TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/16 W200 2239027-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.04.2021
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Entscheidungsdatum

16.04.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
BBG §47
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W200 2239027-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 15.01.2021, OB: 41410179600106, mit welchem der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei ist im Besitz eines (befristeten) Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH und stellte unter Vorlage von medizinischen Unterlagen am 17.10.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

In weiterer Folge übermittelte der Beschwerdeführer weitere medizinische Befunde an das Sozialministeriumservice.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 30.01.2020, basierend auf einer Begutachtung am 16.01.2020, ergab Folgendes:

„Anamnese:

Es liegt ein Vorgutachten von Dr. XXXX (09/2018), in welchem ein GdB von 50 v. H. bei rez. depressiver Störung, generalisierte Angststörung und Spannungskopfschmerzen bestätigt wird, vor.

Aktuelle Begutachtung erfolgt aufgrund von Stellung eines Antrages auf Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel‘.

Der Antragsteller berichtet ab dem Kindesalter an Zählzwängen bzw. Ordnungszwängen gelitten zu haben. Mittlerweile hätten sich die Zähl- und Ordnungszwänge zurückgebildet, weiter bestehend seien jedoch „Grübelzwänge“. Ca. 2014 stationär-psychiatrischer Reha Aufenthalt in Gars am Kamp. Zu erstmaliger depressiver Symptomatik mit nachfolgender Aufnahme einer FÄ-psychiatrischen sowie psychotherapeutischen Behandlung sei es 2009 im Rahmen eines laufenden Publizistikstudiums gekommen. Seither bestünden rez. depressive Phasen sowie eine chronifizierter Zustand der Erschöpfung/ der verminderten Belastbarkeit. 2015 sei es zu einem stationär-psychiatrischen Aufenthalt am OWS mit nachfolgender 3-monatiger Behandlung an der psychiatrischen Tagesklinik des OWS gekommen. 2018 am Landeskrankenhaus Graz, bei therapierefraktärem Zustandsbild, EKT Behandlung. Im Frühjahr 2019 an der Univ. Klinik Psychiatrie/PT Medizin Therapieversuch mit Ketaminkapseln oral, was jedoch ebenfalls nicht zu einer anhaltenden Besserung des Zustandsbildes geführt habe. Auch off-label Therapieversuche mit Elvanse aufgrund von Nebenwirkungen im Sinne einer Verstärkung der Zwangssymptomatik gescheitert. Derzeit laufende ambulante FÄ-psychiatrische Behandlung bei Dr. XXXX .

Derzeitige Beschwerden:

Der Antragsteller berichtet über ein chronifiziertes Gefühl der Erschöpfung mit Gefühlen der Ausgelaugtheit und der verminderten Belastbarkeit. Rez. komme es auch zu Stimmungseinbrüchen, welche sich derzeit jedoch eher stabilisiert hätten. Zusätzlich berichtet der Antragsteller über Grübelneigung bzw. Grübelzwänge, mit welchen er ca. 80% des Tages beschäftigt sei und welche sich inhaltlich um die berufliche, private, gesundheitliche etc. Zukunft drehen würden.

Aufgrund von rez. Gefühlen der Reizüberflutung in Menschenmengen meide der Antragsteller Einkaufszentren und auch sonstige Menschenansammlungen. Panikattacken oder ausgeprägte Angstzustände würden jedoch in den genannten Situationen nicht auftreten. In der Regel meide der Antragsteller auch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Aufgrund geänderter Lebensumstände bzw. kaputtem KFZ habe der Antragsteller im vergangenen Sommer über 2 Monate hinweg die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen müssen. In diesem Zusammenhang habe er bemerkt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sein inneres Anspannungsniveau sowie seine Grübelneigung deutlich verstärken würde. Wenn er die öffentlichen Verkehrsmittel für den Weg in die Arbeit nutze, komme er ‚bereits morgens erschöpft in der Arbeit an‘.

Befragt nach der, in den eingereichten Befunden dargelegten Diagnose einer Narkolepsie gibt der Antragsteller an, dass sich die Diagnose im Rahmen weiterer Untersuchungen, u.a. an der Schlafambulanz der Psychiatrie des AKH Wien nicht bestätigt habe und auch keine relevante klinische Symptomatik im Sinne von plötzlichen Einschlafattacken oder Muskeltonusverlust bestehen würden. Auch eine in der Vergangenheit gestellte Diagnose einer ADHS, habe sich bei einer ausführlichen Testung nicht bestätigen lassen. Weiters: Angst vor Bewertung durch andere, sozialer Rückzug aufgrund von verminderter Belastbarkeit.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Regelmäßige FÄ-psychiatrische Kontrollen bei Dr. XXXX .

Psychiatrische Med. laut Befundbericht Dr. XXXX (05.11.2019): Venlafaxin 150mg 1-0-0-0, Ketamin Kapseln 40mg bei Bedarf 1-2 Stück bis 5x monatlich, Elvanse 30mg bei Bedarf bei Müdigkeit ca. 2x pro Monat,

Anamnestisch: Wellbutrin 150mg 1-0-0-0 eingenommen.

Regelmäßige psychotherapeutische Behandlung.

Sozialanamnese:

Abgeschlossenes Studium der Publizistik sowie abgeschlossene Ausbildung zum Sozialarbeiter. Seit Okt. 2019 Teilzeit (20h pro Woche) als Sozialpädagoge beim PSD für Jugendliche angestellt. Zuvor für 1 Jahr freier Mitarbeiter beim Verein Tender (geringfügig). Davor mehrere Arbeitsplatzwechsel aufgrund von verminderter psychischer Stabilität.

In Partnerschaft lebend. Sozial zurückgezogen.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Stationärer Patientenbrief Univ. Klinik Psychiatrie/PT Medizin AKH Wien (07.06.2019):

Stationäre Behandlung vom 09.05.2019 bis 07.06.2019.

D: Narkolepsie, rez. depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode.

Med: Concerta 36mg 1-0-0-0, Candeblo 8mg 1-0-0-0, Bezalib 400mg 1-0-0-0, Concor 5mg ½ -0-0-0, Efectin 150mg 1-0-0-0.

Bei dokumentiert therapeiresistentem depressivem Zustandsbild Heilversuch mit Ketamin Hydrochlorid oral. Bezüglich Narkolepsie Therapieversuch mit Modafinil. Unter Therapie mit Methylphenidat objektiv beobachtbare zunehmende Aktivität untertags.

Befundbericht Schlaflabor Barmherzige Brüder Wien (18.01.2019):

D: Narkolepsie, leichtgradiges obstruktives Schlafapnoe Syndrom

FÄ-psychiatrischer Befundbericht Dr. XXXX (05.11.2019):

Seit über 5 Jahren in regelmäßiger Fä- und psychotherapeutischer Behandlung. Es besteht ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten im Rahmen der sozialen Phobie, welches letztendlich zur sozialen Isolation führt. Sowohl medikamentös (SSRI,SNRI, Pregabalin, Benzodiazepine) als auch psychotherapeutisch konnte bisher keine Symptomkontrolle erreicht werden.

D: Soziale Phobien, rez. Depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, Narkolepsie ohne Kataplexie, ADHS.

Untersuchungsbefund:

(…) Status Psychicus: Wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert. Konzentration, Auffassung und Mnestik grobklinisch unauffällig. Duktus kohärent und zum Ziel führend bei unauffälligem Tempo. Keine produktiv-psychotische Symptomatik oder formale Denkstörung explorierbar. Affekt unauffällig. Stimmungslage subdepressiv bei derzeit ausgeglichener Befindlichkeit. Gefühle der Reizüberflutung in Menschenmengen. Soziale Ängste. Negatives Gedankenkreisen und Grübelzwänge, Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen erhalten. Verminderte Belastbarkeit. Antrieb reduziert. Chronische Gefühle der Energielosigkeit. Keine akute Suizidalität. Keine akute Selbst– oder Fremdgefährdung fassbar.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Rezidivierende depressive Störung, Angststörung

(…) Nachuntersuchung 09/2021 – weil GdB ist analog zum Gutachten von Dr. XXXX (09/2018) zu überprüfen. (…)

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine, da Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angst vor Kontrollverlust nicht führende Bestandteile des psychischen Leidens darstellen bzw. klinisch kein Ausmaß erreichen, welches die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bedingt. Orientierung und Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum sind gegeben.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Keine bekannt.

Gutachterliche Stellungnahme: Keine, da Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angst vor Kontrollverlust nicht führende Bestandteile des psychischen Leidens darstellen bzw. klinisch kein Ausmaß erreichen, welches die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bedingt. Orientierung und Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum sind gegeben.“

Im vom Sozialministeriumservice gewährten Parteiengehör führte der Beschwerdeführer aus, dass neben einer ausgeprägten Sozialphobie (Agoraphobie) außerdem eine Immunschwäche bestehe. Das eingeholte Gutachten sei für seine behandelnde Fachärztin und ihn nicht nachvollziehbar. Überdies beinhalte auch die fachärztliche Stellungnahme seiner Ärztin im Anhang die erwähnten Punkte (soziale Phobien, Therapieresistenz, Leidensdruck, etc.). Ohne die in Zusammenhang mit der Zusatzeintragung stehenden Förderungen könne er sich kein privates Auto mehr leisten, obwohl er es für seinen Arbeitsweg dringend benötige. Dies könnte zu einem Arbeitsplatzverlust führen. Aufgrund seiner Erkrankungen sei ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar. Er übermittelte weitere medizinische Unterlagen.

Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers holte das Sozialministeriumservice eine Stellungnahme der bereits zuvor beauftragten Sachverständigen vom 05.03.2020 ein, die Folgendes ergab:

„Der Antragssteller führt in seiner Beschwerde zum Parteiengehör an, dass seine Beschwerden im Rahmen der Sozialphobie (Agoraphobie) im Gutachten nicht ausreichend bzw. nur simplifiziert gewürdigt worden wären. Zusätzlich führt der Antragssteller eine Immunschwäche an und reicht diesbezüglich Laborbefunde sowie ein Rezept für Privigen nach. Bezüglich der psychischen Erkrankungen wurden keine neuen Befunde eingereicht.

Bezüglich der vom Antragssteller geschilderten Angstsymptomatik (erhöhtes Anspannungsniveau, soziale Isolation, Verstärkung der Grübelneigung, Reizüberflutung), welche im Gutachten bereits angeführt und berücksichtigt sind, möchte ich darauf verweisen, dass bei Herrn XXXX ein polymorphes Zustandsbild mit depressiven, anankastischen und ängstlichen Teilkomponenten besteht, wobei jedoch sowohl klinisch im Rahmen der ho. Begutachtung als auch in Zusammenschau der vorgelegten Befunde eine rezidivierende depressive Störung als Hauptdiagnose vorliegt. Die Diagnose Sozialphobie ist weder im Vorgutachten (Dr.in XXXX , 9/2018) noch im stationären Patientenbrief der Universitätsklinik für Psychiatrie AKH Wien (06/2019) erwähnt. Der einzige mir vorliegende Befundbericht, in welchem die Diagnose einer Sozialen Phobie gestellt wurde, ist der Befundbericht von Dr. XXXX (11/2019). In diesem Befundbericht wird jedoch auch die Diagnose einer Narkolepsie ohne Kataplexie sowie die Diagnose einer ADHS angeführt, obwohl sich beide Diagnosen, lt. Antragssteller, in einer weiterführenden Diagnostik nicht bestätigt hätten. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf verweisen, dass sich die gutachterliche Beurteilung auf die Zusammenschau der vorgelegten Befunde sowie auf das klinische Zustandsbild des Antragsstellers und nicht auf die Vorlage von Einzelbefunden stützt.

Die Begutachtungsrichtlinie ‚Psychiatrische Erkrankungen und Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel‘ gibt vor, dass die Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel‘ bei Soziophobie nur erfolgen kann, wenn Soziophobie als Hauptdiagnose bzw. Hauptdiagnoseäquivalent vorliegt. Dies ist bei Herrn XXXX , basierend auf dem ho. klinischen Status sowie der Zusammenschau der vorgelegten Befunde, nicht der Fall. Auch von der klinischen Ausprägung der Angstsymptomatik her ist festzuhalten, dass, bezüglich der soziophoben Krankheitskomponente, derzeit nur mäßige Symptomausprägung besteht (Nutzung der Öffentlichen Verkehrsmittel ist grundsätzlich möglich, wäre aber lt. Antragssteller mit Verstärkung der Grübelneigung, erhöhtem inneren Anspannungsniveau und erhöhter Erschöpfung verbunden), höhergradige Symptomausprägung (Panikattacken, psychovegetative Entgleisung etc.) liegt nicht vor.

Es kann daher, analog zu meinem GA vom 1/2020, aus dem Fachgebiet der Psychiatrie keine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel bestätigt werden.“

Überdies holte das Sozialministeriumservice ein Gutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 29.07.2020, basierend auf einer Untersuchung am 01.07.2020, ein. Dieses ergab Folgendes:

„Anamnese:

Gutachten vom 4.9.2018: GdB 50vH wegen depressiver Störung

Gutachten vom 16.1.2020: Abweisung der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel‘

Stellungnahme vom 5.2.2020: zusätzlich Immunschwäche, braucht das Auto für den Arbeitsweg

Derzeitige Beschwerden:

‚Seit 2018 Privigen kontinuierlich mit Pausen (2-3 Monate Pause), 2015 gehäufte Infekte, sind unter Therapie zurückgegangenen, zu 30-40% gebessert. Jetzt wird vermutet, dass die Dosis zu gering war. Habe nun eine höhere Dosierung, ob es sich bessern wird, ist noch in Erprobung. Die öffentlichen Verkehrsmittel kann ich nicht benutzen, weil ich psychisch als auch körperlich erschöpft bin. Wenn ich öffentlich fahre, bin erschöpft, wenn ich in der Arbeit ankomme.‘ Letzte Krankenhausaufenthalte: Sommer 2019 ‚wegen der Psyche‘, dann Magen Bypass OP, 01/2020: Ileosacralschmerzen. Keine Antibiotikagabe, da Symptome einem grippalen Infekt entsprechen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Venlafaxin, Concor, Pantoprazol, Multivitamin, Calciduran

Sozialanamnese: in einer Partnerschaft, 20 Stunden PSD

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

soweit das Fachgebiet Innere Medizin betreffend:

Labor vom 19.3.2018: Zuweisung: Immunschwäche: IgG leicht vermindert, dikrete IgM Defizienz

Labor vom 18.12.2019: IgG und IgM leicht vermindert

Privigen Rezept vom 27.1.2020

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: normal

Größe: 168,00 cm Gewicht: 70,00 kg Blutdruck: 120/80

Klinischer Status – Fachstatus:

HNAP frei

Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel

Thorax: Tätowierungen, symmetrisch Pulmo: VA, SKS

Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent

Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft

UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel

Faustschluss: möglich, NSG: möglich, FBA: möglich ZFS: möglich

Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen

Gesamtmobilität – Gangbild: unauffällig, keine Hilfsmittel

Status Psychicus: allseits orientiert, Ductus kohärent

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Depressive Störung

2

Immunglobulinmangel

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Erstmalige Berücksichtigung von Leiden 1

(…) Nachuntersuchung 09/2021 – weil Reevaluierung des GdB (…)

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Nein.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Keine.

Gutachterliche Stellungnahme: Das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert. Es besteht ein geringgradiger Immunglobulinmangel unter Therapie teilweise stabilisierbar. Eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems, einem Zustand nach aktueller Knochenmarkstransplantation entsprechend, liegt nicht vor. Den Befunden ist weder eine signifikant erhöhte Infektanfälligkeit zu entnehmen, noch gibt es einen Hinweis auf Infektionen mit Problemkeimen. Es liegt kein hochgradiges Immundefizit, welches die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel einschränkt, vor. Depression: Siehe auch psychiatrisches Gutachten.“

Im gewährten Parteiengehör hierzu führte der Beschwerdeführer aus, dass er die beiden Gutachten nicht nachvollziehen könne. Er übermittle hiermit zwei fachärztliche Stellungnahmen seiner behandelnden Fachärzte. Diese würden bestätigen, dass eine Sozialphobie als psychische Hauptdiagnose vorliege und diese therapierefraktär sei (Befund XXXX – in einer separaten Mail mit Betreff Befund XXXX ). Zudem bestätigten sie, dass eine Immundefizienz (Subklassendefizienz – Befund im Anhang) bestehe mit einer signifikant erhöhten Infektanfälligkeit und ihm daher von der Krankenkasse das Arzneimittel Privigen bewilligt worden sei, das ihm regelmäßig als Infusion verabreicht werde. Dieses Arzneimittel sei sehr teuer und werde nur bei signifikanten Immundefizienzen eingesetzt. Daher werde die Indikation von der Krankenkasse genau überprüft, was einen Beweis für die vorliegende Störung darstelle.

Das Sozialministeriumservice holte daraufhin ein Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 14.01.2021, basierend auf einer Untersuchung am 14.01.2021, ein. Dieses ergab Folgendes:

„Anamnese:

Neuerliche Begutachtung im Rahmen des Parteiengehörs. Es wurde ein Antrag auf Vornahme einer Zusatzeintragung gestellt. (…)

Letztbegutachtung 07/2020 mit Diagnosen: depressive Störung, Immunglobulinmangel. Abweisung der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln‘.

VGA 01/2020: Diagnose: rez. depressive Störung, Angststörung. Abweisung der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung von ÖVM.‘

VGA 09/2018 mit Zuerkennung eines GdB 50 v.H. wegen depressiver Störung.

Es wird ein bereits vorhandener Befund Dr. XXXX vom 5.11.2019 nochmals vorgelegt.

Neuvorlage eines Befundes von Dr. XXXX 06/2020.

Derzeitige Beschwerden:

‚Ich grüble sehr viel, bin müde und habe Kopfschmerzen. Ich habe eine eher gedrückte Stimmung. Ich habe die Zusatzeintragung beantragt, da ich nicht öffentlich fahren kann. Ich fahre nur mehr mit dem Auto. Als ich nach Wien gekommen bin, habe ich in der U-Bahn und Straßenbahn sehr viel geschwitzt. Ich schwitze generell schon mehr. Ich komme mit den Leuten, die fremd sind, nicht gut aus. Ich denke, die beobachten mich. In der Arbeit mit den Arbeitskollegen mache ich mir keine Gedanken. Nur bei Menschen in größeren Mengen. Ich war damals auch beim Urologen wegen vermehrtem Harndrang. Der Urologe hat gemeint, das ist eine Reizblase und ist psychisch bedingt. In den Stationen musste ich oft auf die Toilette gehen. Jetzt ist das beim Autofahren kein Thema mehr. Seit 7-8 Jahren fahre ich nur mehr mit dem Auto.‘

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Venlafaxin 75 mg 1-0-0

Psychotherapie 1x/Monat

Sozialanamnese: in Partnerschaft, keine Kinder, arbeitet in Teilzeit als Sozialpädagoge, bezieht auch Rehabgeld

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

DR. XXXX /FÄ für Psychiatrie 11/2019: Diagnosen: soziale Phobien, rez. depr. Störung, ggw. mittelgradige Episode, Hypertonie, OSAS, Narkolepsie ohne Kataplexie, ADHS

Dr. XXXX /FA für Neurologie 06/2020: Diagnosen: lgG2-Mangel mit Infektanfälligkeit. Bei Herrn XXXX besteht eine Infekthäufung, die zu einer im Alltag einschränkenden chronischen Erschöpfung geführt hat. In der Abklärung zeigte sich, diese Infekthäufung erklärend, ein Immundefekt im Sinne eines lgG2- Mangels. Die wissenschaftliche Literatur belegt, dass auch solche Immundefekte schwerwiegende Beeinträchtigungen hervorrufen können (siehe z.B. Janssen et al, Front Immunol 2018; 9:2384). Zur Therapie sollte zum Immunglobulin-Ausgleich ein Versuch mit i.v.-Immunglobulin in einer Dosis von 0,2-0,4g/kg Körpergewicht einmal monatlich gemacht werden, konkret also bei 30g/Monat, im ersten Monat auf zwei Gaben zu 15g im Abstand von 14 Tagen aufgeteilt. Ich würde Sie höflich bitten, das beigelegte Rezept zu bewilligen. Der Erfolg der Therapie wird im Verlauf kritisch beurteilt...

Mitgebrachter Befund:

Dr. XXXX /FÄ für Psychiatrie 11/2020: Diagnosen: soziale Phobien, rez. depr. Störung, vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelneigung. Derzeit Venlafaxin 75mg 1-0-0. Frühere Therapieversuche: Mocobemid, Anafranil, Floxyfral, Ketamin Kapseln b. Bed. (bereits stationär im AKH erhalten, gutes Ansprechen auf depressive Verstimmung), Elvanse (jedoch starke Nervosität), Wellbutrin, Methylphenidat, Modafinil, EKT 2018 in Graz ohne Wirkung, regelmäßige Psychotherapie.

bereits vorgelegte Befunde:

Stationärer Patientenbrief Univ. Klinik Psychiatrie/PT Medizin AKH Wien (07.06.2019): Stationäre Behandlung vom 09.05.2019 bis 07.06.2019. D: Narkolepsie, rez. depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode. Med: Concerta 36mg 1-0-0-0, Candeblo 8mg 1-0-0-0, Bezalib 400mg 1-0-0-0, Concor 5mg ½ -0-0-0, Efectin 150mg 1-0-0-0. Bei dokumentiert therapieresistentem depressivem Zustandsbild Heilversuch mit Ketamin Hydrochlorid oral. Bezüglich Narkolepsie Therapieversuch mit Modafinil. Unter Therapie mit Methylphenidat objektiv beobachtbare zunehmende Aktivität untertags.

Befundbericht Schlaflabor Barmherzige Brüder Wien (18.01.2019): D: Narkolepsie, leichtgradiges obstruktives Schlafapnoe Syndrom

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: 30-jähriger Antragsteller in gutem AZ, kommt alleine ohne Hilfsmittel zur Untersuchung.

Ernährungszustand: unauffällig

Größe: 169,00 cm Gewicht: 67,00 kg (…)

Klinischer Status – Fachstatus:

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, HWS frei beweglich, Sprache unauffällig

Himnerven: Pupillen rund, isocor bds., Lichtreaktion prompt und konsensuell, Lidspalten gleich weit, Bulbusmotilität in allen Ebenen frei und koordiniert, kein pathologischer Nystagmus, keine Doppelbilder, HN VII seitengleich innerviert, basale HN frei.

OE: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. VA: kein Absinken, Feinmotilität nicht beeinträchtigt, BSR, TSR, RPR seitengleich auslösbar, Knips bds. negativ, Eudiadochokinese bds., FNV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

UE: Trophik, Tonus und grobe Kraft stgl. unauffällig. PV: kein Absinken, PSR und ASR seitengleich auslösbar, Babinski bds. negativ, KHV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

Sensibilität: allseits intakt.

Gesamtmobilität – Gangbild: Gangbild unauffällig, Zehen- und Fersengang möglich

Status Psychicus: wach, zur Person, örtlich, zeitlich orientiert, Konzentration, Aufmerksamkeit unauffällig, Mnestik altersentsprechend unauffällig, Antrieb erhalten, Stimmung leicht gedrückt, Angabe von Unbehaglichkeitsgefühl in öffentlichen Verkehrsmitteln, Grübelneigung, Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben, Ductus kohärent und zielführend, keine produktive Symptomatik

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.

Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Rezidivierende depressive Störung

2

Immunglobulinmangel

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Keine Änderungen im Vergleich zu den VGA 01/2020 und 03/2020.

Zum Befundbericht Dr. XXXX vom 5.11.2019 wurde im psychiatrischen VGA 01/2020 sowie in der Stellungnahme vom 5.3.2020 (Dr.in XXXX ) ausführlich Stellung bezogen. Eine Sozialphobie imponiert auch in der heutigen Begutachtung nicht als führendes Symptom, auch ist die Ausprägung dieser - mit Unbehaglichkeitsgefühl in Menschenmengen sowie Schwitzen und vermehrter Harndrang - ist als mäßig zu betrachten. Manifeste Panikattacken wurden nicht berichtet. In erster Linie wurde und wird Herr XXXX hinsichtlich der rez. depressiven Störung behandelt.

Bezüglich des Immunglobulinmangels bestehen ausreichend Therapiemöglichkeiten (Gabe von Immunglobulinkonzentraten), sodass dieser ausgeglichen werden kann und ein anhaltende Immunschwäche nicht gegeben ist.

(…) Nachuntersuchung 09/2021 – weil NU 09/2021 zur Reevaluierung des GdB. (…)

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Dem Antragsteller ist es möglich, Wegstrecken von 300-400m zurückzulegen. Das sichere Besteigen und Transport sind gegeben. Haltegriffe können benützt werden. Der Antragsteller leidet unter einer rezidivierend depressiven Störung, wobei keine maßgeblichen Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten inklusive Orientierung vorliegt; eine selbständige und eigenverantwortliche Benützung von ÖVM ist möglich. Hinsichtlich des angegebenen Unbehaglichkeitsgefühls sowie Schwitzen und vermehrtem Harndrang in öffentlichen Verkehrsmitteln zeigen sich Therapieoptionen (zB verhaltenstherapuetische Ansätze, Optimierung der psychopharmakologischen Therapie, Entspannungsübungen etc.) unausgeschöpft. Eine therapieresistente Agora- bzw. Klaustrophobie liegt nicht vor. Die Ausprägung des sozialphobischen Verhaltens hinsichtlich der ÖVM ist als mäßig zu betrachten, ein Vermeidungsverhalten kann durch entsprechende Therapieansätze gebessert bzw. durchbrochen werden.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Es besteht ein geringgradiger Immunglobulinmangel, welcher sich unter Therapie stabilisierbar zeigt. Eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt nicht vor. (…)“

Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Sozialministeriumservice vom 15.01.2021 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten vom 14.01.2021 verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen fristgerecht Beschwerde, übermittelte jedoch keine neuen Unterlagen. Er führte im Wesentlichen an, dass seine Ärzte gegenteiliger Meinung im Vergleich zu den vom SMS beauftragten Ärzten seien. Er könne nicht nachvollziehen, wie eine Gutachterin, die ihn nur 15 Minuten untersucht hätte, eine andere Meinung vertreten könne als seine Ärzte bzw. völlig anders argumentieren könne. Über den Verlauf seiner Psychotherapie bzw. Medikamenteneinstellungen bezüglich seiner Sozialphobie sei nicht gesprochen worden, weshalb er nicht nachvollziehen könne, wie die Gutachterin feststellen habe können, dass die Therapieoptionen noch nicht ausgeschöpft seien. Er hätte auch bereits erwähnt, dass er sich vor der Bewertung und Abwertung durch fremde Personen in der Öffentlichkeit (auch in öffentlichen Verkehrsmitteln) fürchte und daher unter enormer Anspannung (quälende Grübeleien) stehe bzw. daher keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen könne. Dies sei im Gutachten nicht erwähnt worden. Der plötzlich auftretende starke Harndrang sei alles andere als „mäßig“ einzustufen und mache ihm gepaart mit den anderen Einschränkungen eine Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unmöglich. Das Vermeidungsverhalten bezüglich der Benützung sei manifestiert und seien bereits zahlreiche Therapiemaßnahmen erfolglos durchgeführt worden. Die einzige Möglichkeit, einer Teilzeitbeschäftigung in Hietzing nachzugehen, sei die Benützung seines Kfz. Schließlich legte der Beschwerdeführer seine Rechtsansicht dar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines (befristeten) Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.

1.2.    Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1.  Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput: HNAP frei, kein Meningismus, HWS frei beweglich, Sprache unauffällig.

Himnerven: Pupillen rund, isocor bds., Lichtreaktion prompt und konsensuell, Lidspalten gleich weit, Bulbusmotilität in allen Ebenen frei und koordiniert, kein pathologischer Nystagmus, keine Doppelbilder, HN VII seitengleich innerviert, basale HN frei.

Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS

Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent

Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft.

Obere Extremitäten: Trophik, Tonus und grobe Kraft seitengleich unauffällig. VA: kein Absinken, Feinmotilität nicht beeinträchtigt, BSR, TSR, RPR seitengleich auslösbar, Knips bds. negativ, Eudiadochokinese bds., FNV beidseits zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

Untere Extremitäten: Trophik, Tonus und grobe Kraft seitengleich unauffällig. PV: kein Absinken, PSR und ASR seitengleich auslösbar, Babinski bds. negativ, KHV bds. zielsicher, keine unwillkürlichen Bewegungen.

Sensibilität: allseits intakt.

Gesamtmobilität - Gangbild: Gangbild unauffällig, Zehen- und Fersengang möglich.

Status psychicus: wach, zur Person, örtlich, zeitlich orientiert. Konzentration und Aufmerksamkeit unauffällig, Mnestik altersentsprechend unauffällig, Antrieb erhalten, Stimmung leicht gedrückt. Angabe von Unbehaglichkeitsgefühl in öffentlichen Verkehrsmitteln, Grübelneigung. Affizierbarkeit in beiden Skalenbereichen gegeben, Ductus kohärent und zielführend, keine produktive Symptomatik.

Funktionseinschränkungen: Rezidivierende depressive Störung; Immunglobulinmangel.

1.2.2.  Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die körperliche Belastbarkeit ist ausreichend vorhanden. Es liegen auch keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vor. Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Zusammenwirken – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellten Funktionseinschränkungen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge. Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen.

Die Greif- und Haltefunktionen sind erhalten. Das Anhalten über Kopf ist möglich, das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist ebenfalls möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es besteht keine Klaustro- oder Soziophobie als Hauptdiagnose, insbesondere nicht in einem Ausmaß, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel maßgeblich behindert.

Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden. Bezüglich des Immunglobulinmangels bestehen ausreichend Therapiemöglichkeiten, die auch erfolgreich angewandt werden (Gabe von Immunglobulinkonzentraten). Eine anhaltende Immunschwäche ist nicht gegeben.

Die Leiden des Beschwerdeführers sind in Art und Ausprägung nicht geeignet, eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend zu begründen.

2.       Beweiswürdigung:

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein psychiatrisches Sachverständigengutachten vom 30.01.2020 eingeholt worden. Bereits im zitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die Fachärztin hielt nachvollziehbar fest, dass keine Einschränkungen bei der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels vorliegen, zumal die Klaustrophobie, Soziophobe und phobische Angst vor Kontrollverlust nicht führende Bestandteile des psychischen Leidens darstellen bzw. klinisch kein Ausmaß erreichen, das die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bedingt. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass die Orientierung und Gefahreneinschätzung im öffentlichen Raum gegeben sind.

Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers im Parteiengehör, wonach neben einer ausgeprägten Soziophobie auch eine Immunschwäche vorliege, holte das Sozialministeriumservice eine Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie vom 05.03.2020 sowie ein weiteres Gutachten, nämlich einer Fachärztin für Innere Medizin vom 29.07.2020 ein.

Auch in diesen Gutachten wurde kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die Leiden des Beschwerdeführers führen laut diesen Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung.

In ihrer Stellungnahme vom 05.03.2020 hält die Fachärztin für Psychiatrie nachvollziehbar fest, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte Angstsymptomatik bereits im von ihr verfassten Gutachten angeführt und berücksichtigt ist und ein polymorphes Zustandsbild mit depressiven, anankastischen und ängstlichen Teilkomponenten bestehe, wobei jedoch sowohl klinisch im Rahmen ho. Begutachtung als auch in Zusammenschau der vorgelegten Befunde eine rezidivierende depressive Störung als Hauptdiagnose vorliegt. Die Diagnose Sozialphobie ist weder im Vorgutachten (Dr.in XXXX , 9/2018) noch im stationären Patientenbrief der Universitätsklinik für Psychiatrie AKH Wien (06/2019) erwähnt. Die Gutachterin hält nachvollziehbar fest, dass der einzige vorliegende Befundbericht, in dem die Diagnose einer sozialen Phobie gestellt wurde, jener von Dr. XXXX (11/2019) ist. In diesem Befundbericht wird jedoch auch die Diagnose einer Narkolepsie ohne Kataplexie sowie die Diagnose einer ADHS angeführt, obwohl sich beide Diagnosen laut dem Beschwerdeführer in einer weiterführenden Diagnostik nicht bestätigt hätten. In diesem Zusammenhang verwies die Fachärztin für Psychiatrie in ihrem Gutachten darauf, dass sich die gutachterliche Beurteilung auf die Zusammenschau der vorgelegten Befunde sowie auf das klinische Zustandsbild des Beschwerdeführers und nicht auf die Vorlage von Einzelbefunden stützt. Nachvollziehbar führt sie aus, dass es sich beim Beschwerdeführer bei der Soziophobie nicht um die Hauptdiagnose bzw. ein Hauptdiagnoseäquivalent handelt. Auch von der klinischen Ausprägung der Angstsymptomatik her hält sie fest, dass bezüglich der soziophoben Krankheitskomponente derzeit nur mäßige Symptomausprägung besteht, auch wenn die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel laut Angaben des Beschwerdeführers mit Verstärkung der Grübelneigung, erhöhtem inneren Anspannungsniveau und erhöhter Erschöpfung verbunden sei. Eine höhergradige Symptomausprägung (Panikattacken, psychovegetative Entgleisung, etc.) liegt nicht vor.

Hinsichtlich des Immunglobulinmangels hielt wiederum die Fachärztin für Innere Medizin in ihrem Gutachten vom 29.07.2020 schlüssig fest, dass ein geringgradiger Immunglobulinmangel vorliegt, der unter Therapie teilweise stabilisierbar ist. Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, einem Zustand nach aktueller Knochenmarkstransplantation entsprechend, liegt jedoch nicht vor. Den Befunden ist weder eine signifikant erhöhte Infektanfälligkeit zu entnehmen, noch gibt es einen Hinweis auf Infektionen mit Problemkeimen. Es liegt kein hochgradiges Immundefizit vor, das die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel einschränken würde. Auch jene Fachärztin hielt fest, dass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei hierorts gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie freiem und unauffälligem Gangbild, durch die dokumentierten Leiden nicht erheblich erschwert ist.

Aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers im Parteiengehör zu diesen Gutachten samt übermittelten medizinischen Unterlagen holte das Sozialministeriumservice ein weiteres Gutachten, nämlich einer Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 14.01.2021 ein.

Auch in diesem Gutachten wurde von der nunmehr beauftragten Gutachterin festgehalten, dass auch unter Zugrundelegung der bisherigen Befunde (auch Dr. XXXX 11/2020) und des neu vorgelegten Befundes von Dr. XXXX 06/2020 keine gesundheitliche Änderung im Vergleich zu den Vorgutachten festgestellt werden konnte. Nachvollziehbar führte sie zum Befundbericht Dr. XXXX vom 05.11.2019 zunächst aus, dass bereits im psychiatrischen Vorgutachten 01/2020 sowie in der Stellungnahme vom 05.03.2020 (wie bereits dargelegt) ausführlich dazu Stellung bezogen wurde. Eine Soziophobie imponierte demnach aber auch in der Begutachtung der nunmehr beauftragten Gutachterin am 14.01.2021 nicht als führendes Symptom. Zudem ist auch die Ausprägung der Soziophobie – mit Unbehaglichkeitsgefühl in Menschenmengen sowie Schwitzen und vermehrtem Harndrang – als mäßig zu betrachten. Manifeste Panikattacken wurden vom Beschwerdeführer nicht berichtet. In erster Linie wurde und wird der Beschwerdeführer hinsichtlich der rezidivierenden depressiven Störung behandelt. Bezüglich des Immunglobulinmangels bestehen ausreichend Therapiemöglichkeiten (etwa Gabe von Immunglobulinkonzentraten), sodass dieser ausgeglichen werden kann und keine anhaltende Immunschwäche gegeben ist.

Es konnte somit keine gesundheitliche Änderung im Vergleich zu den Vorgutachten festgestellt werden. Hinsichtlich des angegebenen Unbehaglichkeitsgefühls sowie Schwitzens und vermehrten Harndrangs in öffentlichen Verkehrsmitteln zeigen sich unausgeschöpfte Therapieoptionen (z.B. verhaltenstherapeutische Ansätze, Optimierung der psychopharmakologischen Therapie, Entspannungsübungen, etc.). Eine therapieresistente Agora- bzw. Klaustrophobie liegen nicht vor. Die Ausprägung des soziophobischen Verhaltens hinsichtlich der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist als mäßig zu betrachten. Ein Vermeidungsverhalten kann durch entsprechende Therapieansätze gebessert bzw. durchbrochen werden.

Schlüssig führt die Gutachterin sodann noch aus, dass zwar ein geringgradiger Immunglobulinmangel vorliegt, der sich jedoch unter Therapie stabilisierbar zeigt. Eine schwere und anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt daher ebenfalls nicht vor.

Weder aus dem Vorgutachten noch aus den vorliegenden Befunden konnten daher eine Klaustrophobie, phobische Angst oder Soziophobie als Hauptdiagnose bestätigt werden, insbesondere nicht in einem Ausmaß, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel maßgeblich behindert. Die festgestellten Leiden sind in Art und Ausprägung nicht geeignet, eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend zu begründen. Es liegt demnach keine Abänderung im Vergleich zu den Vorgutachten vor.

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der Extremitäten vor. Niveauunterschiede können überwunden werden und das sichere Ein- und Aussteigen sind gewährleistet. Bei ausreichender Funktionsfähigkeit der Extremitäten ist das Festhalten beim Ein- und Aussteigen sowie die Möglichkeit, Haltegriffe zu erreichen und sich anzuhalten, ausreichend gegeben. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.

Es sind keine Behelfe erforderlich, die das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung unter Verwendung von Ausstiegshilfen und Haltegriffen in einem öffentlichen Verkehrsmittel wesentlich beeinträchtigen. Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es ist dem Beschwerdeführer dadurch zumutbar, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen.

Insgesamt liegt somit keine erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor.

Es liegen, wie bereits dargelegt, auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems. Eine Klaustrophobie, phobische Angst oder Soziophobie als Hauptdiagnose konnte von den Gutachtern nicht bestätigt werden, insbesondere nicht in einem Ausmaß, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel maßgeblich behindert.

Ebenso wenig ist das Beschwerdevorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Gutachten, wonach die Untersuchung(en) nur sehr kurz durchgeführt worden wären, geeignet, eine andere Einschätzung herbeizuführen, zumal die Gutachter allesamt, wie der Beurteilung zu entnehmen ist, eine fachgemäße Untersuchung durchgeführt und sohin ihre Einschätzungen abgegeben haben.

Es ist auch nicht relevant, ob der Beschwerdeführer sich sein privates Kfz ohne Steuererleichterungen weiterhin leisten kann, wie in der Beschwerde moniert. Vielmehr relevant ist, ob die jeweilige Leiden eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit oder Mobilität bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. eine schwere Erkrankung des Immunsystems bewirkt, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht. Eine derartige Einschränkung konnte bei den Untersuchungen aber nicht objektiviert werden.

Auch das übrige Beschwerdevorbringen ist angesichts des Umstandes, dass alle vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde bereits einer Beurteilung unterzogen wurden, nicht geeignet, eine andere Einschätzung herbeizuführen. Er hat keine weiteren Befunde in seiner Beschwerde vorgelegt, sondern vielmehr sein bisheriges Vorbringen wiederholt, welches jedoch – unter Berücksichtigung aller übermittelten Befunde – bereits einer ausführlichen Begutachtung durch die medizinischen Gutachter unterzogen wurde.

In den eingeholten Sachverständigengutachten bzw. Stellungnahmen wird auf den Zustand des Beschwerdeführers ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes des Beschwerdeführers. Er ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten bzw. wurden alle neuen Befunde im zuletzt eingeholten Sachverständigengutachten mitberücksichtigt und waren die vorgelegten medizinischen Befunde des Beschwerdeführers insgesamt nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darzutun. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor. In der Beschwerde wurden keine neuen Befunde vorgelegt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Diese wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-         erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-         erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-         erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-         eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-         eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-         arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-         Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-         hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-         Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-         COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-         Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-         mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen

-        nachweislich therapierefrektäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID - sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretender chronischer Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Wie festgestellt, sind die psychischen Leiden des Beschwerdeführers in Art und Ausprägung nicht geeignet, eine maßgebliche Behinderung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichend zu begründen. Es besteht keine Klaustro- oder Soziophobie als Hauptdiagnose, insbesondere nicht in einem Ausmaß, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel maßgeblich behindert. Bezüglich des Immunglobulinmangels bestehen ausreichend Therapiemöglichkeiten (Gabe von Immunglobulinkonzentraten). Eine anhaltende Immunschwäche ist nicht gegeben.

Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten beim Beschwerdeführer gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist dah

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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