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19/05 Menschenrechte;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 1995, Zl. 101.413/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 1 AufG dürfe eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn der Unterhalt des Fremden für ihre Geltungsdauer nicht gesichert sei. Die vom Beschwerdeführer beigebrachten Nachweise zur Sicherung seines Lebensunterhaltes könnten deshalb nicht berücksichtigt werden, weil er angegeben habe, daß sein Lebensunterhalt durch das Einkommen seiner Schwester gesichert sei; hinsichtlich dieses Einkommens seien jedoch keinerlei spezifische Angaben gemacht worden. Auch liege der belangten Behörde keine "tragfähige Erklärung" der Schwester des Beschwerdeführers vor, daß diese willens sei, seinen Lebensunterhalt ausreichend zu decken. Da somit die Angaben des Beschwerdeführers als "Schutzbehauptung ohne rechtliche Grundlage" zu qualifizieren seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Mit Beschluß vom 29. Juni 1995, B 1128/95-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Dieser hat über die - ergänzte - Beschwerde erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden unter anderem nicht erteilt werden, wenn deren Lebensunterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.
Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde zutreffend darauf verwiesen, daß er vor den Verwaltungsbehörden Angaben hinsichtlich der zur Deckung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung stehenden Mittel gemacht habe. Er hat bereits in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf einen ihn betreffenden Befreiungsschein mit der Gültigkeit bis zum 10. Jänner 1998 sowie auf einen Nettowochenlohn in der Höhe von S 2.684,91 verwiesen und eine Lohnbestätigung vorgelegt. Auch in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid - die Behörde erster Instanz hatte ihre abweisende Entscheidung mit dem Mangel der ortsüblichen Unterkunft in Österreich begründet - wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen, daß er im Besitz eines bis 10. Jänner 1998 gültigen Befreiungsscheines sei; sein Lebensunterhalt sei dadurch ausreichend gesichert. In der Folge wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit einem Schreiben vom 30. Jänner 1995 aufgefordert, zu den Wohnverhältnissen "bzw. finanziellen Belastungen der Genannten" sowie zum allfälligen Vorliegen strafgerichtlicher Verurteilungen Stellung zu nehmen. In seiner mit 28. Februar 1995 datierten Antwort erklärte der Beschwerdeführer u.a., daß sein Lebensunterhalt durch das Arbeitseinkommen seiner Schwester gesichert sei. Er selbst besitze einen Befreiungsschein.
Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde zutreffend darauf hingewiesen, daß die belangte Behörde sein Vorbringen vom 28. Februar 1995 - zumindest ohne weitere Anhaltspunkte - nicht dahin hätte verstehen dürfen, daß er sich nunmehr ausschließlich zur Deckung seines Lebensunterhaltes auf das Einkommen seiner Schwester berufe. Es liegt daher insoweit ein Verfahrensmangel vor; die belangte Behörde wäre nämlich aufgrund des Akteninhaltes im Beschwerdefall zur Klärung der Bedeutung des Vorbringens des Beschwerdeführers in dem erwähnten Schreiben vom 28. Februar 1995 gehalten gewesen wäre.
Dieser Verfahrensmangel ist auch relevant, da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich des von ihr gebrauchten Abweisungsgrundes gekommen wäre.
Der bekämpfte Bescheid war jedoch aus einem anderen Grunde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Aktenkundig ist, daß der Beschwerdeführer sich seit längerem (nach dem Beschwerdevorbringen zumindest seit 13. Juli 1987 und rechtmäßig) in Österreich aufhält sowie, daß seine eheliche Tochter und seine Schwester - beide besitzen nach der Aktenlage die österreichische Staatsbürgerschaft - in Bundesgebiet leben. Der Beschwerdeführer hat auch vor den Verwaltungsbehörden mehrfach auf seine Beziehungen zu diesen beiden genannten Personen sowie zu seiner Gattin, von der er nach dem Beschwerdevorbringen am 18. März 1993 geschieden wurde, mit der er aber nach seinem Berufungsvorbringen gegen den erstinstanzlichen Bescheid zumindest wieder in einer gemeinsamen Wohnung lebt, verwiesen.
Nach der Aktenlage greift somit die Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz mangels Sicherung des Lebensunterhaltes in das durch Art. 8 MRK geschützte Recht des Fremden auf Achtung des Privat- und Familienlebens ein. In diesem Fall gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des § 5 Abs. 1 AufG eine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers derart, daß eine Versagung der Bewilligung nur zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen notwendig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 95/19/0233, mwN aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes). Die belangte Behörde hat es nun im angefochtenen Bescheid unterlassen, eine derartige Beurteilung vorzunehmen, weshalb dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da ein Ersatz von Stempelgebühren für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden kann.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995190869.X00Im RIS seit
02.05.2001