Index
AVGNorm
AVG §69 Abs1 litbBeachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Donner, und die Hofräte Dr. Strau, Dr. Lehne, Dr. Schmid und Dr. Zach als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dohnal, über die Beschwerde des KS in W, vertreten durch Dr. Franz Kleban, Rechtsanwalt in Wien II, Lilienbrunngasse 21, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. Juni 1965, Sch.Zl. I-51.226, betreffend Kriegsopferversorgung (Wiederaufnahme des Verfahrens), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland hatte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheide vom 28. Mai 1963 den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung von Beschädigtenrente mit der Begründung abgewiesen, daß eine den Rentenanspruch begründende Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht bestehe. Als Dienstbeschädigung anerkannte sie 1.) einen kleinsten Kopfschwartenstecksplitter, reaktionslos, und 2.) eine Defektheilung nach Nierenentzündung. Weiters führte sie auch aus, daß die festgestellten primär chronische Polyarthritis mit deutlichen Aktivitätszeichen nicht als Dienstbeschädigung gewertet werden könne, weil es sich bei diesem Leiden um ein vorwiegend konstitutionell bedingtes Krankheitsgeschehen handle, das mit der im Jahre 1942 stattgefundenen Rheumabehandlung nicht im Zusammenhang stehe. Dies umso weniger, als nach Angaben des Beschwerdeführers überhaupt erst wiederum im Jahre 1948 (also nach der Entlassung aus dem Wehrdienst) zeitweise Gelenksbeschwerden aufgetreten seien. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 17. April 1964, Zl. 1333/63, als unbegründet abgewiesen.
Am 14. Mai 1965 beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des mit dem oben angeführten Bescheide der Schiedskommission vom 28. Mai 1963 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens und die Zuerkennung der Beschädigtenrente. Diesen Antrag stützte der Beschwerdeführer vor allem auf die „fachärztliche Stellungnahme“ des Lungenfacharztes Prim. Dr. KK vom 16. April 1965 (beim Beschwerdeführer eingelangt am 4. Mai 1965). Auch legte er zwei Dienstgeberbestätigungen und eine Bestätigung des behandelnden Arztes vom 21. Jänner 1965 vor. Schließlich führte er aus, er habe diese Beweismittel „im abgeschlossenen Verfahren nicht vorlegen können, weil sie erst nachträglich neu hervorgekommen“ seien. Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheide den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 mit der Begründung ab, daß „die vorgelegten Beweismittel, wenn sie bereits in dem mit 28. Mai 1963 abgeschlossenen schiedskommissionellen Verfahren der Behörde bekannt gewesen wären, keinen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid zur Folge gehabt hätten“. Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde und die Gegenschrift der belangten Behörde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 ist dem Antrag auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalte des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Nach dem zuletzt angeführten Halbsatz der zitierten Gesetzesbestimmung ist demnach die Prüfung des Beweismittels eine Voraussetzung der Wiederaufnahme. Daher widerspricht die Ansicht des Beschwerdeführers, es müsse dem wiederaufgenommenen Verfahren „vorbehalten bleiben, ob ein Beweismittel geeignet gewesen wäre, eine günstigere Entscheidung im früheren Verfahren hervorzurufen oder nicht“, dem Gesetze. Die auf diese irrige Ansicht gestützte Rüge der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist daher nicht begründet.
Weiters bemängelt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde nicht auch einen Sachverständigenbeweis durchgeführt und nicht die näheren Gründe dargelegt habe, „warum sie den neuen Beweismitteln nicht folgt und ihnen keinen Glauben schenkt“.
Was vorerst die beiden Dienstgeberbestätigungen (in denen bescheinigt wrid, daß der Beschwerdeführer die Beschäftigung „wegen starker bzw. andauernder Schmerzen in den Beinen und Knien habe aufgegeben müssen“) und die Bestätigung des behandelnden Arztes betrifft, so muß darauf hingewiesen werden, daß diese Beweismittel bereits im Jänner 1965 ausgestellt wurden, während der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmenantrag erst am 4. Mai 1965, also lange nach Ablauf der in § 69 Abs. 2 AVG 1950 geforderten zweiwöchigen Frist gestellt hat. Schon aus diesem Grunde war die belangte Behörde nicht verpflichtet, sie bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen. Abgesehen davon waren der Behörde bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ähnliche Bestätigungen des gleichen behandelnden Arztes über frühere Behandlungen vorgelegen.
Der Beschwerdeführer stützt sein Wiederaufnahmebegehren vor allem auf die erwähnte „fachärztliche Stellungnahme“ vom 16. April 1965. Sie unterscheidet sich von den der belangten Behörde im rechtskräftigen abgeschlossenen Verfahren vorgelegenen und von ihr verwerteten medizinischen Beweismitteln im wesentlichen dadurch, daß sie die beim Beschwerdeführer bestehende Polyarthritis als sekundär-chronisch wertet, während die Behörde diese Gesundheitsschädigung als primär-chronisch beurteilt hatte. Des weiteren wird der sekundär-chronische Gelenksrheumatismus kausal auf die Dienstleistung zurückgeführt, während die belangte Behörde ein primär-chronische Polyarthritis als akausal beurteilt hätte. Nun ist der im Antrag über die Wiederaufnahme des Verfahrens angeführte Sachverständige deshalb zu einer anderen Beurteilung des chronischen Gelenksleidens gekommen, weil - wie er selbst ausführt - „bei der Einschätzung mehrere maßgeblich Fehler unterlaufen“ seien. Daraus ist zu ersehen, daß der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Verfahrens deswegen anstrebt, weil nach seiner, durch ein medizinisches Beweismittel unterbauten Ansicht des rechtskräftig abgeschlossene Verfahren mangelhaft gewesen sei. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens kann aber nicht wegen Mangelhaftigkeit des früheren Verfahrens stattfinden (siehe das Erkenntnis vom 7. Mai 1951, Slg. Nr. 2078/A). Auch könnte der Beschwerdeführer nicht einwenden, er habe im früheren Verfahren nicht Gelegenheit gehabt, seine Einwendungen gegen die medizinischen Beweisergebnisse vorzubringen (was - wie sich aus dem Erkenntnis vom 12. Februar 1951, Slg. Nr. 1922/A, ergibt - einen Wiederaufnahmegrund bilden könnte), weil er seinerzeit sogar zweimal Gelegenheit hatte, zu dem internistischen Sachverständigengutachten, das die Grundlage für den Bescheid bildete, Stellung zu nehmen. Hiebei hat er jedoch die besonderen - oben beschriebenen - Umstände, die nach seiner Ansicht einen Wiederaufnahmegrund darstellen, nicht angeführt.
Dazu kommt aber noch im besonderen, daß neue Tatsachen und Beweismittel nach § 69 Abs. 1 lit. b AVG 1950 nur dann einen Wiederaufnahmegrund bilden können, wenn sie im früheren Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Der Beschwerdeführer hat in seinem Wiederaufnahmeantrag nicht den geringsten Versuch unternommen, ein solches mangelndes Verschulden nachzuweisen. Vielmehr beschränkte er sich lediglich auf den Hinweis, die angeführten neuen Beweismittel seien „erst nachträglich neu hervorgekommen“.
Unter diesen Umständen hat die belangte Behörde nicht rechtswidrig gehandelt, wenn sie den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen hat. Hiebei erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die oben bereits wiedergegebenen beiden Verfahrensrügen, weil die belangte Behörde, selbst wenn ihr diese Mängel unterlaufen wären, zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch an die obsiegende belangte Behörde stützt sich auf die §§ 47 Abs. 1 und 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 sowie auf Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am 28. April 1966
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1966:1965001339.X00Im RIS seit
16.06.2021Zuletzt aktualisiert am
16.06.2021