TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/21 W265 2239732-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.04.2021
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Entscheidungsdatum

21.04.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W265 2239732-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 04.01.2021 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin ist seit 31.08.2009 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H.

Sie stellte am 10.08.2020 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass.

Mit Schreiben vom 13.08.2020 ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, aktuelle Befunde in Kopie, ein Lichtbild und das ausgefüllte Antragsformular nachzureichen.

Mit Eingabe vom 01.09.2020 reichte die Beschwerdeführerin die geforderten Unterlagen nach. Sie legte dem ausgefüllten Antragsformular einen medizinischen Befund bei.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In diesem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 14.10.2020 basierenden Gutachten vom 19.11.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:
Letztes Gutachten vom 19.8.2009: GdB 50vH wegen PCP, Dauerzustand          

arterielle Hypertonie

Derzeitige Beschwerden:

"Habe vor 3 Jahren die Prothese bekommen, seither komme ich nicht mehr in den Bus hinein. Kann mich nicht anhalten. Das Knie schmerzt. U-Bahn und Straßenbahn gehen, aber der Bus wackelt zuviel."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Simponi alle 4 Wochen, Cal de Vita, Oleovit, Nebivolol

Sozialanamnese:

ledig, 2 Kinder, in Pension

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befund XXXX 24.8.2020: CP, Z.n. Hüft TEP re 2017, schmerztherapeutische Maßnahmen, Gangunsicherheit, Sturzangst

nachgereicht:

Rö 6.10.2020: incipiente Coxarthrose links, re: Z.n. TEP, guter knöcherner Kontakt

Befund XXXX 15.9.2020: Gelnke an sich super, keine MST, viel gegangen ohne orthopädische Schuhe, Status. keine synovit. SW, TSO, IP I: prominenter Osteophyt

Befund XXXX 11.9.2019: seit Simponi nierdige Krankheitsaktivität

Befund XXXX 17.3.2020: absolut keine Kniegelenksbeschwerden

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

adipös

Größe: 155,00 cm Gewicht: 87,00 kg Blutdruck: 140/90

Klinischer Status – Fachstatus:

HNAP frei,

Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel

Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS

Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent

Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft

UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel

Faustschluss: möglich, Kraft seitengleich, Gelenke im wesentlichen unauffällig, Senkfuß,

NSG: möglich , FBA: 15cm

Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen

Gesamtmobilität – Gangbild:

Gangbild unauffällig, keine Hilfsmittel, orthopädische Schuhe

Status Psychicus:

allseits orientiert, Ductus kohärent

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

chronische Polyarthritis

2

arterielle Hypertonie

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstmalige Berücksichtigung von Leiden 2

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung -

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

Gutachterliche Stellungnahme:

Keine. Im Rahmen der klinischen Untersuchung stellen sich ein guter Allgemeinzustand und ein sehr guter Ernährungszustand dar. Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten lassen sich keine erheblichen funktionellen Einschränkungen objektivieren. Das Gangbild stellt sich ohne Verwendung von Hilfsmitteln flüssig und sicher dar. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Gelenke der oberen Extremitäten liegen nicht vor. Greif- und Haltefunktion ist beidseits insgesamt gegeben. Bei Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen der Wirbelsäule lassen sich keine maßgeblichen motorischen Defizite und Lähmungen objektivieren. Erhebliche kardiopulmonale Störungen lassen sich im Rahmen der klinischen Untersuchung nicht erheben und sind befundmäßig nicht dokumentiert. Eine periphere arterielle Verschlusserkrankung der unteren Extremitäten mit erheblicher Limitierung der Gehstrecke liegt nicht vor. Ein psychisches Leiden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf erhebliche Weise erschwert, liegt nicht vor. Zusammenfassend ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung möglich; das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen und damit die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind nicht auf erhebliche Weise erschwert. Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ liegen daher nicht vor.“

Mit Schreiben vom 19.11.2020 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit am 01.12.2020 eingelangtem Schreiben erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der sie ausführte, es sei schade, dass die Zusatzeintragung abgelehnt werde. Es gehe ihr wirklich nicht gut, seit Jahren habe sie fast nirgendwo hingehen oder fahren können, weil sie nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren habe können. Man würde sie fünf Minuten sehen und glaube, es gehe ihr gut. Man solle sich ansehen, wie schwer es ihr draußen gehe und ob sie von A nach Z komme sowie die damit verbundenen Schmerzen und Herausforderungen beachten. Es würde sie freuen, wenn die belangte Behörde ihr helfen könne. Mit der Stellungnahme legte die Beschwerdeführerin medizinische Befunde vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein weiteres Sachverständigengutachten der bereits befassten Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag.

In diesem auf der Aktenlage basierenden Gutachten vom 04.01.2021 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Gutachten vom 19.8.2009: GdB 50vH wegen PCP, Dauerzustand  

Gutachten vom 14.10.2020: Abweisung der ZE UZÖVM

Stellungnahme vom 1.12.2020: starke Schmerzen in den Gelenken, das Gehen ist schwer, gefordert wird die ZE UÖVM  

neue Befunde werden nicht eingebracht (die nachgereichten Befunde wurden bereits im Gutachten vom 14.10.2020 berücksichtigt)

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Aktengutachten

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

chronische Polyarthritis

2

arterielle Hypertonie

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

keine Änderung

?

Dauerzustand

?

Nachuntersuchung -

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

Gutachterliche Stellungnahme:

Es besteht eine chronische Polyarthritis , bei der Begutachtung und bei nach den vorliegenden Befunden unter Therapie im stabilen Verlauf, bei freiem und unauffälligem Gangbild, die Gelenke weitgehend unauffällig. Es sind eine Gangunsicherheit und Sturzneigung bzw Ängste dokumentiert, jedoch sind weder stattgehabte Verletzungen oder tatsächliche Stürze noch weitere Therapien/Abklärungen diesbezüglich befundbelegt, daher ist das Zurücklegen kurzer Wegstrecken oder die sichere Benützung der Öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert.“

Mit angefochtenem Bescheid vom 04.01.2021 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden, demzufolge die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die nachgereichten Einwendungen würden keine ausreichend relevanten Sachverhalte beinhalten, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grund gelegt worden. Mit dem Bescheid wurden der Beschwerdeführerin die Sachverständigengutachten übermittelt.

Mit E-Mail vom 17.02.2021 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, sie sei mit der Abweisung des Antrages nicht einverstanden. Sie klage seit langen Jahren über starke Schmerzen im rechten Knie, in beiden Hüften, in der Wirbelsäule, in den Händen und Beinen. Aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erkrankung sei auch keine Heilung oder Besserung zu erwarten. Im Gegenteil verschlimmere es sich von Tag zu Tag. Sie könne leider nur ganz kurze Strecken zu Fuß zurücklegen. Durch langes Stehen bekomme sie sofort sehr starke Schmerzen und wackelige Beine. Zudem leide sie auch bereits länger an Gleichgewichtsproblemen. Daher sei es für sie unzumutbar, öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden. Sie könne nur mit enormer Kraftaufwendung und unter Schmerzen einen Einkaufswagen selben schieben und nichts Schweres tragen. Selbst die kleinsten Einkäufe könne sie nicht selbst in die Wohnung hochtragen. Das alles sei ein Resultat des derzeitigen Zustandes ihrer Hände. Sie könne ihre Hände nicht normal in jede Richtung drehen. Es sei für sie überaus unangenehm, ihre Hände nicht vollständig einsetzen zu können. Es fehle ihr auch die Kraft sowohl in den Händen als auch in den Beinen, daher könne sie auch in keinen Bus einsteigen. In einem Bus müsse sie sich anhalten können, bis ein Platz frei werde. Sie werde dabei unter enormen Druck gesetzt und bekomme Angstzustände. Dieser Zustand wirke sich auf ihren ohnehin schon hohen Blutdruck aus. Auch in der U-Bahn und Straßenbahn leide sie an diesen Problemen. Die Vornahme der Zusatzeintragung wäre für sei eine ungemeine Erleichterung, sie hätte dann einen kürzeren Weg in Geschäfte und bei Arztbesuchen. Sie ersuche um Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens, das ihren Zustand näher dokumentiere.

Mit Schreiben vom 19.02.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am selben Tag einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einen Grad der Behinderung von 50 v. H.

Sie stellte am 10.08.2020 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        chronische Polyarthritis

-        arterielle Hypertonie

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin trotz dieser Funktionseinschränkungen möglich und zumutbar. Die Leidenszustände der Beschwerdeführerin stellen zweifellos eine Beeinträchtigung ihres Alltagslebens dar, schränken jedoch den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich ein.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, der wechselseitigen Leidensbeeinflussung und insbesondere der Auswirkungen der Funktionseinschränkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den oben wiedergegebenen internistischen Sachverständigengutachten vom 19.11.2020 und 04.01.2021 zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass und zur Antragsstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründet sich auf die durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 19.11.2020 und 04.01.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 14.10.2020 bzw. der Aktenlage. Dabei berücksichtigte die Sachverständige die von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten medizinischen Beweismittel.

Trotz der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen diese Einschränkungen kein Ausmaß, das eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bedingen würde. Die Sachverständige stellte aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin diesbezüglich im Wesentlichen fest, dass keine der bei ihr festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden. Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten ließen sich keine erheblichen funktionellen Einschränkungen objektivieren. Das Gangbild stelle sich ohne Verwendung von Hilfsmitteln flüssig und sicher dar. Erhebliche funktionelle Einschränkungen der Gelenke der oberen Extremitäten würden ebenso nicht vorliegen. Die Greif- und Haltefunktion sei beidseits insgesamt gegeben. Bei Fehlen maßgeblicher funktioneller Einschränkungen der Wirbelsäule ließen sich keine maßgeblichen motorischen Defizite und Lähmungen objektivieren. Zusammenfassend sei das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und ohne maßgebende Unterbrechung möglich. Das Überwinden von Niveauunterschieden, das Be- und Entsteigen und damit die sichere Benützung öffentlicher Verkehrsmittel seien insgesamt nicht auf erhebliche Weise erschwert.

Auch in ihrem zweiten, auf der Aktenlage basierenden Gutachten hielt die Sachverständige diese Einschätzungen vollinhaltlich aufrecht. Bei der Beschwerdeführerin bestehe eine chronische Polyarthritis mit unter Therapie stabilem Verlauf, ein freies und unauffälliges Gangbild und weitgehend unauffällige Gelenke. Es seien eine Gangunsicherheit und Sturzneigung bzw. diesbezügliche Ängste dokumentiert, jedoch seien weder stattgehabte Verletzungen oder tatsächliche Stürze noch weitere Therapien/Abklärungen diesbezüglich befundbelegt, daher sei das Zurücklegen kurzer Wegstrecken oder die sichere Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht erheblich erschwert.

Dem entgegnete die Beschwerdeführerin in der Beschwerde neben einer Schilderung ihrer Leidens- und Schmerzzustände im Wesentlichen, dass sie nur ganz kurze Strecken zu Fuß zurücklegen könne, durch langes Stehen starke Schmerzen und wackelige Beine bekomme, an Gleichgewichtsproblemen leide, ihr die Kraft zum Einsteigen sowohl in den Händen als auch in den Beinen fehle und sie sich in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht anhalten könne.

Diese Angaben wurden von der Beschwerdeführerin jedoch nicht durch medizinische Befunde belegt, sie widersprechen auch den Ergebnissen der klinischen Untersuchung durch die Sachverständige. Diese hielt wie bereits ausgeführt unter anderem fest, dass das Gangbild der Beschwerdeführerin flüssig und sicher und die Greif- und Haltefunktion beidseits gegeben ist, keine erheblichen funktionellen Einschränkungen der unteren oder oberen Extremitäten oder motorische Defizite vorliegen und das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 Metern aus eigener Kraft möglich ist (vgl. AS 19). Alle von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Aspekte ihrer Leidenszustände wurden damit in den Sachverständigengutachten entweder bereits berücksichtigt oder waren aus medizinischer Sicht nicht objektivierbar.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde keine neuen Befunde vor. Das Vorbringen in der Beschwerde war somit nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Damit ist die Beschwerdeführerin den vorliegenden Sachverständigengutachten im Lichte obiger Ausführungen insgesamt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Betreffend den Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit der vorliegenden internistischen Sachverständigengutachten vom 19.11.2020 und 04.01.2021. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

„§ 1 ….

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. …….

2. ……

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-         erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-         erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-         erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder
-         eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-         eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)……“

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall relevant – Folgendes ausgeführt:

„Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

-        vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

-        laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

-        Kleinwuchs,

-        gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

-        bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“

…“

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Betreffend das Kalkül „kurze Wegstrecke“ wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 bis400 Metern ausgeht. (vgl. u. a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013)

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen –, wurde in den seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 19.11.2020 und 04.01.2021 nachvollziehbar verneint, dass im Fall der Beschwerdeführerin – trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsschädigungen – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin liegen ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vor.

Auch unter Berücksichtigung der bei der Beschwerdeführerin bestehenden dauerhaften Einschränkungen und der damit verbundenen Beeinträchtigungen im Alltag vermag diese noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun. Die dazu seitens des Gesetzgebers festgehaltenen Erläuterungen wurden im gegenständlichen Fall berücksichtigt und bestärken diese die Einschätzung, dass der Beschwerdeführerin die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel trotz ihrer zweifelsohne vorhandenen und festgestellten Gesundheitsschädigungen zumutbar ist.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen der Beschwerde, wie in der Beweiswürdigung bereits ausgeführt, keine Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung ihres Zustandes zu belegen.

Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht Folge zu geben, zumal bereits zwei medizinische Sachverständigengutachten eingeholt und der Entscheidung zu Grunde gelegt wurden. Die Beschwerdeführerin legte nicht dar, weshalb ein weiteres Gutachten erforderlich wäre oder zu welchem Beweisthema dieses beantragt würdn. Lediglich der Vollständigkeit halber ist auch darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht (vgl. VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).

Die für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass erforderliche Voraussetzung einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, der Funktionen der unteren Extremitäten, psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder des Vorliegens einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems sind somit nicht erfüllt. Auch erreichen die übrigen Einschränkungen der Beschwerdeführerin kein Ausmaß, welches die Benützung der Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lässt.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;

3.       wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde iSd § 24 Abs. 1 VwGVG weder beantragt, noch hält Bundesverwaltungsgericht eine solche für erforderlich.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W265.2239732.1.00

Im RIS seit

15.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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