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KFGNorm
AVG §38Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des EF in W, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien I, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 21. April 1989, Zl. 420.601/5-IV/2/89, betreffend Abweisung des Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Mandatsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. Mai 1986 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend für die Dauer von 15 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides (am 26. Mai 1986) entzogen. Nach der Begründung des Bescheides habe der Beschwerdeführer am 8. Mai 1986 als Lenker eines Pkws in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden verschuldet und nach einem positiven Alkotest die klinische Untersuchung durch den Amtsarzt verweigert.
Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Vorstellung. Nachdem das Entziehungsverfahren zunächst gemäß § 38 AVG 1950 ausgesetzt gewesen war, gab die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 21. Mai 1987 der Vorstellung keine Folge, bestätigte die mit Mandatsbescheid vom 21. Mai 1986 getroffene Entscheidung und schloß gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung aus. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung.
Mit der Begründung, der Landeshauptmann von Wien habe über die Berufung bisher nicht entschieden, stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 24. Jänner 1989 den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung an den Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr. Dieser wies den Antrag mit Bescheid vom 21. April 1989 gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 in Verbindung mit § 75 Abs. 5 KFG 1967 ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Zufolge § 73 Abs. 2 AVG 1950 ist ein Verlangen nach Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die Oberbehörde abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Unterbehörde zurückzuführen ist.
Die belangte Behörde hat die Abweisung des Devolutionsantrages damit begründet, daß auf Grund des Vorfalles vom 8. Mai 1986 gegen den Beschwerdeführer ein Strafverfahren wegen Übertretung des § 5 Abs. 5 StVO 1960 anhängig sei. Die Frage, ob der Beschwerdeführer dieses Alkoholdelikt begangen habe, bilde eine Vorfrage für die Entscheidung im Verfahren betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung. Deshalb wäre der Landeshauptmann von Wien im Zusammenhang damit, daß das Verschulden des Beschwerdeführers am Verkehrsunfall auf Grund des Urteiles des Bezirksgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Jänner 1987 feststehe, zur Aussetzung des Verfahrens berechtigt gewesen. Dies schließe nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts eine schuldhafte Säumnis des Landeshauptmannes aus.
Der Beschwerdeführer stellt mit Recht nicht in Abrede, daß bei der Beurteilung seiner Verkehrszuverlässigkeit die Frage, ob er am 8. Mai 1986 eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 (§ 5 Abs. 5) StVO 1960 begangen hat, eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG 1950 bildet. Würde sie bejaht, so läge in Verbindung mit dem gleichfalls unbestritten festgestellten Verschulden des Beschwerdeführers am Verkehrsunfall vom 8. Mai 1986 eine seine Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967, und zwar sowohl in der Fassung der sublit. bb vor dem Inkrafttreten der 12. KFG-Novelle als auch in der Fassung der 12. KFG-Novelle, vor (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1988, Zl. 87/11/0260). Die belangte Behörde hat weiters zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach eine schuldhafte Verletzung der Entscheidungspflicht - auch wenn kein Aussetzungsbescheid erlassen wurde - nicht vorliegt, wenn die säumige Behörde gemäß § 38 zweiter Satz AVG 1950 zur Aussetzung des Verfahrens berechtigt wäre und die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet (vgl. neben dem in der Beschwerde angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1969, Slg. Nr. 7632/A, die Erkenntnisse vom 4. Dezember 1987, Zl. 87/11/0115, und vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0069).
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen diese Rechtsprechung. Er meint aber, sie beziehe sich nicht auf Verfahren nach Erlassung eines Mandatsbescheides. Der Beschwerdeführer ist damit nicht im Recht. Abgesehen davon, daß sämtliche der vorhin erwähnten Erkenntnisse Fälle von Entziehungsmaßnahmen auf Grund eines Mandatsbescheides betreffen und im vorliegenden Fall bereits ein Vorstellungsbescheid ergangen ist, ist es für die Berechtigung zum Zuwarten auf die Entscheidung über die Vorfrage durch die darüber als Hauptfrage erkennende (Straf)Behörde ohne Belang, in welchem Stadium sich das Entziehungsverfahren befindet.
Zu seinem Vorbringen, in derartigen Fällen stehe das Abwarten des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens (gemeint: des Strafverfahrens) „im Widerspruch mit dem Gesetzesziel des § 75 Abs. 5 KFG 1967“, ist der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1987, Zl. 87/11/0053, hinzuweisen. Dort hat sich der Gerichtshof mit einem vergleichbaren Vorbringen ausführlich auseinandergesetzt und es als nicht berechtigt erachtet, dies auch in Ansehung des Umstandes, daß eine mit Mandatsbescheid unter Umständen zu Unrecht verfügte Entziehungsmaßnahme deshalb ungebührlich lange aufrecht bleibt, weil das Verwaltungsstrafverfahren keinen (der Sache nach möglichen) raschen Abschluß findet. Für den Beschwerdeführer ist im gegebenen Zusammenhang insbesondere auch mit dem Hinweis auf § 51 Abs. 5 VStG 1950 nichts zu gewinnen. Es ist zwar dann, wenn ein Strafverfahren nach dieser Gesetzesstelle einzustellen ist, eine Entscheidung der Vorfrage durch die Strafbehörde rechtlich ausgeschlossen. Damit endet notwendig die Berechtigung der Entziehungsbehörde, den Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten; ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung hätte schuldhafte Säumigkeit der Entziehungsbehörde zur Folge. Ein derartiger Fall liegt aber nach der Aktenlage hier nicht vor.
Daß die Erstbehörde, nachdem sie das Verfahren zunächst mit Bescheid vom 5. August 1986 gemäß § 38 AVG 1950 ausgesetzt hatte, in der Folge die Vorfrage mit dem Vorstellungsbescheid vom 21. Mai 1987 selbst löste, hinderte den Landeshauptmann als Berufungsbehörde mangels entgegenstehender Bestimmungen nicht an der Aussetzung des Entziehungsverfahrens (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1987, Zl. 87/11/0138) bzw. -wie hier geschehen - daran, den Ausgang des Verwaltungsstrafverfahrens formlos abzuwarten.
Der Einwand, es sei jedenfalls „nach der Beendigung des Ermittlungsverfahrens“ (gemeint: des Strafverfahrens) „mit Bescheid des Wiener Landeshauptmannes“ (richtig: der Wiener Landesregierung) vom 30. März 1988 die Entscheidungspflicht für den Landeshauptmann gegeben gewesen, ist schon deshalb nicht berechtigt, weil das Verwaltungsstrafverfahren mit diesem Bescheid nicht beendet wurde. Vielmehr wurde damit das erstinstanzliche Straferkenntnis wegen Anführung einer Tatzeit und eines Tatortes, die nach der Anzeige und dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht kamen, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 24 VStG 1950) aufgehoben. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, daß - im Gegensatz zu den den hg. Erkenntnissen vom 12. Februar 1986, Zl. 85/11/0239, und vom 4. Juli 1989, Zl. 89/11/0069, zu Grunde liegenden Fällen - im vorliegenden Fall der vermeintlich säumigen Entziehungsbehörde (Landeshauptmann von Wien) nach der Aktenlage mangels eigener Ermittlungen über die Vorfrage insoweit keinerlei Ermittlungsergebnisse vorlagen. Damit fehlte es hier an einer wesentlichen Voraussetzung für das vom Verwaltungsgerichtshof in den bezeichneten Erkenntnissen angenommene Überwiegen des Interesses an der raschen Beendigung des Entziehungsverfahrens gegenüber dem Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie. Es kann daher dem Landeshauptmann von Wien auch nicht als Verschulden angelastet werden, daß er ungeachtet der langen Dauer des Verwaltungsstrafverfahrens und der zweimaligen Behebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses weiterhin die Entscheidung der Vorfrage durch die zuständige Strafbehörde abgewartet hat. Der Landeshauptmann konnte nach der Aktenlage davon ausgehen, daß die Strafbehörde auf Grund ihrer Vertrautheit mit der Sache eher als er selbst zu einer Entscheidung der Vorfrage gelangen werde.
Der Umstand, daß nach der Aktenlage das Verwaltungsstrafverfahren nach Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr weitergeführt wurde und schließlich Verjährung gemäß § 31 Abs. 3 VStG 1950 eintrat, hat - weil es sich hiebei um einen später eingetretenen Sachverhalt handelt - bei der Beurteilung des angefochtenen Bescheides außer Betracht zu bleiben.
Da sich die Beschwerde zur Gänze als nicht berechtigt erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Zuspruch des begehrten Aufwandersatzes stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.
Wien, am 28. November 1989
Schlagworte
Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1989110150.X00Im RIS seit
15.06.2021Zuletzt aktualisiert am
15.06.2021