TE OGH 2021/5/3 8ObA18/21m

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner sowie Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter (§ 11a Abs 3 Z 2 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. D*****, vertreten durch Mag. Dr. H*****, Rechtsanwalt in Linz, als einstweiliger Erwachsenenvertreter, gegen die beklagte Partei I***** KG, *****, wegen Leistung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Klägers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Mai 2019, GZ 11 Ra 29/19t-26, mit dem der Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. April 2019, GZ 9 Cga 23/19f-10, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

[1]            Mit der am 28. 2. 2019 beim Erstgericht per ERV eingebrachten „Mahnklage“ begehrte der (damals noch unvertretene) Kläger von der Beklagten die Zahlung von „0 EUR sA“. Dazu brachte er vor, dass er vom 24. 6. 2013 bis 30. 4. 2014 als Software-Techniker bei der Beklagten angestellt gewesen sei. Auf das Dienstverhältnis sei der Kollektivvertrag für Angestellte der Metallindustrie (Maschinen- und Metallwarenindustrie) anwendbar. Der Kläger sei entsprechend dem anzuwendenden Kollektivvertrag in die KV-Gruppe D eingestuft gewesen. Richtigerweise hätte der Kläger jedoch mindestens in die Beschäftigungsgruppe G eingestuft werden sollen. Der Vermögensschaden durch die unkorrekte Einstufung sei wegen der derzeit nicht auffindbaren Lohnzettel nicht konkret eruierbar. Dazu komme noch eine Forderung, nämlich Korrektur des Dienstzeugnisses.

[2]            Daraufhin lud der Erstrichter den (in sieben weiteren beim Erstgericht eingebrachten Verfahren gegen andere Arbeitgeber ebenfalls 0 EUR begehrenden) Kläger am 28. 3. 2019 vor Gericht und belehrte ihn darüber, dass die Geltendmachung eines Betrags von 0 EUR nicht zur Erlassung eines Zahlungsbefehls führen könne und die Klage daher nicht zur geschäftsordnungsgemäßen Behandlung geeignet sei. Der Kläger beharrte auf seiner (bereits in vorangegangenen Eingaben zum Ausdruck gebrachten) Meinung, dass eine Einklagung von 0 EUR nicht verboten sei; 0 EUR seien eine Anzahlung auf die Klagsforderung. Es werde daher von ihm keine Verbesserung durchgeführt werden.

[3]            Mit Beschluss vom 8. 4. 2019 wies das Erstgericht die Klage mangels Bestimmtheit des Klagebegehrens zurück.

[4]            Dagegen erhob der Kläger am 9. 4. 2019 einen Rekurs.

[5]            Das Erstgericht trug dem Kläger mit Beschluss vom 16. 4. 2019 die Verbesserung des Rekurses binnen 14 Tagen in Form der Unterfertigung durch eine qualifizierte Person im Sinn des § 40 Abs 1 ASGG auf.

[6]            In mehreren Eingaben vertrat der Kläger daraufhin die Ansicht, er könne den Rekurs unvertreten einbringen und ersuchte um Vorlage seines Rechtsmittels an die zweite Instanz.

[7]            Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht den Rekurs des unvertretenen Klägers als unzulässig zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

[8]            Dagegen erhob der Kläger am 18. 6. 2019 einen Revisionsrekurs.

[9]            Am 24. 6. 2019 übermittelte das Erstgericht den Akt gemäß § 6a ZPO an das Pflegschaftsgericht.

[10]           Das Pflegschaftsgericht bestellte mit (mittlerweile rechtskräftigem) Beschluss vom 22. 5. 2020 den Rechtsanwalt Mag. Dr. H***** gemäß § 120 AußStrG zum einstweiligen Erwachsenenvertreter unter anderem zur Vertretung in allen anhängigen und anstehenden gerichtlichen Verfahren.

[11]           Mit Beschluss vom 3. 12. 2020 (zugestellt am 7. 12. 2020) trug das Erstgericht dem einstweiligen Erwachsenenvertreter auf, binnen eines Monats bekannt zu geben, ob der Revisionsrekurs und das vorangegangene Verfahren samt Klagsführung genehmigt werden. Im Fall einer Genehmigung wurde dem Erwachsenenvertreter aufgetragen, binnen weiterer zwei Monate den Revisionsrekurs in Entsprechung der ZPO und Geo zu verbessern.

[12]           Der einstweilige Erwachsenenvertreter erklärte in seiner Eingabe vom 3. 1. 2021, er gehe davon aus, dass der Verbesserungsauftrag bis dato nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, weil der Kläger bereits damals geschäftsunfähig gewesen sei. Sollte er mit dieser Argumentation beim Obersten Gerichtshof durchdringen, werde der Verbesserungsauftrag ihm als Erwachsenenvertreter neuerlich zuzustellen sein und werde er dann entscheiden, ob die weitere Klagsführung genehmigt werde.

[13]           Am 3. 3. 2021 brachte der einstweilige Erwachsenenverteter einen verbesserten Revisionsrekurs aus den Revisionsgründen der Nichtigkeit und unrichtigen rechtlichen Beurteilung ein, mit dem Antrag, die Beschlüsse vom 13. 5. 2019 und 8. 4. 2019 aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, ihm den ergangenen Verbesserungsauftrag hinsichtlich der Klage zuzustellen. Dabei stützt er sich darauf, dass der Kläger nach den im Erwachsenenschutzverfahren eingeholten Sachverständigengutachten bereits bei Klagseinbringung nicht prozessfähig gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

[14]           Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

[15]           Aufgrund des vom Bezirksgericht Linz im Erwachsenenschutzverfahren ***** eingeholten Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Prim. Dr. C*****, vom 14. 7. 2020 wird festgestellt, dass der Kläger seit Juni/Juli 2018 an einer anhaltend wahnhaften Störung bzw einer kombinierten Persönlichkeitsstörung leidet. Wegen seiner krankheitsbedingten psychischen Einschränkungen war er seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, sich adäquat um seine finanziellen Angelegenheiten zu kümmern und sich unter anderem gegenüber Gerichten (insbesondere in den anhängigen Gerichtsverfahren) zu vertreten.

[16]           Dazu hat der Senat erwogen:

[17]           1.1 Aufgrund der getroffenen Feststellungen ist der Kläger – im Einklang mit seinem Vorbringen – schon ab Einbringung der Klage als prozessunfähig anzusehen.

[18]           1.2 Liegt der Mangel der Prozessfähigkeit eines Klägers – wie hier – schon vom Beginn des Rechtsstreits an vor, ist das gesamte Verfahren als gemäß § 477 Abs 1 Z 5 ZPO nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen, es sei denn, dass die Prozessführung durch den (später bestellten) gesetzlichen Vertreter des Klägers nachträglich ordnungsgemäß genehmigt wurde (§ 503 Abs 1 Z 1, § 477 Abs 2 ZPO; 6 Ob 708/89; RIS-Justiz RS0035241). In Aktivprozessen des Betroffenen bedarf die bisherige Prozessführung zudem der gerichtlichen Genehmigung (6 Ob 708/89; 4 Ob 53/07h).

[19]           2.1 Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens – auch noch im Rechtsmittelverfahren – die Einbeziehung des gesetzlichen Vertreters zu veranlassen und ihm die Möglichkeit einer Genehmigung bisher unwirksamer Prozesshandlungen der vom Vertretungsmangel betroffenen Partei zu eröffnen (RS0118612). Die Sanierung eines bisher ohne Sachwalter (nunmehr Erwachsenenvertreter) durchgeführten Verfahrens erfordert dessen Erklärung, dass das bisherige Verfahren genehmigt wird (RS0107438). Eine Erklärung, ob ein Verfahren oder Rechtsmittel genehmigt wird oder nicht, kann den Zweck, unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber dem Gericht und allenfalls gegenüber einer Gegenpartei zu erzeugen, nur erreichen, wenn sie unbedingt abgegeben wird. Eine derartige Erklärung bedingt abzugeben, ist unzulässig (RS0035459).

[20]           2.2 Richtig hat das Erstgericht den einstweiligen Erwachsenenvertreter daher mit Beschluss vom 3. 12. 2020 aufgefordert, binnen eines Monats (vgl RS0035488) zu erklären, ob der Revisionsrekurs und das vorangegangene Verfahren samt Klagsführung genehmigt wird.

[21]           Der einstweilige Erwachsenenvertreter hat die Klage weder innerhalb der gesetzten Frist noch nachträglich genehmigt. Schon mangels Vorliegens einer Genehmigung des Vertreters sind die Klage und der Rekurs des prozessunfähigen Klägers von den Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen worden, ohne dass es noch auf das Fehlen der pflegschaftsgerichtlichen Ermächtigung ankommt. Da ein über die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes hinausgehendes Verfahren nicht durchgeführt wurde, bedarf es auch keiner weiteren Nichtigerklärung.

[22]           3. Aus diesen Gründen kann dem außerordentlichen Revisionsrekurs kein Erfolg beschieden sein.

Textnummer

E131832

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00018.21M.0503.000

Im RIS seit

14.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten