Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Mai 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Pentz in der Finanzstrafsache gegen Miroslav D***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Juli 2020, GZ 124 Hv 18/19d-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im (impliziten) Freispruch vom Vorwurf der vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechender Voranmeldung für den Monat Dezember 2017 bewirkten Verkürzung von Umsatzsteuer im Zusammenhang mit 12 Rechnungen der „O***** Bau GmbH“ unberührt bleibt, aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Miroslav D***** mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (I) und eines Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (II) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W***** im Bereich des Finanzamts Wien 9/18/19 Klosterneuburg als Geschäftsführer der DR***** GmbH im Zusammenhang mit dem Renovierungsprojekt D***** (US 4 ff) vorsätzlich unter Verletzung
(I) einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung an Umsatzsteuer bewirkt, indem er inhaltlich unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen abgab, und zwar
für das Jahr 2015 um 45.640,73 Euro und
für das Jahr 2016 um 128.281,43 Euro, sowie
(II) der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechender Voranmeldung für den Monat Dezember 2017 eine Verkürzung an Umsatzsteuer um 34.031,43 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.
[3] Wegen des Vorwurfs der vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechender Voranmeldung für den Monat Dezember 2017 bewirkten Verkürzung von Umsatzsteuer in Zusammenhang mit 12 Rechnungen der „O***** Bau GmbH“ (vgl die Anklageschrift ON 3 S 1 und 3) erging kein Schuldspruch (vgl US 1 f). Vielmehr hat das Schöffengericht in den Entscheidungsgründen durch entsprechende Negativfeststellungen (US 6) einen – von der Staatsanwaltschaft nicht angefochtenen – Freispruch zum Ausdruck gebracht (vgl RIS-Justiz
RS0116266 [T10]).
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen dieses Urteil wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[5] Zutreffend zeigt die Mängelrüge – ausgehend vom ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 13, 19 und 29) – eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Beweiswürdigung in Ansehung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6 f) auf:
[6] Diese leiteten die Tatrichter unter Verwerfung der Verantwortung des Angeklagten, eine umsatzsteuerpflichtige Verwertung des Renovierungsprojekts D***** angestrebt zu haben (US 7 f), allein aus dem äußeren Tatgeschehen ab (US 8, zur rechtsstaatlichen Vertretbarkeit des Schlusses von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen siehe RIS-Justiz RS0098671 und RS0116882).
[7] Sie ließen jedoch die Aussage des Angeklagten unberücksichtigt, er sei im anklagegegenständlichen Zeitraum im Unternehmen „für den Bau“, die Qualitätskontrolle und die Rechnungsausstellung zuständig gewesen (ON 13 S 3 f), während die Berechnung der Umsatzsteuer sowie die Erstellung der „Jahreserklärung und [...] Bilanzen“ von der gezielt als „Beste [...] für den Baubetrieb“ gewählten L***** Steuerberatungsgesellschaft mbH vorgenommen worden sei, der er alle Rechnungen und Belege weitergeleitet habe (ON 2 S 405 ff iVm ON 29 S 20, ON 13 S 4 ff, ON 29 S 19).
[8] Diese Darstellung wurde durch die Aussage der Zeugin Dejana D***** bestätigt (ON 19 S 9) und auch der als informierter Vertreter des Finanzamts vernommene Zeuge Johann K***** sagte aus, er habe sämtliche prüfungsrelevanten Unterlagen, einschließlich der keine Umsatzsteuer aufweisenden Kaufverträge zum Projekt D*****, vom steuerlichen Vertreter der DR***** GmbH erhalten (ON 29 S 11).
[9] Die Tatrichter waren daher verpflichtet, sich in Zusammenschau mit der seitens der L***** Steuerberatungsgesellschaft mbH für die DR***** GmbH erstatteten Selbstanzeige (ON 2 S 19 ff iVm ON 29 S 20) mit dieser nicht allein den Umstand steuerlicher Vertretung behauptenden (vgl 13 Os 20/14m), den bekämpften Feststellungen erörterungsbedürftig entgegenstehenden Verantwortung des Angeklagten auseinanderzusetzen.
[10] Bereits dieser Begründungsmangel erforderte – im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Tenor ersichtlich schon bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO).
[11] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Textnummer
E131853European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00015.21M.0519.000Im RIS seit
15.06.2021Zuletzt aktualisiert am
15.06.2021