TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/21 96/02/0027

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Veröffentlicht am 21.03.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §1 Z1;
AAV §1 Z2 lita;
AAV §1 Z2 litb;
AAV §13 Abs2;
AAV §8 Abs1;
AAV §97 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AVG §38;
AVG §59;
B-VG Art131;
B-VG Art144 Abs1;
VStG §22 Abs1;
VStG §22;
VStG §30;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §44a;
VStG §5 Abs1;
VStG §51c;
VStG §6;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/02/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wr. Neustadt, 1. vom 7. Dezember 1995, Zl. Senat-BN-94-496, sowie 2. vom 11. Dezember 1995, Zl. Senat-BN-94-494, betreffend Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter des Arbeitgebers, einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft, zu verantworten, daß am 28. Jänner 1994 1. im Archiv einer näher genannten Filiale, welches als Büro benutzt werde, keine ins Freie führenden Lichteintrittsflächen gemäß den gesetzlichen Vorschriften des § 8 Abs. 1 AAV (Bescheid vom 7. Dezember 1995), sowie 2. in dem als Büro genützten Archiv kein wirksamer Lüftungsquerschnitt gemäß der zwingenden Norm des § 13 Abs. 2 AAV vorhanden gewesen seien (Bescheid vom 11. Dezember 1995). Über den Beschwerdeführer wurden deshalb gemäß § 31 Abs. 2 lit. p ANSchG Geldstrafen in der Höhe von S 20.000,-- (Bescheid vom 7. Dezember 1995) und S 5.000,-- (Bescheid vom 11. Dezember 1995) sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bringt vor, bei den ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen handle es sich nicht um Dauerdelikte, weshalb in Anbetracht der von ihm behaupteten Kenntnis der Behörde erster Instanz von den Verwaltungsübertretungen seit 17. Jänner 1989 sowohl Verfolgungs- als auch Strafbarkeitsverjährung eingetreten seien. Dem ist entgegenzuhalten, daß es sich bei den beiden dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten jeweils um ein Dauerdelikt handelt. Bei diesem ist nicht nur die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert; die Tat wird so lange begangen, als der verpönte Zustand dauert. Die Festlegung der Tatzeit mit jenem Zeitpunkt, zu dem die Tat entdeckt wurde, ist demnach nicht rechtswidrig (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1993, Zl. 92/18/0427).

Wenn der Beschwerdeführer weiters ausführt, die belangte Behörde werde dem Erfordernis des § 44a VStG nicht gerecht, weil in keiner Weise konkretisiert werde, was er zu tun oder zu unterlassen gehabt hätte, damit am 28. Jänner 1994, dem als Tatzeitpunkt festgelegten Tag, ein "bestimmter" Zustand hätte eingehalten werden können, verkennt er die Rechtslage. Die oben zitierte Formulierung im Spruch des Straferkenntnisses enthält alle wesentlichen Tatbestandselemente der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Straftaten; eine darüberhinausgehende Verpflichtung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer im Spruch des angefochtenen Bescheides auch die Vorgangsweise zur Behebung der vorhandenen baulichen Mängel "vorzuschlagen", läßt sich dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG nicht entnehmen.

Aber auch die Ansicht des Beschwerdeführers, der als "Archiv" bezeichnete Raum sei kein Arbeitsraum bzw. keine ständiger Arbeitsplatz im Sinne der AAV, erweist sich als unzutreffend. Nach der hg. Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Frage, ob ein Raum als Arbeitsraum zu qualifizieren ist, alle in dem betreffenden Raum vorgenommenen Arbeiten zu berücksichtigen. Wird daher - wie im vorliegenden Fall - der "Archiv"-raum täglich durchschnittlich etwa eine Stunde benützt, wobei Bestellungen an die Zentrale weitergegeben, Belege eingeordnet oder Telefongespräche geführt werden, ist die Ansicht gerechtfertigt, daß in dem betreffenden Büroraum ein ständiger Arbeitsplatz im Sinne des § 1 Z. 2 lit. a AAV eingerichtet sei, weil es nach dieser Verordnungsstelle nur auf die häufige Beschäftigung von Arbeitnehmern, nämlich an 30 oder mehr Tagen im Jahr, nicht aber - wie im Falle des ständigen Arbeitsplatzes nach § 1 Z. 2 lit. b AAV - auf die regelmäßige Dauer der täglichen Beschäftigung ankommt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 91/19/0119).

Wenn der Beschwerdeführer meint, es treffe ihn kein Verschulden an den rechtswidrigen Beleuchtungs- und Belüftungsverhältnissen des in Rede stehenden Arbeitsraumes, weil er bereits vor langer Zeit einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung gemäß § 97 AAV gestellt habe und die Behörde seit längerem über die Beleuchtungs- und Belüftungsverhältnisse des Arbeitsraumes Bescheid wisse, ist er darauf zu verweisen, daß weder die Stellung eines Antrages auf Zulassung von Abweichungen von der Vorschrift des § 8 Abs. 1 AAV zu bewirken vermag, daß den Arbeitgeber an der Aufrechterhaltung des dieser Norm nicht entsprechenden Zustandes in seinem Geschäftslokal kein Verschulden trifft, noch daß die Stellung eines Antrages im Grunde des § 97 Abs. 2 AAV für sich allein den rechtswidrigen Zustand zu einem rechtmäßigen werden läßt (vgl. hiezu das bereits zitierte Erkenntnis vom 4. Februar 1993, Zl. 92/18/0427).

Der Beschwerdeführer erblickt schließlich einen Verfahrensmangel darin, daß die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen durch die Behörde erster Instanz zwar in einem einheitlichen Bescheid erledigt worden seien, die belangte Behörde jedoch aus Anlaß der Erledigung seiner Berufung diesen einheitlichen Bescheid "in zwei Teile zerlegt" habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich, auch wenn über mehrere Übertretungen in einer gemeinsamen Bescheidausfertigung abgesprochen wird, um mehrere Bescheide, die über verschiedene Taten - also über verschiedene Sachen - absprechen, wobei allerdings auch eine gemeinsame Bescheidausfertigung zulässig ist (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse jeweils vom 27. Jänner 1993, Zlen. 92/03/0017, 0018, sowie Zl. 92/03/0268). Wenn in einer Erledigung wegen mehrerer Delikte Strafen verhängt werden, die teilweise unter teilweise über S 10.000,-- liegen, ist daher davon auszugehen, daß es sich in Wahrheit um mehrere Bescheide handelt, die rechtlich voneinander zu unterscheiden sind. Hinsichtlich jener Teilbescheide, bei denen die Strafe mehr als S 10.000,-- beträgt, besteht damit die Kompetenz der Kammer, für jene Bescheide bei denen die Strafe darunterliegt, die Kompetenz des Einzelmitgliedes (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1993, Zl. 92/03/0268). Es kann daher keine Rechtsverletzung darin gesehen werden, wenn die belangte Behörde die angefochtenen (Teil)Bescheide in Beachtung der dargestellten Regeln über die Zusammensetzung der Berufungsbehörde erlassen hat.

Der Beschwerdeführer sieht in der Folge einen weiteren Verfahrensmangel darin, daß die belangte Behörde es trotz Aufforderung unterlassen habe, das Verfahren über die Berufung bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über einen bei diesem anhängigen, inhaltlich gleichgelagerten Fall mit denselben Vorwürfen auszusetzen. Dem ist ebenfalls die hg. Rechtsprechung entgegenzuhalten, wonach eine anhängige Beschwerde bei einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts für die Behörde keine Vorfragenproblematik begründet. Davon abgesehen ermächtigt § 38 AVG die Behörde zur Aussetzung eines Verfahrens unter bestimmten Voraussetzungen, verpflichtet sie jedoch nicht dazu, weshalb ein Rechtsanspruch einer Partei auf eine Aussetzung des Verfahrens aus § 38 AVG nicht abzuleiten ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. August 1994, Zl. 94/05/0094).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, von der Vorschrift des § 21 Abs. 1 VStG Gebrauch zu machen. Eine Anwendung dieser Bestimmung kommt nur in Frage, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1992, Zl. 92/02/0167). Daß diese Voraussetzung im Beschwerdefall vorläge, ist allerdings nicht erkennbar.

Auf das unsubstantiiert gebliebene weitere Beschwerdevorbringen, die verhängte Strafe sei als weit überhöht anzusehen, vermag der Verwaltungsgerichtshof deshalb nicht einzugehen, weil der Beschwerdeführer begründete Einwendungen zu den von der belangten Behörde bei der Strafbemessung angestellten Erwägungen zu erstatten unterläßt. Die belangte Behörde hat ausführlich und ins einzelne begründet, weshalb sie die von der Erstbehörde verhängte(n) Strafe(n) als angemessen erachte. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die belangte Behörde insoweit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hätte.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Dauerdelikt Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Arbeitsrecht Arbeiterschutz Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Spruch der Berufungsbehörde (siehe auch AVG §66 Abs4 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996020027.X00

Im RIS seit

13.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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