TE Bvwg Beschluss 2021/5/14 I419 2239619-1

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Veröffentlicht am 14.05.2021
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Entscheidungsdatum

14.05.2021

Norm

AuslBG §12a
AuslBG §13
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


I419 2239619-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Markus HINTNER und die fachkundige Laienrichterin Jennifer SCHUMACHER als Beisitzer und Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die weitere Partei Hotel XXXX GmbH & Co KG, gegen den Bescheid des AMS XXXX vom 30.11.2020, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, beantragte vertreten durch die weitere Partei am 23.11.2020 bei der BH XXXX eine Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft in einem Mangelberuf. Sie wolle bei der weiteren Partei als Chef de Partie (Leiterin eines Küchenbereiches, Anm.) tätig werden. Das AMS versagte mit dem bekämpften Bescheid die Zulassung gemäß § 12a AuslBG (wies den „Antrag“ auf Zulassung ab), weil die Mindestanforderung einer einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung als Koch, einem österreichischen Lehrabschluss gleichkommend, nicht erfüllt sei.

2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, die Beschwerdeführerin habe keine andere Möglichkeit, als die Ausbildung in Bosnien und Herzegowina zu absolvieren, wo diese Lehrausbildung eben nicht länger als zwei Jahre und zwei Monate dauere. Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten wolle sie in Österreich vertiefen und weiter ausbauen. Wegen ihrer Deutsch- und Englischkenntnisse auf Niveau B1 und ihres Alters sei damit sogar mehr als die geforderte Mindestpunktezahl von 55 Punkten erreicht worden, nämlich 60.

3. Das AMS legte die Beschwerde mit der Stellungnahme vor, dass die Ausbildung zum Koch in Österreich laut Lehrberufsliste drei Jahre dauere. Eine dem Lehrabschluss als Koch vergleichbare einschlägige Ausbildung müsse demnach auch diese Dauer erreichen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird festgestellt, wie oben in I. wiedergegeben. Ferner wird festgestellt:

1.1 Die in München geborene Beschwerdeführerin hat in Bosnien und Herzegowina in den Schuljahren 2016/17 und 2017/18 eine drei Abschnitte umfassende Ausbildung als Köchin am Privatinstitut „Zentrum für Erwachsenenbildung“ in Gra?anica (Privatna ustanova „Centar za obrazovanje odraslih“ Gra?anica) besucht und am 20.02.2018 abgeschlossen. Zuvor hatte sie eine dreiteilige Ausbildung als Sekretärin (poslovni sekretar) in Prnjavor absolviert.

Wann die zweite Ausbildung 2016 begann, ist nicht feststellbar, sodass festgestellt wird, dass sie längstens zwei Jahre, ein Monat und 20 Tage dauerte. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie zumindest zwei Jahre dauerte. Sie beinhaltete jeweils Deutschunterricht, wobei die Beschwerdeführerin in diesem Gegenstand durchwegs die Beurteilung „sehr gut (4)“ als zweitbeste mögliche von fünf erhielt (die beste ist „ausgezeichnet“ bzw. 5).

Es kann nicht festgestellt werden, wie lange die Ausbildung zur Sekretärin gedauert hat und an welchem Schultyp sie absolviert wurde. Insbesondere steht nicht fest, ob die Beschwerdeführerin dazu eine mindestens dreijährige berufsbildende mittlere Schule (oder auch eine, deren Lehrplan diesem österreichischen Schultyp entsprach) erfolgreich besucht hat. Es steht auch nicht fest, ob und wie lange sie dabei Deutschunterricht hatte.

1.2 Die Beschwerdeführerin hat (unter anderem) ein Sprachdiplom Englisch B1, dem das Prüfungsdatum 14.06.2019 zu entnehmen ist, und ein Sprachdiplom Deutsch B1 vorgelegt. Diesem ist kein Datum der Prüfung zu entnehmen, weshalb nicht festgestellt werden kann, wann sie diese abgelegt hat.

Der Bezirksverwaltungsbehörde gegenüber hat der Vertreter der weiteren Partei angegeben, dass die Eltern der Beschwerdeführerin bereits seit Längerem im Betrieb der weiteren Partei arbeiten. Die Mutter der Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Kroatiens und seit 2016 in Österreich gemeldet, der Vater lebt hier seit 2020 auf Basis des Aufenthaltsrechts als Gatte dieser EWR-Bürgerin. Es steht nicht fest, wie lange und bis wann zuletzt sich die Beschwerdeführerin einem deutschsprachigen Land aufgehalten und ob sie dort eine Schule besucht hat.

1.3 Laut Bescheid und Stellungnahme zur Beschwerdevorlage wurde der Regionalbeirat vor der Entscheidung zum Antrag der Beschwerdeführerin angehört. Es kann nicht festgestellt werden, dass das AMS den Regionalbeirat angehört hätte.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Verfahrensgang und Feststellungen ergaben sich aus dem Akt des AMS, den Ausführungen der Beschwerde sowie dem Fehlen abweichender Tatsachenbehauptungen. Der Sachverhalt ist, soweit Feststellungen möglich waren, unstrittig. Für die nicht oder nicht genauer möglichen Feststellungen waren folgende Überlegungen maßgeblich:

2.2 Betreffend die Kochausbildung war die Ausbildungszeit der Beschwerdeführerin als Köchin nicht genau feststellbar. Zunächst war der Beginn nicht feststellbar, da die Zeugnisse der vom 07.11.2016, 20.10.2017 und 05.02.2018 stammen, womit die drei „Klassen“ unterschiedlich lange dauerten. Der Ausdruck „Klasse“ ist die Übersetzung des Begriffs „razred“ aus den Zeugnissen durch den Übersetzer L. und wird auch vom Google-Übersetzer Bosnisch angegeben. Für „Schuljahr“ gibt dieser „školske godine“ an, „godine“ heißt „Jahr“ und „semestar“ bedeutet „Semester“. Die Dauer einer „Klasse“ ist somit unbekannt.

Hingegen ergibt sich aus den Zeugnissen, dass die Ausbildungseinrichtung „Privata ustanova Centar za obrazovanja odraslih Gra?anica“, was mit „Zentrum für die Ausbildung der Erwachsenen“ übersetzt wurde (mit Google Übersetzer: „Private Einrichtung Zentrum für Erwachsenenbildung Gra?anica“), aufgrund eines Bescheids vom 10.09.2016 in das Register der Mittelschulen eingetragen wurde („registar srednjih škola“, mit Google Übersetzer „Register der weiterführenden Schulen“), sodass Zweifel bestehen, ob und wie lange vor diesem Tag die Einrichtung bereits ihren Betrieb aufgenommen hatte. Demnach steht auch nicht fest, ob die Ausbildungsdauer der Beschwerdeführerin dort zwei Jahre erreichte.

2.3 Zur Ausbildung der Beschwerdeführerin als Sekretärin findet sich kein Zeugnis, sondern lediglich auf den Rückseiten der Zeugnisse der Privatschule ein Vermerk, der übersetzt beinhalten soll, dass die Beschwerdeführerin „schon die dreijährige Ausbildung an der Fachschule ‚Ivo Andric‘ in Prnjavor abgeschlossen“ hat.

Indes ist im bosnischen Original nicht von dreijährig(e) die Rede („tri godine“ bzw. „trogodišnjak“), sondern von „III stepen“. Die Übersetzung von „stepen“ ist laut Google Übersetzer „Grad“, und „stepen stru?ne spreme“ kann mit „Grad der professionellen Vorbereitung“ übersetzt werden (www.webtran.de/bosnian/)

Somit steht – trotz der im Akt verwendeten Übersetzungsvariante – nicht fest, dass die vorangegangene Ausbildung der Beschwerdeführer in Prnjavor zumindest drei Jahre gedauert hätte.

Betreffend den Schultyp des dortigen „Centar srednjih škola ‚Ivo Andric‘“ lässt sich „srednjih škola“ außer wie im Akt mit „Fachschule“ auch mit „Hochschulen“ übersetzen (wohl im Sinn einer „high school“ in den USA), „srednjih“ mit „Mitte(l)“ (Google Übersetzer und www.webtran.de/bosnian). Eine in dieser Bildungseinrichtung tätige Deutschlehrerin bezeichnet auf der Seite des Goethe-Instituts die Anstalt als „Mittelschulzentrum ‚Ivo Andri?‘ Prnjavor“ und schreibt auch von einer „IV. Klasse“ (www.goethe.de/de/spr/unt/for/vud/21975513.html). Die Übersetzungen sind demnach nicht geeignet, einen Schultyp festzustellen.

Erst beinahe zwei Monate nach Einlangen der Beschwerde befasste das AMS am 11.02.2021 das BMBWF mit der – in der Beschwerde nicht aufgeworfenen – Frage, ob die im vorangegangenen Verfahren vorgelegten Urkunden eine allgemeine Universitätsreife oder eine Ausbildung belegten, die dem Abschluss einer berufsbildenden höheren (!) Schule in Österreich entspreche. Das BMBWF replizierte darauf, „das vorgelegte Zeugnis“ sei weder ein Nachweis der allgemeinen Universitätsreife, noch entspreche es dem Abschluss einer berufsbildenden mittleren (!) Schule, weil vergleichbare BMS in Österreich dreijährig seien. Welche Urkunden auch immer das BMBWK vom AMS übermittelt bekommen hat (auch dies ist dem Akt nicht zu entnehmen), die Auskunft kann sich nicht auf die (unter anderem auch) fragliche erste Ausbildung beziehen, da diese ja laut Übersetzungen dreijährig gewesen wäre.

Damit stehen ohne die Vorlage von Zeugnissen und weitergehende Ermittlungen weder die Art der besuchten Schule noch die dort für die Ausbildung zur Sekretärin verbrachte Zeit fest.

2.4 Die Beschwerdeführerin war in Österreich bisher nicht gemeldet. Da sie aber in Deutschland geboren ist und laut den Stempeln in ihrem 2015 in Bosnien und Herzegowina ausgestellten Reisepass öfters international reist, erscheint es gut vorstellbar, dass sie sich in Deutschland, der deutschsprachigen Schweiz oder z. B. auch Südtirol aufhielt, sei es zu Arbeits- oder anderen Zwecken, was für die Beurteilung der Aktualität ihrer Deutschkenntnisse von Relevanz wäre.

Der Bescheid erging bereits nach sieben Tagen. Im Akt findet sich keine Äußerung des Regionalbeirats zum Sachverhalt oder zur beabsichtigten Erledigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Vertreterin der Beschwerdeführerin und weitere Partei, eine KG, wird ihrerseits von ihrer unbeschränkt haftenden Gesellschafterin vertreten, der G. GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer die Beschwerde auf dem Briefpapier der „G.-Hotels“ erhob, wo (auch) der Betrieb der KG aufscheint. Im Hinblick darauf ist diese als von der G. GmbH für die KG eingebracht anzusehen und der KG zuzurechnen, sodass sie wirksam eingebracht wurde.

Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung:

3.1 Gemäß § 12a Z. 1 AuslBG werden Ausländer in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können und – aufgrund weiterer zu erbringender Voraussetzungen – gemäß der Anlage B zumindest 55 anzurechnende Punkte erreichen. Die Fachkräfteverordnung 2020 nennt in § 1 Z. 38 den Beruf von „Gaststättenköch(e)innen“ als bundesweiten Mangelberuf und ist nach ihrem § 3 für die Erledigung von bis Ende 2020 gestellten Anträgen von Fachkräften nach § 12a AuslBG anzuwenden.

3.2 Nach der Rechtsprechung ist als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung ein österreichischer Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vorgesehen. Eine Ausbildung, die nur 18 Monate dauert, ist – so der VwGH – deshalb nicht geeignet, eine „abgeschlossene Berufsausbildung“ im Sinne des § 12a AuslBG darzustellen (25.01.2013, 2012/09/0068).

Die Lehrzeit für den Beruf Koch/Köchin beträgt nach Anl. 1 der Lehrberufsliste drei Jahre. Nach § 1 Z. 1 der Verordnung des BMWA über die Ausbildung in Lehrberufen in verkürzter Lehrzeit, BGBl. II Nr. 201/1997, können Lehrberufe, für die in der Lehrberufsliste eine dreijährige Lehrzeit festgelegt wurde, in einer um ein Jahr verkürzten Lehrzeit von Menschen erlernt werden, die nachweisen, dass sie eine allgemeinbildende höhere, eine berufsbildende höhere oder eine mindestens dreijährige berufsbildende mittlere Schule erfolgreich besucht haben.

Als erfolgreicher Besuch einer Schule in diesem Sinn gilt nach § 2 die erfolgreiche Ablegung der Abschlussprüfung bei mittleren Schulen oder der Reifeprüfung bei höheren Schulen.

3.3 Es erfordert mitunter umfassende Ermittlungen und Feststellungen über das ausländische Ausbildungssystem, um das erreichte Ausbildungsniveau beurteilen zu können. (Vgl. zur Ermittlungspflicht bei Anträgen nach § 12b AuslBG VwGH 20.02.2014, 2013/09/0166) Das AMS ging nicht darauf ein, dass auf den vorgelegten Zeugnissen Vermerke angebracht sind, nach denen die Beschwerdeführerin bereits eine – der Übersetzung nach „dreijährige“ – „Fachschule“ abgeschlossen hatte. Demnach wäre vor dem Hintergrund der vorigen Ausführungen die Art und Dauer dieser Ausbildung (im Vergleich mit einer BMS) zu klären gewesen, weil eine Lehrausbildung zur Köchin bei der Beschwerdeführerin je nach Ergebnis auch in zwei Jahren vonstatten hätte gehen können.

Vorab auszuscheiden wäre diese Variante einer abgeschlossenen Berufsausbildung nur gewesen, wäre festgestanden, dass die Ausbildung zur Köchin kürzer als zwei Jahre gedauert hätte, wozu aber wie gezeigt auch weitere Ermittlungen fehlen.

Erweist sich die Ausbildung zur Köchin demnach als mindestens zwei Jahre umfassend, dann ist zu ermitteln, ob die Beschwerdeführerin (vergleichsweise) eine BMS mindestens drei Jahre besucht und abgeschlossen hat.

3.4 Das AMS hat, ausgehend von der seiner Ansicht nach unzureichenden Berufsausbildung, die einem Aufenthaltstitel jedenfalls im Wege stünde, in seinem Bescheid auch keine Feststellungen zu den Sprachkenntnissen der Beschwerdeführerin getroffen. Entsprechend der Anlage B zum AuslBG wären vorhandene Deutschkenntnisse auf Niveau B1 mit 15 Punkten zu bewerten, solche von Englisch auf Niveau B1 mit 10 Punkten, sodass zutreffendenfalls, wie in der Beschwerde berechnet, bei Einbeziehung des Alters der Beschwerdeführerin (15 weitere Punkte) schließlich neben den – für die jedenfalls nachzuweisende Berufsausbildung – 20 Ausgangspunkten weitere 40 zu berücksichtigen sein könnten.

Wenn das AMS dabei darauf abzustellen beabsichtigt, wann die Sprachprüfungen stattfanden, wie es sich in dem „Texteintrag“ (Aktenvermerk) vom 23.11.2020 andeutet (wo den Sprachkenntnissen jeweils 0 Punkte zugeordnet werden), wird es nicht umhinkönnen, die fehlenden Ermittlungen betreffend den Zeitpunkt der Deutschprüfung nachzuholen.

Zwar legt nämlich § 21a Abs. 1 NAG fest, dass das „Sprachdiplom“ (welches sich im Sinne dieser Bestimmung auf das A1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens bezieht: VwGH 28.05.2015, Ra 2015/22/0009) zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein darf, aber daraus folgt nicht, dass aus einem fehlenden Datum abzuleiten ist, dass die Prüfung vor einem bestimmten Zeitpunkt abgelegt worden wäre.

Ergibt die Ermittlung, dass die Prüfung „zu früh“ abgelegt wurde, dann werden auch die noch zu treffenden Feststellungen betreffend die Schulausbildung der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen sein, und zwar im Hinblick auf § 21a Abs. 3 Z. 1 NAG in Verbindung mit § 9 Abs. 4 Z. 3 IntG, wonach der Nachweis der genannten Sprachkenntnisse auch als erbracht gilt, wenn die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2 der Integrationsvereinbarung vorliegen, was unter anderem der Fall ist, wenn ein Schulabschluss vorliegt, der einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht, und zwar ungeachtet dessen, ob dafür Deutschkenntnisse erforderlich waren. (VwGH 17.04.2020, Ra 2019/21/0251 Rz 19; zum Hochschulabschluss 28.02.2019, Ra 2018/22/0129)

Ferner wäre – nach den nachgeholten Feststellungen – zu beachten, dass nach § 10 Abs. 2 Z. 6 IntG das Modul 2 erfüllt ist, wenn ein positiver Abschluss im Unterrichtsfach „Deutsch“ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachgewiesen ist.

Erst dann wird festzustellen sein, von welchen Deutschkenntnissen auszugehen ist und wie diese mit Punkten zu bewerten sind.

3.5 Betreffend die Englischkenntnisse, die 17 Monate vor der Antragstellung geprüft worden waren, ist dem Gesetz keine Festlegung eines Zeitraums zu entnehmen, innerhalb dessen das Sprachzertifikat nach der Prüfung als geeignet zum Nachweis zu gelten hätte. Wenn die mit B1 zertifizierten Englischkenntnisse wegen der verstrichenen Zeit nicht mit den in der Anlage B vorgesehenen 10 Punkten angerechnet werden sollen, wäre dafür eine Beweiswürdigung erforderlich, welche die Entscheidung überprüfbar macht, und ferner zu beachten, dass Anlage B auch für nachgewiesene Englischkenntnisse auf Niveau A2 (zwar nicht 10 aber doch 5) Punkte vorsieht. (Vgl. Kind, AuslBG, 2018, § 12b Rz 21 zum Verlust und dem Restausmaß von Fremdsprachkenntnissen)

3.6 Nach § 20d AuslBG hat die regionale Geschäftsstelle des AMS nachdem ihr die gemäß NAG zuständige Behörde den Antrag übermittelt hat, den Regionalbeirat anzuhören und sodann zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung erfüllt sind, oder - bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen - die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung zu übermitteln.

Das AMS hat laut Bescheid den Regionalbeirat angehört, indes kann dem vorgelegten Akt weder die Tatsache der Anhörung entnommen werden, noch deren Ergebnis.

In diesem Zusammenhang ist daher festzuhalten, dass die Anhörung des Regionalbeirats zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zulassung nicht auf die Prüfung jener Sachverhalte beschränkt ist, die eine Vorauswahl durch das AMS unbeanstandet durchlaufen haben. Auch dann, wenn die Voraussetzungen der Zulassung nicht vorliegen, ist der Regionalbeirat zu befassen. (Deutsch/Nowotny/Seitz, AuslBG² §§ 12-13 Rz 45) Nach der Rechtsprechung kann dagegen nicht angenommen werden, dass auch das (in Senaten mit fachkundigen Laienrichtern aus dem Kreis der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entscheidende) Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren den Regionalbeirat - ein Beratungsorgan der bei ihm belangten Behörde - anzuhören hätte. (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026, zum AlVG)

Der Regionalbeirat ist aber nicht nur anzuhören, seine Äußerung ist sodann im Akt zu dokumentieren, da ansonsten das Recht der Parteien auf Akteneinsicht (und rechtliches Gehör) ins Leere ginge und die Überprüfung des Verwaltungshandelns im Beschwerdefall scheitert.

3.7 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG (Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z. 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z. 2).

Nach § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Beschwerdevorlage unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist dabei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von der das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.8 Im vorliegenden Fall ließ das AMS die aktenkundige frühere Ausbildung der Beschwerdeführerin unberücksichtigt, stellte die Dauer der Ausbildungen nicht fest und hat auch zu den Sprachkenntnissen der Beschwerdeführerin keine hinreichenden Erhebungen gepflogen. Damit hat es verkannt, dass der Entscheidung über die gemäß § 20d Abs. 1 Z. 2 AuslBG vorgesehene Bestätigung angesichts des weitgehend unbekannten Sachverhaltes ein Ermittlungsverfahren voranzugehen gehabt hätte, in welchem geklärt wird, welcher Sachverhalt vorliegt.

Die Feststellungen wären anhand von amtswegigen Ermittlungen einschließlich der Einholung von Auskünften seitens der Beschwerdeführerin und von Urkunden sowie (wie der Mailverkehr mit dem BMBWK zeigt auch kurzfristig möglicher) Erhebungen betreffend die genannten Bildungsgänge und -einrichtungen zu treffen gewesen (wofür sich z. B. als erster Schritt eine Befragung der Eltern anbietet). Zu den beabsichtigten Feststellungen wäre der Beschwerdeführerin sodann Parteiengehör zu gewähren gewesen, und zwar unter Verweis auf die Ergebnisse der Beweisaufnahmen.

Stattdessen erging der angefochtene Bescheid ohne die genannten Ermittlungsschritte, ohne Einräumung von Parteiengehör sowie ohne aktenkundige Anhörung des Regionalbeirates, und damit ohne Entscheidungsreife der Verwaltungssache.

Erst nach der Beschwerde befasste das AMS das BMBWF mit der (bereits vorher offenen) Frage, wie die (aus der Stellungnahme des AMS zu schließen: zweite) Ausbildung der Beschwerdeführerin einzustufen sei.

Eine Beschwerdevorentscheidung erging darauf nicht, sondern das AMS legte am nächsten Tag seine Stellungnahme und den Akt vor, danach auf Anforderung auch die Beschwerde.

Der Sachverhalt war bis dahin bloß ansatzweise ermittelt. Das AMS hat somit im Bescheid keine hinreichende Sachverhaltsfeststellung und deswegen keine auf eine solche aufbauende rechtliche Würdigung vorgenommen, und auch nach Beschwerdeeingang weder eine Beschwerdevorentscheidung erlassen noch annähernd die fehlenden Ermittlungen gepflogen (sondern vor dem Verwaltungsgericht lediglich ergänzt, dass es sich bei „gegenständlicher Ausbildung“, d. h. der zur Köchin, laut BMBWK nicht um den Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule handle, sodass auch „auf diesem Wege“ nicht auf eine abgeschlossene Berufsausbildung geschlossen werden könne).

3.9 Das Modell der Aufhebung des Bescheids und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde folgt konzeptionell dem des § 66 Abs. 2 AVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2018] § 28 VwGVG Anm. 11). Bei der Ausübung des Ermessens nach § 66 Abs. 2 f AVG sind auch die Bedeutung und die Funktion der Rechtmittelbehörde ins Kalkül zu ziehen. Die Einräumung eines Instanzenzugs darf nicht mangels sachgerechten Eingehens und brauchbarer Ermittlungsergebnisse [in erster Instanz] „zur bloßen Formsache degradiert“ werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. Als Sachverhalt hat sie daher alle Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 28.07.1994, 90/07/0029 mwH).

Dennoch kommt eine Aufhebung des Bescheids nach § 28 Abs. 2 Z. 1 f VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder seine Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen, besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (§ 37 AVG) „lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden“. (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063)

Wenn die Behörde keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, dann hat sie damit den entscheidungswesentlichen Sachverhalt sehr unzureichend festgestellt hat, worauf eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG zulässig ist. (VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009)

3.10 Wie erwähnt, hat das AMS nur ansatzweise ermittelt. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind auch deshalb nicht gegeben, weil die verwaltungsgerichtliche Entscheidung weder im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, zumal der Beschwerdeverfasser und die Eltern der Beschwerdeführerin in Gemeinden arbeiten und wohnen, die im Sprengel der regionalen Geschäftsstelle des AMS liegen, im Gegensatz zur Gerichtsabteilung des Verwaltungsgerichts, und die Beschwerdeführerin selbst den Wohnsitz ohnedies im Ausland hat.

Da somit die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorliegen, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Zurückverweisung aus verwaltungsökonomischen und Gründen des Rechtsschutzes nach § 28 Abs. 3 VwGVG im Fall der mangelhaften Sachverhaltsermittlung.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Schlagworte

Berufsausbildung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Rot-Weiß-Rot-Karte Sprachkenntnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:I419.2239619.1.00

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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