TE OGH 2021/4/14 18ONc2/21w

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Veröffentlicht am 14.04.2021
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Veith, die Hofräte Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätin Mag. Istjan LL.M. als weitere Richter in der Schiedsrechtssache der Antragstellerin (schiedsbeklagte Partei) M***** GmbH, *****, gegen die Antragsgegnerin (schiedsklagende Partei) N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in Weiz, wegen Ablehnung der Schiedsrichter Mag. M*****, Dr. E***** und Univ.-Prof. Dr. M***** (§ 589 Abs 3 ZPO), den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Ablehnung der Schiedsrichter Mag. M*****, Dr. E***** und Univ.-Prof. Dr. M***** wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            1. Zwischen den Streitteilen ist seit Juni 2019 ein Schiedsverfahren anhängig, wobei der Oberste Gerichtshof gemäß § 587 ZPO mit Beschluss vom 20. 12. 2019 zu 18 ONc 3/19i-5 Univ.-Prof. Dr. M***** zum Schiedsrichter bestellte. Daneben besteht das Schiedsgericht aus Mag. M***** als Vorsitzendem und Dr. E***** als weitere Schiedsrichterin.

[2]            2. Die – nicht anwaltlich vertretene – Antragstellerin lehnte mit Eingaben vom 28. 6. 2020, 20. 8. 2020, 11. 10. 2020 und 12. 10. 2020 jeweils das gesamte Schiedsgericht als befangen ab. Sie stützte diese Ablehnungsanträge auf verfahrensrechtliche Fehlleistungen des Schiedsgerichts im Zusammenhang mit Fragen der Zustellung, der Anleitung und der formellen Verfahrensführung.

[3]            Mit Beschluss vom 12. 11. 2020 wies das Schiedsgericht diese Ablehnungsanträge ab.

[4]            Mit einer Eingabe vom 20. 11. 2020 lehnte die Antragstellerin die drei Schiedsrichter neuerlich ab; dies „unter Einbeziehung der bisherigen Ablehnungsgründe“ mit der Begründung, das Schiedsgericht habe ihr trotz mehrmaliger Aufforderung, dies zu unterlassen, erneut ein E-Mail unter einer E-Mail-Adresse geschickt, die offenkundig ein Verteiler sei.

[5]            Mit Beschluss vom 23. 11. 2020 wies das Schiedsgericht (auch) diesen Ablehnungsantrag ab.

[6]            Mit dem am 10. 12. 2020 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Ablehnungsantrag begehrte die Antragstellerin, über die im Beschluss des Schiedsgerichts vom 12. 11. 2020 behandelte Ablehnung der drei Schiedsrichter zu entscheiden.

[7]            Mit dem am 21. 12. 2020 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Ablehnungsantrag begehrte die Antragstellerin, über die im Beschluss des Schiedsgerichts vom 23. 11. 2020 behandelte Ablehnung der drei Schiedsrichter zu entscheiden.

[8]            Mit Beschlüssen je vom 19. 1. 2021 wies der Oberste Gerichtshof den Ablehnungsantrag vom 10. 12. 2020 zu 18 ONc 4/20p und jenen vom 21. 12. 2020 zu 18 ONc 5/20k zurück.

[9]            3. Mit Eingaben vom 23. 11. 2020, 30. 11. 2020, 1. 12. 2020 und 7. 1. 2021 lehnte die Antragstellerin die drei Schiedsrichter neuerlich ab. Sie stützte diese Ablehnungsanträge zusammengefasst auf inhaltliche und formale Begründungsmängel des (den ersten Ablehnungsantrag abweisenden) Beschlusses des Schiedsgerichts vom 12. 11. 2020 und wiederholte den Vorwurf verfahrensrechtlicher Fehlleistungen des Schiedsgerichts in Bezug auf Fragen der Zustellung, der Anleitung und der formellen Verfahrensführung.

[10]           Mit Beschluss vom 26. 1. 2021 wies das Schiedsgericht diese Ablehnungsanträge ab.

[11]           Mit dem am 24. 2. 2021 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Ablehnungsantrag begehrte die Antragstellerin, über die im Beschluss des Schiedsgerichts vom 26. 11. 2020 behandelte Ablehnung der drei Schiedsrichter zu entscheiden. Dieser Ablehnungsantrag nach § 589 Abs 3 ZPO ist Gegenstand dieser Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

[12]           4. Der Ablehnungsantrag vom 24. 2. 2021 ist zurückzuweisen.

[13]           4.1. Die geltend gemachten Ablehnungsgründe können die Unparteilichkeit der abgelehnten Schiedsrichter schon abstrakt nicht begründen. Wegen der Unbegründetheit des Antrags sind weitere Verfahrensschritte (Einholungen von Äußerungen, sonstige Erhebungen) durch den Senat nicht erforderlich. Auch wenn man – wie im Folgenden – die Richtigkeit der Vorwürfe unterstellt, wäre daraus noch keine Befangenheit der Schiedsrichter abzuleiten (vgl 18 ONc 3/20s).

[14]           4.2. Ein Schiedsrichter kann nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken, oder wenn er die zwischen den Parteien vereinbarten Voraussetzungen nicht erfüllt (§ 588 Abs 2 ZPO).

[15]           Der Gesetzestext des § 588 ZPO idF des SchiedsRÄG 2006 verweist zwar – anders als die Bestimmung des früheren § 586 ZPO – nicht mehr auf die Regeln über die Befangenheit und die Ausgeschlossenheit von Richtern staatlicher Gerichte (§§ 19 f JN). Ungeachtet dessen sind die Gründe für die Ablehnung staatlicher Richter – unter spezieller Berücksichtigung der Besonderheiten der Schiedsgerichtsbarkeit – weiterhin als Richtlinien heranzuziehen (18 ONc 1/19w mwN).

[16]     Nach der Rechtsprechung zur Befangenheit und Ausgeschlossenheit von Richtern (§§ 19 f JN) sollen Ablehnungsregeln den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RS0046087, RS0109379). Dennoch ist bei der Prüfung der Unbefangenheit eines Richters iSd § 19 JN im Interesse des Ansehens der Justiz ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949, RS0046052 [T12], RS0109379). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss, auch wenn der Richter tatsächlich unbefangen sein sollte, oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0109379 [T4, T7], RS0046052 [T10]).

[17]           Eine unsachgemäße Prozessleitung und prozessuale Fehler begründen aber für sich nicht den Anschein der Voreingenommenheit (18 ONc 3/20s mwN). Selbst wenn die vom Ablehnungswerber thematisierten prozessualen Entscheidungen oder Anordnungen des Schiedsgerichts tatsächlich als falsch und/oder ihre Prozessleitung als unsachgemäß anzusehen wären, würde dieser Umstand daher (für sich genommen) noch keine Ablehnung rechtfertigen. Anderes könnte nur für schwerwiegende Verfahrensverstöße (18 ONc 2/19t mwN) oder eine (dauerhafte und wesentliche) Bevorzugung bzw Benachteiligung gelten (18 ONc 3/20s mwN).

[18]     Bei der Verfahrensführung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das Schiedsgericht mangels einer gegenteiligen Vereinbarung der Parteien das Verfahren innerhalb der Grenzen des § 594 Abs 2 ZPO und unter Beachtung zwingender Vorschriften der lex arbitri nach freiem Ermessen bestimmen kann (§ 594 Abs 1 Satz 3 ZPO; 18 ONc 4/20p mwN).

[19]           4.3. Die Antragstellerin macht als Ablehnungsgründe – zusammengefasst – geltend, die Schiedsrichter hätten

a) wiederholt, zuletzt in den Prozessleitenden Verfügungen Nr 3 vom 23. 11. 2020 und Nr 5 vom 26. 1. 2021 erklärt, ein Fax sei im Gegensatz zu einem E-Mail höchst unsicher und fehleranfällig, daher seien Verfahrensschritte im Schiedsverfahren nicht per Fax, sondern per E-Mail zu setzen, sodass die Antragstellerin zur Teilnahme an einer E-Mail-Kommunikation gezwungen werde;

b) trotz wiederholter Aufforderung, dies zu unterlassen, und im Wissen, dass sie damit vertrauliche Daten an unbefugte Dritte versenden, neuerlich Schreiben an eine E-Mail-Adresse übersandt, die ein Verteiler sei;

c) die nicht anwaltlich vertretene Antragstellerin gezwungen, ein schriftliches Vorbringen zu erstatten;

d) die nicht anwaltlich vertretene Antragstellerin in Bezug auf die vom Schiedsgericht geforderten Zeugenerklärungen und Beweisanträge nicht oder nur mangelhaft angeleitet.

[20]           4.4. Mit diesen Behauptungen zeigt die Antragstellerin weder einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß noch eine dauerhafte und wesentliche Benachteiligung auf.

[21]           4.4.1. Der Senat hat in den Vorentscheidungen zu 18 ONc 4/20p und 18 ONc 5/20k bereits klargestellt, dass die Aufforderung des Schiedsgerichts, Eingaben nicht per Fax einzubringen, ebenso wenig Zweifel an der Unbefangenheit des Schiedsgerichts aufwirft, wie der Umstand, dass das Schiedsgericht mit der Antragstellerin (auch) per E-Mail an die von der Antragstellerin bekanntgegebene E-Mail-Adresse kommunizierte. Das Schiedsgericht hat damit den oben beschriebenen Spielraum bei der Gestaltung des Verfahrensablaufs nicht überschritten.

[22]           Das gilt nicht nur für den Zeitraum, der von den bisherigen Ablehnungsanträgen und den Entscheidungen darüber erfasst wurde. Auch die im neuerlichen Ablehnungsantrag beanstandete Übermittlung weiterer E-Mails (am 5. 1. 2021, 27. 1. 2021 und 12. 2. 2021) an diese Adresse weckt keine berechtigten Zweifel an der Unparteilichkeit der Schiedsrichter (vgl 18 ONc 5/20k). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragstellerin auf ihren ausschließlich an das Schiedsgericht gerichteten Schriftsätzen diese E-Mail-Adresse nur mehr fallweise selbst anführte.

[23]           4.4.2. Zu der von der Antragstellerin schon in ihren ersten Ablehnungsanträgen beanstandeten, vom Schiedsgericht aufrecht erhaltenen Forderung, Vorbringen schriftlich zu erstatten, hat der Senat ebenso bereits zu 18 ONc 4/20p Stellung genommen. Allein der Umstand, dass das Schiedsverfahren zum Teil im schriftlichen Weg geführt wurde und wird, lässt nicht an der Unbefangenheit der Schiedsrichter zweifeln.

[24]           Auch unter dem Aspekt der Anleitung hat das Schiedsgericht mit den im neuerlichen Ablehnungsantrag der Antragstellerin konkret geschilderten Verfahrenshandlungen kein Verhalten gesetzt, das bei objektiver Betrachtungsweise auch nur den Anschein einer Voreingenommenheit entstehen lassen könnte. Das gilt, abgesehen davon, dass die Antragstellerin die Geltendmachung dieses Umstands als Ablehnungsgrund ausdrücklich einem gesonderten Ablehnungsantrag vorbehält, insbesondere für die gerügte Zurückweisung von Zeugenerklärungen und Beweisanträgen. Dass das Schiedsgericht dabei gegenüber der Antragstellerin gegen das Gebot der fairen Behandlung iSd § 594 Abs 2 Satz 1 ZPO (vgl 18 ONc 3/20s) verstoßen hätte, ist selbst nach deren Behauptungen nicht zu erkennen.

[25]           5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Ablehnungsgründe die Befangenheit der abgelehnten Schiedsrichter nicht begründen können. Der Ablehnungsantrag ist daher zurückzuweisen.

Textnummer

E131837

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:018ONC00002.21W.0414.000

Im RIS seit

15.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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