TE Vwgh Beschluss 2021/5/21 Ra 2021/18/0196

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Veröffentlicht am 21.05.2021
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2
AVG §58 Abs2
AVG §60
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache des M A, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2020, L502 2141478-2/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Irak, stellte am 15. Oktober 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Mit Erkenntnis vom 21. November 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Antrag - in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15. November 2016 - zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Jänner 2020, E 4683/2019-7, ab; die ebenso erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. März 2020, Ra 2020/14/0084, als unzulässig zurück.

4        Am 6. August 2020 stellte der Revisionswerber im Beisein seiner anwaltlichen Vertretung einen erneuten Antrag auf internationalen Schutz, den er unter Bezugnahme auf seine im ersten Verfahren bereits vorgebrachte Konversion zum Christentum mit einer neuen Bedrohung aufgrund von eigenen Aktivitäten auf Facebook, durch einen Drohbrief sowie Bedrohungen durch seinen Bruder und seinen Schwager begründete.

5        Mit Bescheid vom 11. November 2020 wies das BFA diesen Antrag vollinhaltlich wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei, setzte keine Frist zur freiwilligen Ausreise und erließ ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren.

6        Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit - für das vorliegende Revisionsverfahren nicht wesentlichen - Maßgaben ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

7        Diese Entscheidung begründete das BVwG in näherer Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen - wie auch bereits das BFA - damit, dass das neue Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht glaubwürdig sei. So handle es sich bei dem Vorbringen in Zusammenhang mit dem vom Revisionswerber vorgelegten Drohbrief um Nebenumstände, denen kein glaubhafter Kern zukomme. Ebenso sei nicht plausibel, warum der Schwager, von dem primär die Bedrohung ausgehen solle, erst nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Verfahrens sowie drei Jahre nach seiner eigenen Rückkehr in den Irak den Revisionswerber aufgrund dessen Konversion, die dem Schwager bereits bei dessen Ausreise bekannt gewesen sein soll, zu bedrohen begonnen habe. Die vorgelegten Aktivitäten auf Facebook datierten großteils auf die Zeit vor Abschluss des ersten Verfahrens und es sei zudem nicht feststellbar, dass der Account tatsächlich vom Revisionswerber betrieben worden sei. Im Rahmen der Rückkehrentscheidung hielt das BVwG nach Durchführung einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK weiters fest, dass die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Revisionswerbers überwögen.

8        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG mit Beschluss vom 24. Februar 2021, E 343/2021-6, ablehnte und sie an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

9        In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht, zu deren Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht wird, die Entscheidungsbegründung des BVwG sei „judikaturwidrig“. Weiters hätte das BVwG eine meritorische Entscheidung treffen sowie eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.

10       Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründungspflicht von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Dies erfordere in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben. Das Verwaltungsgericht hat neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH 18.3.2021, Ra 2021/18/0090, mwN).

15       Soweit die Revision vorbringt, das BVwG habe im gegenständlichen Fall eine „judikaturwidrige Entscheidungsbegründung“ vorgenommen, legt sie nicht dar, dass das BVwG von den oben dargestellten höchstgerichtlichen Leitlinien zur Begründungspflicht von gerichtlichen Entscheidungen abgewichen wäre. Die Behauptung der Revision, eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit eines Vorbringens setze voraus, dieses Vorbringen „unter den Feststellungen“ darzustellen, trifft nicht zu. Die Tatsachenfeststellungen einer Entscheidung dienen dazu, den der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt darzustellen. Sie dürfen sich gerade nicht auf die (bloße) Wiedergabe des Parteivorbringens beschränken. In der Beweiswürdigung der Entscheidung sollen im Übrigen die Gründe dargelegt werden, die das Verwaltungsgericht dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen. Dies erfordert eine Bezugnahme auf das Parteivorbringen nur insoweit, als es zum Verständnis der beweiswürdigenden Erwägungen des Gerichts notwendig ist (vgl. erneut VwGH 18.3.2021, Ra 2021/18/0090). Diesen Anforderungen hat das BVwG entsprochen.

16       Sofern die Revision rügt, das BVwG habe seine meritorische Entscheidungspflicht verkannt, ist auszuführen, dass „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG lediglich die Frage war, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrages durch das BFA gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das BVwG hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist (vgl. VwGH 11.3.2021, Ra 2021/18/0059, mwN). Dass das BVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, legt die Revision mit ihrem bloß pauschalen Verweis auf die - im Übrigen zum hier vom BVwG nicht angewendeten § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ergangene - Rechtsprechung sowie der Behauptung der Verkennung der Rechtslage hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VI. des Bescheides vom 11. November 2020 durch das BVwG nicht dar (vgl. dazu auch VwGH 23.9.2020, Ra 2020/14/0175, Rn. 45 ff.).

17       Wenn die Revision schließlich eine Verletzung der Verhandlungspflicht entgegen der Bestimmungen des § 21 Abs. 7 BFA-VG ins Treffen führt, ist ihr entgegenzuhalten, dass zwar auch das BVwG in seiner diesbezüglichen Begründung auf § 21 Abs. 7 BFA-VG verweist, die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt. Dass das BVwG von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren abgewichen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. dazu VwGH 13.7.2020, Ra 2020/18/0071, mit Hinweis auf VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072).

18       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. Mai 2021

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021180196.L00

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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