TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/13 G314 2216743-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.2021
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Entscheidungsdatum

13.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z3
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46a Abs1 Z2
FPG §46a Abs4
FPG §46a Abs5
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch


G314 2216743-1/16E

ENDERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des irakischen Staatsangehörigen XXXX (auch XXXX bzw. XXXX ), geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019, Zl. XXXX , betreffend internationalen Schutz samt Nebenentscheidungen zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VII. des angefochtenen Bescheids wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt II. richtig zu lauten hat: „Der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX .2015 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 Z 3 AsylG abgewiesen.“ und Spruchpunkt VII. richtig zu lauten hat: „Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 5 und 6 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen.“

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass dieser Spruchpunkt richtig zu lauten hat: „Gemäß § 8 Abs 3a AsylG iVm § 9 Abs 2 AsylG wird festgestellt, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak unzulässig ist. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist gemäß § 46a Abs 1 Z 2 FPG geduldet. Ihm ist gemäß § 46a Abs 4 und Abs 5 FPG eine Karte für Geduldete für die Dauer von einem Jahr auszustellen. Gemäß § 13 Abs 2 Z 3 AsylG hat er sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab XXXX verloren.“

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) beantragte am XXXX .2015 in Österreich internationalen Schutz. Am nächsten Tag wurde seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführt. Dabei gab er an, XXXX zu heißen und am XXXX geboren zu sein. Er sei ein irakischer Staatsangehöriger aus XXXX . Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er an, dass er den Irak aufgrund des Krieges verlassen habe. Der IS belagere seine Heimatstadt. Er sei von schiitischen Milizen bedroht worden; Schiiten würden alle Sunniten grundlos töten. Er habe Angst um seine Kinder und wolle mit seiner Familie ein Leben in Sicherheit führen.

Am XXXX .2015 wurde das Asylverfahren des BF zugelassen und ihm eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG ausgestellt.

Am XXXX .2016 wurde der BF festgenommen und über ihn am XXXX .2016 wegen des Verdachts der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und der kriminellen Organisation nach § 278a StGB die Untersuchungshaft verhängt.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der BF gemäß § 278b Abs 2 StGB, § 278a zweiter Fall Z 1, 2 und 3 StGB sowie § 107 Abs 1 und 2 StGB zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde die Freiheitsstrafe auf sechs Jahre und acht Monate reduziert.

Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 17.01.2019 wurde der Name des BF mit XXXX angegeben. Er korrigierte sein Geburtsdatum auf den XXXX . Konfrontiert mit seiner Verurteilung gab er an, dass er nie mit dem IS zu tun gehabt habe und nur wegen Verleumdungen verurteilt worden sei. Sein Cousin XXXX (den der BF laut Strafurteil bedroht hatte), halte sich wieder im Irak auf und habe sich der Miliz Asa‘ib Ahl al-Haqq angeschlossen. Er bedrohe den BF wegen lange zurückliegender Erbstreitigkeiten und habe angekündigt, ihn umzubringen, wenn er sich im Irak blicken lasse. Der BF gab an, nichts darüber zu wissen, ob ihm von der irakischen Regierung eine Gefahr drohe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 3 Z 2 iVm § 2 Z 13 und § 6 Abs 1 Z 3 und 4 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 und 6 FPG wurde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Der Bescheid wird zusammengefasst damit begründet, dass der BF von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen sei, weil angesichts seiner strafgerichtlichen Verurteilung aus stichhaltigen Gründen anzunehmen sei, dass er eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle (§ 6 Abs 1 Z 3 AsylG) und weil er wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeute (§ 6 Abs 1 Z 4 AsylG). Der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei ihm nicht zuzuerkennen, weil ihm bei einer Rückkehr in den Irak keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 oder Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Seine strafgerichtliche Verurteilung sei im Irak nicht öffentlich bekannt. Es könne nicht festgestellt werden, dass er öffentlich mit Terrorismus in Verbindung gebracht oder wegen der Verurteilung in Österreich automatisch einer Überwachung durch die irakischen Behörden ausgesetzt werde. Er sei gesund und arbeitsfähig und könne angesichts seiner Schulbildung und seiner Sozialisierung im Irak dort nach der Rückkehr eine Arbeit aufnehmen und seinen Lebensunterhalt aus Eigenem bestreiten. Eine existentielle Notlage sei nicht zu befürchten, zumal er auch familiäre Anknüpfungspunkte habe, sodass eine Unterstützung unmittelbar nach der Rückkehr und in Zeiten allfälliger Erwerbslosigkeit gegeben sei. Da keiner der drei Gründe des § 57 AsylG vorliege, sei dem BF kein Aufenthaltstitel nach dieser Bestimmung zu erteilen. Gegen ihn sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, weil aufgrund der Begehung gravierender Straftaten die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden. Er habe in Österreich kein Familienleben und sei hier weder sozial noch beruflich verankert. Haftbedingt liege auch keine Integration vor; demgegenüber sei von einer nach wie vor bestehenden Bindung zu seinem Herkunftsstaat auszugehen. Da keine Gefährdung iSd § 50 Abs 1 FPG vorliege und die Voraussetzungen des § 50 Abs 2 und 3 FPG nicht erfüllt seien, sei die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Irak festzustellen. Aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung seien die Tatbestände des § 53 Abs 3 Z 1 und 6 FPG erfüllt. Gegen den BF sei ein unbefristetes Einreiseverbot zu erlassen, weil er sich dem IS, von dessen Unterstützern eine massive Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Österreich und in der EU ausgehe, in Kenntnis von dessen Methoden und der Kriegsgräuel angeschlossen habe.

Der BF erhob eine Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte dieses Bescheids, mit der er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten anstrebt und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anregt. Hilfsweise beantragt er die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung sowie die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG und stellt einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Letztlich beantragt er die Aufhebung des Einreiseverbots, in eventu die Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbots.

Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass das BFA den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt habe. Die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid sei mangelhaft. Die fehlende Glaubhaftigkeit des BF könne nicht in erster Linie auf Widersprüche im Fluchtvorbringen zwischen Erstbefragung und Einvernahme gestützt werden. Das BFA habe keine Erhebungen zu im Irak verbliebenen Angehörigen des BF, seiner Religionszugehörigkeit und seinem Gesundheitszustand durchgeführt. Es sei ungewiss, ob den irakischen Behörden die strafgerichtliche Verurteilung des BF bekannt sei. Ehemaligen IS-Mitgliedern würden dort schwere Strafen drohen. Dem BF als sunnitischem Araber drohe im Irak laut aktuellen Länderberichten eine asylrelevante Verfolgung durch schiitische Milizen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative stünde ihm nicht zur Verfügung, weil arabische Sunniten in allen Provinzen von irakischen und kurdischen Sicherheitskräften und von schiitischen Milizen bedroht würden und keinen Schutz von militant-schiitisch unterwanderten Polizeikräften erwarten könnten. Ihnen würde auch zumeist der Zugang zu und die Niederlassung in sicheren (kurdischen) Gebieten verweigert. Es bestünde die Gefahr, an Kontrollpunkten diskriminiert, bedroht, verschleppt oder abgewiesen zu werden. Es würden keine Endigungs- oder Ausschlussgründe gemäß Art 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention (Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 78/1974, kurz GFK) vorliegen. Zumindest hätte dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Dieser könne auch dann nicht aberkannt werden, wenn er in Österreich schwerste Straftaten begangen hätte, solange die Abschiebung in den Herkunftsstaat eine Menschenrechtsverletzung iSd EMRK bedeuten würde. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF sei auf Dauer unzulässig, weil er Deutschkurse besucht und ehrenamtlich gearbeitet habe. Er arbeite während der Haft in der XXXX und habe sich im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht, sich zu integrieren. Ein unbefristetes Einreiseverbot sei unverhältnismäßig, zumal der BF in Österreich keine terroristischen Aktivitäten gesetzt habe und nicht ersichtlich sei, warum von ihm überhaupt (und insbesondere für einen so langen Zeitraum) eine Gefährdung ausgehe.

Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Mit Teilerkenntnis vom 04.04.2019 wurde Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt, weil § 18 Abs 2 BFA-VG im vorliegenden, asylrechtlichen Kontext nicht anwendbar sei und das BFA die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht einzelfallbezogen begründet habe. Angesichts von Berichten, wonach Männer, die der Zugehörigkeit zum IS verdächtig seien, im Irak gefoltert oder hingerichtet würden, sei nicht auszuschließen, dass dem BF dort eine Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK drohe.

Am 18.04.2019 wurden dem BVwG die Rechtsmittelenscheidung des Oberlandesgerichts XXXX zu XXXX und eine Kopie des Datenblatts des Reisepasses des BF übermittelt.

Die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 21.05.2019 betreffend die Lage von im Ausland verurteilten ehemaligen IS-Mitgliedern im Irak (im Hinblick auf Todesstrafe bzw. faires Gerichtsverfahren) wurde dem BF und dem BFA mit dem Ersuchen um eine Stellungnahme zur Kenntnis gebracht; der BF äußerte sich dazu mit der Eingabe vom 07.06.2019.

Am 20.04.2020 langte der Abschlussbericht der Landespolizeidirektion XXXX über den Verdacht einer vom BF am XXXX .2020 in der Justizanstalt XXXX begangenen Körperverletzung beim BVwG ein.

Am 22.03.2021 wurde das BVwG über die bevorstehende bedingte Entlassung des BF informiert.

Feststellungen

Der BF heißt XXXX und ist irakischer Staatsangehöriger. Er wurde am XXXX in XXXX , der Hauptstadt der Provinz XXXX , geboren, wo er bis XXXX zusammen mit seiner Familie lebte. Er ist sunnitischer Araber; seine Muttersprache, die er in Wort und Schrift beherrscht, ist Arabisch. Er verfügt über rudimentäre Deutschkenntnisse. Er ist mit zwei Frauen verheiratet und sorgepflichtig für drei minderjährige Kinder.

Der BF besuchte im Irak von XXXX bis XXXX die Schule und war danach als Händler erwerbstätig. Im XXXX verließ er den Irak und reiste zunächst in die Türkei und von dort aus über Griechenland, Nordmazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich, wo er internationalen Schutz beantragte.

Der BF bezog von XXXX bis XXXX Leistungen der staatlichen Grundversorgung (wobei er zwischen XXXX . und XXXX unbekannten Aufenthalts war) und war während dieser Zeit als Asylwerber krankenversichert. Er ging in Österreich nie einer Erwerbstätigkeit nach; ihm wurde nie eine (über das Aufenthaltsrecht als Asylwerber hinausgehende) Aufenthaltsberechtigung erteilt. Er hat (abgesehen von einem in Finnland lebenden Cousin, gegen den er Straftaten beging) weder in Österreich noch in anderen EU-Staaten Familienangehörige. Er leidet an keinen schwerwiegenden, behandlungsbedürftigen gesundheitlichen Problemen und ist arbeitsfähig.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB und des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a zweiter Fall StGB (Tatzeitraum XXXX bis XXXX ) sowie wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 (erster Fall) StGB (Tatzeitraum XXXX bis XXXX ) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er sich im Juni 2014 dem IS angeschlossen hatte, einer international agierenden terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation, die bis Ende 2017 Teile des Irak kontrollierte und das Ziel hatte, im Irak, in Syrien, im Libanon, in Jordanien und in Palästina gewaltsam einen nach salafistischen Prinzipien gestalteten, radikalislamischen, totalitären Gottesstaat zu errichten. Zur Erreichung dieses Zieles verübten IS-Mitglieder im offenen militärischen Bodenkampf gegen Regierungstruppen und konkurrierende Widerstandsgruppen terroristische Straftaten iSd § 278c Abs 1 StGB, z.B. Mord, schwere Körperverletzung, erpresserische Entführung, schwere (sexuelle) Nötigung, gefährliche Drohung und schwere Sachbeschädigung. Insbesondere ab Sommer 2011 betrieb der IS durch seine Kämpfer unter Anwendung besonderer Grausamkeit die Zerstörung des syrischen und irakischen Staates durch terroristischen Straftaten, tötete oder vertrieb die sich nicht seinen Zielen unterordnende Zivilbevölkerung, eignete sich deren Vermögen an, erpresste durch Geiselnahmen große Geldsummen, veräußerte vorgefundene Kunstschätze, beutete Bodenschätze (vor allem Erdöl und Phosphat) zu seiner (in großem Umfang angestrebten) Bereicherung aus, schüchterte andere in Syrien und im Irak, aber auch in Europa, durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge ein und versuchte, sich durch Geheimhaltung des Aufbaus, der Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung der Organisation und der internen Kommunikation gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen. XXXX , die Heimatstadt des BF, stand ab XXXX vollständig unter IS-Kontrolle; ab diesem Zeitpunkt folgte das Leben in der Stadt den Regeln des IS.

Der BF fasste spätestens im XXXX den von seiner radikal-religiösen Einstellung getragenen Entschluss, sich an der gewaltsamen Errichtung eines Gottesstaates durch den IS zu beteiligen, und diente von da an als XXXX . Im Zuge dieser Tätigkeit sammelte er militärische und zivile Informationen, insbesondere über Beruf, Familie und Verhaltensweisen von Sicherheitskräften, Kräften der offiziellen Regierung und allen übrigen Menschen, die nicht nach der Scharia lebten oder nicht der vom IS vertretenen Glaubensrichtung der Sunniten angehörten, und gab diese Informationen dem IS weiter. Die vom BF verratenen, vom IS als „Ungläubige“ bezeichneten Menschen wurden in weiterer Folge nach den Sanktionsregeln des IS bestraft, wobei die angewendeten, von IS-„Richtern“ vollzogenen Bestrafungen von Peitschenhieben bis zu Hinrichtungen reichten. Der BF übte diese Tätigkeit bis zum XXXX vorwiegend in XXXX aus, wo er vor allem staatliche Polizisten, z.B. seinen Cousin XXXX , verriet, dessen Wohnhaus er mit anderen IS-Mitgliedern aufsuchte. XXXX war jedoch bereits geflohen und in Sicherheit. Durch seine Tätigkeit als IS-Geheimdienstmitarbeiter trug der BF wesentlich zum Funktionieren der Strukturen des IS bei. Auch nach der Ausreise aus dem Irak pflegte er bis zu seiner Festnahme am XXXX weiterhin Kontakte zum IS und distanzierte sich nicht von dessen Ideologie. Er täuschte die Behörden bewusst, um nicht als IS-Mitglied erkannt zu werden. Der BF wusste, dass der IS eine terroristische Vereinigung und eine kriminelle Organisation ist. Er beteiligte sich als Mitglied mit der Absicht, das Ziel, nämlich die Errichtung eines radikal-islamischen Gottesstaates insbesondere in Syrien und im Irak, und die strafbaren Handlungen, nämlich die zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten, zu fördern.

Bei im Zeitraum XXXX bis XXXX geführten Telefonaten bedrohte der BF XXXX , der sich damals in Finnland aufhielt, damit, dass er nach Finnland reisen und ihn umbringen werden und dass er, wenn er ihn dort nicht erreiche, nach XXXX zurückkehren und dort ihn, seine Frau und seine Kinder umbringen werde. Einen anderen Cousin, XXXX , der sich damals im Irak aufhielt, bedrohte er im selben Zeitraum telefonisch damit, ihn und seine beiden Brüder umzubringen oder zu verstümmeln, wobei der BF dabei jeweils in der Absicht handelte, seine beiden Cousins in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Bei der Strafbemessung wurden das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie die Begehung gefährlicher Drohungen gegen Angehörige als erschwerend gewertet, als mildernd die bisherige Unbescholtenheit des BF. Die Reduktion der tat- und schuldangemessenen siebenjährigen Freiheitsstrafe im Rechtsmittelweg erfolgte wegen (nicht vom BF oder seinem Verteidiger zu vertretenden) Verfahrensverzögerungen.

Der BF konnte unter anderem deshalb der aktiven Unterstützung einer Terrororganisation überführt werden, weil die irakische Regierung in diversen Internetbeiträgen (unter anderem auf einer vom irakischen Verteidigungsministerium verwalteten Homepage) nach ihm wegen seiner Mitgliedschaft beim IS fahndete.

Der BF verbüßte die Freiheitsstrafe (unter Berücksichtigung der angerechneten Vorhaft) ab XXXX zunächst in der Justizanstalt XXXX und ab XXXX in der Justizanstalt XXXX . Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX wurde er wegen einer während des Strafvollzugs am XXXX begangenen Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB rechtskräftig zu einer einwöchigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde die bedingte Entlassung des BF am XXXX , nach der Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafen, bewilligt. Für die mit drei Jahren bestimmte Probezeit wurde die Bewährungshilfe angeordnet sowie die Weisung erteilt, sich einer ambulanten Drogenberatung zu unterziehen.

Dem BF drohen im Irak wegen seiner Beteiligung am IS die Festnahme, Folter und andere Formen der Misshandlung, ein nicht den Grundsätzen eines fairen Verfahrens entsprechendes Gerichtsverfahren sowie die Todesstrafe oder eine außergerichtliche Hinrichtung. Mutmaßliche IS-Mitglieder haben im Irak kein faires Gerichtsverfahren zu erwarten, sie werden häufig Opfer von Folter. Es kommt bei dieser Personengruppe zu willkürlichen oder rechtswidrigen Festnahmen, nur auf erzwungene Geständnisse gestützten Schuldsprüchen und unzureichendem Zugang zu Verteidigern und zu Beweismitteln. Es ist nicht bekannt, ob das Verbot der Doppelbestrafung eingehalten bzw. umgesetzt wird und im Ausland verbüßte Strafen angerechnet werden.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts.

Der Name, die Staatsangehörigkeit und das Geburtsdatum des BF gehen aus seinem (im Rahmen der Hausdurchsuchung gefundenen und gerichtlich beschlagnahmten) Reisepass hervor und wurden von ihm laut dem erstinstanzlichen Strafurteil im Strafverfahren letztlich auch bestätigt. Seine Herkunft aus XXXX , seine Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit, seine Muttersprache, sein Familienstand und seine Sorgepflichten gehen aus den Feststellungen zu seiner Person im erstinstanzlichen Strafurteil und aus seinen Angaben bei der Erstbefragung hervor, ebenso sein Schulbesuch und die im Irak ausgeübte Erwerbstätigkeit.

Dass der BF (zumindest) rudimentäre Deutschkenntnisse hat, ergibt sich aus seinem mehrjährigen Aufenthalt in Österreich und seiner Behauptung, er habe einen Deutschkurs besucht (für die aber keine Nachweise vorgelegt wurden). Eine Deutschprüfung hat der BF bislang (auch nach seiner eigenen Darstellung) nicht abgelegt.

Bei der Erstbefragung am XXXX behauptete er, er habe den Irak vor fünf Monaten verlassen. Demgegenüber ergibt sich aus dem Strafurteil, dass er sich bis zum XXXX in XXXX aufhielt, sodass ihm insoweit nicht gefolgt werden kann. Die vom BF bei der Erstbefragung angegebene Fluchtroute ist plausibel und steht im Einklang mit geographischen Gegebenheiten, sodass eine entsprechende Feststellung getroffen werden kann.

Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte für schwerwiegende medizinische Probleme des BF ergeben, zumal er offenbar uneingeschränkt haftfähig ist und nach dem Beschwerdevorbringen während des Strafvollzugs auch arbeitet. Seine Arbeitsfähigkeit ergibt sich daraus, aus seinem erwerbsfähigen Alter und der im Irak ausgeübten Berufstätigkeit.

Der Bezug von Grundversorgungsleistungen geht aus dem GVS-Betreuungsinformationssystem hervor, die Krankenversicherung als Asylwerber aus dem Versicherungsdatenauszug. Eine Erwerbstätigkeit im Inland (abgesehen von der Arbeit in der Haft) wird weder vom BF behauptet noch lässt sie sich den Akten entnehmen. Die Zulassung des Asylverfahrens und die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte gehen aus dem IZR hervor. Hinweise auf ein Aufenthaltsrecht des BF in Österreich nach anderen Vorschriften liegen nicht vor. Der BF gab vor dem BFA an, dass er hier niemanden habe. Das Verfahren hat (damit übereinstimmend) keine Familienangehörigen des BF in Österreich oder in anderen EU-Staaten ergeben. Nur ein Cousin, den er laut Strafurteil bedrohte, soll sich in Finnland aufhalten.

Da beim BF Ausschlussgründe vorliegen, werden zu den Gründen, warum er den Irak verließ, keine Feststellungen getroffen.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seinen strafgerichtlichen Verurteilungen in Österreich und zu den Strafbemessungsgründen basieren auf dem Strafregister, den Urteilen des Landesgerichts XXXX und des Oberlandesgerichts XXXX sowie dem Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom XXXX , XXXX betreffend die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des BF. Der Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft liegt vor, ebenso Polizeiberichte vom XXXX . Die Feststellung, dass er die Behörden bewusst täuschte, um nicht als IS-Mitglied erkannt zu werden, beruht darauf, dass er zunächst einen falschen Namen verwendete, ein falsches Geburtsdatum angab und bei der Erstbefragung behauptete, sein (später bei der Hausdurchsuchung aufgefundener) Reisepass befinde sich im Irak.

Der am 20.04.2020 beim BVwG eingelangte Abschlussbericht der LPD XXXX hat – wie das Strafregister zeigt – bislang nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung des BF wegen einer am XXXX in der Justizanstalt XXXX begangenen Körperverletzung geführt, sodass auf der Grundlage dieses Berichts keine Feststellungen getroffen werden, zumal sich der BF diesbezüglich nicht geständig verantwortete und keine anderen Beweisergebnisse für seine Beteiligung an den angezeigten tätlichen Auseinandersetzungen vorliegen.

Die Feststellung, dass von irakischen Behörden nach dem BF wegen seiner IS-Mitgliedschaft gefahndet wurde, basiert auf dem Strafurteil und dem Polizeibericht vom XXXX . Dies steht im Einklang damit, dass Personen, die als mit dem IS verbunden wahrgenommen werden, im Irak nach wie vor vorrangiges Ziel aller Akteure im Sicherheitsbereich sind (vgl. EASO – European Asylum Support Office: Country Guidance: Iraq; Common analysis and guidance note, Jänner 2021
https://www.ecoi.net/en/file/local/2045437/Country_Guidance_Iraq_2021.pdf [Zugriff am 26.03.2021]) und Personen mit sunnitisch-arabischer Identität, insbesondere Männer und Jungen im kampffähigen Alter, aus Gebieten, die zuvor vom IS besetzt waren, Berichten zufolge kollektiv verdächtigt werden, mit dem IS verbunden zu sein oder diesen zu unterstützen (vgl. UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, Mai 2019 https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2019/09/UNHCR_Schutzerw%C3%A4gungen_Irak_Mai_2019-1.pdf, Seite 69 [Zugriff am 26.03.2021]). Die anderslautenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach die Verurteilung des BF in Österreich nicht öffentlich bekannt sei und nicht festgestellt werden könne, dass er in irgendeiner Form öffentlich mit Terrorismus in Verbindung gebracht werde, können vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden.

Der Strafvollzug ergibt sich aus der Vollzugsinformation, den Wohnsitzmeldungen des BF in Justizanstalten laut ZMR und der Vorhaftanrechnung laut dem Strafurteil. Die bevorstehende bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe und die damit verbundenen Auflagen (Probezeit, Bewährungshilfe und Drogentherapie) ergeben sich aus dem Strafregister und dem Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis.

Die Feststellung, dass dem BF im Irak die reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention droht, basiert auf der ACCORD-Anfragebeantwortung vom 21.05.2019 und den darin wiedergegebenen Quellen. Die Situation hat sich diesbezüglich seither nicht entscheidungswesentlich verändert. So ergibt sich aus den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen, vom Mai 2019, dass seit 2014 Zivilisten mit sunnitisch-arabischer Identität, insbesondere Männer und Jungen im kampffähigen Alter, aus Gebieten, die zuvor vom IS besetzt waren, denen Verbindungen zum IS nachgesagt werden, regelmäßig verschiedenen Vergeltungsmaßnahmen in Form von Gewaltanwendung und Missbrauch durch staatliche und nichtstaatliche Akteure ausgesetzt sind. Es wird berichtet, dass männliche sunnitische Araber im kampffähigen Alter, die in einem ehemals vom IS besetzten Gebiet während der Besetzung gewohnt haben, regelmäßig der Verwicklung mit dem IS verdächtigt und auf Basis fragwürdiger Beweise (z.B. aufgrund von Aussagen geheimer Informanten oder weil sie auf „Fahndungslisten“ stehen, die von verschiedenen Sicherheitsakteuren geführt werden) festgenommen werden. Für Personen, die einer Verwicklung mit dem IS verdächtigt werden, besteht (auch wenn sie nicht in gewaltsame Handlungen verwickelt waren) das Risiko willkürlicher Festnahme, erzwungenen Verschwindens, Folter und anderer Formen der Misshandlung, außergerichtlicher Hinrichtungen sowie unfairer Gerichtsverhandlungen, die zu Todesurteilen aufgrund der vermeintlichen Verbindung mit dem oder Unterstützung des IS führen können. Arabisch-sunnitische Männer und Jungen im kampffähigen Alter, die in einem vom IS kontrollierten Gebiet wohnhaft waren, benötigen daher wahrscheinlich internationalen Flüchtlingsschutz, allerdings sind bei (ehemaligen) IS-Mitgliedern mögliche Ausschlussgründe zu prüfen (siehe https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2019/09/UNHCR_Schutzerw%C3%A4gungen_Irak_Mai_2019-1.pdf, Seite 69 ff mwN [Zugriff am 26.03.2021]). Den EASO-Leitlinien zum Irak vom Jänner 2021 ist zu entnehmen, dass der IS im Dezember 2017 für militärisch besiegt erklärt wurde und seither im Irak kein Territorium gehalten hat. Die irakischen Streitkräfte und die Streitkräfte der Regionalregierung der Autonomen Region Kurdistan (Kurdistan Regional Government, kurz KRI) haben Tausende von Personen, die aus vom IS gehaltenen Gebieten geflohen sind, nach breiten Kriterien auf eine IS-Zugehörigkeit untersucht. Der Verdacht auf eine Zugehörigkeit zum IS kann sich aus verschiedenen Umständen ergeben, z.B. bei Männern oder Jungen im kampffähigen Alter, familiären Beziehungen zu mutmaßlichen IS-Mitgliedern, Namensähnlichkeit mit Namen auf „Fahndungslisten“, angeblicher Zugehörigkeit zu einem Stamm, von dem davon ausgegangen wird, dass er den IS unterstützt hat, Herkunft aus einem Gebiet, das vom IS gehalten wurde, oder fehlenden Dokumenten. Die irakischen Streitkräfte haben IS-Verdächtige weiterhin regelmäßig willkürlich festgenommen, oft monatelang ohne Haftbefehl oder Angabe von Gründen. Prozessuale Rechte von IS-Verdächtigen (z.B. binnen 24 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, Zugang zu einem Anwalt, Verständigung der Familie) werden systematisch verletzt. Gerichtsverfahren gegen IS-Verdächtige entsprechen nicht den Standards für faire Verfahren. So finden anonyme Informanten, Geheimdienst- und Sicherheitsberichte sowie Geständnisse unter Folter starke Berücksichtigung. Summarische Verfahren dauern oft nur fünf Minuten. Das irakische Antiterrorismusgesetz sieht die Anwendung der Todesstrafe für jede Person, die eine der im Gesetz angeführten terroristischen Handlungen begeht, vor. Wer diese anstiftet, plant, finanziert oder unterstützt, wird gleich bestraft wie die Haupttäter der terroristischen Handlungen. In vom IS kontrollierten Gebieten hat dieser weit verbreitete Verstöße und Missbräuche gegen die Zivilbevölkerung begangen. Eine frühere Mitgliedschaft in terroristischen Gruppen wie dem IS kann die Prüfung der Aktivitäten des Asylwerbers im Rahmen der Ausschlussgründe erfordern. Dabei sind u.a. seine Position und seine Aktivitäten innerhalb der Organisation maßgeblich (siehe https://www.ecoi.net/en/file/local/2045437/Country_Guidance_Iraq_2021.pdf , Seiten 14 f, 17, 45 ff, 64 ff, 176 ff [Zugriff am 26.03.2021]). Demgegenüber kommt der Aussage des BF vor dem BFA, er wisse nicht von einer ihm seitens des irakischen Regimes drohenden Gefahr, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, zumal er bei der Vernehmung trotz seiner rechtskräftigen Verurteilung nach wie vor jede Verbindung zum IS in Abrede stellte.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A.:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Gemäß § 3 Abs 3 Z 2 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Gemäß § 6 Abs 1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und so lange er Schutz gemäß Art 1 Abschnitt D GFK genießt (Z 1), wenn einer der in Art 1 Abschnitt F GFK genannten Ausschlussgründe vorliegt (Z 2), wenn aus stichhaltigen Gründen angenommen werden kann, dass er eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 3), oder wenn er von einem inländischen Gericht (oder von einem ausländischen Gericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 73 StGB) wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet (Z 4). Die Ausschlussgründe des § 6 Abs 1 Z 3 und 4 AsylG entsprechen inhaltlich Art 14 Abs 4 StatusRL (vgl. § 2 Abs 1 Z 9 AsylG) und Art 33 Abs 2 GFK.

Ob der BF eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wie sie in ähnlicher Weise auch anderen asyl- und fremdenrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt ist (vgl. etwa § 57 Abs 1 Z 1 AsylG; §§ 53 Abs 2 und Abs 3, § 66 Abs 1 sowie § 67 Abs 1 FPG). Dabei ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und aufgrund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, er stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar. Strafgerichtliche Verurteilungen sind daraufhin zu überprüfen, inwieweit sich daraus nach der Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und der Tatumstände der Schluss auf die Gefährlichkeit des Fremden für die Allgemeinheit oder die Sicherheit der Republik Österreich ziehen lässt (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0246; 20.8.2020, Ra 2019/19/0522, mwN).

Der IS als international agierende Terrororganisation, gegen die von den Vereinten Nationen (UN-Resolution Nr. 1390 (2002), umgesetzt im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 vom 27.05.2002) und von der EU (Verordnung (EU) 2016/1686 vom 20.09.2016) Sanktionen erlassen wurden, drohte auch in Europa Terroranschläge an und führte sie aus. Vom BF geht angesichts seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen schwerwiegender Verbrechen gegen den öffentlichen Frieden eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich aus. Seine Straftaten erschöpften sich nicht in der bloßen Mitgliedschaft beim IS; vielmehr lieferte er durch seine Aktivitäten als Geheimdienstmitarbeiter Bewohner von Mossul dem religiös-totalitären Parallel-Justizsystem des IS und damit drakonischen Bestrafungen bis hin zur Hinrichtung aus und trug so wesentlich zum Funktionieren der Strukturen des IS bei. Da er seine Betätigung für den IS in Österreich weiter fortsetzte, die Behörden durch Verwendung einer falschen Identität über seine IS-Mitgliedschaft täuschte, vom Inland aus seinen Cousin, den er schon in XXXX wegen seiner Tätigkeit für die irakische Polizei verfolgt hatte, bedrohte, und bis zu seiner Inhaftierung an der Mitgliedschaft und der Ideologie des IS festhielt, kann für ihn (trotz der bedingten Entlassung) noch keine positive Zukunftsprognose erstellt werden. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat, wobei dieser Zeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit - etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall - manifestiert hat (vgl. zuletzt VwGH 26.01.2021, Ra 2020/14/0491). Hier liegt noch kein Wegfall und keine maßgebliche Reduktion der vom BF ausgehenden Gefährdung vor, zumal er noch während des Strafvollzugs ein Körperverletzungsdelikt beging.

Für die Anwendung des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG müssen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein: Der BF muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (VwGH 26.02.2019, Ra 2018/18/0493).

Sämtliche Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG sind hier erfüllt. Da die Straftaten der kriminellen Organisation und der terroristischen Vereinigung, wegen denen der BF rechtskräftig verurteilt wurde, objektiv sehr wichtige Rechtsgüter verletzen und sich auch subjektiv als besonders schwerwiegend erweisen (so versuchte er u.a. mit der Behauptung, er sei vor der Belagerung seiner Heimatstadt durch den IS geflohen, den Status des Asylberechtigten zu erlangen, obwohl er selbst zu dessen Gräueltaten und Gewaltherrschaft beigetragen hatte), liegt ein besonders schweres Verbrechen vor. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe gemäß § 278b Abs 1 StGB die Verhängung einer siebenjährigen Freiheitsstrafe gegen den zuvor unbescholtenen BF schuld- und tatangemessen war.

Die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und kriminellen Organisation und die gegen seine Verwandten ausgesprochenen Drohungen zeigen die Gemeingefährlichkeit des BF, der noch bei der Einvernahme vor dem BFA jede Verbindung zum IS leugnete und sich weder von seinen Taten noch von der Ideologie des IS distanzierte. Die aktive Beteiligung des BF als IS-Mitglied in der Absicht, dessen Ziel, die Errichtung eines radikalislamischen Gottesstaates, und die zu dessen Erreichung erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten zu fördern (z.B. durch die Weitergabe von Informationen zur Verfolgung und Bestrafung von Personen, die nicht den totalitären Glaubensansichten des IS entsprachen), zeigt nicht nur retrospektiv, sondern auch prospektiv, dass von ihm eine Gefährdung ausgeht, die einer Asylgewährung entgegensteht.

Da hier somit (wie das BFA richtig erkannt hat) die Ausschlussgründe des § 6 Abs 1 Z 3 und 4 AsylG vorliegen, ist der Antrag des BF auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 6 Abs 2 AsylG ohne weitere Prüfung abzuweisen. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist mithin als rechtskonform zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn sein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG zu verbinden.

Da staatliche Stellen im Irak nach dem BF wegen seiner Mitgliedschaft beim IS fahndeten und Männern wie ihm, die der Zugehörigkeit zum IS auch nur verdächtigt werden, dort konkret Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe bzw. die Todesstrafe zu erwarten haben, liegen bei ihm grundsätzlich die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vor, obwohl er seine Verbindungen zum IS auch zuletzt noch leugnete, zumal nicht gewährleistet ist, dass die in Österreich ausgesprochene und verbüßte Strafe einer weiteren Strafverfolgung im Irak entgegensteht. Seine Verurteilung als IS-Mitglied und die vorgelagerte Verfolgung durch irakische Behörden führen dazu, dass durch eine Rückführung in den Irak eine Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.

Gemäß § 8 Abs 3a erster Satz AsylG hat die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auch dann zu unterbleiben, wenn ein Grund für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs 2 AsylG vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn einer der in Art 1 Abschnitt F GFK genannten Gründe vorliegt (Z 1), der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt (Z 2) oder rechtskräftig wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) verurteilt wurde (Z 3). Nach § 8 Abs 3a zweiter Satz AsylG ist diesfalls - somit soweit die Voraussetzungen nach § 8 Abs 1 AsylG für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen und der Antrag nicht aus den Gründen nach § 8 Abs 3 AsylG (Vorhandensein einer innerstaatliche Fluchtalternative) oder § 8 Abs 6 AsylG (Nichtfeststellbarkeit des Herkunftsstaates) abzuweisen ist - die Abweisung in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Abschiebung des Fremden aus den genannten Gründen in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist. Der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet ist in der Folge ex lege gemäß § 46a Abs 1 Z 2 FPG geduldet (siehe VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016).

Hier wurde der BF rechtskräftig wegen zweier Verbrechen iSd § 17 StGB verurteilt, wobei sogar die Voraussetzung eines „besonders schweren Verbrechens“ gemäß § 6 Abs 1 Z 4 AsylG erfüllt ist (siehe oben). Da es sich bei der aktiven Beteiligung des BF am IS somit (im Größenschluss) jedenfalls um eine "schwere Straftat" im Sinne des (in § 9 Abs 2 Z 3 AsylG umgesetzten) Art 17 Abs 1 lit b der Statusrichtlinie (§ 2 Abs 1 Z 9 AsylG) handelt (vgl. VwGH 22.10.2020, Ra 2020/20/0274), liegt der Aberkennungsgrund des § 9 Abs 2 Z 3 AsylG vor. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist daher gemäß § 8 Abs 3a iVm § 9 Abs 2 Z 3 AsylG abzuweisen. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist mit der Maßgabe der insoweit geänderten bzw. ergänzten rechtlichen Grundlage zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen ist, ist gemäß § 58 Abs 1 Z 2 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ ist gemäß § 57 Abs 1 AsylG Drittstaatsangehörigen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, zu erteilen, wenn entweder der Aufenthalt gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, sofern sie keine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit sind und nicht wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, oder zur Gewährleistung der Strafverfolgung oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von damit im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen. Letztlich ist ein solcher Aufenthaltstitel auch Opfern von Gewalt zu erteilen, wenn eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO („Schutz vor Gewalt in Wohnungen“) oder nach § 382e EO („Allgemeiner Schutz vor Gewalt“) erlassen wurde oder hätte erlassen werden können, wenn dies zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Aufenthalt des BF in Österreich war bislang zu keiner Zeit geduldet iSd § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG; außerdem wurde er wegen Verbrechen verurteilt. Anhaltspunkte dafür, dass er hier Zeuge oder Opfer strafbarer Handlungen oder Opfer von Gewalt wurde, wurden nicht behauptet und sind auch sonst nicht hervorgekommen.

Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs 1 AsylG liegen daher nicht vor, sodass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden ist.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung über die Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem achten Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist nur dann von Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger und Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Der BF hält sich seit Mitte 2015 im Bundesgebiet auf, wobei sein Aufenthalt zunächst aufgrund der vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Er wurde in Österreich, wo sich keine Mitglieder seiner Kernfamilie aufhalten und demgemäß kein Familienleben besteht, zweimal strafgerichtlich verurteilt und hat keine besonderen Integrationsbemühungen gesetzt. Seine privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich werden maßgeblich dadurch relativiert, dass er sich seit November 2016 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft befindet. Demgegenüber fallen weder der Besuch von Deutschkursen noch gewisse ehrenamtliche Tätigkeiten vor der Inhaftierung maßgeblich ins Gewicht. Auch der Arbeit während des Strafvollzugs kommt angesichts der Arbeitspflicht von Strafgefangenen (§ 44 StVG) keine entscheidende Bedeutung für die vorzunehmende Interessenabwägung zu. Angesichts der schwerwiegenden Straffälligkeit des BF überwiegen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet.

Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK somit im Ergebnis nicht verletzt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder wurden in der Beschwerde behauptet, die eine Rückkehrentscheidung (vorübergehend oder auf Dauer) unzulässig erscheinen ließen, sodass Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden ist.

Zu Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Für diese Feststellung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Gemäß § 8 Abs 3a zweiter Satz AsylG ist die Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen des Vorliegens eines Aberkennungsgrundes gemäß § 9 Abs 2 AsylG mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass die Abschiebung des BF in den Irak unzulässig ist. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist daher gemäß § 46a Abs 1 Z 2 FPG geduldet, sodass ihm gemäß § 46a Abs 4 und 5 FPG eine Karte für Geduldete auszustellen ist.

Da gegen den BF am XXXX die Untersuchungshaft verhängt wurde und er mittlerweile rechtskräftig wegen vorsätzlich begangener gerichtlich strafbarer Handlungen, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fallen, verurteilt wurde, hat er sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs 2 Z 3 AsylG verloren. Der gemäß § 13 Abs 4 AsylG vorgesehene, vom BFA im angefochtenen Bescheid offenbar versehentlich unterlassene Ausspruch darüber ist nunmehr vom BVwG nachzuholen, zumal es auch nicht zum Wiederaufleben des Aufenthaltsrechts gemäß § 13 Abs 2 zweiter Satz AsylG gekommen ist. Da es sich beim Verlust des Aufenthaltsrechtes um eine unmittelbare gesetzliche Folge der Verhängung der Untersuchungshaft handelt, wird dadurch die Sache des Beschwerdeverfahrens nicht überschritten.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids ist daher stattzugeben und dieser Spruchpunkt insoweit abzuändern.

Zu Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids:

Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids wurde bereits mit dem Teilerkenntnis vom 04.04.2019 ersatzlos behoben.

Zu Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, verbunden werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder ein anderes in Art 8 Abs 2 EMRK genanntes öffentliches Interesse aus, kann gemäß § 53 Abs 3 FPG ein Einreiseverbot für bis zu zehn Jahre verhängt werden. Wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine besonders schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, so etwa bei einer Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren (§ 53 Abs 3 Z 5 FPG) oder wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat (§ 53 Abs 3 Z 6 FPG), kann ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden.

Da der BF äußerst schwerwiegende Straftaten begangen hat und deshalb wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation als Ersttäter zu einer Freiheitstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt wurde, sind die Tatbestände des § 53 Abs 3 Z 5 und 6 FPG erfüllt. Für die Annahme eines Wegfalls der dadurch indizierten Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bedarf es eines längeren Wohlverhaltens des Fremden in Freiheit (siehe zuletzt VwGH 15.02.2021, Ra 2020/21/0483). Da der BF seit seiner Verurteilung durchgehend in Haft war, kommt weder ein Entfall noch eine Befristung des Einreiseverbots in Betracht, zumal er während des Strafvollzugs eine weitere Straftat beging. Es bestehen auch keine einem unbefristeten Einreiseverbot entgegenstehende private oder familiäre Anbindungen in Österreich oder in anderen Mitgliedstaaten, für die das Einreiseverbot gilt.

Die Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von terroristischen Aktivitäten und deren Unterstützung, ist ein Grundinteresse der Gesellschaft im Rahmen von Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Straftaten wie die in Art 83 Abs 1 AEUV angeführten (Terrorismus, Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern, illegaler Drogen- und Waffenhandel, Geldwäsche, Korruption, Fälschung von Zahlungsmitteln, Computerkriminalität, organisierte Kriminalität) können als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses angesehen werden, die geeignet ist, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar zu bedrohen. Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids ist daher (mit der Maßgabe, dass das Einreiseverbot neben § 53 Abs 3 Z 6 FPG nicht auf § 53 Abs 3 Z 1 FPG, sondern auf § 53 Abs 3 Z 5 gestützt wird) zu bestätigen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann die beantragte Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten.

Zu Spruchteil B.:

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Einreiseverbot Interessenabwägung Karte für Geduldete öffentliche Interessen Religion strafrechtliche Verurteilung terroristische Tat Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2216743.1.00

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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