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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §13 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. November 1994, Zl. 102.817/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verfügte nach der Aktenlage über Wiedereinreisesichtvermerke für folgende Zeiträume:
7. Oktober 1985 bis 30. März 1986
9. Jänner 1986 bis 30. Jänner 1987
21. Jänner 1987 bis 30. Jänner 1988
11. Februar 1988 bis 2. März 1989
21. April 1989 bis 30. März 1990
13. April 1990 bis 30. März 1991
17. April 1991 bis 13. März 1992
24. April 1992 bis 18. März 1993
Er beantragte am 16. September 1993 (Datum des Einlangens)
die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. November 1994 wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 6 Abs. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 (im folgenden: AufG aF) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. könnten Fremde, die sich bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften beantragen. Der Beschwerdeführer habe einen bis 18. März 1993 gültigen Sichtvermerk besessen. Den gegenständlichen Antrag habe er nahezu sechs Monate nach Ablauf seines letztgültigen Sichtvermerkes gestellt. Er habe sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.
Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, er habe sich im Zeitraum 1986 bis 1994 "mit Beschäftigungsbewilligungen" in Österreich aufgehalten. Er sei seit 1989 mit einer Fremden verheiratet, welche über einen unbefristeten Sichtvermerk verfüge. Am 15. November 1989 sei ein gemeinsames Kind in Österreich geboren worden. Im Hinblick auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 AufG aF sei auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers nicht weiter einzugehen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (12. Dezember 1994) hatte die belangte Behörde die Rechtslage vor Inkrafttreten der AufG-Novelle, BGBl. Nr. 351/1995, anzuwenden.
§ 6 Abs. 2 und § 13 Abs. 1 AufG aF lauteten:
"§ 6. (1) ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.
§ 13. (1) Die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, bleiben unberührt. Sie können mit Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung die Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften (§ 4 Abs. 2) beantragen."
Unter Zugrundelegung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94, und in der Folge etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1995, B 1278, 1279/95), der sich der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1996, Zl. 94/18/0709) angeschlossen hat, sind Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von Fremden, die sich seit vielen Jahren bzw. sogar seit der Geburt rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben und die aus welchen Gründen immer über keine Aufenthaltsbewilligung (mehr) verfügen, im Fall geringfügiger Versäumung einer Frist zur Antragstellung im Sinne des § 13 Abs. 1 AufG im Hinblick auf das Gebot verfassungskonformer Auslegung des durch § 6 Abs. 2 AufG aF geschaffenen Regelungssystems dem zweiten Satz der zuletzt genannten Vorschrift zu unterstellen. Das heißt, daß solche Bewilligungsanträge - ungeachtet der Fristversäumnis - als rechtzeitig gestellte Anträge auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die auch vom Inland aus gestellt werden können, zu werten sind. Diese Überlegungen gelten nach dem erstgenannten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes insbesondere auch dann, wenn die Aufenthaltsberechtigung des Fremden zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (mit 1. Juli 1993) bereits abgelaufen war (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 1996, Zl. 95/21/0197).
Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren dargetanen intensiven persönlichen und familiären Beziehungen in Österreich (rechtmäßiger Aufenthalt seit 1986, Anwesenheit seiner Ehegattin aufgrund eines unbefristeten Sichtvermerkes im Bundesgebiet und Geburt eines gemeinsamen Kindes, Arbeitstätigkeit aufgrund von Beschäftigungsbewilligungen) wäre ungeachtet der hier vorliegenden etwa sechsmonatigen Fristversäumung der Antrag dem zweiten Satz des § 6 Abs. 2 AufG aF zu unterstellen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, Zl. 95/18/0442, welchem eine Fristversäumnis von fünfeinhalb Monaten zugrundelag).
Infolge Verkennung der oben dargelegten Rechtslage maß die belangte Behörde den Behauptungen des Beschwerdeführers zu seinen privaten und familiären Verhältnissen keine Bedeutung bei und unterließ es deshalb auch, diesbezügliche Feststellungen zu treffen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191496.X00Im RIS seit
02.05.2001