TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/24 95/19/1093

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Veröffentlicht am 24.03.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. November 1994, Zl. 103.893/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. November 1994 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 21. Juni 1995, B 24/95-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.

Dieser hat über die - ergänzte - Beschwerde erwogen:

Die belangte Behörde ging von folgenden strafgerichtlichen

Verurteilungen aus:

"1.) Strafbezirksgericht Wien, AZ 10 U NNN7/92; rechtskräftiges Urteil vom 28.3.1992 wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von S 900,--; vollzogen am 9.11.1992;

2.) Bezirksgericht Innere Stadt, AZ 14 U N3/93; rechtskräftiges Urteil vom 21.6.1993 wegen § 134 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von S 4.500,--; vollzogen am 10.8.1993;

3.) Bezirksgericht Hernals, AZ 10 U NX8/93; rechtskräftige Strafverfügung vom 20.12.1993 wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von S 2.000,--; die Strafe wurde bis dato nicht vollzogen."

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden unter anderem dann nicht erteilt werden, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Die belangte Behörde ist zutreffend - und insoweit von der Beschwerdeführerin auch nicht bekämpft - davon ausgegangen, daß das in den wiedergegebenen strafgerichtlichen Verurteilungen zum Ausdruck gebrachte Verhalten der Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklicht und somit gemäß § 5 Abs. 1 AufG der Beschwerdeführerin keine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen wäre (vgl. etwa zum Delikt der Körperverletzung das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0177).

Unbeschadet dessen ist der Beschwerde Erfolg beschieden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die belangte Behörde bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auf die privaten und familiären Interessen des Fremden Bedacht zu nehmen, und zwar derart, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1950). Auf der unzureichenden Interessenabwägung in diesem Sinne liegt das Schwergewicht der Beschwerdeausführungen.

Die Beschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang vor, daß sie sich seit 1975 überwiegend im Bundesgebiet aufhalte; zuletzt sei ihr ein Sichtvermerk vom 28. Juli 1992 bis zum 2. Februar 1994 erteilt worden. Ihrer am 8. Jänner 1990 geborenen und in Österreich lebenden Tochter sei zuletzt mit Bescheid vom 11. Oktober 1995 eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden. Sie, die Beschwerdeführerin, sei im Bundesgebiet vollständig integriert und "entfalte" hier sämtliche sozialen und familiären Bindungen. Insbesondere lebe auch ihre Mutter in Österreich.

Da im Verfahren erstmals die belangte Behörde vom Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG Gebrauch gemacht hat, war die Beschwerdeführerin an ihrem diesbezüglichen Vorbringen durch das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG nicht gehindert.

Die belangte Behörde hat im Zusammenhang mit der von ihr vorzunehmenden Interessenabwägung im dargelegten Sinne sich darauf beschränkt auszuführen, daß im Hinblick auf die der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Delikte die öffentlichen Interessen überwögen. Sie hat keine Feststellungen über die Dauer des (rechtmäßigen) Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Inland und über ihre familiären und privaten Interessen getroffen. Die nunmehr behaupteten privaten und familiären Beziehungen der Beschwerdeführerin in Österreich sind aber derart intensiv, daß ein Ausgang der Güterabwägung zugunsten dieser Interessen nicht ausgeschlossen erscheint (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 24. Jänner 1997).

Aus diesen Gründen war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des gestellten Begehrens.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995191093.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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