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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/02/0265 E 21. März 1997 96/02/0266 E 21. März 1997 96/02/0267 E 21. März 1997 96/02/0268 E 21. März 1997 96/02/0269 E 21. März 1997 96/02/0270 E 21. März 1997 96/02/0271 E 21. März 1997 96/02/0280 E 21. März 1997 96/02/0281 E 21. März 1997 96/02/0282 E 21. März 1997 96/02/0283 E 21. März 1997Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der F in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wr. Neustadt, vom 13. Juli 1995, Zl. Senat-F-95-402, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Datum 13. Juli 1995 richtete die belangte Behörde an die Beschwerdeführerin einen Bescheid, dessen Spruch lautet wie folgt:
"I.
1.)
Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. §§ 67a Abs. 1 Z. 2, 67c Abs. 3, jeweils AVG, wird die BESCHWERDE vom 13.01.1995, ergänzt mit Schriftsatz vom 17.01.1995, betreffend die behauptete Rechtswidrigkeit der
a.
vom 04.-17.01.1995, 15.05 Uhr, nicht gestatteten formlosen Einreise in das Bundesgebiet gemäß § 6 Abs. 2 AsylG;
b.
versuchten zwangsweisen Beförderungen am 12. und 13.01.1995 als Folge der Zurückweisung von Wien nach Rom (Flughafen),
als UNBEGRÜNDET ABGEWIESEN.
2.)
Festgestellt wird, daß die angefochtenen, DURCH Organe der BPD Schwechat gegenüber dem Beschwerdeführer AUSGEÜBTEN AKTE verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich
a.
die Nichtgestattung der formlosen Einreise nach § 6 Abs. 2 AsylG vom 04.-17.01.1995, 15.05 Uhr;
b.
das im Zeitraum vom 04.-12.01.1995 bestehende Verbot, den Transitbereich des Flughafens Wien-Schwechat an der Grenzübertrittsstelle in das Landesinnere zu verlassen und solcherart einzureisen;
c.
die am 12.01.1995 gemäß § 32 Abs. 1, 2. Fall FrG erfolgte Zurückweisung einschließlich der Aufforderung zur unverzüglichen Ausreise;
d.
die gemäß § 33 Abs. 2 FrG getroffene Anordnung, sich zum Zwecke der Ausreise am 12.01.1995 ins Flugzeug der Al Italia, Kursflug AZ 257, Destination: Rom, Abflugzeit: 11.40 Uhr, zu begeben;
e.
die gemäß § 33 Abs. 2 FrG getroffene Anordnung, sich zum Zwecke der Ausreise am 13.01.1995 ins Flugzeug der Al Italia, Kursflug AZ 257, Destination: Rom, Abflugzeit: 11.40 Uhr, zu begeben,
rechtmäßig waren und die Beschwerdeführerin durch die genannten Maßnahmen IN KEINEM VERFASSUNGSGESETZLICH GEWÄHRLEISTETEN RECHT, insbesondere nicht im Recht auf persönliche Freiheit und im Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, VERLETZT worden ist.
II.
Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG i.V.m. §§ 67a Abs. 1 Z. 2„ 67c Abs. 3, jeweils AVG, und § 51 Abs. 1 FrG wird die BESCHWERDE vom 13.01.1995, ergänzt mit Schriftsatz vom 17.01.1995, betreffend die behauptete rechtswidrige Anhaltung der Beschwerdeführerin im Transitbereich des Flughafens Wien-Schwechat vom 04.-17.01.1995 ZURÜCKGEWIESEN.
III.
1.)
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 79a AVG die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten von S 3.837,-- binnen 14 Tagen ab Zustellung dieser Entscheidung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2.)
Gemäß § 79a AVG wird der Antrag der Beschwerdeführerin auf Kostenersatz als unbegründet abgewiesen."
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 27. Februar 1996, B 2728/95, ablehnte und sie in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat erwogen:
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihren weitwendigen Ausführungen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die von der belangten Behörde angewendeten Gesetzesbestimmungen vorträgt, genügt der Hinweis, daß der Verfassungsgerichtshof - wie sich aus dem oben zitierten Ablehnungsbeschluß ergibt - diese Bedenken offenbar nicht gehegt hat (vgl. zu einem analogen Fall das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1996, Zl. 95/02/0534). Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher auch nicht veranlaßt, der "Anregung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof" zu folgen.
Die Beschwerdeführerin behauptet Unzuständigkeit der belangten Behörde, weil diese im "zweiten Absatz" ihres Spruches (gemeint: in der Ziffer I. 2.) die "Rechtmäßigkeit" von Verwaltungsakten festgestellt habe. Nach § 67c Abs. 3 AVG sei es den unabhängigen Verwaltungssenates lediglich gestattet, angefochtene Verwaltungsakte "für rechtswidrig zu erklären, eine Beschwerde zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen".
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten, handelt es sich doch bei der von der Beschwerdeführerin gerügten Wortwahl lediglich um eine andere Umschreibung des Ausspruches, daß die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werde.
Das übrige Beschwerdevorbringen (abgesehen von den oben dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin) läßt sich dahin zusammenfassen, daß die belangte Behörde zu Unrecht die "Drittlandsicherheit" im Sinne der asylrechtlichen Bestimmungen angenommen habe.
Dazu ist zunächst auf die Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides in Ansehung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes zu verweisen, wonach die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, ihren Heimatstaat auf offiziellem Wege, mit gefälschtem Reisepaß, gemeinsam mit ihrem Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern in der Absicht verlassen habe, nach Holland zu reisen und dort Aufenthalt zu nehmen. Ihr Reiseweg habe sie, jeweils per Flugzeug, von Teheran über Dubai, wo sie eine Nacht in einem Hotel verbracht habe, und Rom (Landung: 7.40 Uhr, Abflug: 9.10 Uhr jeweils des 4. Jänner 1995) nach Wien geführt. Während ihrer (einschließlich Aussteigen vom und Einsteigen ins Flugzeug) 90-minütigen Anwesenheit in Italien habe sie sich im Transitraum des Flughafens Rom aufgehalten. Die Beschwerdeführerin habe, weil ihr Zielland Holland gewesen sei, in Italien absichtlich keinen Asylantrag gestellt und deshalb auch keinen Kontakt mit italienischen Behörden aufgenommen. Nach dem Eintreffen am Flughafen Wien-Schwechat, Transitbereich, habe der Ehegatte der Beschwerdeführerin seinen Familienreisepaß einem Schlepper mit dem Auftrag übergeben, die Vorbereitungen für die beabsichtigte Weiterreise nach Holland zu treffen. Der Schlepper sei mit dem Reisepaß verschwunden und zur Beschwerdeführerin bzw. deren Gatten nicht mehr zurückgekehrt. Nach einer mehrstündigen Wartezeit habe sich die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Familie bei der Grenzkontrollstelle am Flughafen Wien-Schwechat gemeldet. Im Zuge der von Beamten der Grenzkontrollstelle der Bundespolizeidirektion Schwechat am 4. Jänner 1995, 20.50 Uhr, durchgeführten Erstbefragung habe die Fremde ihre Absicht bekanntgegeben, in Österreich einen Asylantrag stellen zu wollen. Die Grenzkontrollorgane hätten der Beschwerdeführerin die Einreise deshalb nicht gestattet, weil die Fremde mangels Reisepasses und fehlender Direkteinreise aus dem behaupteten Verfolgerstaat Iran weder die im 2. Teil des Fremdengesetzes noch die im § 6 Abs. 2 Asylgesetz normierten Einreisevoraussetzungen erfüllt habe und hätten ihr ein Passieren des Grenzkontrollbereiches in Richtung des Landesinneren verweigert.
In der Folge führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter anderem "in rechtlicher Hinsicht" aus, die Beschwerdeführerin behaupte nicht einmal, daß für sie während des Transitaufenthaltes in Rom keine Möglichkeit zur Einbringung eines Asylantrages bestanden hätte, sondern habe erklärt, deshalb in Italien keinen Asylantrag gestellt zu haben, weil das von ihr beabsichtigte Zielland Holland gewesen sei. Selbst unter der Annahme, daß die Beschwerdeführerin im Iran tatsächlich einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt gewesen wäre, hätte für sie bereits in Italien Verfolgungssicherheit bestanden (in der Folge stellte die belangte Behörde ausführlich dar, weshalb sie von dieser Verfolgungsicherheit in Italien ausging).
Gemäß § 32 Abs. 1 Fremdengesetz sind Fremde bei der Grenzkontrolle am Betreten des Bundesgebietes zu hindern (Zurückweisung), wenn Zweifel an ihrer Identität bestehen, wenn sie der Paß- oder Sichtvermerkspflicht nicht genügen oder wenn ihnen die Benützung eines anderen Grenzüberganges vorgeschrieben wurde (§§ 9 und 24). Eine solche Zurückweisung hat zu unterbleiben, soweit dies einem Bundesgesetz, zwischenstaatlichen Vereinbarungen oder internationalen Gepflogenheiten entspricht.
Eine derartige (entsprechend dem zitierten zweiten Satz des § 32 Abs. 1 Fremdengesetz) bundesgesetzliche Regelung ist in § 6 Abs. 2 Asylgesetz zu erblicken, wonach den in § 6 Abs. 1 genannten Asylwerbern sowie Asylwerbern, die gemäß § 37 des Fremdengesetzes nicht zurückgewiesen werden dürfen, die Einreise, wenn sie nicht schon nach dem 2. Teil des Fremdengesetzes gestattet werden kann, "formlos zu gestatten" ist.
Nach § 6 Abs. 1 Asylgesetz ist ein Asylwerber, der direkt aus dem Staat kommt (Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention), in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen, weder wegen rechtswidriger Einreise noch rechtswidriger Anwesenheit im Bundesgebiet zu bestrafen.
Entscheidungswesentlich ist im Beschwerdefall allerdings die Vorschrift des § 32 Abs. 3 erster Satz Fremdengesetz, wonach das Grenzkontrollorgan nach Befragung des Fremden aufgrund des von diesem glaubhaft gemachten oder sonst bekannten Sachverhaltes zu entscheiden hat. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. Juli 1995, Zl. 95/02/0135, die Rechtsansicht vertreten, die Regelung, daß der Fremde den (abgesehen vom sonst bekannten) Sachverhalt "glaubhaft" zu machen habe, sei als "Beweislastverteilung" dahin zu verstehen, daß das Grenzkontrollorgan nicht zu Erhebungen verpflichtet werden könne, sondern der Fremde den für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt vorzubringen und glaubhaft zu machen habe. Der Fremde habe daher auf die Frage des Grenzkontrollorgans über den Zweck der beabsichtigten Einreise den entsprechenden Sachverhalt in einer solchen Form darzulegen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen, daß es ihm gelinge, einen Verdacht auf das Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes sofort an Ort und Stelle zu entkräften, andernfalls die Zurückweisung berechtigt sei.
Im Lichte dieser Rechtsprechung war die Zurückweisung der Beschwerdeführerin, die der Paß- und Sichtvermerkspflicht nicht genügte (vgl. § 32 Abs. 1 erster Satz Fremdengesetz), rechtmäßig, da jedenfalls der Verdacht, die Beschwerdeführerin sei nicht ein Asylwerber, der direkt aus dem Staat kommt, in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen (§ 6 Abs. 1 Asylgesetz), nicht (sofort) an Ort und Stelle entkräftet werden konnte. Ob der Beschwerdeführerin "schlußendlich" doch das formlose Passieren der Grenzkontrolle im Sinne des § 6 Abs. 2 Asylgesetz gestattet wurde, ist rechtlich ebenso unerheblich wie der Umstand, daß der Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen schließlich eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 1 leg. cit. gewährt worden sein soll.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Grundsätzliches zur Rechtmäßigkeit und zur RechtsverletzungsmöglichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996020264.X00Im RIS seit
25.01.2001