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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Aufhebung zweier Schulsprengelverordnungen wegen Unterbleibens der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung der beteiligten GebietskörperschaftenSpruch
Die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8.Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule Liezen (politischer Bezirk Liezen), kundgemacht in der Grazer Zeitung Nr. 368/1991, und die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschulen Rottenmann (politischer Bezirk Liezen), kundgemacht in der Grazer Zeitung Nr. 369/1991, werden als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit 31. August 1995 in Kraft.
Die Steiermärkische Landesregierung ist verpflichtet, diese Aussprüche unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
Das Land Steiermark ist schuldig, der antragstellenden Stadtgemeinde zu Handen ihrer bevollmächtigten Vertreter die mit 15.000.- S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Stadtgemeinde Rottenmann stellte unter Berufung auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG die Anträge, die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule Liezen (politischer Bezirk Liezen), kundgemacht in der Grazer Zeitung Nr. 368/1991, sowie die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschulen Rottenmann (politischer Bezirk Liezen), kundgemacht in der Grazer Zeitung Nr. 369/1991, als gesetzwidrig aufzuheben. Hilfsweise wurde der Antrag gestellt, (lediglich) §1 Z3 der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule Liezen (politischer Bezirk Liezen), kundgemacht in der Grazer Zeitung Nr. 368/1991, als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Mit der erstgenannten Verordnung (Grazer Zeitung Nr. 368/1991) wurde der Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschule Liezen in der Weise neu festgesetzt, daß ihm die Gemeinde Lassing mit ihrem gesamten Gebiet zugewiesen wurde. Zuvor, und zwar nach der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Juli 1987 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule Liezen (politischer Bezirk Liezen), kundgemacht in der Grazer Zeitung Nr. 355/1987, hatte nur ein - näher umschriebener - Gebietsteil der Gemeinde Lassing zum Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschule Liezen, die Gemeinde Lassing im übrigen aber - nach der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. Juli 1987 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschulen Rottenmann (politischer Bezirk Liezen), kundgemacht in der Grazer Zeitung Nr. 356/1987 - zum Pflichtsprengel der Hauptschulen Rottenmann gehört.
Mit der zweitgenannten Verordnung (Grazer Zeitung Nr. 369/1991) wurde der Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschulen Rottenmann dahingehend geändert, daß aus ihm der mit der erstgenannten Verordnung dem Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschule Liezen zugewiesene Gebietsteil der Gemeinde Lassing ausgegliedert wurde. Dies geschah in der Weise, daß in dem §1 dieser Verordnung, der eine Aufzählung der zum Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschulen Rottenmann gehörenden Gemeinden enthält, die Gemeinde Lassing (mit dem zuvor zu diesem Schulsprengel gehörigen Gebietsteil) nicht aufgenommen wurde.
3.a) Zur Begründung der (Individual-)Anträge wird - zusammengefaßt - ausgeführt:
Die angefochtenen Verordnungen seien zum einen gesetzwidrig, weil sie mit der Vorschrift des §15 Abs3 des Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1970, LGBl. 70 (im folgenden: StPSEG), wonach die Sprengel der Pflichtschulen so zu gestalten sind, daß (unter anderem) jede unnötige Belastung des gesetzlichen Schulerhalters vermieden wird, in Widerspruch stünden. Die antragstellende Stadtgemeinde habe als gesetzlicher Schulerhalter die Hauptschulen Rottenmann unter Bedachtnahme darauf ausgebaut und adaptiert, daß sie auch von Schülern aus der Gemeinde Lassing besucht würden, und demgemäß in der Erwartung, daß daher die Gemeinde Lassing als eine der (mit einem Teil ihres Gebietes) zum Pflichtsprengel der Hauptschulen Rottenmann gehörenden Gemeinden an den gesetzlichen Schulerhalter zur Bestreitung der Kosten des Schulsachaufwandes Schulerhaltungsbeiträge zu leisten habe.
Die mit den angefochtenen Verordnungen vorgenommene Änderung der Pflichtsprengel von Hauptschulen habe für die antragstellende Stadtgemeinde als gesetzlicher Schulerhalter der Hauptschulen Rottenmann, was den jährlichen Sachaufwand betreffe, eine Mehrbelastung von 316.720,80 S bewirkt. Es sei dies eine unnötige Mehrbelastung iS des §15 Abs3 StPSEG, die im Falle der Beibehaltung der früheren Sprengeleinteilung vermieden worden wäre.
Die angefochtenen Verordnungen seien zum anderen auch deshalb gesetzwidrig, weil vor ihrer Erlassung entgegen der Vorschrift des §20 Abs1 StPSEG die beteiligten Gebietskörperschaften - in der Begründung der Anträge werden in diesem Zusammenhang außer der antragstellenden Gemeinde die gleichfalls zum Pflichtsprengel der Hauptschulen Rottenmann gehörenden Gemeinden Oppenberg und Selzthal genannt - nicht angehört worden seien. Von einer solchen Anhörung habe mit Rücksicht darauf nicht abgesehen werden können, daß eine Verhandlung an Ort und Stelle iS des §20 Abs4 StPSEG nicht stattgefunden habe (Hinweis auf §20 Abs3 StPSEG).
b) Zur Begründung ihrer Antragslegitimation iS des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG führt die antragstellende Stadtgemeinde der Sache nach aus, durch die angefochtenen Verordnungen werde unmittelbar in ihre Rechtsposition als gesetzlicher Schulerhalter der Hauptschulen Rottenmann eingegriffen, weil durch die mit diesen Verordnungen vorgenommene Änderung des Pflichtschulsprengels der Hauptschulen Rottenmann und Liezen der antragstellenden Stadtgemeinde eine (durch den Wegfall des Anspruches auf Schulerhaltungsbeiträge der Gemeinde Lassing bedingte) finanzielle Belastung erwachse. Dieser Eingriff erfolge unmittelbar durch die Verordnungen, ohne daß es dazu noch einer behördlichen Entscheidung bedürfe.
4. Die Steiermärkische Landesregierung hat in ihrer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen verteidigt und der Sache nach den Antrag gestellt, die (Individual-) Anträge als unbegründet abzuweisen.
II. Über die (Individual-)Anträge wurde erwogen:
A. Zur Zulässigkeit:
1. Voraussetzung für die Legitimation zur Stellung eines (Individual-)Antrages auf Aufhebung einer Verordnung ist, daß die Verordnung tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt (s. etwa VfSlg. 12674/1991). Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteterweise rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988). Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die angefochtene Verordnung für den Antragsteller die im Antrag ins Treffen geführten (nachteiligen) Wirkungen hat und ob diese Wirkungen den Kriterien des Art139 Abs1 letzter Satz B-VG entsprechen (s. etwa VfSlg. 8060/1977, 8553/1979).
2. Die Festsetzung (Bildung, Änderung und Aufhebung) eines Schulsprengels einer von einer Ortsgemeinde erhaltenen Pflichtschule - zu den Pflichtschulen zählen gemäß §1 Abs2 StPSEG auch die Hauptschulen - erfolgt auf Antrag des gesetzlichen Schulerhalters (das ist nach §6 erster Satz StPSEG die Gemeinde) oder von Amts wegen durch Verordnung der Landesregierung nach Anhörung der beteiligten Gebietskörperschaften sowie des Landesschulrates (§20 Abs1 StPSEG). Die gesetzlichen Schulerhalter haben für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der Pflichtschulen aufzukommen (§27 StPSEG). Sofern eine oder mehrere Gemeinden mit ihrem ganzen Gebiet oder mit einem Teil hievon zu einem Schulsprengel gehören, ohne selbst gesetzlicher Schulerhalter zu sein, haben sie zur Bestreitung der Kosten des Schulsachaufwandes (s. dazu die §§33 und 34 StPSEG; vgl. auch §24 dieses Gesetzes) an den gesetzlichen Schulerhalter Schulerhaltungsbeiträge nach Maßgabe des §30 StPSEG zu leisten, sofern §29 Abs2 StPSEG nicht anderes bestimmt (§29 Abs1 erster Satz StPSEG). Dasselbe gilt, wenn Teile einer Gemeinde, die selbst gesetzlicher Schulerhalter ist, zum Schulsprengel der Pflichtschule eines anderen gesetzlichen Schulerhalters gehören (§29 Abs1 zweiter Satz StPSEG; zur sachlichen Unbedenklichkeit dieser Regelung s. VfSlg. 6206/1970, S. 362). Die Aufteilung der Schulerhaltungsbeiträge auf die "eingeschulten" Gemeinden ist in §30 StPSEG näher geregelt. Die gesetzlichen Schulerhalter haben bis 30. November jedes Jahres die Schulerhaltungsbeiträge gemäß den §§29 und 30 StPSEG für den voraussichtlichen Schulsachaufwand des folgenden Kalenderjahres den beitragspflichtigen Gemeinden mit Bescheid vorzuschreiben (§37 Abs1 StPSEG, die Vorschreibung erfolgt im übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde: VfSlg. 6622/1971, 8591/1979). Spätestens zwei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres haben die gesetzlichen Schulerhalter mit den beitragspflichtigen Gemeinden den Schulsachaufwand des abgelaufenen Kalenderjahres abzurechnen, wobei die widmungsgemäße Verwendung der nach §37 Abs1 StPSEG vorgeschriebenen Schulerhaltungsbeiträge nachzuweisen ist. Das Ergebnis der Abrechnung ist mit Bescheid festzustellen (§37 Abs2 StPSEG).
3. Nach dieser Rechtslage begründet eine Verordnung, mit der eine Gemeinde (mit ihrem ganzen Gebiet oder mit Teilen davon) dem Pflichtsprengel einer Hauptschule zugewiesen wird, den Anspruch des gesetzlichen Schulerhalters dieser Schule, von der durch diese Zuweisung "beitragspflichtig" gewordenen Gemeinde Schulerhaltungsbeiträge zu erhalten. Eine Verordnung, mit der eine solche Zuweisung aufgehoben wird, bewirkt den Untergang dieses Anspruches und somit einen Eingriff in eine Rechtsposition des gesetzlichen Schulerhalters. Dies gilt auch für eine Verordnung, mit der die betreffende Gemeinde (mit ihrem ganzen Gebiet oder mit Teilen davon) dem Pflichtsprengel einer anderen Hauptschule zugewiesen wird, weil eine solche Verordnung mit der die Zuweisung dieser Gemeinde zum Pflichtsprengel einer Hauptschule aufhebenden Verordnung in einem untrennbaren Zusammenhang steht.
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschulen Rottenmann (politischer Bezirk Liezen) insoweit in die Rechtssphäre der antragstellenden Stadtgemeinde eingreift, als sie durch die Nichtanführung der Gemeinde Lassing die Ausgliederung dieser Gemeinde, soweit sie zuvor dem Pflichtsprengel der Hauptschulen Rottenmann angehört hatte, aus diesem Pflichtsprengel bewirkte. Für die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule Liezen (politischer Bezirk Liezen) trifft dies insoweit zu, als mit ihr die Gemeinde Lassing mit ihrem gesamten Gebiet dem Schulsprengel (Pflichtsprengel) der Hauptschule Liezen zugewiesen wurde.
Der Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Stadtgemeinde wird unmittelbar durch die Verordnungen bewirkt, ohne daß er eines konkretisierenden Aktes bedürfte oder daß ein solcher vorgesehen wäre. Die antragstellende Stadtgemeinde verliert nämlich unmittelbar durch die Verordnungen die rechtliche Möglichkeit, der vormals beitragspflichtig gewesenen Gemeinde Lassing Schulerhaltungsbeiträge mit Bescheid vorzuschreiben.
Ihr steht andererseits kein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit dieser Verordnungen zur Verfügung. Insbesondere vermag sie bei der gegebenen Rechtslage nicht die Erlassung eines auf diese Verordnungen gestützten, an sie gerichteten Bescheides zu erwirken, den sie nach Ausschöpfung des Instanzenzuges bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes in Beschwerde ziehen könnte, um im Rahmen einer solchen Beschwerde ihre gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnungen sprechenden Bedenken darzulegen.
Die (Individual-)Anträge erweisen sich somit als zulässig.
B. In der Sache:
1. Die materiell-rechtlichen Vorschriften über die Festsetzung der Sprengel der Pflichtschulen finden sich in den §§14 bis 19 StPSEG. Das bei der Festsetzung (Bildung, Änderung und Aufhebung) eines solchen Schulsprengels einzuhaltende Verfahren ist in §20 StPSEG geregelt. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"§20
Behördenzuständigkeit und Verfahren
(1) Die Festsetzung (Bildung, Änderung und Aufhebung) eines Schulsprengels einer von einer Gemeinde erhaltenen Pflichtschule sowie die Erweiterung des Sprengels einer Sonderschulklasse gemäß §18 Abs4 erfolgt auf Antrag des gesetzlichen Schulerhalters oder von Amts wegen durch Verordnung der Landesregierung nach Anhörung der beteiligten Gebietskörperschaften sowie des Landesschulrates.
(2) Die für die Festsetzung eines Schulsprengels notwendigen Vorverhandlungen mit den beteiligten Gebietskörperschaften hat der Bezirksschulrat zu führen; er hat darüber im Wege des Landesschulrates der Landesregierung zu berichten.
(3) Findet für die Festsetzung eines Schulsprengels eine mündliche Verhandlung gemäß Abs4 nicht statt, sind die im Abs1 genannten Stellen aufzufordern, ihre Stellungnahme zur beabsichtigten Sprengelfestsetzung innerhalb bestimmter Frist dem Amt der Landesregierung schriftlich einzureichen.
(4) Die Landesregierung kann erforderlichenfalls die für die Festsetzung eines Schulsprengels maßgebenden Umstände kommissionell durch Verhandlung an Ort und Stelle erheben lassen. Die Verhandlung führt der Vorstand oder ein von ihm beauftragter rechtskundiger Verwaltungsbeamter der mit den Schulangelegenheiten befaßten Abteilung des Amtes der Landesregierung. Zur Verhandlung sind der Landesschulrat, der zuständige Bezirksschulrat sowie alle beteiligten Gebietskörperschaften zu laden. Der hiebei aufgenommenen Verhandlungsschrift sind die Ausfertigungen der von den beteiligten Gemeindevertretungen gefaßten Beschlüsse anzuschließen.
(5) ..."
Die das Verfahren bei der Festsetzung der Schulsprengel regelnden Vorschriften des §20 StPSEG sind verhältnismäßig detailliert. Das in dieser Bestimmung vorgesehene Verfahren sichert nicht nur den beteiligten Gebietskörperschaften und dem Landesschulrat die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme (Abs1), die gegebenenfalls im Zuge einer - fakultativ vorgesehenen, der Erhebung der für die Festsetzung des Schulsprengels maßgebenden Umstände dienenden - kommissionellen Verhandlung an Ort und Stelle vorgebracht (Abs4), sonst aber schriftlich erstattet werden kann (Abs3). Es haben der Festsetzung - und der Änderung - eines Schulsprengels außerdem - zwingend vorgeschriebene - "Vorverhandlungen mit den beteiligten Gebietskörperschaften" vorauszugehen (Abs2), die der Bezirksschulrat zu führen und über die er "im Wege des Landesschulrates" der Landesregierung zu berichten hat.
Angesichts der dem Verordnungsgeber durch das StPSEG bei der Sprengelfestsetzung eröffneten (verfassungsrechtlich unbedenklichen; s. dazu VfSlg. 12687/1991) Gestaltungsfreiheit kommt der strikten Einhaltung der in §20 StPSEG normierten Verfahrensvorschriften besondere Bedeutung zu (vgl. auch in diesem Zusammenhang VfSlg. 12687/1991).
2.a) Im vorliegenden Fall macht die antragstellende Stadtgemeinde geltend, sie habe von der beabsichtigten Änderung der Sprengelfestsetzung lediglich "inoffiziell" erfahren und ihre ablehnende Haltung dazu in einer schriftlichen Äußerung bekundet.
In der Folge sei dem Bürgermeister der antragstellenden Gemeinde vom amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates für Steiermark mit Schreiben vom 31. Mai 1990 mitgeteilt worden, daß eine Änderung der gegenwärtigen Sprengeleinteilung derzeit nicht zweckmäßig erscheine. Die Vizepräsidentin des Landesschulrates für Steiermark habe mit Schreiben vom 7. Mai 1990 mitgeteilt, daß nach Überprüfung und auf Grund der gegebenen Situation der Sprengel der Hauptschulen Rottenmann in absehbarer Zeit nicht geändert werde. Weiters habe das Büro des Ersten Landeshauptmannstellvertreters mit Schreiben vom 23. April 1990 mitgeteilt, es sei von der zuständigen Abteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung versichert worden, daß eine Änderung der bestehenden Sprengeleinteilung nicht beabsichtigt sei. Die antragstellende Stadtgemeinde bringt schließlich vor, es seien auch die übrigen dem Sprengel der Hauptschulen Rottenmann angehörigen Gemeinden - die Gemeinde Oppenberg und die Gemeinde Selzthal - nicht angehört worden.
b) Die Steiermärkische Landesregierung hält diesem Vorbringen folgendes entgegen:
"Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Stadtgemeinde Rottenmann mit Schreiben vom 9. April 1990 ausführlich zur gegenständlichen Angelegenheit geäußert hat und dabei ihre ablehnende Haltung zu einer Sprengeländerung kundtat. Sowohl der Stadtgemeinde Rottenmann als auch den eingesprengelten Gemeinden Selzthal und Oppenberg war das massive Bestreben der Gemeinde Lassing zur Erwirkung einer Sprengeländerung bekannt, sodaß der Vorwurf des mangelnden Parteiengehörs ungerechtfertigt ist.
Die Einholung einer weiteren Stellungnahme der beschwerdeführenden Gemeinde wurde für entbehrlich erachtet, weil die gegensätzlichen Standpunkte durch das Verfahren hinlänglich bekannt und kurzfristig keine Meinungsänderungen zu erwarten waren. Zudem hätte eine weitere Stellungnahme, ablehnend oder nicht, zu keiner anderen Entscheidung geführt. Tatsache war und ist, daß die Änderung der Schulsprengeleinteilung zugunsten der Hauptschule Liezen dem ausdrücklichen Wunsch der unmittelbar Betroffenen entsprach und einen faktischen Zustand legitimierte."
c) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Gesetzmäßigkeit des Verfahrens zur Erlassung der hier in Rede stehenden Verordnungen zu erweisen. Die Verordnungen wurden nicht auf Antrag des gesetzlichen Schulerhalters - der antragstellenden Stadtgemeinde -, sondern von Amts wegen erlassen. Somit ist jedenfalls auch die antragstellende Stadtgemeinde eine beteiligte Gebietskörperschaft, deren Anhörung durch §20 Abs1 StPSEG geboten war. Da für die in Rede stehende Änderung des Pflichtsprengels der Hauptschule Liezen und der Hauptschulen Rottenmann eine mündliche Verhandlung iS des §20 Abs4 StPSEG nicht stattgefunden hat, war gemäß dieser Vorschrift auch die antragstellende Stadtgemeinde als eine der beteiligten Gebietskörperschaften aufzufordern, ihre Stellungnahme zur beabsichtigten Sprengeländerung innerhalb bestimmter Frist dem Amt der Landesregierung schriftlich einzureichen. Eine solche Aufforderung ist auch nach dem Vorbringen der Steiermärkischen Landesregierung nicht ergangen. Sie war entgegen der Auffassung der Steiermärkischen Landesregierung ungeachtet dessen nicht entbehrlich, daß der antragstellenden Stadtgemeinde das "massive Bestreben" der Gemeinde Lassing "zur Erwirkung einer Sprengeländerung" bekannt war.
Es trifft ferner das weitere Vorbringen im (Individual-) Antrag zu, daß auch die außer der Stadtgemeinde Rottenmann zum Pflichtsprengel der Hauptschulen Rottenmann gehörenden Gemeinden Oppenberg und Selzthal vor der Erlassung der in Rede stehenden Verordnungen nicht iS des §20 Abs1 und 3 StPSEG angehört wurden. Auch im Falle dieser beiden Gemeinden vermag die Kenntnis vom Bestreben der Gemeinde Lassing nach der schließlich mit den angefochtenen Verordnungen vorgenommenen Sprengeländerung die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung nicht zu ersetzen.
Die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschule Liezen (politischer Bezirk Liezen) und die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 8. Juli 1991 über die Festsetzung (Änderung) des Schulsprengels der Hauptschulen Rottenmann (politischer Bezirk Liezen) sind somit ohne Anhörung der beteiligten Gebietskörperschaften zustande gekommen. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob außer der Stadtgemeinde Rottenmann und den Gemeinden Oppenberg und Selzthal noch andere Gemeinden als beteiligte Gebietskörperschaften hätten angehört werden müssen.
Die Verordnungen sind somit wegen Unterbleibens der in §20 Abs1 und 3 StPSEG vorgeschriebenen Anhörung der beteiligten Gebietskörperschaften gesetzwidrig.
Mit diesem Mangel ist offenkundig jeweils die gesamte Verordnung behaftet. Da dieser Mangel den in Art139 Abs3 lita bis c B-VG ausdrücklich genannten Fällen gleichzuhalten ist, sind die Verordnungen zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben (vgl. dazu VfSlg. 8213/1977; VfGH 5.3.1994, V81/93). Umstände, die dem iS des Art139 Abs3 letzter Satz B-VG entgegenstünden, haben sich im Verfahren nicht ergeben.
Bei diesem Verfahrensergebnis ist im Rahmen dieser Verordnungsprüfungsverfahren auf das weitere von der antragstellenden Stadtgemeinde vorgetragene Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnungen nicht einzugehen.
3. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Verordnungen beruht auf Art139 Abs5 dritter Satz
B-VG.
4. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche des Verfassungsgerichtshofes beruht auf Art139 Abs5 erster Satz
B-VG.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §61a VerfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500,- S enthalten.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Schulen, Pflichtschulen, Schulorganisation, Schulsprengel, Verordnungserlassung, Anhörungsrecht (bei Verordnungserlassung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V20.1993Dokumentnummer
JFT_10049386_93V00020_00