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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 idF 1995/351 §6 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. November 1995, Zl. 109.028/5-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, der schon mehrere Aufenthaltsbewilligungen, jeweils zu privaten Zwecken, erteilt worden waren, stellte am 11. Mai 1995 einen weiteren Verlängerungsantrag hinsichtlich einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Als Aufenthaltszweck gab die Beschwerdeführerin den des privaten Aufenthaltes an und erläuterte dazu, daß sich wieder ihr Schwager für sie verbürge und sie seit über drei Jahren in Österreich lebe.
Dem Antrag war eine entsprechende "Verpflichtungserklärung" ihres Schwagers beigelegt.
Aus einer Niederschrift der Behörde erster Instanz vom 2. Juni 1995, die mit der Beschwerdeführerin aufgenommen wurde, geht hervor, daß diese seit 1991 in Österreich lebt. Sie sei - laut Niederschrift - nach Österreich gekommen, weil sie in der Türkei keine Arbeit finden konnte und sie in Österreich viele Verwandte habe. Sie wohne bei ihrem Bruder, ihr Schwager komme für ihren Lebensunterhalt auf. Wörtlich lautet die Niederschrift vom 2. Juni 1995 sodann:
"Die Ast (gemeint: Antragstellerin) gibt an, sich in den letzten drei Jahren zweimal um eine Beschäftigungsbewilligung bemüht zu haben, aber vom Arbeitsmarktservice abgelehnt worden zu sein. Die Ast gibt an, daß sie sich weiter um Arbeit in Österreich bemühen will. Die Ast stimmt einer Anfrage beim Arbeitsmarktservice bezüglich der Beschäftigungsmöglichkeit als Bedienerin zu und daß danach nach Aktenlage entschieden wird."
Die Behörde erster Instanz stellte daraufhin eine Anfrage gemäß § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) an die zuständige Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice. Mit formularmäßiger Erledigung vom 9. Juni 1995 wurde die Unbedenklichkeit für die Berufsgruppe H 28 nicht bestätigt.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Juni 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 AufG im Hinblick auf § 5 Abs. 2 AufG abgewiesen. Als Begründung wurde auf die - bindende - Mitteilung der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hingewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und bestritt, jemals als Aufenthaltszweck die unselbständige Beschäftigung als Bedienerin angegeben zu haben. Die Beschwerdeführerin beabsichtige keinerlei Arbeitsaufnahme im Bundesgebiet Österreich; sie wolle lediglich privat aufhältig sein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. November 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 5 AufG abgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Unbedenklichkeit für die von der Beschwerdeführerin angestrebte unselbständige Beschäftigung nicht bestätigt, woraus sich für die Behörde "der Umstand ergab, aus diesem Grunde ihren Antrag abzulehnen". Die Beschwerdeführerin habe anläßlich der Niederschrift vom 2. Juni 1995 einer neuerlichen Anfrage beim zuständigen Arbeitsmarktservice bezüglich der Beschäftigungsaufnahme als Bedienerin zugestimmt, wobei sie darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, daß auf Grundlage der Anfrage entschieden werde. Gemäß § 2 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) würde die Beschwerdeführerin zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit eine Berechtigung nach diesem Bundesgesetz benötigen. Da sie weder über eine gültige Sicherungsbescheinigung, Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis oder Befreiungsschein verfüge noch eine Mitteilung des Arbeitsmarktservice im Sinne des § 5 Abs. 4 AufG vorliege, sei ihr Aufenthaltszweck auf Grund der tatsächlichen Arbeitsmarktsituation verfehlt gewesen. Somit stehe fest, daß sie nicht berechtigt sei, sich zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Österreich aufzuhalten.
Die Beurteilung der Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes sei von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice "mit ausreichender Determination und Nachvollziehbarkeit" vorgenommen worden; dabei sei ein ordnungsgemäßes Verfahren, welches das AuslBG dafür vorsehe, durchgeführt worden, "sodaß kein Zweifel an der Tatsache, daß der Arbeitsmarkt" für den "angestrebten Beruf nicht aufnahmefähig" sei, bestehe. Da die Beschwerdeführerin nicht zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sei, sei der Schluß, daß sie über keine ausreichenden eigenen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verfüge, nicht unzulässig. Es sei daher den öffentlichen Interessen, dabei insbesondere dem wirtschaftlichen Wohl des Staates Österreich, gegenüber ihren privaten Interessen der Vorzug einzuräumen, zumal das Gesamtkonzept des AufG dem Schutz eines geordneten Arbeitsmarktes, wie aus § 2 AufG ersichtlich, diene.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im gegenständlichen Fall war auf Grund der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 28. November 1995 das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden. § 6 Abs. 1 AufG in der Fassung der zitierten Novelle lautet:
"§ 6. (1) Außer in den Fällen des § 7 Abs. 1 werden die Bewilligung und deren Verlängerung auf Antrag erteilt. In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Der Antragsteller kann den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern.
......."
In dem dem Verfahren zugrundeliegenden Verlängerungsantrag vom 11. Mai 1995 nannte die Beschwerdeführerin einen einzigen Aufenthaltszweck, nämlich den des privaten Aufenthaltes. Erst bei der von der Behörde erster Instanz durchgeführten Vernehmung der Beschwerdeführerin am 2. Juni 1995 gab die Antragstellerin an, daß sie sich um Arbeit in Österreich bemühen wolle und stimmte einer Anfrage beim Arbeitsmarktservice bezüglich der Beschäftigungsmöglichkeit als Bedienerin zu. Im weiteren Verfahrensverlauf gingen die Behörden davon aus, daß die Beschwerdeführerin den Aufenthaltszweck der unselbständigen Beschäftigung als Bedienerin anstreben würde und stützten ihre abweisenden Entscheidungen darauf, daß diesbezüglich die Unbedenklichkeit nicht bestätigt worden war.
Die belangte Behörde hat dabei offenbar übersehen, daß zum Zeitpunkt der von ihr zugrundegelegten Änderung des Aufenthaltszweckes auf "unselbständige Erwerbstätigkeit" (2. Juni 1995) bereits § 6 Abs. 1 AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 in Kraft getreten war
(20. Mai 1995). Nach dem letzten Satz der zitierten Bestimmung ist aber eine Änderung des Aufenthaltszweckes nicht (mehr) zulässig, wobei es auf das zum Zeitpunkt der Vornahme dieser Prozeßhandlung geltende Recht ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1837).
In der Erklärung der Beschwerdeführerin, "sie wolle sich weiter um Arbeit bemühen", ist keine Änderung des ursprünglichen Aufenthaltszwecks, die in der ausdrücklichen Erklärung des Entfalls des ursprünglichen Zweckes unter Angabe eines neuen Zweckes bestehen müßte, zu erblicken. Einer gemäß § 6 Abs. 1 letzter Satz AufG in der zitierten Fassung unzulässigen Änderung des Aufenthaltszweckes gleichzuhalten ist die Hinzufügung eines weiteren Aufenthaltszweckes während des Verfahrens. Dieser unzulässigerweise hinzugefügte weitere Aufenthaltszweck kann daher angesichts des nach wie vor aufrechten ursprünglichen Aufenthaltszweckes nicht als alleinige Grundlage für die behördliche Entscheidung herangezogen werden.
Die belangte Behörde hätte daher vom ursprünglichen Aufenthaltszweck "privater Aufenthalt" auszugehen gehabt. Da sie dies verkannt hat und zu Unrecht von der Anwendbarkeit des § 5 Abs. 2 AufG in diesem Zusammenhang ausgegangen ist, erweist sich auch die auf § 5 Abs. 1 AufG gestützte Begründung, daß die Beschwerdeführerin auf Grund der fehlenden Berechtigung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit über keine ausreichenden eigenen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes verfüge, als unzutreffend. Angemerkt wird, daß die belangte Behörde - ausgehend vom Aufenthaltszweck "privater Aufenthalt" - insoweit die "Verpflichtungserklärung" des Schwagers der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen haben wird.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß selbst bei Zulässigkeit einer Änderung des Aufenthaltszwecks das durchgeführte Verfahren aus den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2159, dargelegten Gründen mangelhaft geblieben wäre.
Der Bescheid der belangten Behörde war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996190089.X00Im RIS seit
11.07.2001