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66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
ASVG §4 Abs1 Z13Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Dr. S F in W, vertreten durch die Graff, Nestl & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Kärntner Ring 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Juli 2020, Zl. W156 2195912-1/4E, betreffend Pflichtversicherung nach dem FSVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber ab dem 1. März 2007 „bis derzeit laufend“ der Pflichtversicherung in der Pensions- und Unfallversicherung gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 FSVG unterliege. Auf das Wesentlichste zusammengefasst führte das Bundesverwaltungsgericht begründend aus, dass der Revisionswerber seit 19. März 2007 als angestellter Arzt im Evangelischen Krankenhaus Wien tätig sei. Darüber hinaus habe er seit dem 10. März 2010 eine Praxis für Allgemeinmedizin und Innere Medizin. Auf Grund seiner Tätigkeit im Angestelltenverhältnis unterliege er der Pflichtversicherung nach dem ASVG. Er habe weder einen Anspruch auf einen Ruhe- oder Versorgungsgenuss gegenüber dem Evangelischen Krankenhaus noch auf Unterhalt oder Versorgung gegenüber einem Orden oder einer kirchlichen Gemeinschaft. Daher sei kein Ausnahmetatbestand nach § 5 Z 2, § 5 Z 3 oder § 5b FSVG verwirklicht.
5 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Der Revisionswerber erblickt in der - nach Ablehnung und Abtretung seiner Verfassungsgerichtshofsbeschwerde ausgeführten - Revision entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Bisher - so das wörtliche Vorbringen - habe der Verwaltungsgerichtshof „die Rechtsmeinung vertreten, dass dann ein Anspruch auf eine anfallsbezogene Versorgung im Sinne einer Pensionsleistung über das evangelische Krankenhaus besteht und dies für Ärzte des evangelischen Krankenhauses die Möglichkeit bestünde, bei einem unbefristeten Dienstverhältnis eine Pensionsleistung zu erhalten“. Gemäß der „bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichts vom 13.8.2003, 2000/08/0140“ dürfe die Regelung des § 5 (Z 2) FSVG nur dahingehend verstanden werden, dass damit Pensionsleistungen auf Grund dienst- und pensionsrechtlicher Vorschriften gemeint seien, die ihren Grund in einem Dienstverhältnis zu den im Gesetz genannten Dienstgebern hätten. Gemäß § 5 Z 3 und § 5b FSVG seien Personen von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung und der Unfallversicherung u.a. dann ausgenommen, wenn sie Angehörige der Anstalten der Evangelischen Diakonie seien. Zur Evangelischen Diakonie zählten diese Personen, solange sie nicht in einem Dienstverhältnis zu einer anderen Körperschaft (Person) als ihrer Kirche bzw. deren Einrichtungen stünden (Hinweis VwGH 22.1.2003, 98/08/0144). Der Ausnahmetatbestand sei mit der 9. FSVG-Novelle, BGBl. Nr. 415/1996, eingeführt worden; sein Zweck sei, dass eine Person, die bereits nach kirchlichen Vorschriften einer eigenen Versorgung unterliege, nicht der gesetzlichen Sozialversicherung unterworfen werden solle. Solche Personen wären demnach auch gemäß § 5 Abs. 1 Z 7 ASVG von der Vollversicherung nach dem ASVG ausgenommen. „Vor diesem Hintergrund“ sei „daher das angefochtene Erkenntnis zu sehen“ und widerspreche „das Ergebnis der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“.
7 Der Revisionswerber scheint mit seinem Vorbringen darauf hinauszuwollen, dass es sich bei ihm um einen Angehörigen einer Anstalt der Evangelischen Diakonie im Sinn der §§ 5 Z 3 und 5b FSVG handle. Das trifft jedoch, wie das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis richtig erkannt hat, nicht zu. Die Ratio der grundsätzlichen Ausnahme der Angehörigen von Anstalten der Evangelischen Diakonie - wie auch der katholischen Ordensangehörigen - von der gesetzlichen Sozialversicherung (vgl. auch § 5 Abs. 1 Z 7 ASVG, § 4 Abs. 1 Z 2 GSVG und § 5 Abs. 1 Z 2 BSVG) besteht darin, dass diese Personen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu den genannten kirchlichen Einrichtungen umfassend - auch für den Fall des Eintritts der von der gesetzlichen Sozialversicherung abgedeckten Risken - versorgt werden und ihnen insoweit daher ein Schutzbedürfnis fehlt (vgl. Mosler in SV-Komm § 5 ASVG Rz 30; siehe auch VwGH 26.1.1984, 81/08/0130, insbesondere Punkte 4.4.5. und 4.4.6. der Entscheidungsgründe, sowie VwGH 27.7.2001, 98/08/0011). In den ErlRV zur Stammfassung des ASVG, 599 BlgNR 7. GP, 8, wird dazu ausgeführt, dass die Ausnahme „die unter einer geistlichen Verpflichtung stehenden Personen, die der Versorgung nach den für sie geltenden kirchenrechtlichen Vorschriften überlassen bleiben,“ betreffe. Dementsprechend bezog sich der Ausnahmetatbestand in § 5 Abs. 1 Z 7 ASVG in der Stammfassung auf „Diakonissenanstalten der evangelischen Kirche A.B. und H.B.“, also ausdrücklich auf Einrichtungen, deren Angehörige (ähnlich wie katholische Ordensleute) in einer verbindlichen Gemeinschaft leben. Mit der 29. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 31/1973, wurde dieser Ausdruck dann durch den Begriff „Anstalten der Evangelischen Diakonie“ ersetzt, um - so die ErlRV 404 BlgNR 13. GP, 65 - die Bezeichnung der „geltenden Terminologie“ anzupassen. In Betracht kommen aber (sofern es sich bei der Beibehaltung der Ausnahme für die Evangelische Diakonie trotz Schaffung des u.a. für Diakonissen geltenden Vollversicherungstatbestandes nach § 4 Abs. 1 Z 13 ASVG mit dem SRÄG 1996 nicht überhaupt um ein legistisches Versehen handelt - vgl. dazu Kalb/Potz/Schinkele, Staatskirchenrecht [2003] 244) nach § 5 Abs. 1 Z 7 ASVG ebenso wie nach den Parallelbestimmungen des FSVG, GSVG und BSVG weiterhin nur solche kirchliche Einrichtungen, die ihren Angehörigen - in der Regel im Gegenzug zu einer persönlichen Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft - jenen umfassenden, dauerhaften Unterhalts- und Versorgungsanspruch vermitteln, der den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung entbehrlich macht. Davon kann im Verhältnis zwischen dem Rechtsträger des Evangelischen Krankenhauses Wien - einer GmbH - und einem von diesem angestellten Arzt keine Rede sein.
8 Was den in der Zulässigkeitsbegründung ebenfalls angesprochenen Ausnahmetatbestand des § 5 Z 2 FSVG betrifft, so war er schon deswegen nicht erfüllt, weil der Revisionswerber im Hinblick auf die Rechtsträgerschaft des Evangelischen Krankenhauses Wien offensichtlich in keinem Dienstverhältnis „zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder zu von solchen Körperschaften verwalteten Betrieben, Anstalten, Stiftungen und Fonds“ stand.
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 25. Mai 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021080051.L00Im RIS seit
16.06.2021Zuletzt aktualisiert am
21.07.2021