TE Vwgh Erkenntnis 2021/5/4 Ra 2021/07/0001

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Veröffentlicht am 04.05.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

AVG §39 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
WRG 1959 §103
WRG 1959 §105
WRG 1959 §21a
WRG 1959 §21a Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 9. November 2020, Zl. LVwG 46.23-2496/2020-6, betreffend einen Auftrag nach § 21a WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld; mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. Dr. phil. R M B und 2. Mag. phil. E B, beide in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1        Die mitbeteiligten Parteien sind Eigentümer des Grundstücks Nr. 2235, KG. L, auf dem sich ein im Jahr 1957 wasserrechtlich bewilligter artesischer Brunnen befindet.

2        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. September 2020 wurde den mitbeteiligten Parteien unter Spruchpunkt 1. aufgetragen, binnen einer Frist von drei Monaten fachkundig erstellte Projektunterlagen über die Anpassung des Brunnens an den Stand der Technik vorzulegen. „Als Anpassungsziele iSd § 21a WRG 1959“ seien folgende Maßnahmen mit dem vorzulegenden Projekt zu erreichen:

„1.  Es darf kein freier Auslauf stattfinden.

2.   Es darf nur ein Grundwasserstockwerk genutzt werden.

3.   Das genutzte Grundwasserstockwerk muss von anderen Grundwasserstockwerken technisch einwandfrei getrennt sein.“

3        Unter Spruchpunkt 2. des genannten Bescheids wurden die mitbeteiligten Parteien verpflichtet, den Brunnen binnen einer Frist von weiteren drei Monaten unter näher präzisierten Anordnungen fachkundig zu verschließen, sofern binnen der unter Spruchpunkt 1. genannten Frist kein fachkundiges Projekt zur Anpassung des Brunnens einlangen sollte.

4        Diesen Bescheid stützte die belangte Behörde ausdrücklich auf §§ 21a und 27 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959).

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene, selbst verfasste Beschwerde der mitbeteiligten Parteien mit den Maßgaben ab, dass die (unter Spruchpunkt 1. des Bescheids festgesetzte) Frist für die Vorlage fachkundig erstellter Projektunterlagen für die Anpassung des artesischen Brunnens an den Stand der Technik mit 15. Februar 2021 bestimmt werde und (hinsichtlich Spruchpunkt 2. des Bescheids) bei Nichtvorlage von Projektunterlagen die gegenständliche artesische Brunnenanlage bis 15. Mai 2021 fachkundig unter den im Bescheid angeführten Anordnungen zu verschließen sei. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

6        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, aufgrund der Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 31. Juli 2017, mit der ein Regionalprogramm zur Sicherung der Qualität und Quantität des ost- und weststeirischen Tiefengrundwassers erlassen wird, LGBl. Nr. 76/2017 (Regionalprogramm TGW), sei die Wasserrechtsbehörde verpflichtet, alle artesischen Brunnen dahingehend zu überprüfen, ob sie dem Stand der Technik entsprächen. Aus diesem Grund habe (im Verfahren vor der belangten Behörde) auch beim artesischen Brunnen der mitbeteiligten Parteien eine Erhebung durch den hydrogeologischen Amtssachverständigen stattgefunden. Im Zuge dieses Ortsaugenscheins habe festgestellt werden können, dass ein freier Auslauf von diesem Brunnen erfolge und dieser Überlauf in weiterer Folge in den R.-Bach gelange. Aufgrund des freien Ausfließens und auch des Alters entspreche die gegenständliche Brunnenanlage nicht dem Stand der Technik.

7        In der genannten Verordnung sei insbesondere auch festgelegt, dass ein freier Auslauf nicht stattfinden dürfe und die Verrohrung vollständig und lagerichtig ausgeführt werden müsse. Es sei daher aus fachlicher Sicht empfohlen worden, den gegenständlichen Brunnen zu verschließen und eine neue artesische Brunnenanlage nach dem Stand der Technik zu errichten. Verschließung und Neuerrichtung könnten aber unterbleiben, wenn durch weiterführende Untersuchungen nachvollziehbar belegt werden könne, dass der gegenständliche Brunnen nur ein Grundwasserstockwerk umfasse und dieses von anderen Grundwasserstockwerken technisch einwandfrei getrennt sei. Da die Brunnenanlage eine Gesamttiefe von 75 Metern aufweise und dabei 70 Meter verrohrt seien, wäre diese Voraussetzung allenfalls erfüllt, weshalb in weiterer Folge nur nachgewiesen werden müsste, dass die Verrohrung keine Schadstellen habe und der freie Überlauf verhindert werde.

8        Aufgrund des Beschwerdevorbringens sei der hydrogeologische Amtssachverständige (vom Verwaltungsgericht) nochmals aufgefordert worden, eine Stellungnahme zu der (von der belangten Behörde) festgesetzten Frist abzugeben. Wie sich schlüssig und nachvollziehbar aus der (im angefochtenen Erkenntnis abgedruckten) gutachtlichen Stellungnahme des hydrogeologischen Amtssachverständigen ergebe, erscheine eine Frist von drei Monaten für die Vorlage von Projektunterlagen, in welchen fachkundig dargelegt werde, welche weiteren Schritte im gegenständlichen Verfahren ergriffen würden, jedenfalls als ausreichend. Es könnte sich im Zuge der Untersuchungen auch ergeben, dass der gegenständliche Brunnen hinsichtlich des Bauzustands dem Stand der Technik entspreche. In diesem Fall müsste nur der freie Auslauf beseitigt werden. Dies sei bautechnisch sehr einfach nachträglich zu bewerkstelligen.

9        Aufgrund dieser Ausführungen sei daher die Beschwerde mit den Maßgaben abzuweisen gewesen, dass die Fristen mit 15. Februar 2021 und 15. Mai 2021 neu festzusetzen gewesen seien.

10       Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

11       Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird ausgeführt, der von der belangten Behörde und vom Verwaltungsgericht beigezogene Amtssachverständige für Hydrologie habe festgestellt, dass ein freier Auslauf vom artesischen Brunnen erfolge und dieser Überlauf in weiterer Folge in ein Oberflächengewässer gelange. Weiters habe er einerseits angenommen, dass aufgrund des Alters des Brunnens dieser nicht mehr dem Stand der Technik entsprechen könnte, andererseits habe er es aber gleichzeitig für möglich gehalten, dass der Brunnen hinsichtlich seines Aufbaus doch dem Stand der Technik entsprechen könnte. Er habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sehr wohl die Möglichkeit bestehe, dass aus den von den mitbeteiligten Parteien vorzulegenden Projektunterlagen hervorgehen könnte, dass der Brunnen nur ein Grundwasserstockwerk umfasse und technisch einwandfrei von anderen Grundwasserstockwerken getrennt sei. Wenn sich keine Schadstellen an der Verrohrung der Brunnenanlage fänden und der freie Überlauf verhindert würde, entspräche der Brunnen dem Stand der Technik und es wären keine Anpassungsmaßnahmen erforderlich.

13       Das Verwaltungsgericht habe das angefochtene Erkenntnis ausschließlich auf die Ausführungen des Amtssachverständigen gestützt. Abgesehen vom unstrittigen Auslauf des Brunnens seien somit weder von der belangten Behörde noch vom Verwaltungsgericht festgestellt worden, in welchem baulichen Zustand sich der Brunnen unter der Geländeoberkante befinde. Die Frage, ob die Brunnenanlage dem Stand der Technik entspreche, wäre nach Ansicht des Verwaltungsgerichts letztlich erst von den mitbeteiligten Parteien auf der Grundlage des erteilten Auftrags zu klären.

14       Allerdings sei selbst der Fall, dass der Brunnen nicht dem heutigen Stand der Technik entspreche, noch keine ausreichende Voraussetzung für die Anwendung des § 21a WRG 1959. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordere diese Bestimmung (neben einem bewilligten Vorhaben) den festgestellten, nicht hinreichenden Schutz öffentlicher Interessen. Es sei von Amts wegen festzustellen, ob öffentliche Interessen hinreichend geschützt seien oder nicht. Diese Verpflichtung dürfe nicht auf den Konsensinhaber überwälzt werden.

15       Die belangte Behörde bzw. das Verwaltungsgericht hätten - in Hinblick auf die in näher genannten Bestimmungen des Regionalprogramms TGW festgelegten Gesichtspunkte - daher von Amts wegen ermitteln müssen, ob ausschließlich ein Grundwasserstockwerk erfasst, die Verrohrung vollständig und lagerichtig ausgeführt und das genutzte Grundwasserstockwerk von anderen Grundwasserstockwerken technisch einwandfrei getrennt sei. Es sei „somit“ die von Amts wegen zu treffende Feststellung verabsäumt worden, ob öffentliche Interessen hinreichend geschützt seien oder nicht.

16       Darauf hätten die mitbeteiligten Parteien in ihrer Bescheidbeschwerde nicht explizit Bezug genommen; allerdings wäre es aus näher dargestellten Gründen in die Prüfbefugnis bzw. -pflicht des Verwaltungsgerichts gefallen, diese inhaltliche Rechtswidrigkeit von Amts wegen aufzugreifen.

17       Die Revision erweist sich als zulässig und - im Ergebnis - begründet.

18       § 21a Abs. 1 und 2 WRG 1959 lautet:

Abänderung von Bewilligungen

§ 21a. (1) Ergibt sich nach Erteilung der Bewilligung insbesondere unter Beachtung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme (§ 55d), dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hat die Behörde vorbehaltlich § 52 Abs. 2 zweiter Satz die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufzutragen, Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer einzuschränken oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer zu untersagen.

(2) Für die Erfüllung von Anordnungen nach Abs. 1 sowie für die Planung der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen und die Vorlage von diesbezüglichen Projektsunterlagen sind von der Behörde jeweils angemessene Fristen einzuräumen; hinsichtlich des notwendigen Inhalts der Projektsunterlagen gilt § 103. Diese Fristen sind zu verlängern, wenn der Verpflichtete nachweist, daß ihm die Einhaltung der Frist ohne sein Verschulden unmöglich ist. Ein rechtzeitig eingebrachter Verlängerungsantrag hemmt den Ablauf der Frist. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist findet § 27 Abs. 4 sinngemäß Anwendung.“

19       Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof fallbezogen keine Zweifel daran hat, dass das Verwaltungsgericht auf Grund der Beschwerde der mitbeteiligten Parteien zur inhaltlichen Prüfung des wasserpolizeilichen Auftrags selbst befugt war; dieser Annahme und der diesbezüglichen Argumentation der Revisionswerberin ist die belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof auch nicht entgegen getreten.

20       Ein Vorgehen nach § 21a WRG 1959 setzt voraus, dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind (vgl. VwGH 29.10.2015, 2012/07/0022, 0024). Schon nach dem Gesetzeswortlaut des § 21a Abs. 1 WRG 1959 kann daher nur dann, wenn feststeht, dass öffentliche Interessen nicht hinreichend geschützt sind, mit den dort genannten Maßnahmen vorgegangen werden (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0158).

21       Wie die revisionswerbende Partei in diesem Zusammenhang zutreffend vorbringt, hat das Verwaltungsgericht aufgrund der Ausführungen des hydrologischen Amtssachverständigen den baulichen Zustand der Brunnenanlage der mitbeteiligten Parteien nicht eindeutig geklärt. Vielmehr hat es diese Beurteilung den mitbeteiligten Parteien im Wege der auf § 21a WRG 1959 gestützten Projektvorlage übertragen.

22       Wie bereits oben ausgeführt, hat die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) nach dieser Bestimmung aber von Amts wegen festzustellen, ob öffentliche Interessen hinreichend geschützt sind oder nicht. Diese Verpflichtung darf nicht auf den Konsensinhaber überwälzt werden. Genau das ist aber im vorliegenden Fall geschehen, diente doch die den mitbeteiligten Parteien aufgetragene Projektvorlage der Ermittlung, ob öffentliche Interessen durch einen allfälligen mangelhaften baulichen Zustand gefährdet sind (vgl. dazu abermals VwGH 2006/07/0158).

23       In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der hg. Rechtsprechung § 21a Abs. 1 WRG 1959 im Tatbestandsbereich nicht auf eine Änderung des Stands der Technik abstellt, sondern - wie bereits dargelegt - nur darauf, dass trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften öffentliche Interessen nicht hinreichend geschützt sind. Wenn auch das Erkennbarwerden von Umständen, auf die bei Erteilung der Bewilligung nicht geachtet wurde oder die unrichtig eingeschätzt wurden, Anlass für Maßnahmen nach § 21a WRG 1959 sein kann, dann zeigt dies, dass die Anwendbarkeit dieser Bestimmung nicht von einer Änderung des Stands der Technik abhängt (vgl. dazu bereits VwGH 21.9.1995, 95/07/0058; 11.9.1997, 94/07/0166, jeweils mwN).

24       Das angefochtene Erkenntnis war somit - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Wien, am 4. Mai 2021

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021070001.L00

Im RIS seit

14.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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