Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §19 Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des S in T (Liechtenstein), vertreten durch die Mag. Antonius Falkner Rechtsanwalt GmbH in 6414 Mieming, Barwies 329, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 9. Dezember 2019, LVwG-1-279/2019-R7, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren einer Übertretung des § 99 Abs. 1b StVO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO schuldig erkannt, weil er am 6. März 2019 an einem näher bezeichneten Ort ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Fahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Über den Revisionswerber wurde dafür eine Geldstrafe in der Höhe von € 900,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 245 Stunden) verhängt. Weiters wurden ihm der Ersatz von Barauslagen und ein Kostenbeitrag für das Strafverfahren vorgeschrieben. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, aufgrund der klinischen Untersuchung sowie der Ergebnisse des Harn- und Speicheltests sei der untersuchende Polizeiarzt eindeutig von einer Beeinträchtigung des Revisionswerbers durch Suchtmittel ausgegangen. Da der Revisionswerber gegenüber dem Polizeiarzt angegeben habe, in den letzten 20 Stunden nicht geschlafen zu haben, habe der Polizeiarzt in seinem Gutachten zur klinischen Untersuchung auch eine Beeinträchtigung durch Übermüdung angekreuzt. In weiterer Folge sei dem Revisionswerber Blut abgenommen worden. Im gerichtsmedizinischen Gutachten sei festgestellt worden, dass die Blutproben des Revisionswerbers Kokain mit dessen Stoffwechselprodukten enthalten hätten und der Revisionswerber dadurch beeinträchtigt gewesen sei. Gestützt auf diese Ermittlungsergebnisse bejahte das Verwaltungsgericht in der Folge die Erfüllung des Tatbilds des § 5 Abs. 1 StVO.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Erfordernis der gesonderten Darlegung von in § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird, nicht entsprochen wird, wenn eine außerordentliche Revision die Ausführungen zur Begründetheit der Revision wortident auch als Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision enthält (vgl. VwGH 29.3.2021, Ra 2021/11/0052; VwGH 4.11.2020, Ra 2020/02/0235, 0236, jeweils mwN).
8 Dies ist hier der Fall, zumal sich die gesamten Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision wortident in den Revisionsgründen wiederfinden.
9 Schon im Hinblick darauf erweist sich die vorliegende Revision als nicht zulässig, weshalb sie bereits deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen ist.
10 Darüber hinaus gelingt es dem Revisionswerber aber auch nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen:
11 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision vor, es sei nach dem Untersuchungsbericht des Arztes eine Beeinträchtigung und Fahruntüchtigkeit durch Suchtgift und Übermüdung festgestellt worden. Aus diesen Beweisergebnissen lasse sich nicht mit entsprechender Sicherheit entnehmen, ob die Beeinträchtigung und Fahruntüchtigkeit sohin auf eine Übermüdung oder auf Suchtgiftmissbrauch zurückzuführen gewesen sei. Damit belaste das Verwaltungsgericht seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Es sei zu beachten, dass auch im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz „in dubio pro reo“ gelte.
12 Mit diesem Vorbringen entfernt sich der Revisionswerber vom festgestellten Sachverhalt, wonach aufgrund der klinischen Untersuchung sowie des Ergebnisses des gerichtsmedizinischen Gutachtens klar von einer Beeinträchtigung des Revisionswerbers durch Suchtmittel ausgegangen wurde.
13 Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass das Tatbild des § 5 Abs. 1 StVO auch dann erfüllt ist, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht allein auf die Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern noch auf weitere Ursachen (wie etwa Ermüdung, Krankheit, Medikamenteneinnahme) zurückzuführen ist. Die Strafbarkeit ist also auch dann gegeben, wenn die konsumierte Suchtgiftmenge für sich alleine noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte (vgl. VwGH 6.5.2020, Ra 2020/02/0007, mwN).
14 Im gegenständlichen Fall hat die Blutuntersuchung durch das gerichtsmedizinische Institut eine Beeinträchtigung des Revisionswerbers durch Kokain mit dessen Stoffwechselprodukten ergeben. In der klinischen Untersuchung durch den Polizeiarzt wurde eine Beeinträchtigung durch Suchtgift und Übermüdung festgestellt und die Fahrtüchtigkeit verneint. Die vorhandenen Beweisergebnisse (klinische Untersuchung, Harn- und Speicheltest sowie Blutuntersuchung) ergaben somit jedenfalls eine Beeinträchtigung des Revisionswerbers durch Suchtgift, weshalb das Verwaltungsgericht die Erfüllung des Tatbilds des § 5 Abs. 1 StVO zutreffend bejaht hat.
15 Da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass Zweifel am festgestellten Sachverhalt verblieben wären, ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht angewandt hat (vgl. dazu VwGH 2.10.2020, Ra 2020/02/0208, mwN).
16 Soweit der Revisionswerber weiters vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die mündliche Verhandlung trotz ausreichend begründetem Gesuch und unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit des Revisionswerbers nicht vertagt habe, ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 45 Abs. 2 VwGVG das Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung die Durchführung einer Verhandlung nicht hindert. Nach dem gemäß § 38 VwGVG iVm § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten, und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Das Vorliegen eines der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen des Geladenen. Liegt ein solcher Rechtfertigungsgrund vor, kann nicht von einer „ordnungsgemäßen Ladung“, die zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2016/02/0242, mwN).
17 Eine Partei hat im Falle einer ordnungsgemäßen Ladung zwingende Gründe für das Nichterscheinen darzutun. Das bedeutet, dass nicht allein die Tatsache des Vorliegens einer Erkrankung behauptet und dargetan werden muss, sondern auch die Hinderung aus diesem Grunde, bei der Verhandlung zu erscheinen. Die Triftigkeit des Nichterscheinens zu einer Verhandlung muss überprüfbar sein (vgl. erneut VwGH 15.12.2016, Ra 2016/02/0242, mwN).
18 Im gegenständlichen Fall übermittelte der Rechtsvertreter des Revisionswerbers etwa eine Stunde vor Beginn der am 3. Dezember 2019 abgehaltenen mündlichen Verhandlung per Telefax ein Vertagungsgesuch an das Verwaltungsgericht und fügte dem eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit des Revisionswerbers bei. In dieser wird der Beginn der Arbeitsunfähigkeit mit 2. Dezember 2019 und deren voraussichtliches Ende mit 12. Dezember 2019 angeführt.
19 Die ohne nähere Konkretisierung vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsmeldung gibt keinerlei Aufschluss über die Art der Verhinderung. Auch aus der pauschalen und nicht näher begründeten Ausführung im Vertagungsgesuch, wonach der Revisionswerber aufgrund einer „akuten Erkrankung“ nicht in der Lage sei, an der Verhandlung teilzunehmen, ist die Triftigkeit der Abwesenheit nicht ableitbar. Das Verwaltungsgericht konnte die mündliche Verhandlung somit zu Recht in Abwesenheit des Revisionswerbers durchführen (vgl. etwa VwGH 27.1.2021, Ra 2020/18/0428; sowie erneut VwGH 15.12.2016, Ra 2016/02/0242, jeweils mwN).
20 Soweit der Revisionswerber erstmals in der Revision ausführt, er sei im fraglichen Zeitraum an einem akuten Magen-Darm-Infekt erkrankt gewesen, steht der Berücksichtigung dieses Vorbringens schon das aus § 41 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot entgegen.
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 12. Mai 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020020060.L00Im RIS seit
14.06.2021Zuletzt aktualisiert am
06.07.2021