TE Vwgh Beschluss 2021/2/11 Ra 2021/18/0033

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Veröffentlicht am 11.02.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/18/0034

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. N F (alias F), und 2. S N, beide vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 17. September 2020, W242 2215481-1/31E (zu 1.) und W242 2224866-1/16E (zu 2.), betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die revisionswerbenden Parteien sind iranische Staatsangehörige aus Teheran; die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des Zweitrevisionswerbers.

2        Sie beantragten am 7. November 2018 (ad 1.) und am 29. Juli 2019 (ad 2.) internationalen Schutz, den sie im Wesentlichen damit begründeten, aufgrund von christlichen Aktivitäten des Zweitrevisionswerbers im Iran gefährdet gewesen zu sein. Mittlerweile seien beide revisionswerbenden Parteien zum Christentum konvertiert.

3        Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz in Bestätigung entsprechender Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl ab, erteilte keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ Rückkehrentscheidungen, stellte fest, dass die Abschiebung der revisionswerbenden Parteien in den Iran zulässig sei, und legte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

4        Gegen diese Erkenntnisse erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit dg. Beschluss vom 26. November 2020, E 3786-3787/2020-7, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.

5        In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst vorgebracht, die revisionswerbenden Parteien hätten den Iran aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen. Sie hätten an Protesten gegen die Regierung teilgenommen. Der Ehemann der Erstrevisionswerberin bzw. der Vater des Zweitrevisionswerbers sei aufgrund seiner regierungskritischen Aktivitäten entführt worden, sein Aufenthalt sei seit vielen Jahren unbekannt. Die revisionswerbenden Parteien hätten in ihrem Heimatland eine Abneigung gegen den Islam entwickelt, diesem Glauben den Rücken gekehrt und sich dem Christentum zugewandt. In Österreich hätten sie ihre christliche Lebensweise verinnerlicht und seien zum Christentum konvertiert. Sie seien getauft und Mitglieder der Christlichen Internationalen Gemeinde, die zum Bund „Freie Christengemeinde - Pfingstgemeinde“ gehöre und eine staatlich anerkannte Freikirche sei. Die revisionswerbenden Parteien seien auch in sozialen Medien islam-kritisch aktiv. Im Falle einer Rückkehr drohe ihnen daher asylrelevante Verfolgung aus religiösen bzw. politischen Gründen.

6        Zur Zulässigkeit macht die Revision zusammengefasst geltend, den revisionswerbenden Parteien sei in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht die Gelegenheit gegeben worden, ausreichende Angaben zu ihrer Bedrohung wegen der politischen Aktivitäten des Ehemanns/Vaters zu machen. Das Verwaltungsgericht hätte sich bei korrekter Vorgangsweise mit dem Fluchtvorbringen auseinandersetzen und amtswegige Ermittlungen im Iran tätigen müssen. Zu Unrecht sei das BVwG von einer bloßen Scheinkonversion der revisionswerbenden Parteien ausgegangen; eine nachvollziehbare Begründung sei es für diese Beweiswürdigung schuldig geblieben.

7        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

8        Die vorliegende Revision entfernt sich von jenem Sachverhalt, den das BVwG als glaubhaft beurteilt hat. So hat das Verwaltungsgericht weder dem Vorbringen zu regimekritischen Aktivitäten der Familienmitglieder, noch der angegebenen ernsthaften Zuwendung der revisionswerbenden Parteien zur christlichen Religion Glauben geschenkt. Ausgehend davon hat es für den Fall der Rückkehr der revisionswerbenden Parteien in den Iran weder eine Verfolgungsgefahr aus politischen noch aus religiösen Gründen angenommen.

9        Wenn die Revision geltend macht, den revisionswerbenden Parteien sei in der mündlichen Verhandlung keine Gelegenheit gegeben worden, ihr Fluchtvorbringen (zur Verfolgungsgefahr aus politischen Gründen) näher darzulegen, widerspricht diese Behauptung den vorgelegten Verhandlungsprotokollen, denen zufolge die revisionswerbenden Parteien in offener und teilweise auch gezielter Fragestellung (im Zusammenhang mit möglichen politischen Verfolgungsgründen) zu den relevanten Themenbereichen befragt wurden.

10       Auch das Revisionsvorbringen, das BVwG sei eine nachvollziehbare Begründung für seine Beweiswürdigung zur - nicht geglaubten - ernsthaften Konversion schuldig geblieben, trifft nicht zu.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung der betroffenen Person an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers oder der Asylwerberin zu seinen oder ihren religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Wesentlich ist dabei, ob der oder die Fremde bei weiterer Ausübung seines oder ihres (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner oder ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund verfolgt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten oder der Konvertitin sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. dazu etwa VwGH 14.9.2020, Ra 2020/18/0357, mwN).

12       Das BVwG hat sich mit den Beweisergebnissen zur behaupteten ernsthaften Konversion ausführlich auseinandergesetzt und eine (nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes) vertretbare Beweiswürdigung vorgenommen, aufgrund derer es zur Annahme einer bloßen Scheinkonversion gekommen ist. Dem hält die Revision einige für die Glaubwürdigkeit der revisionswerbenden Parteien sprechenden Umstände entgegen, die jedoch in der Begründung der angefochtenen Entscheidungen behandelt wurden und hinsichtlich derer das BVwG zumindest schlüssig dargelegt hat, weshalb es zu einer gegenteiligen Beweiswürdigung gelangt ist.

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Februar 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180033.L01

Im RIS seit

15.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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