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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. August 1995, Zl. 107.502/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, dessen Wiedereinreisesichtvermerk am 30. Juli 1993 abgelaufen war, beantragte am 14. Juni 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Seinem Antrag legte er einen Nachweis über die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin am 18. März 1993 und eine Kopie eines ihm am 24. März 1993 vom Arbeitsamt Bau-Holz ausgestellten Befreiungsscheines (gültig bis 23. März 1998) sowie einen Dienstzettel eines Raumausstatters, demzufolge er seit 19. Mai 1994 als Maler und Anstreicher beschäftigt sei, bei.
Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 2. September 1994 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab, weil der Antrag nicht vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt worden sei.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß ihm ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei und der Landeshauptmann von Wien überdies dem § 6 Abs. 2 AufG einen falschen Inhalt unterstellt habe. Außerdem wurde das Fehlen eines dem Bescheid vorangegangenen Ermittlungsverfahrens gerügt.
Die Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 11. August 1995, zugestellt am 16. August 1995, gemäß § 5 Abs. 1 AufG i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Nach kurzer Wiedergabe der §§ 5 Abs. 1 AufG und 10 Abs. 1 Z. 4 FrG wird im Bescheid folgendes ausgeführt:
"Nach der auch auf Ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage waren Sie bis zum 30.07.1993 im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes. Seither halten Sie sich gem. § 6 i.V.m.
§ 15 FrG illegal in Österreich auf. Der Aufenthalt im Bundesgebiet wurde durch die von Ihnen selbst dem Antrag beigeschlossene Arbeitsbestätigung nachgewiesen.
Damit liegt ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vor und kann Ihnen daher auch keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Die öffentlichen Interessen überwiegen daher Ihre privaten Interessen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht darin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Aufgrund der Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin sei ihm ein Befreiungsschein ausgestellt worden, weshalb der Beschwerdeführer rechtmäßig einer geregelten Beschäftigung nachgegangen sei. Es sei ihm nicht erkennbar, daß er trotz Ausstellung eines Befreiungsscheines nicht berechtigt gewesen wäre, eine Beschäftigung tatsächlich auszuüben. Wenn der Beschwerdeführer aufgrund der Heiratsurkunde und seines Befreiungsscheines berufstätig sei, werde dadurch die "öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit" der Republik Österreich nicht verletzt. Der Beschwerdeführer vertritt überdies die Auffassung, daß die belangte Behörde bei erstmaliger Heranziehung des Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ein entsprechendes Ermittlungsverfahren hätte durchführen müssen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:
Die von der belangten Behörde im Spruch ihres Bescheides genannten §§ 5 Abs. 1 AufG und 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lauten (auszugsweise):
§ 5 Abs. 1 AufG i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 351/1995:
"(1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht klar hervor, daß die Versagung der Aufenthaltsbewilligung darauf gestützt wurde, daß der Beschwerdeführer Österreich nach Ablauf seines Sichtvermerkes am 30. Juli 1993 nicht verlassen und sich somit seither, somit auch zum Zeitpunkt seiner Antragstellung, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Dieser Umstand rechtfertigt aber für sich alleine noch nicht die Annahme, daß der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. November 1993, Zl. 93/18/0348, und vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0907), zumal auch nach dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für eine subjektive, darauf gerichtete Verhaltensweise des Beschwerdeführers erkennbar ist.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon aus diesem Grund als rechtswidrig.
An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn man annähme, daß die belangte Behörde mit ihrem Hinweis darauf, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland durch die von ihm selbst dem Antrag beigeschlossene Arbeitsbestätigung nachgewiesen worden sei, zum Ausdruck bringen wollte, daß der Beschwerdeführer unrechtmäßig einer Beschäftigung nachgegangen sei und aus diesem Grund den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht habe. Aus § 3 Abs. 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) ergibt sich nämlich, daß ein Ausländer eine Beschäftigung ausüben darf, wenn er einen Befreiungsschein für diese Beschäftigung besitzt. Ein solcher Befreiungsschein durfte dem Beschwerdeführer aber nach § 15 Abs. 1 Z. 2 AuslBG i.d.F. vor der Novelle BGBl. Nr. 475/1992, die gemäß § 34 Abs. 5 AuslBG am 1. Jänner 1994 (Inkrafttreten des EWR-Abkommens) in Kraft getreten ist, auch unmittelbar nach seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin erteilt werden. Eine Unrechtmäßigkeit der ausgeübten Beschäftigung läge daher auch bei der erwähnten Deutung der Bescheidbegründung nicht vor.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191048.X00Im RIS seit
02.05.2001