TE Vwgh Beschluss 2021/5/11 Ra 2021/02/0105

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Veröffentlicht am 11.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
KFG 1967 §103 Abs2
StVO 1960 §18 Abs1
StVO 1960 §20 Abs2
StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §52 lita Z10a
VStG §44a Z1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des S K in J, vertreten durch die Gesswein-Spiessberger Traxler Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 4813 Altmünster, Maximilianstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 17. Dezember 2020, LVwG-603847/31/JS, betreffend Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gmunden), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 10. Juli 2020 wurde der Revisionswerber bestraft, weil er als Lenker eines nach dem Kennzeichen näher bestimmten Kraftfahrzeuges am 30. September 2019 um 16:21 Uhr 1. in „Ebensee am Traunsee, B145 Str.km 47,805“ auf der durch das Vorschriftszeichen „Überholen verboten“ gekennzeichneten Straßenstrecke ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt und 2. in „Ebensee am Traunsee, B145 Str.km 47,982, Straßenkilometer angegeben nach der alten Kilometrierung, ausgehend vom Straßenkilometer 47,820 im Bereich der Bushaltestelle Schülersteg“ außerhalb des Ortsgebietes die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 57 km/h überschritten habe, wobei die Messtoleranz zu seinen Gunsten abgezogen worden sei. Er habe dadurch zu 1. § 16 Abs. 2 lit. a StVO und zu 2. § 52 lit. a Z 10a StVO verletzt. Über ihn wurden zu 1. gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO und zu 2. gemäß § 99 Abs. 2e StVO Geld- sowie Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens festgesetzt.

2        Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Spruchpunkt I. als unbegründet ab und bestätigte das bekämpfte Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass der Tatort der beiden Spruchpunkte um den Passus „Fahrtrichtung: Bad Ischl“ ergänzt wird. Mit Spruchpunkt II. setzte es einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und mit Spruchpunkt III. sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit den Anträgen, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben und das Land Oberösterreich zum Aufwandersatz an den Revisionswerber verpflichten.

4        Die Revision erweist sich als unzulässig:

5        Das vom Revisionswerber bekämpfte Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin zwei voneinander unabhängige Spruchpunkte. Auch das Verwaltungsgericht hat mithin hinsichtlich der zwei angelasteten Verwaltungsübertretungen getrennte Absprüche getroffen (vgl. VwGH 7.4.2021, Ra 2021/02/0077).

6        Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. VwGH 5.1.2021, Ra 2020/02/0279).

7        Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses richtet ist auszuführen:

8        Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,-- verhängt wurde.

9        Diese Voraussetzungen treffen für den Abspruch des Verwaltungsgerichtes zu Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses zu. Über den Revisionswerber wurde wegen Übertretung des § 16 Abs. 2 lit. a StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von € 90,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag und 17 Stunden) verhängt, wobei der Strafrahmen der anzuwendenden Strafnorm € 726,-- beträgt.

10       Bei der im Sinne des § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen „Freiheitsstrafe“ muss es sich um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. etwa VwGH 23.10.2020, Ra 2020/02/0206). Eine solche ist hinsichtlich der vorgenannten Übertretung der StVO jedoch nicht vorgesehen.

11       Die Revision erweist sich daher, soweit das Verwaltungsgericht über Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses entschied, gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als absolut unzulässig.

12       Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend den Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses richtet, ist auszuführen:

13       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       Zur Zulässigkeit der Revision wird ausgeführt, dem Spruch des bekämpften Straferkenntnisses sei nicht eindeutig zu entnehmen, auf welche Kilometrierung die belangte Behörde Bezug genommen habe. Demnach sei nicht ausgeschlossen, dass der Revisionswerber für ein und dieselbe Tathandlung sowohl nach der alten als auch nach der neuen Kilometrierung doppelt bestraft werde.

17       Diesem Vorbringen steht bereits der Spruchpunkt 2. des vom Verwaltungsgericht insofern übernommenen Straferkenntnisses entgegen, der ausdrücklich die alte Kilometrierung nennt. Hinzu kommt, dass sich aus den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses eine unterschiedliche Bezeichnung der beiden Kilometrierungen ergibt: Die alte Kilometrierung wird nur mit Zahlen angegeben, während bei der neuen Kilometrierung noch der Buchstabe D hinzukommt. Die Revision zeigt nicht auf, inwiefern der Revisionswerber neuerlich wegen derselben Geschwindigkeitsübertretung an einem anderen Tatort mit der neuen, den Zusatzbuchstaben D enthaltenden Kilometerbezeichnung bestraft werden könnte.

18       Als weiterer Grund für die Zulässigkeit der Revision wird die Abänderung des Spruchs des bekämpften Straferkenntnisses durch das Verwaltungsgericht trotz bereits eingetretener Verfolgungsverjährung geltend gemacht.

19       Das Verwaltungsgericht nahm mit seinem Spruch nach Ablauf der in § 31 Abs. 1 VStG genannten Jahresfrist eine Präzisierung des Tatortes insofern vor, als die Fahrtrichtung ergänzt wurde.

20       Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Handlung abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

21       Nach § 32 Abs. 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.) und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

22       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind an Verfolgungshandlungen im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG hinsichtlich der Umschreibung der angelasteten Tat die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG. Eine die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG ist auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG zu beziehen; die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Es ist somit erforderlich, dass sich die Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 31 und 32 VStG auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. VwGH 19.11.2018, Ra 2017/02/0248, mwN).

23       Nach der ständigen hg. Judikatur zu § 44a Z 1 VStG hat die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren (vgl. VwGH 3.2.2020, Ra 2019/02/0212, mwN).

24       Bei Übertretungen im Straßenverkehr ist daher nach diesem Grundsatz zu prüfen, ob die Angabe der Fahrtrichtung wesentliches Tatbestandsmerkmal in dem Sinne ist, dass eine unterlassene Angabe den Beschuldigten in seinen Verteidigungsrechten einschränken oder ihn der Gefahr der Doppelbestrafung aussetzen würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa bei Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO, § 18 Abs. 1 und § 20 Abs. 2 StVO, § 103 Abs. 2 KFG die Angabe der Fahrtrichtung zur Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat als nicht erforderlich erachtet (vgl. VwGH 17.4.2015, Ra 2015/02/0048, mwN). Das Gleiche gilt für Geschwindigkeitsübertretungen nach § 52 lit. a Z 10a StVO, es sei denn, bezüglich beider Fahrtrichtungen gelten verschiedene Höchstgeschwindigkeiten oder wenn die Sprengelgrenze einer Strafbehörde auf der Mitte der Fahrbahn ist (vgl. VwGH 29.9.1993, 93/03/0199, mwN). Dahingehende Behauptungen werden in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgestellt, sodass ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht dargetan wird.

25       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Mai 2021

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020105.L00

Im RIS seit

14.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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