TE Vwgh Beschluss 2021/5/17 Ra 2020/21/0539

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Veröffentlicht am 17.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §66 Abs1
NAG 2005 §52 Abs1 Z1
NAG 2005 §52 Abs1 Z2
NAG 2005 §54 Abs1
NAG 2005 §54 Abs5 Z1
NAG 2005 §55 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des N K, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in 5201 Seekirchen, Wallerseestraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Dezember 2020, I408 2237450-1/2E, betreffend Ausweisung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, heiratete am 9. Februar 2019 in Bosnien eine rumänische Staatsangehörige, die in Österreich ihre unionsrechtliche Freizügigkeit ausübte. Nach Einreise in das Bundesgebiet wurde ihm am 12. Februar 2019 eine Aufenthaltskarte als Angehöriger dieser EWR-Bürgerin ausgestellt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Oberndorf vom 29. Juni 2020 wurde die genannte Ehe, der keine Kinder entstammten, im Einvernehmen geschieden.

2        Mit Bescheid vom 12. Oktober 2020 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG eine Ausweisung und erteile ihm gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat.

3        Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Dezember 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diese Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend führte das BVwG aus, der gesunde, arbeitsfähige und kinderlose Revisionswerber halte sich seit 11. Februar 2019 durchgehend im Bundesgebiet auf. Er sei unbescholten, seit 17. April 2019 ohne Unterbrechung sozialversicherungspflichtig beschäftigt und weise „beginnende Deutschkenntnisse“ auf. Die genannte Ehe sei nach einer Dauer von annähernd siebzehn Monaten geschieden worden, weil er sich - eigenen Angaben zufolge - in eine andere Frau verliebt habe. Neben seiner nunmehrigen Partnerin, mit der er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, hielten sich mehrere Cousins, eine Tante und ein Onkel im Bundesgebiet auf. Auch habe der Revisionswerber hier Sozialkontakte geknüpft. In Bosnien lebten dagegen seine Eltern und eine Schwester.

Da die Ehe vor Ablauf von drei Jahren geschieden worden sei, komme dem Revisionswerber im Sinne des § 55 Abs. 3 NAG kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zu. Das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen iSd § 54 Abs. 5 NAG sei nicht behauptet worden.

Die in Österreich erlangten beruflichen und sozialen Kontakte rechtfertigten keine zugunsten des Revisionswerbers ausgehende Interessenabwägung. Seine aktuelle Beziehung bestünde erst seit relativ kurzer Zeit und ohne gemeinsamen Haushalt. Zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit, etwa in finanzieller Hinsicht, seien nicht einmal behauptet worden. Es fehle somit eine außergewöhnliche Integration in Österreich, die eine Aufenthaltsbeendigung angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer als unzulässig erscheinen ließe.

Mit der Möglichkeit einer Reintegration im Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen sei und den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe, die Landessprache beherrsche und wo seine Eltern und seine Schwester lebten, sei zu rechnen. Auch wäre eine Aufrechterhaltung von Kontakten in Österreich auf elektronischem Weg oder über Besuche möglich. Das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes überwiege daher insgesamt die persönlichen Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet.

Von der Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG aufgrund des bereits geklärten Sachverhalts abgesehen werden können. Die in der Beschwerde vorgebrachten Integrationsmerkmale und Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet seien der Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt worden, sodass kein weiterer klärungsbedürftiger Sachverhalt vorgelegen sei.

6        Die dagegen erhobene Revision erweist sich als unzulässig.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9        Zunächst ist festzuhalten, dass der Revisionswerber nicht in Frage stellt, dass das ihm aufgrund der Ehe mit einer EWR-Bürgerin zugekommene Aufenthaltsrecht nach § 54 Abs. 1 NAG iVm § 52 Abs. 1 Z 1 NAG im Hinblick auf die Scheidung dieser Ehe nach einer Dauer von weniger als drei Jahren grundsätzlich nicht mehr besteht (vgl. § 54 Abs. 5 Z 1 NAG) und daher der Ausweisungstatbestand nach § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG verwirklicht ist.

10       Allerdings wendet sich der Revisionswerber gegen die Interessenabwägung des BVwG und rügt, dass zur Ermöglichung deren mängelfreier Vornahme den in der Beschwerde gestellten Beweisanträgen hätte nachgekommen werden müssen.

11       Dem ist zu entgegen, dass das BVwG ohnehin alle wesentlichen in der Beschwerde zu Gunsten des Revisionswerbers ins Treffen geführten Umstände (insbesondere die kontinuierliche Erwerbstätigkeit, das Bestehen einer Wohnmöglichkeit, die in Österreich lebenden Angehörigen sowie die neu eingegangene Beziehung, wobei ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis jeweils nicht dargestellt wurde) in seine Beurteilung einbezogen hat und dass die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK (iVm § 9 BFA-VG bzw. § 66 Abs. 2 FPG) nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht revisibel ist, wenn sie im Ergebnis vertretbar ist und - wie hier - keine maßgeblichen Begründungsmängel erkennen lässt (vgl. etwa VwGH 6.10.2020, Ra 2020/21/0384 bis 0386, Rn. 8 und 9, sowie VwGH 18.2.2021, Ra 2021/21/0012, Rn. 11, mwN).

12       Im vorliegenden Fall kann das erzielte Ergebnis angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des unbestrittenen Fehlens einer Haushaltsgemeinschaft mit der neuen Lebenspartnerin aber jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden.

13       Insgesamt werden in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020210539.L00

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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