TE Vwgh Beschluss 2021/5/18 So 2021/10/0002

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Veröffentlicht am 18.05.2021
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
22/02 Zivilprozessordnung
25/01 Strafprozess

Norm

StPO 1975 §78 Abs1
VwGG §31 Abs1 Z4
VwGG §31 Abs2
ZPO §69

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
So 2021/10/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über den Antrag des H S in L, betreffend Ablehnung der Hofrätin des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Leonhartsberger, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Begründung

1        1. Mit Schreiben vom 14. April 2021 stellte der Antragsteller mit Blick auf näher genannte Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Ablehnung der Hofrätin des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Leonhartsberger.

2        2.1. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGG haben sich die Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit (unter anderem) zu enthalten, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, in ihre volle Unbefangenheit Zweifel zu setzen (Z 4).

3        Aus den in § 31 Abs. 1 VwGG angeführten Gründen können die Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer gemäß § 31 Abs. 2 erster Satz VwGG auch von den Parteien abgelehnt werden. Wenn sich eine Ablehnung auf § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG stützt, so hat die Partei die hiefür maßgebenden Gründe glaubhaft zu machen (§ 31 Abs. 2 zweiter Satz VwGG).

4        2.2. Das Wesen der Befangenheit nach § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG besteht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive. Der Befangenheitsgrund des § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG liegt dann vor, wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung des Richters gefolgert werden kann (vgl. für viele etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2017/10/0183, mwN).

5        3.1. Der Antragsteller bringt zunächst vor, Hofrätin Dr. Leonhartsberger habe in dem Verfahren zu hg. Ra 2020/10/0149 seinen Verfahrenshilfeantrag mit Beschluss vom 29. Jänner 2021 wegen Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung abgewiesen und ihn in weiterer Folge bei der Staatsanwaltschaft wegen nicht vollständiger Angaben im vorgelegten Vermögensverzeichnis angezeigt. Dies sei zufolge § 69 ZPO unzulässig gewesen, weil jene Bestimmung nur im Fall der Erschleichung der Verfahrenshilfe (und nicht bei Abweisung des Verfahrenshilfeantrages) eine Anzeige des Sachverhaltes an die Staatsanwaltschaft vorsehe. Da die zuständige Richterin mit ihrer Strafanzeige ihre Meinung zum Ausdruck gebracht habe, dass der Antragsteller ein Betrüger sei, gelte sie „wegen der dadurch vollständig fehlenden Objektivität als befangen iSd § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG“.

6        Mit diesem auf § 69 ZPO gestützten Vorbringen lässt der Antragsteller allerdings außer Acht, dass jede Behörde und öffentliche Dienststelle im Fall des Verdachts einer Straftat, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, schon gemäß § 78 Abs. 1 Strafprozessordnung 1975 zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet ist; diese Anzeigepflicht gilt unter anderem für Organe der Gerichtsbarkeit (vgl. etwa Fabrizy/Kirchbacher, StPO14 § 78 Rz 3). Schon mit Blick darauf begründet die vom Einschreiter hervorgehobene Anzeige von Verdachtsmomenten an die Strafverfolgungsbehörde keine Befangenheit der zuständigen Richterin (vgl. in diesem Sinn etwa auch die bei Klauser/Kodek, JN-ZPO18 § 19 JN E 76 und 77/1, angeführte zivilgerichtliche Rechtsprechung).

7        3.2. Im Weiteren befasst sich der Antragsteller (näher ausgeführt) kritisch mit der Begründung von zwei weiteren von Hofrätin Dr. Leonhartsberger gefassten Beschlüssen jeweils vom 6. April 2021, mit denen Verfahrenshilfeanträge abgewiesen wurden (hg. Ra 2021/10/0050 und Ra 2021/10/0051).

8        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Verfahren zu Ra 2021/10/0051 einen Verfahrenshilfeantrag der Ehefrau des Antragstellers betraf, sodass diesem im Zusammenhang damit mangels Parteistellung ein Antragsrecht nach § 31 Abs. 2 erster Satz VwGG nicht zukommt; im Übrigen bietet der Umstand, dass der Antragsteller als eine Partei eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof dessen Entscheidung für unrichtig hält, keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Befangenheit der am Zustandekommen der Entscheidung mitwirkenden Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 11.2.2019, Ro 2019/03/0004, mwN).

9        3.3. Schließlich leitet der Antragsteller eine „derzeit fehlende Objektivität“ der zuständigen Richterin daraus ab, dass er gegen diese seinerseits Strafanzeige erstattet habe.

10       Dies bildet allerdings - ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umstände - keinen Anlass, die Befangenheit der Richterin anzunehmen, hätte es doch sonst jede Partei in der Hand, sich durch eine Einbringung derartiger Rechtsbehelfe dem gesetzlichen Richter zu entziehen (vgl. etwa VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0067, mwN).

11       4. Dem Ablehnungsantrag war daher nicht Folge zu geben.

Wien, am 18. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:SO2021100002.X00

Im RIS seit

14.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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