die Taliban auf der Suche nach Hazara und Schiiten gewesen wären. In diesem Moment seien sehr viele Amerikaner vorbeigefahren. Die Taliban seien dann weggelaufen. Der BF wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren, da er dort niemanden habe. Er hätte keine Unterkunft und keine finanzielle Unterstützung. Außerdem habe er insgesamt 5-6 Tatoos, die er nicht verstecken könne, da er im Somme nicht lange Jacken tragen könne. Aufgrund dieser Tatoos würde er in Afghanistan Probleme bekommen.

Auf Vorhalt, dass der BF in einer schriftlichen Stellungnahme vorgebracht habe, sich mit „westlichen Wetrte“ zu identifizieren und die Frage, was genau er damit meine, antwortete der BF mit der Gegenfrage: „Was habe ich?“ Auf nochmaligen Vorhalt gab er an, immer aktiv sein zu wollen. Er wolle lernen und Sport betreiben.

Der BF habe in Österreich Deutschprüfungen bis zur B2 Prüfung abgelegt. Er habe den C1.1. Kurs schon fertig. Er besuche derzeit ein Abendgymnasium und wolle eine Lehre machen. Der BF lebe in Österreich von der Grundversorgung. Er habe viele Freunde in Österreich, spiele Fußball und besuche ein Jugendzentrum. Der BF habe einmal wegen einem Streit auf der Straße mit Junkies Probleme mit der Polizei bekommen. Er habe vom Gericht eine Strafe bekommen und die Strafe abgearbeitet. Wegen einem schlechten Freund habe er auch einmal etwas in Österreich gestohlen.

1.1.7.  Mit Erkenntnis vom 02.03.2020, GZ W275 2172622-1/17E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde vom 03.10.2017 als unbegründet ab.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig sei. Er sei in Afghanistan, in der Provinz XXXX geboren und dort etwa bis zu seinem dreizehnten oder vierzehnten Lebensjahr bei seinem Onkel, dessen Ehefrau und deren gemeinsamen Kindern aufgewachsen. Der BF habe seine Eltern nicht kennengelernt; diese seien inzwischen verstorben. In weiterer Folge sei der BF nach Kabul gegangen und schließlich über den Iran, wo er sich rund ein Monat aufgehalten habe, nach Europa gereist.

Der Onkel des BF sowie dessen Familienangehörige würden im Iran leben, der BF habe keinen Kontakt zu ihnen. Im Iran lebe weiters ein älterer Bruder des BF, zu welchem der BF regelmäßig Kontakt habe. In Afghanistan habe der BF keine familiären oder sonstigen engeren sozialen Anknüpfungspunkte.

Der BF habe in Afghanistan bis zur elften Klasse die Schule besucht, die elfte Klasse jedoch nicht beendet. Er habe neben dem Schulbesuch ab seinem elften Lebensjahr unter anderem als Tischler und als Verkäufer sowie zuletzt vor seinem Weggang nach Kabul als Jugendlicher in einem Hotel gearbeitet; eine Berufsausbildung habe er nicht absolviert. Der BF beherrsche seine Erstsprache Dari in Wort und Schrift.

Der BF sei alleinstehend und habe keine Kinder.

In Österreich habe der BF Deutschkurse bis zum Niveau C1 besucht und zuletzt die Prüfung auf dem Niveau B1 bzw. die mündliche Prüfung auf dem Niveau B2 bestanden; er könne sich gut auf Deutsch unterhalten. Er habe den Pflichtschulabschluss abgelegt und besuche seit 09.09.2019 ein Abendgymnasium. Er habe sich an Forschungsprojekten einer Universität beteiligt, an einem Qualifizierungsprojekt teilgenommen und in einem Wohn- und Pflegeheim bei der Reinigung und Tagesbetreuung mitgeholfen. Der BF verfüge im Bundesgebiet über soziale Anknüpfungspunkte in Form eines Freundeskreises und nehme am gesellschaftlichen Leben teil; er besuche etwa regelmäßig ein Zentrum für Jugendarbeit, im Rahmen dessen er sich an verschiedenen Projekten beteilige, gehe in ein Fitnesscenter und spiele Fußball. Der BF hat sich um eine Lehrstelle bemüht, jedoch bisher keine erhalten; er wolle als Büro- oder Bankkaufmann arbeiten. Sonstige Anknüpfungspunkte wirtschaftlicher Natur seien nicht hervorgekommen; der BF beziehe Leistungen aus der Grundversorgung.

Der BF sei gesund und arbeitsfähig.

Der BF sei in Afghanistan nicht konkret und individuell bedroht oder verfolgt (worden). Im Fall der Rückkehr nach Afghanistan sei der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt.

Dem BF drohe aufgrund der Tatsache, dass er in Europa gelebt habe, keine konkrete und individuelle Gewalt bzw. drohe nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Der BF sei weiters im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer (ihm unterstellten) „Verwestlichung“ oder einer (ihm unterstellten) Apostasie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt. Der BF sei auch aufgrund seiner Tätowierungen in Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Dem BF drohe wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion keine konkrete und individuelle physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Ebenso wenig könne festgestellt werden, dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt sei.

Das Vorliegen anderer Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit sei nicht konkret vorgebracht worden; Hinweise für eine solche Verfolgung seien auch amtswegig nicht hervorgekommen.

Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr in die Provinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem BF sei jedoch eine Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif möglich und zumutbar. Bei einer Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif bestehe für den BF nicht ein so hohes Maß an Gewalt, dass er allein durch seine Anwesenheit tatsächlich einer ernsthaften, individuellen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt sei.

Zwar seien die wirtschaftlichen Bedingungen für Rückkehrer schwierig. Der BF laufe jedoch im Falle der Rückkehr in die Stadt Mazar-e Sharif nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. Er könne selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF in die Stadt Mazar-e Sharif ausschließen, hätten nicht festgestellt werden können. Er könne dort seine Existenz – zumindest anfänglich – mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der BF sei in der Lage, in der Stadt Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Es sei dem BF daher möglich, in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort für seinen grundlegenden Lebensunterhalt zu sorgen. Zudem habe der BF zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Die Stadt Mazar-e Sharif sei über den Flughafen direkt und sicher erreichbar.

Dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 13.11.2019 zugrunde gelegt.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2020, GZ W275 2172622-1/17E, wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des BF am 03.03.2020 zugestellt.

Die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2020, GZ W275 2172622-1/17E, durch den BF erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.05.2020, Ra 2020/18/0153, zurückgewiesen. Dies insbesondere deshalb, da sich das Bundesverwaltungsgericht – entgegen der Darstellung des BF in der ao Revision – ausreichend mit den Folgen einer Neuansiedliung des BF in der Stadt Mazar-e Sharif aufgrund seiner Tätowierungen (die keine politische, religiöse oder gesellschaftskritische Wertehaltung erkennen lassen würden) oder einer daraus resutlierenden unterstellten „Verwestlichung“ auseinandergesetzt habe.

1.2.    Verfahren über den (gegenständlichen) zweiten Antrag auf internationalen Schutz:

1.2.1.  Der BF stellte am 24.11.2020 den (gegenständlichen) zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.2.  Am 24.11.2020 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion XXXX die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF an, dass er einen neuerlichen Asylantrag stelle, da er in Österreich leben und arbeiten wolle. Er habe im März seinen negativen Bescheid bekommen. Deshalb und wegen Corona sei er dann in eine psychische Krise gekommen. In dieser Zeit habe sich die Sicherheit und die medizinische Versorgung in Afghanistan drastisch verschlechtert. Der BF würde im Falle der Rückkehr keine Arbeit finden und habe auch niemanden dort, da seine Tante im Iran wegen Corona verstorben sei. Seine Krankheit, die Depression, würde sich in Afghanistan wieder verschlechtern. Es gehe ihm in Österrech gesundheitlich besser, aber er sei in Behandlung.

1.2.3.  Mit Schreiben vom 26.11.2020 brachte der BF vor, dass sich sowohl seine persönliche Situation als auch die Versorgungssituation in Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens dramatisch verschlechtert habe. Der BF sei im Frühjahr 2020 in eine persönliche sowie psychische Krise geschlittert. Dies auch deshalb, da seine Tante – die wie eine Mutter für ihn gewesen sei – verstorben sei und es in Österreich zum ersten Lockdown gekommen sei. Dem BF seien in dieser Situation sämtliche soziale Strukturen weggebrochen. Infolgedessen habe er starke Angst- und Schlafstörungen sowie suizidale Tendenzen entwickelt. Es sei nunmehr gelungen, den BF soweit zu stabilisieren, dass keine suizidalen Verhaltensweisen gesetzt würden. Im November 2020 sei die Diagnose einer akuten Belastungsreaktion, einer depressiven Anpassungsstörung sowie einer latenten Suizidalität erstellt worden. Der BF bedürfe einer kontinuierlichen psychisozialen Beratung und Betreuung sowie einer psychotherapeutishen bzw. psychiatrischen Behandlung. Er hätte im Falle der Rückehr nach Afghanistan keinen Zugang zur notwendigen Behandlung. Es werde der Antrag auf Einholung eines psychologischen bzw. psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür gestellt, dass der BF im Falle einer Rückkehr eine rasche und unwiederbringliche Verschlechterung seinnes Gesundheitszustandes zu gewärtigen hätte, dies aufgrund der vorliegenden Diagnosen der aktuen Belastungsreaktion, der depressiven Anpassungsstörung sowie der rezidivierenden Suizidgedanken.

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

?        Bestätigungsschreiben einer Privatperson vom 12.11.2020, demzufolge der BF in der Wohnung der Privatperson ein Zimmer haben könne;

?        Bestätigung der Geschäftsführerin eines Hotels vom 03.11.2020, demzufolge der BF ab 26.12.2020 eine Lehrstelle als Restaurantfachmann im Hotel bekleiden könne;

?        Sozialarbeiterische Stellungnahme vom 23.11.2020;

?        Ärztlicher Befundbericht vom 16.11.2020;

?        Bestätigung eines Facharztes für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde betreffend den Beginn einer kieferorthopädischen Therapie.

1.2.4.  Mit Schreiben vom 07.12.2020 übermittelte der BF dem BFA die folgenden Dokumente:

?        Ärztlicher Befundbericht vom 25.06.2020;

?        Stellungnahme des Vereins XXXX vom 07.12.2020.

1.2.5.  Am 10.12.2020 wurde der BF vor dem BFA einvernommen. Dabei gab der BF an, an Depression zu leiden und Medikamente zu nehmen. Er stehe in ärztlicher Behandlung. Die Depressionen hätten begonnen, als er nach Österreich gekommen sei. In XXXX habe sich sein Zustand gebessert. Im März 2020 habe er den negativen Bescheid erhalten. Dann sei die Frau seines Onkels, bei der der BF aufgewachsen sei, verstorben. Dann sei es dem BF sehr schlecht gegangen. Er habe nicht essen und nicht schlafen können. Der BF sei schon im Jahr 2017 oder 2018 beim Arzt gewesen. Dann sei er wieder im April 2020 zum Arzt gegangen. Er müsse einmal monatlich zu seinem Arzt. Der BF sei seit April zwei- oder dreimal beim Arzt gewesen. Sein psychischer Zustand habe sich verschlechtert und er habe niemanden in Afghanistan mehr. Sein Bruder sei im Iran. Der BF sei auch beim Zahnarzt in Behandlung, da er eine Fehlstellung habe und eine Zahnspange trage.

Der BF habe in Österreich keine Verwandten. Er sei mit einer Frau befrundet, die wie eine Oma für den BF sei. Er habe keine Verpflichtungserklärung von dieser Frau, aber sie helfe ihm viel. Er lebe bei ihr. Der BF habe eine fixe Zusage für eine Lehrstelle. Er fühle sich in XXXX zu Hause. Er wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren. Er stelle neuerlich einen Asylantrag, da er wegen seiner Depression und seiner Zahnspange in ärztlicher Behandlung stehe. Weiters sei Corona in Afghanistan stark verbreitet. Und der BF habe eine fixe Zusage für eine Lehrstelle in Österreich. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei noch schlechter geworden.

1.2.6.  Am 28.01.2021 wurde der BF von einem vom BFA beauftragten Sachverständigen begutachtet und vom Sachverständigen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstattet. Laut diesem Gutachten leide der BF an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion von längerer Dauer. Es sei nicht von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit des Krankheitsbildes des BF auszugehen. Das Krankheitsbild stehe im engen Zusammenahng mit der derzeitigen Lebenssituation, insbesondere mit dem unkaren Ausgang des Verfahrens. Im Falle einer Übestellung des BF in seine Heimat sei eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, da in diesem Falle der Wunsch in Österreich bleiben zu dürfen, nicht erfüllt werden würde. Aus neurologisch-psychistarischer Sicht bestehe im Fall einer Überstellung aber nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte. Spezifische medizinische Mahßnahmen seien vor, während und nach einer Überstellung des BF nach Afghanistan nicht erforderlich. Die derzeit noch verordnete, medikamentöse, antidepressive Therapie würde aber noch weitergeführt werden sollen. Eine Abschiebung und ein Verbleib in Afghanistan sei mit medikamentöser Therapie – Trittico – möglich.

1.2.7.  Mit Schreiben vom 08.03.2021 beantragte der BF die zeugenschaftliche Einvernahme von XXXX zum Beweis dafür, dass sich der psychische Gesundheitszustand des BF im Alltag so darstelle, dass sich die Zeugin Sorgen um ihn mache, da er auch im Jahr 2020 selbstverletzendes Verhalten gezeigt habe und sie ihn als psychisch labil erlebe. Der Antrag werde auch zum Beweis dafür gestellt, dass der BF in einer außergewöhnlich intensiven Art und Weise in XXXX integriert sei.

1.2.8.  Am 09.03.2021 wurde der BF neuerlich vor dem BFA einvernommen. Auf Vorhalt des Gutachtens vom 28.01.2021 gab der BF an, dass die Untersuchung ca. 20 Minuten gedauert habe. Der BF glaube nicht, dass der Sachverständige unter diesen Umständen beurteilen habe können, welche Probleme der BF habe. Der Sachverständige habe auch kein großes Interesse gehabt, das zu erfahren. Der BF sei bei anderen Psychologen ganz anders behandelt worden. Der Sachverständige habe den BF mit einer Reihe von Fragen bombardiert und der BF habe sich konzentriert, diese Fragen zu beantworten. Der BF habe aber nicht die Möglichkeit bekommen, frei zu erzählen. Befragt, ob der BF zu den in das verfahren eingebrachten Länderinformationen betreffend Afghanistan Stellung nehmen wolle, gab der BF an, dass er die Informationen gelesen habe. Er finde, man habe die Lage in Afghanistan nicht richtig dargestellt. Es gebe in Afghanistan keine sicheren Gebiete, wo man leben könne. Der BF habe in AFghanistan niemanden. Er sei seit fünf Jahren in Österreich und habe sich hier gut integriert. Er habe Glück gehabt, von einer sehr netten, österreichischen Familie aufgenommen zu werden. Jetzt habe er wieder Lebenshoffnung. Der BF legte eine Terminbestätigung einer psychotherapeutischen Ambulanz vom 08.03.2021 sowie die Bestätigung über einen Ordinationsbesuch einer Fachärztin für Psychiatrie vom 08.03.2021 vor.

1.2.9.  Mit Schreiben vom 10.03.2021 brachte der BF vor, dass er im Unterschied zum ersten Asylverfahren nunmehr an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradig depressiven Reaktion von längerer Dauer leide. Aus diesem Grund liege keine entschiedene Sache vor. Es sei sohin eine inhaltliche Prüfung des Vorbringes erforderlich, da eine andere rechtliche Beurteilung in diesem Umfang nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne.

Zum vorliegenden, neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 28.01.2021 werde darüber hinaus um Ergänzungen durch den bestellten Gutachter ersucht, insbesondere dahingehend, wie lange die Untersuchung des BF gedauert habe und wie die Untersuchung stattgefunden habe etc. Weiters möge der Gutachter darlegen, aus welchen Gründen er zu einer anderen Diagnose als beispielsweise Frau XXXX am 16.11.2020 gekommen sei. Darüber hinaus möge der Gutachter darlegen, inwiefern er erhoben und abgeklärt habe, ob suizidale Tendenzen beim BF gegeben seien. Abschließend möge der Gutachter darlegen, inwiefern eine weitere Behandlungsbedürftigkeit des BF über die nächsten Wochen hinaus sowohl in medikamentöser als auch psychotherapeutischer Hinsicht gegeben sei oder nicht. Dem Schreiben wurde eine schriftliche Stellungnahme vom XXXX vom 09.03.2021 beigefügt.

1.2.10. Mit Bescheid vom 14.03.2021, Zl. 1106066101-201176819, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 24.11.2020 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.). Es wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 24.11.2020 hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spurchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a 3 FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG werde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Die Zurückweisung des Antrages begründete das BFA aus damit, dass der BF seine Fluchtgründe aus dem Vorverfahren aufrecht gehalten habe. Weitere asylrelevante Gründe habe er nicht vorgebracht und es habe sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben.

Seit Rechtskraft des Vorverfahrens hätten sich keine relevanten Änderungen in seinem Privatleben ereignet. Der BF leide an keinen schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen und sei nicht immungeschwächt. Es habe sich kein neuer objektiver Sachjverhalt ergeben.

Der Entscheidung wurden ua das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16.12.2020 sowie Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation betreffend die Verfügbarkeit und Behandelbarkeit von psychischen Krankheiten zugrunde gelegt.

Hinsichtlich des Privat- und Familienlebens sei festzuhalten, dass der BF in Österreich keine Angehörigen oder sonstigen Verwandte habe, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders egne Beziehung bestehen würde. Der BF habe angegeben, eine Unterstützung (Frau XXXX ) zu haben. Er habe in Österreich keine weiteren sozialen Kontakte, die ihn an Österreich binden würden.

1.2.11. Gegen den unter Punkt 1.2.10. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin brachte der BF vor, dass das BFA zwar ein psychologisches Gutachten eingeholt habe, dieses aber nicht ausführlich erörtet worden sei. Das BFA habe sich auch nicht mit den dargestellten Unschlüssigkeiten und Unzulänglichkeiten im Gutachten auseinandergesetzt. Das Gutachten stehe im Widerspruch zu anderen fachlich qualfiizierten Beweismitteln, die vom BF vorgelegt worden seien. Das BFA hätte berücksichtigen müssen, dass der BF nicht nur an einer Anpassungsstörung mit leichtgradiger depressiver Reaktion von längerer Dauer leide, sondern auch wiederholt selbstverletzendes und suizidales Verhalten gesetzt habe. Es liege deshalb ein neuer Sachverhalt vor, da der BF nicht mehr gesund sei und seine Tante verstorben sei. Weiters habe der BF zwischenzeitlich in Östereich seine Integration verfestigen können. Es werde ua der Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

1.2.12. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 01.04.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

2.       Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der beiden vom BF erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, der beiden Erstbefragungen sowie der Einvernahmen des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 10.12.2019, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1.    Zu den bisherigen Verfahren:

2.1.1.  Der erste Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 18.02.2016, wurde mit Bescheid des BFA vom 13.09.2017, Zl. 16-1106066101-160268135, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. abgewiesen. Weiters erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit., erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 03.10.2017 fristgerecht Beschwerde.

2.1.2.    Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2020, GZ W275 2172622-1/17E, wurde die Beschwerde vom 03.10.2017 als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erwuchs in Rechtskraft.

Die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2020, GZ W275 2172622-1/17E, durch den BF erhobene, außerordentliche Revision, wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.05.2020, Ra 2020/18/0153, zurückgewiesen.

2.1.3.    Am 24.11.2020 brachte der BF den (gegenständlichen) zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein, welchen er im Wesentlichen damit begründete, dass sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert habe und die im Iran lebende Ehefrau seines Onkels, bei der er aufgewachsen sei, verstorben sei. Er leide insbesondere an Depression und Schlafstörungen und suizidalen Gedanken. Vom BF wurde unter anderem ein aktueller ärztlicher Befundbericht einer Fachärztin für Psychiatrie und psychotheraupeutische Medizin vorgelegt, laut dem im Falle des BF eine latente Suizidalität bestehe.

Seitens des BFA wurde im gegenständlichen Verfahren ein neurologisch-psychologisches Gutachten eines Sachverständigen eingeholt. Laut diesem Gutachten leide der BF an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion von längerer Dauer. Es sei nicht von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit des Krankheitsbildes des BF auszugehen. Das Krankheitsbild stehe im engen Zusammenahng mit der derzeitigen Lebenssituation, insbesondere mit dem unkaren Ausgang des Verfahrens. Im Falle einer Übestellung des BF in seine Heimat sei eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich, da in diesem Falle der Wunsch in Österreich bleiben zu dürfen, nicht erfüllt werden würde. Aus neurologisch-psychistarischer Sicht bestehe im Fall einer Überstellung aber nicht die reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand geraten oder die Krankheit sich in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern könnte. Spezifische medizinische Mahßnahmen seien vor, während und nach einer Überstellung des BF nach Afghanistan nicht erforderlich. Die derzeit noch verordnete, medikamentöse, antidepressive Therapie würde aber noch weitergeführt werden sollen. Eine Abschiebung und ein Verbleib in Afghanistan sei mit medikamentöser Therapie – Trittico – möglich.

2.1.4.  Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 14.03.2021, Zl. 1106066101-201176819, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 24.11.2020 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.). Es wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 24.11.2020 hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spurchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a 3 FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG werde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

2.1.5.   Gegen den unter Punkt 2.1.4. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde.

2.2.    Zur Person des BF:

2.2.1. Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX alias XXXX . Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim. Der BF spricht Dari.

2.2.2.    Der BF ist in Afghanistan in der Provinz XXXX geboren und ist dort etwa bis zu seinem dreizehnten oder vierzehnten Lebensjahr bei seinem Onkel, dessen Ehefrau und deren gemeinsamen Kindern aufgewachsen. Der BF hat seine Eltern nicht kennengelernt; diese sind inzwischen verstorben. In weiterer Folge ging der BF nach Kabul und reiste schließlich über den Iran, wo er sich rund ein Monat aufhielt, nach Europa.

2.2.3.    Der Onkel des BF sowie dessen beiden Söhne und seine Tochter leben im Iran. Die Ehefrau des Onkels des BF ist im Jahr 2020 verstorben. Ein Bruder des BF lebt im Iran. Der BF hält regelmäßig Kontakt zu seinem Bruder. In Afghanistan hat der BF keine familiären oder sonstigen engeren sozialen Anknüpfungspunkte.

2.2.4.  Der BF hat in Afghanistan bis zur elften Klasse die Schule besucht, die elfte Klasse jedoch nicht beendet. Er hat neben dem Schulbesuch ab seinem elften Lebensjahr unter anderem als Tischler und als Verkäufer sowie zuletzt vor seinem Weggang nach Kabul als Jugendlicher in einem Hotel gearbeitet; eine Berufsausbildung hat er nicht absolviert.

2.2.5.  Der BF ist alleinstehend und hat keine Kinder.

2.2.6.    Der BF hat im gegenständlichen Fall unter Vorlage von ärztlichen Dokumenten behauptet, dass sich sein psychischer Zustand seit Erhalt des negativen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.03.2020 verschlechtert habe, er an Depression, Anpassungsstörung und Schlafstörungen leide sowie suizidale Gedanken habe.

Dem BF wurde von einem vom BFA beauftragten Sachverständigen eine Anpassungsstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion von längerer Dauer attestiert. Der BF bedürfe laut Sachverständigem weiterhin medikamentöser Behandlund.

2.3.    Zu den Gründen für die neue Asylantragstellung des BF:

2.3.1.   Der BF machte seit Rechtskraft seines Erstverfahrens kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Fluchtvorbringen (im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten) geltend. Es kann keine maßgebliche Änderung der vom BF bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe (im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten) erblickt werden.

2.3.2.  Der BF machte seit Rechtskraft seines Erstverfahrens ein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen mit Relevanz hinsichtlich der Beurteilung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten geltend: eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes mit Auswirkungen auf seine Überlebensfähigkeit im Falle der Rückkehr nach Afghanistan in Zusammenschau mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Es trat somit eine maßgebliche Änderung der Sachlage betreffend den Gesundheitszustand und die spezifisch den BF betreffende Berichtslage zutage.

3.       Beweiswürdigung:

3.1.    Die Feststellungen zur Person des BF, zu den von ihm jeweils vorgebrachten Fluchtgründen sowie zum Verfahrensgang konnten auf Grundlage des vorangegangenen – mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.03.2020, GZ W275 2172622-1/17E, rechtskräftig abgeschlossenen – Asylverfahrens (Verwaltungs- und Gerichtsakt) und des das gegenständliche Beschwerdeverfahren betreffenden Aktes getroffen werden, insbesondere auf Basis der Niederschriften vom 19.02.2016 über die Erstbefragung des BF betreffend den ursprünglichen Asylantrag, die Einvernahme durch die belangte Behörde vom 30.08.2017 und die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 10.12.2019, auf Basis des Erkenntnisses des BF vom 02.03.2020, der Niederschriften über die Erstbefragung des BF betreffend den Folgeantrag vom 24.11.2020 und die Einvernahmen durch die belangte Behörde vom 10.12.2020 und vom 09.03.2021, des nunmehr angefochtenen Bescheides des BFA vom 14.03.2021 sowie der dagegen erhobenen Beschwerde vom 30.03.2021 sowie den vom BF vorgelegten medizinischen Dokumenten.

3.2. Dass eine maßgebliche Änderung der vom BF bereits in seinem Vorverfahren vorgebrachten Fluchtgründe (im Hinblick auf den Status des Asylberechtigten) nicht festgestellt werden kann, ergibt sich aus den Angaben des BF in beiden Verfahren. Der BF hat im gegenständlichen Verfahren kein neues Fluchtvorbringen erstattet und auch sein Fluchtvorbringen des erstinstanzlichen Verfahrens (Verfolgung durch Kuchis, Verfolgung aufgrund seiner Tätowierungen) nicht wiederholt. Er hat ausschließlich auf seinen verschlechterten Gesundheitszustand, den Tod der Ehefrau seines Onkels durch Corona sowie die generell schlechte Lage in Afghanistan aufgrund der Corona-Pandemie verwiesen.

3.3. Bezüglich der Feststellungen hinsichtlich des verschlechterten Gesundheitszustandes des BF wird auf dessen Vorbringen sowie die von ihm vorgelegten medizinischen Dokumente (insbesondere den ärztlichen Befundbericht von XXXX vom 16.11.2020) sowie das Gutachten von XXXX vom 28.01.2021 und die relevanten Berichte der Staatendokumentation (LIB vom 01.04.2021) und EASO (Country Guidance vom Dezember 2020) sowie die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen verwiesen.

4.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

4.1.    Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg.cit. die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 leg.cit. findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (s. z.B. VwGH 14.09.2000, 2000/21/0087; 07.06.2000, 99/01/0321).

„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. etwa VwGH 26.02.2015, Ra 2014/07/0055; 13.11.2013, 2011/08/0165; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung – nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhaltes zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 leg.cit. verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K17).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft aufgrund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens vgl. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (s. z.B. VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen. Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhaltes bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 05.07.2005, 2005/21/0093; 03.11.2004, 2004/18/0215). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen, von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (s. VwGH 21.03.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (vgl. VwGH 24.06.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die – falls feststellbar – zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (s. etwa VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344; 17.09.2008, 2008/23/0684).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Ein Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Die Asylbehörden sind dazu verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

4.2.    Vor diesem Hintergrund ist für den vorliegenden Fall Folgendes auszuführen:

4.2.1. Der BF begründete seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz vom 19.02.2016 im Wesentlichen damit, dass er in Afghanistan gegen die Kuchis gekämpft habe und von diesen verfolgt worden wäre. Dieses Fluchtvorbringen wurde vom Bundesverwaltungsgericht rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt. Der BF ist im gegenständlichen Folgeantragsverfahren nicht neuerlich näher auf dieses Fluchtvorbringen eingegangen.

Der BF begründete seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz vom 19.02.2016 weiters damit, dass er sich in Österreich Tätowierungen machen lassen habe, aufgrund derer er im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung ausgesestzt wäre. Das Bundesverwaltungsgericht hat rechtskräftig festgestellt, dass der BF diesbezüglich in Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Der BF ist im gegenständlichen Folgeantragsverfahren nicht neuerlich näher auf dieses Fluchtvorbringen eingegangen.

Der BF begründete seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz vom 19.02.2016 weiters mit der pauschalen Behauptung, Hazara wären in Afghanistan einer Gruppenverfolgung ausgesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht hat rechtskräftig festgestellt, dass in Afghanistan keine Gruppenverfolgung der Hazara bestehe. Der BF ist im gegenständlichen Folgeantragsverfahren nicht neuerlich näher auf dieses Fluchtvorbringen eingegangen.

Der BF hat im gegenständlichen Verfahren keinen neuen (sonstigen) Fluchtgrund – im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten – vorgebracht.

Mit seien Vorbringen im vorliegenden (zweiten) Verfahren führte der BF keinen neuen Sachverhalt iSd oben dargelegten Judikatur ins Treffen, sondern machte lediglich denselben Fluchtgrund (sogar ohne) Bekräftigung des im ersten Verfahren angeführten Sachverhalts geltend.

Der BF behauptet mit seinem Vorbringen in diesem Verfahren insofern das „Fortbestehen und Weiterwirken“ (vgl. z.B. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480) von jenem Fluchtgrund, den er bereits im Zuge seines ersten Antrags auf internationalen Schutz vom 18.02.2016 geltend gemacht hat. Der BF beabsichtigt somit die erneute sachliche Behandlung seines bereits rechtskräftig entschiedenen Antrages auf internationalen Schutz (s. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321). Im Ergebnis liegt daher dahingehend kein neuer Sachverhalt iSd § 68 Abs. 1 AVG im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vor.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher abzuweisen.

4.2.2. Soweit der neuerliche Antrag des BF unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes (§ 8 AsylG 2005) zu betrachten ist, ist auf die oben getroffenen Ausführungen zu verweisen, wonach eine neuerliche Sachentscheidung nur bei einer solchen Änderung des Sachverhaltes geboten ist, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann.

Im gegenständlichen Fall sind Anhaltspunkte dafür aufgekommen, dass sich der Gesundheitszustand des BF massiv verschlechtert hat. Vom BF wurde vorgebracht, dass er an Schlafstörungen, suizidalen Gedanken und Depression leide. Vom BF wurde ua ein ärztlicher Befundbericht vorgelegt, laut dem beim BF latente Suizidalität bestehe. Laut dem im Auftrag des BFA erstellten neurologisch-psychiatrischem Gutachten leide der BF unter einer Anpassungstörung mit einer leichtgradigen depressiven Reaktion von längerer Dauer und bedürfe weiterhin Medikamente (zB Trittico).

Während das Bundesverwaltungsgericht im ersten Asylverfahren davon ausgegangen war (und entsprechend festgestellt hat), dass der BF gesund war, stellte das BFA im im angefochtenen Bescheid abweichend davon fest, dass der BF (nicht mehr gesund sei, sondern lediglich) an keinen schweren, lebensbedrohenden Erkrankungen leide und nicht immungeschwächt sei.

Diese maßgebliche Sachverhaltsänderung – gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF in Zusammenschau mit der vor etwa einem Jahr erstmals aufgetretenen COVID-19-Pandemie und den daraus resultierenden Auswirkungen auf die Wirtschafts- und Versorgungslage sowie auf den Zugang zu Gesundheitsversorgung – lässt eine andere Beurteilung im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen, sondern bedarf vielmehr einer näheren (inhaltlichen) Auseinandersetzung mit den allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und den persönlichen Umständen des BF. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des BF in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154, mwN).

Im angefochtenen Bescheid setzte sich das BFA (inhaltlich) ausführlich mit dem Gesundheitszustand des BF, dem Gutachten des Sachverständigen XXXX sowie den diesbezüglichen Einwänden des BF auseinander (siehe insb. S. 100ff). Dabei übersieht die Behörde allerdings, dass eine solcherart inhaltliche Auseinandersetzung erst dann zu erfolgen hat, wenn eine maßgebliche Sachverhaltsänderung bejaht und eine Sachentscheidung erlassen wird.

Das Folgeantragsverfahren hat daher mit Blick auf den geänderten Gesundheitszustand des BF und die aktuelle Berichtslage einen neuen Sachverhalt zum Gegenstand, der erst nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes entstand.

Die Berücksichtigung der in Rede stehenden Sachverhaltsänderungen (Gesundheitszustand, Auswirkungen der COVID-19-Pandemie) im Rahmen einer Sachentscheidung kann in Folge einer allenfalls geänderten Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr von Art. 3 EMRK bzw. Zumutbarkeit einer Neuansiedlungsmöglichkeit Relevanz (im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten) entfalten. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ist daher möglich.

4.3. Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, so ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag würde demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. war daher stattzugeben, der angefochtenen Bescheid in diesem Umfang zu beheben und der belangten Behörde die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Für das fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides im dargelegten Umfang der verfahrensgegenständliche Asylantrag des BF (zum Teil) wieder unerledigt ist und über diesen von der belangten Behörde neuerlich, nämlich meritorisch abzusprechen ist (vgl. VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).

4.4.    In Folge Behebung des Spruchpunktes II. liegen auch die Voraussetzungen für die Beurteilung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, für die Zulässigkeit der Abschiebung, für die Ausreisefrist und für die Erlassung eines Einreiseverbots nicht mehr vor, weshalb die Spruchpunkt III. bis VII. mangels einer gesetzlichen Grundlage keinen Bestand mehr haben können und ebenfalls aufzuheben waren.

4.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Im vorliegenden Beschwerdefall nimmt das Bundesverwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 zweiter Satz BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG Abstand, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Änderung maßgeblicher Umstände ersatzlose Teilbehebung Folgeantrag Gesundheitszustand Identität der Sache Pandemie Prozesshindernis der entschiedenen Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W255.2172622.2.00

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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