TE OGH 2021/6/1 14Os33/21s

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.06.2021
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juni 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Pentz in der Strafsache gegen ***** M***** und einen anderen Angeklagten wegen Verbrechen der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 vierter Fall (iVm Abs 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten M***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Geschworenengericht vom 10. Februar 2021, GZ 15 Hv 37/20f-577, weiters über die Beschwerden dieses Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]            Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – ***** M***** im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 14 Os 33/20i) des Verbrechens der staatsfeindlichen Verbindungen nach § 246 Abs 2 vierter Fall (iVm Abs 1) StGB schuldig erkannt.

[2]            Danach hat er in S***** und andernorts den „I*****“ (kurz: I*****), der am 19. Juni 2014 von vier – im angefochtenen Urteil namentlich genannten – Personen auf unbestimmte Dauer gegründet und dessen Gründung am 2. Oktober 2015 in B***** (Schweiz) „manifestiert wurde, durch die Unterfertigung des völkerrechtlichen Gründungsvertrages“ des I***** durch (im Urteil ebenfalls jeweils namentlich genannt) in W***** acht Personen, in Z***** (Schweiz) sieben Personen, in T***** (Deutschland) sieben Personen, der weiters in der Form einer „Generaldirektion“ mit einem „General Director“, eines „High Council“ als höchstes Organ, bestehend aus gewählten Vertretern des „International Board of Court Direction“ und mehreren „Rechtspersönlichkeiten“ („International Intelligence Agency“, „International Sheriff Association“, „International Right Organisation“ und „International Right Commission“) sowie von Landesorganisationen in Österreich und sieben weiteren europäischen Staaten, jeweils mit „National Court Director“, „National Clerk of the Court“, „National Court Secretary“, „National Court Officer“, „Regional Court Director“, „Regional Clerk of the Court“, „Regional Court Secretary“, „Regional Court Officer“, „Regional Justice of the Peace“, „Major Chief Sheriff“, „Chief Sheriff“ und „Deputy Sheriff“ organisiert ist, mithin eine Verbindung, deren wenn auch nicht ausschließlicher Zweck es ist, auf gesetzwidrige Weise, nämlich durch die Etablierung von „Pseudogerichtshöfen“, die in Form von an ordentliche Strafverhandlungen angelehnte „Pseudoverhandlungen“ Selbstjustiz üben, bei denen staatliche Entscheidungsträger, Politiker, Beamte, Richter und Privatpersonen hätten entführt, gefangen gehalten und „verurteilt“ werden sollen, somit durch systematische Verletzung von staatlichen Vorschriften, weiters durch Gewalt und gefährliche Drohung mit Gewalt die ordentliche Gerichtsbarkeit, somit eine verfassungsgemäße Einrichtung der Republik Österreich, zu erschüttern, indem dieser Einrichtung die Legitimation aberkannt und sie durch einen von der Verbindung eingerichteten Gerichtshof, nämlich den I***** ersetzt werden sollte, in sonst erheblicher Weise unterstützt, indem er von 2014 bis 20. August 2018 in seiner Funktion als „Court Officer“ sowie „Regional Court Director OÖ“ und als Mitglied des Führungsgremiums („High Council“) maßgeblich an der Planung und am Aufbau der Organisation des I***** mitwirkte, an Führungstreffen teilnahm, Schreiben und Propaganda für den I***** zum Versand an diverse Ämter und Behörden „beglaubigte“ oder mitunterschrieb und den Mitangeklagten als neues Mitglied für die staatsfeindliche Verbindung warb.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die dagegen aus § 345 Abs 1 Z 11 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

[4]            Sie moniert, der Wahrspruch enthalte keine konkreten Tatumstände, welche die gesetzlichen Merkmale verwirklichen sollen. Eine (sachverhaltsmäßige) Auflösung der vom Tatbestand verwendeten, wertausfüllungsbedürftigen Begriffe „Verbindung“ und „Erschütterung“ sei demnach unterblieben (vgl RIS-Justiz RS0100780). Dabei legt sie indes nicht prozessordnungsgemäß dar, weshalb die im Wahrspruch – im Gegensatz zum ersten Rechtsgang (vgl erneut 14 Os 33/20i) – enthaltenen Sachverhaltselemente zu Größe, zeitlicher Dimension und organisatorischer Ausgestaltung des Zusammenschlusses eine Beurteilung des Rechtsbegriffs „Verbindung“ nicht zuließen und welcher weiterer Sachverhaltselemente es allenfalls noch bedurft hätte (vgl RIS-Justiz RS0099620).

[5]            Die Kritik, es fehlten Konstatierungen zur (staatsfeindlichen) Zielsetzung der Verbindung I***** hält prozessordnungswidrig nicht an den im Wahrspruch festgestellten Tatsachen fest (RIS-Justiz RS0101403 [T3]). Diesen zufolge hätte die ordentliche Gerichtsbarkeit als verfassungsmäßige Einrichtung (vgl dazu Salimi/Tipold, SbgK § 246 Rz 27) durch gesetzwidrigen Aufbau und Betrieb einer nicht-staatlichen, gerichtsähnlichen Parallelinfrastruktur, verbunden mit dem rechtswidrigen Einsatz von Zwangsmaßnahmen, erschüttert werden sollen.

[6]            Weshalb es zur Tatbestandserfüllung darauf ankomme, dass das inkriminierte Verhalten tatsächlich eine Erschütterung oder Behinderung der Gerichtsbarkeit bewirkte, und dazu Feststellungen zu treffen seien, wird nicht erklärt (vgl Salimi/Tipold, SbgK § 246 Rz 4 f [zur Tatbestandsstruktur]).

[7]       Auf vom Beschwerdeführer selbst verfasste, der Nichtigkeitsbeschwerde beigelegte Schreiben war zufolge des Grundsatzes der Einmaligkeit der Rechtsmittelausführung nicht einzugehen (RIS-Justiz RS0100175 [insbesondere T10]).

[8]            Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

[9]       Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden (§§ 285i, 344, 498 Abs 3 dritter und vierter Satz StPO).

[10]     Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E131869

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00033.21S.0601.000

Im RIS seit

16.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten