TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/21 96/02/0609

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Veröffentlicht am 21.03.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

B-VG Art140 Abs7;
StVO 1960 §99 Abs6 litc idF 1960/159;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, in der Beschwerdesache des N in L, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 6. Juli 1994, Zl. 1-480/93/K2, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. Juli 1994 wurde der Beschwerdeführer unter anderem für schuldig befunden, am 15. August 1992 um 22.00 Uhr an einem näher bezeichneten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen zu haben. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a leg. cit. wurde über ihn eine Geldstrafe von S 16.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Tage) verhängt. Die Behörde ging dabei davon aus, daß der Beschwerdeführer um 22.00 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von 0,83 Promille aufgewiesen habe.

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 7. April 1993, GZ 23 EVr nn1/92, wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 15. August 1992 gegen 22.00 Uhr als Lenker eines PKW"s dadurch, daß er an einem näher bezeichneten Ort in alkoholisiertem Zustand unter Einhaltung einer überhöhten Geschwindigkeit von ca. 70 km/h bei Dunkelheit mit eingeschaltetem Standlicht infolge äußerst unaufmerksamer Fahrweise gegen einen ihm talauswärts am talseitigen Straßenrand entgegenkommenden, namentlich genannten Fußgänger gefahren sei, unter besonders gefährlichen Verhältnissen dessen Tod herbeigeführt. Er habe hiedurch das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach dem § 81 Z. 1 StGB begangen und werde hiefür nach § 81 StGB in Anwendung des § 43a Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten und einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen (im Falle der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde.

In den Entscheidungsgründen ging das Landesgericht Feldkirch davon aus, daß der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von mindestens 0,4 Promille aufgewiesen habe. Diese Alkoholbeeinträchtigung und die unaufmerksame Fahrweise im Verein mit dem Fahrverhalten des Beschuldigten begründeten jene qualifizierte Gefahrensituation, die für das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse für erforderlich erachtet würden. Hingegen sei von einer Verurteilung nach § 81 Z. 2 StGB abzusehen gewesen, weil der beim Beschuldigten vorgelegene Alkoholisierungsgrad nicht auf einen Rauschzustand schließen lasse, der eine Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle rechtfertige. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 24. Juni 1993, GZ 7 Bs n3/93 keine Folge.

Mit Beschluß vom 29. März 1996, Zl. A 21/96 (94/02/0374), stellte der Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdeverfahrens an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag, näher angeführte Bestimmungen des VStG bzw. der StVO als verfassungswidrig aufzuheben, sowie in eventu gemäß Art. 140 Abs. 3 B-VG festzustellen, daß § 99 Abs. 6 lit. c StVO in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle (BGBl. Nr. 518/1994) verfassungswidrig gewesen sei.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1996, Zlen. G 9/96 u.a., stellte der Verfassungsgerichtshof unter anderem fest, daß die Wortfolge "in Abs. 2, 3 oder 4 bezeichnete" in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, idF vor der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, verfassungswidrig gewesen sei.

Der Beschwerdefall bildet aufgrund des vorgenannten Antrages des Verwaltungsgerichtshofes einen Anlaßfall des vom Verfassungsgerichtshof durchgeführten Gesetzesprüfungsverfahrens (siehe unter anderem die Punkte I.1.2.4. sowie I.3.5. der Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus Art. 140 Abs. 7 B-VG ergibt sich, daß ein vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden ist. Das hat im vorliegenden Beschwerdefall zur Folge, daß die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auf dem Boden der durch das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bereinigten Rechtslage zu erfolgen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 1989, Zl. 87/11/0231). Durch die Feststellung, daß die oben zitierte Wortfolge in § 99 Abs. 6 lit. c der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, idF vor der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, verfassungswidrig gewesen sei, ist dem angefochtenen Bescheid die rechtliche Grundlage entzogen. Die unter Berücksichtigung der als verfassungwidrig festgestellten Wortfolge erfolgte Bestrafung des Beschwerdeführers erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Beschwerdeführer hat - nach Inkrafttreten der zuletzt genannten Verordnung - an Schriftsatzaufwand zwar weniger, zuzüglich der verzeichneten, aber nicht gesondert zuzusprechenden Umsatzsteuer, jedoch mehr als den nach der genannten Verordnung zulässigen Höchstbetrag begehrt. Es gebührt ihm daher Aufwandersatz in der verordneten Höhe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 96/08/0142 mwN). Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Umsatzsteuer, die neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht zuzuerkennen ist, sowie Stempelgebühren, weil der angefochtene Bescheid lediglich in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996020609.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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