Entscheidungsdatum
15.04.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G307 2232089-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA.: Kroatien, vertreten durch RA Dr. Wolfgang WEBER, in 1080 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.02.2021, Zahl XXXX zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 02.12.2020, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) zugestellt am 04.12.2020, wurde dieser BF anlässlich seines neuerlichen Aufenthalts in Österreich darüber in Kenntnis gesetzt, es sei beabsichtigt, gegen ihn eine Ausweisung zu erlassen. Zudem wurde der BF zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme binnen 14 Tagen ab Erhalt des Schreibens aufgefordert.
Hierauf erstattete der BF keine Antwort.
2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF persönlich zugestellt am 16.02.2020, wurde dieser gemäß §§ 66 Abs. 1 FPG iVm. 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung eingeräumt (Spruchpunkt II.).
3. Mit per E-Mail am 12.03.2021 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).
Darin wurde die Behebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
4. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt und langten dort am 16.03.2021 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch genannte Identität (Name und Geburtsdatum), ist kroatischer Staatsbürger, geschieden und frei von Obsorgepflichten.
1.2. Der BF ist im Alter von sieben Jahren erstmalig mit seinen Eltern und seinem Bruder nach Österreich eingereist, wo er die Volks- und Hauptschule besuchte sowie eine Lehre zum Kellner absolvierte. In den 1970er, 1980er und 1990er Jahren, sowie im Jahr 2008 hielt sich der BF zeitweise in Österreich auf. Aktuell ist der BF durchgehend seit 02.08.2016 im Bundesgebiet melderechtlich erfasst und beinahe durchgehend aufhältig. Zuvor hielt sich der BF in Kroatien auf.
1.3. Am 18.08.2016 beantragte der BF die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung bei der zuständigen NAG-Behörde, welche ihm bis dato nicht ausgestellt wurde.
1.4. Während seiner Aufenthalte in Österreich ging der BF wiederholt diversen, zumeist kurzfristigen Erwerbstätigkeiten als Arbeiter nach. Von 04.07.2000 bis 09.12.2016 übte er keine Beschäftigung aus und war er zuletzt von 09.12.2016 bis 08.01.2017 erwerbstätig.
1.5. Der BF erlitt im Jänner 2017 einen Arbeitsunfall, bei welchem er sich einen Beckenbruch zuzog und bezieht seit XXXX .2019 beinahe durchgehend Leistungen aus der Mindestsicherung. Eine dauerhafte oder weiterführende medizinische Behandlungsbedürftigkeit des BF ist nicht feststellbar.
1.6. Ein Antrag des BF auf Zuspruch einer Invaliditätspension wurde von der Pensionsversicherungsanstalt abgelehnt und ist diesbezüglich ein Rechtsmittelverfahren beim Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängig.
1.7. Mit Erkenntnis des BVwG, GZ.: I403 2232089-1/2E, vom 02.07.2020, wurde der BF aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt.
1.8. Der BF reiste am XXXX .2020 freiwillig aus dem österreichischen Staatsgebiet aus und kehrte umgehend ins Bundesgebiet zurück.
1.9. Der BF ist nicht selbsterhaltungsfähig und kann nicht festgestellt werden, dass er nur vorübergehend arbeitsunfähig ist und eine Anstellung in Aussicht hat.
1.10. In Österreich leben die Mutter und der Bruder des BF, welche mittlerweile beide die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.
1.11. Der BF lebt mit seiner Mutter im gemeinsamen Haushalt und hält sich sein volljähriger Sohn, ein slowenischer Staatsbürger, mittlerweile ebenfalls in Österreich auf. Zu keinem seiner Angehörigen in Österreich besteht ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis.
1.12. Am 19.06.1980 wurde dem BF seitens der damaligen BPD XXXX zu Zahl XXXX ein unbefristeter Sichtvermerk ausgestellt. Darüberhinausgehend wurde dem BF bis dato kein weiterer Aufenthaltstitel erteilt.
1.13. Mit Bescheid der damaligen BPD XXXX zu Zahl XXXX , vom XXXX .1987, wurde gegen den BF aufgrund zweier zwischenzeitig aus dem Strafregister getilgter Verurteilungen ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, welches mit Bescheid der BPD XXXX zu Zahl XXXX , vom 08.04.1994 wieder aufgehoben wurde.
1.14. Mit – im Rechtmittelverfahren bestätigtem – Bescheid der BPD XXXX zu Zahl XXXX , vom 27.11.1995, wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.
1.15. Mit – im Rechtmittelverfahren bestätigtem – Bescheid der BPD XXXX zur Zahl XXXX , vom 30.10.1997, wurde aufgrund dreier weiterer, zwischenzeitlich aus dem Strafregister getilgter Verurteilungen des BF abermals gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, welches bis zum Beitritt Kroatiens zur EU am 01.07.2013 in Rechtskraft stand. Am XXXX .1997 wurde der BF nach Kroatien abgeschoben, jedoch kehrte der BF dem aufrechten Aufenthaltsverbot zuwider erneut ins Bundesgebiet zurück, wo er auch betreten wurde.
1.16. Im Herkunftsstaat halten sich nach wie vor Verwandte des BF auf und konnten keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer tiefgreifenden Integration in Österreich festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Insofern Feststellungen zur erstmaligen Einreise des BF nach Österreich, zu Schulbesuch im Bundesgebiet, Abschluss einer Lehre zum Kellner, Erwerbstätigkeiten, zum Arbeitsunfall, Aufenthalt in Kroatien vor dem 02.08.2016, Nichtfeststellbarkeit einer dauerhaften oder weiterführenden medizinischen Behandlung, erfolgloser damaliger Antragstellung auf Zuspruch einer Invaliditätspension, dauerhafter Erwerbsunfähigkeit, Staatsbürgerschaft der Mutter und des Bruders, Aufenthalt des erwachsenen Sohnes in Österreich, Fehlen eines Abhängigkeitsverhältnisses zu den Angehörigen in Österreich, erteiltem unbefristetem Sichtvermerk, den gegen den BF seinerzeit erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen, Abschiebung und unrechtmäßigen Rückkehr des BF ins Bundesgebiet getroffen wurden, beruhen diese auf den Ausführungen und Feststellungen im oben zitierten Erkenntnis des BVwG vom 02.07.2020. Ein davon abweichender Sachverhalt wurde vom BF weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde substantiiert vorgebracht.
Insofern der BF in der gegenständlichen Beschwerde vorbringt, von seinen Angehörigen unterstützt zu werden und gleichzeitig ein Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Angehörigen behauptet, ist dem zu entgegnen, dass diesem Argument nicht gefolgt werden kann. Vielmehr bezieht der BF Sozialhilfeleistungen, welche darauf ausgelegt, sind den Unterhalt des jeweiligen Beziehers hinreichend zu sichern. Ferner gab der BF in dem – dem gegenständlichen Verfahren – vorangegangenen Fremdenrechtsverfahren durch seinen RV an, sein Unterhalt sei durch die von ihm bezogenen Mindestsicherungsleistungen gedeckt (siehe AS 474: Schriftsatz des RV des BF vom 30.04.2020). Vor diesem Hintergrund kann sohin nicht festgestellt werden, dass der BF in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zu seinen Angehörigen stünde oder von diesen finanziell unterstützt werde bzw. Unterhaltsleistungen erhält.
Darüber hinaus finden sich im Akt Ausfertigungen der oben zitierten fremdenrechtlichen Bescheide sowie Zeugnisse und Bestätigungsschreiben, welche die wiederholten fremdenrechtlichen Maßnahmen gegen den BF und dessen Schulbesuch in Österreich belegen. Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zahl VGW-141/V/002/9797/2018-10, vom 29.01.2019, ergibt sich zudem, dass dem BF aufgrund eines im Jänner 2017 erlittenen Arbeitsunfalles, in dessen Rahmen er sich einen Hüftbruch zuzog, von XXXX .2017 bis XXXX .2019 Mindestsicherung zuerkannt wurde, nachdem sein Antrag auf Gewährung von Invaliditätspension abgelehnt worden sei. Aus dem Inhalt des aktuellen, auf den Namen des BF lautenden Sozialversicherungsauszuges wiederum ist ersichtlich, dass der BF nach wie vor seit XXXX .2019 mit einer einzigen Unterbrechung von XXXX .2020 bis XXXX .2020 Mindestsicherungsleistungen bezieht.
Dass der BF einer weiterführenden oder dauerhaften medizinischen Behandlung bedarf, wurde von diesem weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde behauptet. Zudem konnte eine Behandlungsbedürftigkeit des BF auch im oben zitierten Erkenntnis des BVwG nicht festgestellt werden.
Der Bezug von Sozialleistungen sowie die Erwerbstätigkeiten des BF ergeben sich aus seinem Sozialversicherungsauszug und beruht die Anhängigkeit eines Invaliditätspensionsantragsverfahrens auf dem in Vorlage gebrachten Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts XXXX , Zahl XXXX , vom XXXX .2021 (siehe AS 597).
Der Umstand fehlender Selbsterhaltungsfähigkeit des BF ergibt sich aus dessen Erwerblosigkeit wie dem Bezug von Sozialhilfeleistungen. Darüber hinaus hat der BF in der gegenständlichen Beschwerde eingestanden, aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes und fortgeschrittenen Alters keine Aussicht auf eine Einstellung zu haben. So gab er auch an, aufgrund seines damaligen Arbeitsunfalles nicht nur vorübergehend, sondern – unter Berücksichtigung seines Alters – sogar dauerhaft erwerbsunfähig zu sein.
Die durchgehende Meldung des BF in Österreich sowie die gemeinsame Haushaltsführung mit seiner Mutter beruhen auf einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister der Republik Österreich und konnte durch Nachschau im Zentralen Fremdenregister ermittelt werden, dass der BF am 18.08.2016 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gestellt hat, ihm das gewünschte Dokument jedoch bis dato nicht ausgestellt worden ist.
Die sonstigen oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde:
3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jeder der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 8 leg cit. als EWR-Bürger, ein Fremder der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.
Der BF ist auf Grund seiner kroatischen Staatsbürgerschaft EWR-Bürger gemäß § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.
3.1.2. Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG idgF lautet:
"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."
Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 NAG lautet:
"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;
2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder
3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.
(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er
1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;
2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;
3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder
4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.
(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen.
Der mit „Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern“ betitelte § 52 NAG lautet:
§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1. Ehegatte oder eingetragener Partner sind;
2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder
5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,
a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,
b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.
(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.
Der mit "Anmeldebescheinigung" betitelte § 53 NAG lautet:
§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;
2. nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;
3. nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;
4. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
5. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;
6. nach § 52 Abs. 1 Z 4: ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger;
7. nach § 52 Abs. 1 Z 5: ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen."
Der mit „Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern“ betitelte § 53a NAG lautet:
„§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.
(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von
1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;
2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder
3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.
(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie
1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;
2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder
3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;
Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.
(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.
(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn
1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;
2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder
3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat.“
Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:
"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG idgF lautet wie folgt:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG wird eine Ausweisung gegenstandslos, wenn der EWR-Bürger seiner Ausreiseverpflichtung nachgekommen ist.
"Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessem Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind." (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049)
Bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt (Hinweis E vom 28. April 2014, Ra 2014/18/0146-0149, mwN). Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (Hinweis E vom 22. Juli 2011, 2009/22/0183). (vgl. VwGH 07.09.2016, Ra 2016/19/0168)
Der Begriff "Privatleben" iSd Art 8 MRK folgt einem breiten Konzept, das keiner vollständigen Definition zugänglich ist. Es umfasst die körperliche und seelische Integrität einer Person (EGMR vom 26. März 1985, X und Y, Nr 8978/80, Tz 22; EGMR vom 20. März 2007, Tysiac, Nr 5410/03, Tz 107). Es kann in manchen Fällen auch Gesichtspunkte der körperlichen und gesellschaftlichen Identität des Einzelnen miteinbeziehen (EGMR vom 7. Februar 2002, Mikulic, Nr 53.176/99, Tz 53). Art 8 MRK schützt auch das Recht auf persönliche Entwicklung sowie das Recht zur Begründung und Entwicklung von Beziehungen zu anderen Menschen und zur Außenwelt ohne Eingriffe von außen (EGMR vom 16. Dezember 1992, Niemietz, Nr 13.710/88, Tz 29; EGMR vom 24. Februar 1998, Botta, Nr 21.439/93, Tz 32). (vgl. VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0066)
3.1.3. Der BF hält sich nunmehr – abgesehen von einem kurzen Aufenthalt außerhalb Österreichs aufgrund seiner ausweisungsbedingten freiwilligen Ausreise am XXXX .2020, womit die vorangegangene Ausweisungsentscheidung gemäß § 66 Abs. 1 FPG gegenstandslos wurde – seit dem XXXX .2016 beinahe durchgehend im Bundesgebiet auf, wobei er zuletzt vom 09.12.2016 bis zum 08.01.2017 einer Erwerbstätigkeit als Arbeiter nachging. Am XXXX .2017 erlitt er infolge eines Arbeitsunfalles einen Beckenbruch und bezieht nunmehr seit XXXX .2019 die bedarfsorientierte Mindestsicherung.
Wie sich aus den Feststellungen und der Beweiswürdigung ergibt, ist der BF zum Entscheidungszeitpunkt in Österreich weder Arbeitnehmer oder Selbstständiger (§ 51 Abs. 1 Z 1 NAG), noch ist der Hauptzweck seines Aufenthaltes eine Ausbildung iSd § 51 Abs. 1 Z 3 NAG.
Gemäß § 51 Abs. 2 Z 1 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 einem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist. Wie oben dargelegt, ist aufgrund des erhobenen Sachverhaltes fallgegenständlich jedoch davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeit des BF nicht nur eine vorübergehende ist, was auch vom BF letztlich so behauptet wurde. In der Beschwerde wurde zudem dargelegt, dass der BF selbst nicht von einer zukünftigen Arbeitsaufnahme ausgeht, vielmehr verweist er nur darauf, dass er im November 2021 seine Alterspension antreten könne. In jedem Fall vermochte der BF vor dem Hintergrund des § 66 Abs. 1 FPG nicht den Nachweis zu erbringen, dass er ernsthaft auf der Suche nach einer Arbeit sei, geschweige denn eine begründete Aussicht habe, tatsächlich eingestellt zu werden.
Im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG ist zu beurteilen, ob der Unionsbürger für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und ein umfassender Krankenversicherungsschutz besteht, sodass während des Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedsstaats in Anspruch genommen werden müssen. Für das Vorliegen ausreichender Existenzmittel genügt, wenn dem Unionsbürger die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen; hingegen stellt die Bestimmung keine Anforderungen an die Herkunft der Mittel, sodass diese auch von einem Drittstaatsangehörigen - etwa dem Elternteil des betroffenen Unionsbürgers - stammen können (vgl. VwGH vom 12.12.2017, Ra 2015/22/0149, mit Verweis auf EuGH vom 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02; EuGH vom 16.07.2015, Singh u., C-218/14).
Bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie - in Österreich umgesetzt durch § 51 Abs. 1 Z 2 NAG - in Anspruch nehmen zu können, ist eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen, was notwendigerweise impliziert, dass die Beantragung von Sozialleistungen und allenfalls ein Bezug derselben nicht schon per se bedeutet, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorliegen (vgl. VwGH vom 21.12.2017, Ra 2017/21/0132, mit Verweis auf EuGH vom 11.11.2014, Dano, C-333/13; EuGH vom 19.09.2013, Brey, C-140/12).
Gegenständlich ist jedoch im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen, dass der BF über erspartes Vermögen verfügt oder von seiner mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Mutter finanziell derart unterstützt wird, dass seine Existenz dadurch gesichert wäre. Hingegen steht fest, dass er die bedarfsorientierte Mindestsicherung bezieht. Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes konnte er sohin nicht nachweisen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG vorliegen.
Auch kann der BF von seinem in Österreich lebenden Sohn slowenischer Staatsangehörigkeit kein Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern iSd § 52 NAG ableiten, weil gemäß Abs. 1 Z 3 leg. cit. Verwandten eines EWR-Bürgers in gerader aufsteigender Linie lediglich dann ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, „sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird“. Wie dargelegt, bestreitet der BF seinen Lebensunterhalt jedoch über die bedarfsorientierte Mindestsicherung und wurde auch zu keinem Zeitpunkt substantiiert vorgebracht, dass sein in Österreich lebender Sohn ihm tatsächlichen Unterhalt gewähren würde.
Zum Entscheidungszeitpunkt liegen hinsichtlich des BF somit weder die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate iSd § 51 NAG noch für ein solches für Angehörige von EWR-Bürgern iSd § 52 NAG vor und fehlt es damit weiters auch am Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG.
Auch hat der BF mangels eines über fünf Jahre rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet kein Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a Abs. 1 NAG erworben.
Gemäß § 53a Abs. 3 Z 1 NAG erwerben EWR-Bürger, die in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind, zudem abweichend von § 53a Abs. 1 leg cit. vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben.
Im gegenständlichen Fall ist jedoch – wie bereits mit oben zitiertem Erkenntnis des BVwG vom 02.07.2020 entschieden wurde – auch die Voraussetzung nach § 53a Abs. 3 Z. 1 NAG nicht erfüllt, hat der BF doch zum Entscheidungszeitpunkt sein Regelpensionsalter noch gar nicht erreicht und seine Erwerbstätigkeit auch nicht im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beendet.
Nach § 53a Abs. 3 Z 2 NAG erwerben EWR-Bürger, die in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind, darüber hinaus abweichend von § 53a Abs. 1 leg. cit. vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht. Angesichts des Umstandes, dass sich der BF zum Zeitpunkt seines Arbeitsunfalles im Jänner 2017 erst seit etwa fünf Monaten im Bundesgebiet aufgehalten hat und er zum Entscheidungszeitpunkt auch keinen Pensionsanspruch in Österreich hat (ein diesbezügliches Verfahren ist noch anhängig), kommt ihm auch kein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 53a Abs. 3 Z 2 NAG im Bundesgebiet zu.
In Ermangelung des Bestehens eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes liegen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen einer Ausweisung des BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG in Verbindung mit § 55 Abs. 3 NAG somit dem Grunde nach zu vor.
Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist eine gewichtende Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung der besagten persönlichen Interessen ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (VwGH 15.12.2011, 2010/18/0248).
Gemäß § 66 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt, wenn ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden soll, insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
Es wird seitens des BVwG nicht verkannt, dass der BF bereits im Kindesalter erstmalig nach Österreich gekommen ist, hier eine Schul- und sonstige Ausbildung absolviert und sich für einen nicht unerheblichen Teil seines Lebens im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dennoch ist insbesondere im Hinblick auf die letzten beiden Jahrzehnte festzuhalten, dass er – vor seiner gegenständlichen Wiedereinreise im August 2016 – zuletzt im Jahr 2000 einer (illegalen, weil einem aufrechten Aufenthaltsverbot entgegenstehenden) Erwerbstätigkeit in Österreich nachging und lediglich für etwa zwei Monate im Jahr 2008 aufrecht im Bundesgebiet gemeldet war, wobei er sich auch hier nicht rechtmäßig und entgegen des zu diesem Zeitpunkt noch aufrechten Aufenthaltsverbotes in Österreich befand. Es ist davon auszugehen, dass sich der BF den weit überwiegenden Zeitraum zwischen Juli 2000 und August 2016 im Ausland aufhielt, wobei er selbst im Rahmen seiner schriftlichen Stellungnahme an die belangte Behörde vom 27.12.2017 (siehe AS 456) angab, vor seiner Einreise am 01.08.2016 in seinem Herkunftsstaat Kroatien gelebt zu haben.
Unstrittig verfügt der BF über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. So halten sich sowohl seine Mutter und sein Bruder – beide mittlerweile österreichische Staatsangehörige – als auch sein nunmehr volljähriger Sohn, ein slowenischer Staatsangehöriger, in Österreich auf. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass zwischen dem BF und einem seiner Angehörigen in Österreich ein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis besteht.
Ergänzend ist im Hinblick auf die familiären Anknüpfungspunkte des BF in Österreich zu betonen, dass ihm ein Kontakt bzw. eine Rückkehr in das Bundesgebiet auch nicht dauerhaft verunmöglicht wird, zumal gegen ihn auch kein Aufenthaltsverbot iSd § 67 FPG verhängt wurde.
Wie dargelegt, ist der BF nicht am österreichischen Arbeitsmarkt integriert und ist in seinem Fall auch nicht von einer bloß vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Auch kommt ihm zum Entscheidungszeitpunkt kein Pensionsanspruch in Österreich zu, sondern bezieht der BF nach wie vor Sozialleistungen, welche er auch in seinem Herkunftsstaat Kroatien beziehen könnte (vgl. https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1104&langId=de; Zugriff am 08.04.2021). Im Hinblick auf seinen erlittenen Beckenbruch – welcher nunmehr etwa vier Jahre zurückliegt – wurde keinerlei weiterführende medizinische Behandlungsbedürftigkeit geltend gemacht und wäre eine solche in einem EU-Land wie Kroatien ebenfalls sichergestellt.
Wenngleich das BVwG nicht verkennt, dass die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich mittlerweile Jahrzehnte zurückliegen und aus dem Strafregister getilgt sind (seine letzte aktenkundige Verurteilung erfolgte im November 1996), sodass ihm diese auch nicht mehr vorgehalten werden können, so hat er darüber hinaus - bis zuletzt - gegen eine Vielzahl an fremden-, unions- sowie verwaltungsrechtlichen Bestimmungen verstoßen und damit seine Gleichgültigkeit gegenüber der österreichischen Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht. Wiederholt reiste er illegal, trotz Bestehens eines aufrechten Aufenthaltsverbotes, in das Bundesgebiet ein. Zudem hält sich der BF seit 01.08.2016 durchgehend unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, wurde er mit oben zitierten Erkenntnis des BVwG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und kehrte er kurz nach seiner freiwilligen Ausreise am XXXX .2020 erneut ins Bundesgebiet zurück, ohne die für einen längeren Aufenthalt in Österreich vorgeschriebenen unionsrechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen ein.
Bei einer gewichtenden Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einer Ausreise des BF mit seinen gegenläufigen privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet hat sich bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber jenem am Verbleib des BF im Bundesgebiet ergeben, sodass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.
3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Nachdem der BF seit seiner letzten Einreise in das Bundesgebiet im August 2016 bzw. nach dem 24.07.2020 strafrechtlich unbescholten blieb und sein strafgesetzwidriges Fehlverhalten in Österreich viele Jahre zurückliegt, war – wenngleich er neuerlich gegen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen verstoßen hat – fallgegenständlich keine derartige Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit erkennbar, die seine sofortige Ausreise erfordert hätte. Ihm war daher ein Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat zu gewähren.
Insofern war die Beschwerde auch in diesem Umfang abzuweisen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.
Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Ausweisung Erwerbstätigkeit Interessenabwägung öffentliche Interessen private Interessen Unbescholtenheit Unionsbürger UnionsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G307.2232089.2.00Im RIS seit
16.06.2021Zuletzt aktualisiert am
16.06.2021