TE Vwgh Beschluss 2021/5/19 Ra 2021/01/0157

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Veröffentlicht am 19.05.2021
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
MRK Art2
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des F A in J, vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schießstattgasse 30/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Jänner 2021, Zl. W221 2184038-1/19E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in der Sache den Antrag auf internationalen Schutz des Revisionswerbers, eines iranischen Staatsangehörigen, ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 10. März 2021, E 603/2021-5, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 26. März 2021, E 603/2021-7, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

3        In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Soweit sich der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung zu seiner behaupteten Konversion zum Christentum wendet, ist darauf hinzuweisen, dass sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN). Eine derartig krasse Fehlbeurteilung legt der Revisionswerber nicht dar.

8        In Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten moniert die Revision, das Verwaltungsgericht habe sich mit der Versorgungslage im Iran aufgrund der Covid-19 Pandemie nicht auseinandergesetzt.

9        Damit macht die Revision einen Verfahrensmangel geltend, deren Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, schon in der Zulässigkeitsbegründung in konkreter Weise, also fallbezogen, hätte dargelegt werden müssen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN).

10       Eine solche Relevanzdarlegung lässt die Zulässigkeitsbegründung vermissen. Sie beruft sich lediglich pauschal auf näher genannte, allgemeine Berichte zur Lage im Iran, ohne auf die individuelle Situation des Revisionswerbers einzugehen. Damit zeigt der Revisionswerber jedoch nicht nachvollziehbar auf, dass infolge der Covid-19 Pandemie bezogen auf seine konkrete Situation im Fall der Rückführung in seinen Herkunftsstaat eine Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre (zur nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK vorzunehmenden Einzelfallprüfung sowie zur Frage, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr [„real risk“] einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht, vgl. etwa VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255; im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie im Iran vgl. etwa zuletzt VwGH 5.8.2020, Ra 2020/14/0199; 7.10.2020, Ra 2020/20/0337, 26.1.2021, Ra 2020/14/0575 bis 0578, jeweils mwN).

11       Soweit sich die Revision schließlich gegen die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG wendet, ist auszuführen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN). Dass das Verwaltungsgericht die Interessenabwägung in derart unvertretbarer Weise vorgenommen hätte, legt die Revision in ihrer diesbezüglichen Zulässigkeitsbegründung nicht dar.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010157.L00

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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