TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/23 W119 2146977-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch


W119 2146977-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. 1. 2017, Zl 1067529809 VZ 150472487, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 und 55 FPG AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 7. 5. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der am 9. 5. 2015 erfolgten Erstbefragung nach dem AsylG führte die Beschwerdeführerin zunächst aus, dass sie sowohl die Grundschule als auch die Hauptschule besucht habe und unverheiratet sei. Sie habe zuletzt den Beruf einer Verkäuferin ausgeübt. Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass sie in einem Einkaufszentrum als Verkäuferin gearbeitet habe. Ihr Arbeitgeber habe sie immer wieder sexuell belästigt. Einmal habe er sie in sein Büro geholt und sie zu vergewaltigen versucht. Aus Notwehr habe sie ihm mit ihren Fingernägeln sein Gesicht zerkratzt. Deshalb habe er sie beschuldigt, 20.000,- RMB aus der Kassa gestohlen zu haben. Falls sie sexuellen Handlungen mit ihm nicht zustimme, würde er sie bei der Polizei anzeigen. Aus diesem Grund habe sie die VR China verlassen.

Am 17. 1. 2017 wurde die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen und gab eingangs an, dass sie mit ihren Eltern in einer Eigentumswohnung in einer Ortschaft in der Provinz Guizhou gewohnt habe. Sie habe von 1988 bis 1994 die Grundschule, von 1994 bis 1998 die Hauptschule und von 1998 bis 2001 die Berufsschule für Buchhaltung besucht. Nach dem Schulabschluss habe sie bis zu ihrer Ausreise als Verkäuferin gearbeitet. Neben ihren Eltern würden noch ein Onkel und eine Tante in der VR China leben. Sie wolle keinen Kontakt zu ihren Angehörigen. Ihre Ausreise habe sie durch ihre Ersparnisse finanziert. In Österreich bestreite sie ihren Lebensunterhalt durch eine Tätigkeit in einem Bordell. Sie habe Kontakt zu ihren Arbeitskolleginnen, die ebenfalls chinesische Staatsangehörige seien.

Zu ihrem Fluchtgrund führte sie aus, dass sie Konflikte mit ihrem Arbeitgeber gehabt habe. Als sie aufgefordert wurde, diese zu konkretisieren, gab sie an, ihr Arbeitgeber habe sie Ende Jänner 2015, als sie als Verkäuferin und als Kassiererin gearbeitet habe, sexuell belästigen wollen. Er habe sie in sein Büro geholt und sie vergewaltigen wollen, weshalb sie ihm sein Gesicht mit ihren Fingernägeln zerkratzt habe. Deshalb habe er sie beschuldigt Geld gestohlen zu haben. Sie habe daraufhin die Polizei gerufen. Da ihr Chef in ihrer Ortschaft sehr mächtig sei und Beziehungen habe, habe sich die Polizei nicht darum gekümmert. Weil sowohl die Polizei als auch ihr Arbeitgeber Probleme gemacht hätten, sei sie geflüchtet. Dieser Vorfall habe sich am 5. 2. 2015 ereignet. Es habe sich um 20.000 RMB gehandelt. Auf Vorhalt, dass sie in der Erstbefragung angegeben habe, dass nicht sie selbst, sondern ihr Chef gedroht habe, die Polizei zu rufen, gab sie an, dazu nichts sagen zu wollen. Auf die Frage, dass sie detaillierte Angaben zu ihrer Bedrohungssituation machen solle, gab sie an, dass ihr Chef gute Beziehungen habe. Es sei so passiert, wie sie es bereits geschildert habe. Auf die Frage, was sie über ihren Chef wisse, gab sie an, dass sie nicht viel über ihn wisse, er sei aber mächtig. Sie habe circa ein halbes Jahr bei ihm gearbeitet. Auf die Frage, ob sie zuerst die Polizei gerufen habe, gab sie an, er habe zuerst angerufen, danach erst sie. Aufgefordert, konkrete Angaben rund um den Vorfall mit der Polizei zu machen, gab sie an, dass die Polizei gekommen sei und all ihre Sachen weggenommen habe, zB auch ihre Tasche. Sie hätte eine Personenkontrolle durchgeführt und sie mitnehmen wollen. Sie habe keine Anzeigenbestätigung, weil sie es bei ihrer Ausreise sehr eilig gehabt habe. Ihr Chef habe sie nicht angezeigt. Auf die Frage, ob sie in einer anderen Ortschaft in China leben könne, gab sie an, dass sie überall mit einer Festnahme rechnen müsse.

Zu ihrer Zukunft in Österreich befragt, gab sie an, dass sie Deutsch lernen und einer anderen Beschäftigung nachgehen wolle. Sie wisse nicht, was sie im Fall einer Rückkehr in die VR China zu befürchten habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20. 1. 2017, Zl 1067529809 VZ 150472487, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Volksrepublik China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 57 Asylgesetz nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt aus, dass die Beschwerdeführerin ein völlig unkonkretes und abstraktes bzw widersprüchliches Vorbringen erstattet habe. So habe die Beschwerdeführerin anlässlich der Erstbefragung angegeben, die VR China wegen der sexuellen Belästigung ihres Arbeitgebers verlassen zu haben. Er habe sie vergewaltigen wollen, weshalb sie sein Gesicht zerkratzt habe. Deshalb habe er sie beschuldigt 20 000 RMB aus der Kassa gestohlen zu haben. Er habe sexuelle Handlungen verlangt, ansonsten würde er sie bei der Polizei anzeigen. Im Gegensatz dazu habe sie beim Bundesamt nur sehr vage angegeben, ihr Arbeitgeber habe versucht sie zu vergewaltigen, worauf sie die Polizei gerufen habe. Da ihr Arbeitgeber ein sehr mächtiger Mann sei, habe die Polizei nicht machen können. Konkret dazu befragt, gab sie an, keinerlei Angaben rund um diese Verfolgung machen zu können. Einerseits habe sie behauptet, die Polizei habe sie mitnehmen wollen, andererseits habe sie angegeben, ihr ehemaliger Arbeitgeber habe sie nicht angezeigt.

Zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber befragt, habe sie nichts Konkretes über ihn berichten können, obwohl sie angegeben habe, ein halbes Jahr mit ihm zusammengearbeitet zu haben.

Es sei davon auszugehen, dass Personen, die aufgrund einschneidender Ereignisse gezwungen worden seien, das Heimatland zu verlassen, detailliert und konkret über die Beweggründe, die zu diesem Schritt geführt hätten, berichten könnten.

Wenn es darum gehe, ihr Vorbringen zu beurteilen, wonach sie in der VR China von ihrem Arbeitgeber bedroht worden sei, so sei diesem die Glaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen. So lasse ihre Erzählung sämtliche Details vermissen, es mangle an Ausführungen im Hinblick auf die gesamte Situation und ihre in dieser Lage empfundenen Emotionen würden alles andere als eine lebensnahe Schilderung darstellen.

Es fehle den Angaben der Beschwerdeführerin an sämtlichen Hinweisen, die annehmen ließen, dass sie wahre Erlebnisse schildere.

Es könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht habe bzw eine solche zukünftig zu erwarten hätte.

In rechtlicher Hinsicht sei festzuhalten, dass das Bundesamt im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben der Beschwerdeführerin als unwahr erachtet habe, sodass die behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden könnten.

Hinsichtlich der Nichtgewährung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsland eine Gefährdung im Sinne des § 50 FPG nicht ergebe. Zudem bestehe auch im gesamten Staatsgebiet der VR China keine extreme Gefahrenlage mit besonders exzessiver und unkontrollierter Gewaltanwendung gegenüber der Zivilbevölkerung.

Die Beschwerdeführerin verfüge über familiäre als auch soziale Bindungen sowie eine Schulbildung. Aus diesem Grund sei es ihr zumutbar, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung der im Heimatland lebenden Angehörigen in der VR China den Lebensunterhalt zu sichern.

Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, welche die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG rechtfertigen würden.

Die Beschwerdeführerin besitze in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige. Sie halte sich erst seit einem kurzen Zeitraum (Mai 2015) in Österreich auf. Zuvor sei sie illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe ihren Aufenthalt ausschließlich durch die Stellung des Asylantrages legitimiert.

Aufgrund der Darlegung des Privatlebens der Beschwerdeführerin sei nicht davon auszugehen, dass sie eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich habe.

In einer Abwägung sei dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen als den bloß höchst oberflächlichen privaten Interessen der Beschwerdeführerin.

Gegen die Beschwerdeführerin werde eine Rückkehrentscheidung erlassen, eine Gefahr gemäß § 50 Abs 1 und 2 FPG sei nach bereits erfolgter Prüfung zu verneinen.

Gemäß § 55 FPG werde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen festgelegt. Gründe, die die Beschwerdeführerin bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, seien nicht hervorgekommen.

Mit Verfahrensanordnung vom 23. 1. 2017 wurde der Beschwerdeführerin die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, amtswegig als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.

Mit Schriftsatz vom 2. 2. 2017 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren bevollmächtigten Vertreter Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihre fluchtauslösenden Erlebnisse durchaus nachvollziehbar geschildert habe. Mangels Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit sei die allgemeine Situation in der VR China weiterhin und möglicherweise verschärft massiv instabil und eine Abschiebung der Beschwerdeführerin unverantwortlich.

Weiters sei die Beschwerdeführerin arbeitsfähig und arbeitswillig.

Es wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Am 1. 12. 2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin unentschuldigt nicht erschienen ist, weshalb die Verhandlung in ihrer Abwesenheit durchgeführt wurde. Die Ladungen wurden der Beschwerdeführerin (durch persönliche Übernahme) und ihrem bevollmächtigten Vertreter ordnungsgemäß zugestellt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden die Länderfeststellungen zur Situation in China (Gesamtaktualisierung am 16.12.2019, letzte Information eingefügt am 4.06.2020) sowie ein Länderbericht zur Corona-Krise in China in das Verfahren eingeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, stammt aus der Provinz Guizhou und gehört der Volksgruppe der Han an.

Sie stellte am 7. 5. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin ist zur mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht nicht erschienen. Die Ladungen wurden der Beschwerdeführerin (durch persönliche Übernahme) und ihrem bevollmächtigten Vertreter ordnungsgemäß zugestellt. Die Beschwerdeführerin hat ihre Mitwirkungspflicht gemäß § 15 AsylG verletzt.

Die Beschwerdeführerin wuchs in China auf, wurde dort sozialisiert, besuchte 4 Jahre die Grundschule, vier Jahre die Hauptschule sowie drei Jahre die Berufsschule für Buchhaltung und erwirtschaftete sich ihr Einkommen als Verkäuferin. Die Beschwerdeführerin war in der Lage durch eigene Erwerbstätigkeit in China ihren Unterhalt zu sichern. Die Eltern der Beschwerdeführerin leben in der VR China.

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie von ihrem Arbeitgeber sexuell missbraucht wurde, hat sich zur Gänze als unglaubwürdig erwiesen.

Die Beschwerdeführerin leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung und es besteht auch kein längerfristiger Pflege- oder Rehabilitationsbedarf.

In Österreich halten sich weder Familienangehörige noch Verwandte der Beschwerdeführerin auf. Die unbescholtene Beschwerdeführerin, die in Österreich ebenso wenig ein Familienleben führt, konnte keine Sprachkenntnisse in Deutsch nachweisen. Die Beschwerdeführerin ist einer Erwerbstätigkeit als Sexarbeiterin nachgegangen. Freiwillige oder ehrenamtliche Tätigkeiten übte sie nicht aus. Sie besitzt in Österreich kein soziales Netzwerk. 

Zur allgemeinen Situation betreffend COVID-19:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über 65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell (noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19, sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis moderat, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus).

Situation in der VR China:

Die Fallzahlen haben sich in China auf einem niedrigen Niveau stabilisiert (AA 20. 7. 2020). Im Allgemeinen hat China in den letzten Monaten die Infektionskurve erfolgreich „abgeflacht“. Nachdem Anfang März rund 80.000 Fälle bestätigt wurden, sind seitdem nur noch rund 4.700 Erkrankungsfälle hinzugekommen (BBC 29.6.2020; vgl DS 28.6.2020). Es kommt immer wieder zu lokalen Ausbrüchen in verschiedenen Landesteilen, auf die in der Regel mit strengen Maßnahmen reagiert wird (f.at24.7.2020). im Juni waren Neuinfektionen größtenteils auf Peking beschränkt, wobei einige auf das benachbarte Hebei übergegriffen haben. Als Reaktion darauf wurden in der Region Anxin, einem nicht dicht besiedelten Landesteil etwa 150 km von Peking, Absperrungen und andere Maßnahmen zur weiteren Verbreitung des Virus durch die Behörden gesetzt (BBC 29.6.2020; vgl DS 28.6.2020).

Mitte Juni wurde ein neuer Cluster auf dem Xinfadi Lebensmittelgroßmarkt in Peking, auf dem rund 80 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produkte der Stadt umgeschlagen werden, von den chinesischen Behörden aufgespürt. Als Sofortmaßnahme wurden über Teile der Stadt Sperrmaßnahmen verhängt und Wohnanlagen sowie Schulen im Distrikt geschlossen und Bewegungsbeschränkungen verfügt (CB 22.7.2020). Mitte Juli wurde überraschend die Hauptstadt der autonomen Region Xinjiang, Urumqi, von der Außenwelt abgeriegelt, nachdem ein Verdachtsfall aufgetreten war (SCMP 17.7.2020). Neben Xinjiang und der Sonderverwaltungsregion Hongkong ist derzeit auch die Stadt Dalian von Krankheitsausbrüchen betroffen (f.at 24.7.2020).

Das seit 28. 3. 2020 gültige Einreiseverbot für ausländische Staatsbürger nach Festlandchina,

auch für solche mit gültiger Aufenthaltsberechtigung, ist weiterhin aufrecht (BMEIA 22.7.2020, vgl 20.7.2020, AA 20.7.2020). Es besteht Quarantänepflicht bei Reisen innerhalb des Landes für Reisende aus betroffenen Provinzen/Städten. Aufgrund der unterschiedlichen Quarantänebestimmungen im Land können diese zwei bis vier Wochen in entsprechenden Einrichtungen in Festlandchina betragen. Obligatorisch werden von den Behörden CVID-Tests bei Ankunft aus dem Ausland verordnet (BMEIA 22.7.2020; vgl. WKO 7.7.2020).

Zum größten Teil hat China die Beschränkungen gelockert und große Teile seiner Wirtschaft wieder geöffnet (TD 7.7.2020). Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen, kündigte Premierminister Li Keqiang ein Konjunkturpaket in Höhe von 128 Milliarden Euro an. Auf eine Wachstumsprognose für die chinesische Wirtschaft hat die Kommunistische Partei in diesem Jahr verzichtet (ZO 16.7.2020).

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung in die VR China vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu – auch im Hinblick auf die coronabedingt schlechtere Wirtschaftslage – im konkreten Fall insgesamt nicht erkennbar.

Zur Situation in der VR China:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 16.12.2019, letzte Information eingefügt am 4.06.2020

Politische Lage

Letzte Änderung: 4.6.2020

Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,385 Milliarden Einwohnern (Stand 2020) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 20.5.2020).

China ist in 22 Provinzen, fünf Autonome Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) untergliedert (AA 5.3.2020). Hongkong ist seit 1. Juli 1997 eine Sonderverwaltungsregion (SVR) der Volksrepublik China. Die SVR untersteht gemäß Artikel 31 der chinesischen Verfassung der Zentralregierung in Peking. Das am 1. Juli 1997 in Kraft getretene Basic Law, Hongkongs „Mini-Verfassung“, räumt der SVR im Rahmen des Prinzips „Ein Land - Zwei Systeme“ einen hohen Grad an Autonomie und eine weitgehende exekutive, legislative und judikative Unabhängigkeit ein. Ausnahmen sind Außen- und Verteidigungspolitik (AA 5.3.2020a). Macau ist nach einem ähnlichen Abkommen seit 20. Dezember 1999 ebenfalls eine Sonderverwaltungsregion (SVR) der Volksrepublik China (AA 5.3.2020b), Die Vereinigung mit Taiwan zur „Wiederherstellung der nationalen territorialen Integrität“ bleibt eines der erklärten Kernziele chinesischer Politik (5.3.2020c).

Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein „sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht“ (BMBF 2020; vgl. Heilmann 2016). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 11.3.2020). Zentral für das politische System Chinas ist der Führungsanspruch der Kommunistischen Partei Chinas, der auch in der Verfassung verankert ist. Andere politische Organisationen, Medien, Zivilgesellschaft und religiöse Aktivitäten haben sich den Zielen der Partei unterzuordnen und werden streng reguliert. An der Spitze der Partei steht das Zentralkomitee (ZK). Im ZK sind Organe der Parteizentrale und der Zentralregierung durch ihre jeweiligen Leiter repräsentiert. Das ZK wiederum wählt das Politbüro (25 Mitglieder) und den Ständigen Ausschuss des Politbüros (derzeit sieben Mitglieder). Der Ständige Ausschuss ist das ranghöchste Parteiorgan und gibt die Leitlinien der Politik vor (AA 5.3.2020 vgl. USDOS 11.3.2020, Heilmann 2016). Ministerpräsident Li Keqiang leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem „inneren Kabinett“ aus vier Stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung (BMBF 2020; vgl. Heilmann 2016).

Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt (FH 4.3.2020; vgl. BMBF 2020). Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 4.3.2020; vgl. BMBF 2020) und ist formal das gesetzgebende Organ der VR China. Er tagt als Plenum einmal jährlich und beschließt mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren nationale Gesetze (LVAk 9.2019).

Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig (FH 4.3.2020). Eine parlamentarische Opposition zur KP Chinas gibt es nicht (AA 22.12.2019). Seit dem Massaker von Tiananmen im Jahr 1989, als die Volksbefreiungsarmee (PLA) gewaltsam gegen eine von Studenten geführte pro-demokratische Bewegung vorgegangen ist, hat es keine Versuche gegeben, den politischen Wettbewerb zu erhöhen. Nach dem „Vorfall“, der nach wie vor in China ein Tabuthema ist, wurden die politischen Reformer von der KP-Führung gesäubert (BTI 29.4.2020). Zwar sind acht sogenannte demokratische Parteien offiziell anerkannt, jedoch sind alle der KP Chinas unterstellt (BTI 29.4.2020). Chinas Einparteiensystem unterdrückt die Entwicklung einer organisierten politischen Opposition rigoros. Selbst innerhalb der KPCh hat Xi Jinping seit 2012 seine eigene Macht und Autorität stetig ausgebaut, sowie eine selektive Antikorruptionskampagne geführt, um potenzielle Rivalen auszuschalten (FH 4.3.2020).

Der Nationale Volkskongress, in dem die Armee massiv überrepräsentiert ist (Heilmann 2016), hat mit seiner ersten Sitzung der 13. Legislaturperiode im März 2018 Xi Jinping erneut zum Staatspräsidenten gewählt (BMFA 2020). Xi Jinpings innenpolitische Position wurde gefestigt (BTI 29.4.2020). Er ist Vorsitzender der Zentralen Militärkommission (ZMK) der Kommunistischen Partei Chinas und Oberkommandierender der Streitkräfte). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 11.3.2020).

Durch die Kommunistische Partei Chinas wurde 2019 in jenen von ihr als kritisch eingestuften gesellschaftlichen Bereichen der Einsatz repressiver Maßnahmen intensiviert (HRW 14.1.2020; vgl. BTI 29.4.2020).

Die chinesische Regierung bedient sich regelmäßig kollektiver Erinnerungen, wie den westlichen "Imperialismus" oder den japanischen "Militarismus", um mit Hilfe dieser verbindenden, kollektiven Elemente eine nationale Einheit zu fördern und Zustimmung für ihre politischen Ziele einer nationalen Entwicklung und Größe zu gewinnen. Der von der Administration Xi Jinping konzipierte „Chinesische Traum" stellt dafür ein neues politisches Beispiel dar, mit welchem die Regierung Xi verspricht, dass China den Status einer Weltmacht wiedererlangen werde. Die chinesische Regierung verfolgt gesellschaftliche Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung als zwei zentrale Anliegen in ihrer Agenda. Demgegenüber stellt eine Transformation zur Demokratie auf der Grundlage der Herrschaft des Rechts keines der langfristigen strategischen Ziele der Regierung dar. Vielmehr verfolgt die Regierung als bewusste Strategie, einer Bedrohung durch pro-demokratische Tendenzen und Herausforderungen für die politische Hegemonie der Partei entgegenzuwirken (BTI 24.4.2020).

Zu Beginn der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 kündigte die Regierung an, dass trotz der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr abermals deutlich erhöht werden soll. Diese Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gewachsenen Spannungen zwischen China und mehreren Nachbarstaaten sowie den USA wegen der von Peking erhobenen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer (FAZ 21.5.2020; vgl. WKO 12.5.2020).

Ungeachtet internationaler Proteste hat Chinas Nationaler Volkskongress die Einführung eines Sicherheitsgesetzes für Hongkong gebilligt, mit dem nach Ansicht von Kritikern die Bürgerrechte in der Sonderverwaltungszone massiv beschnitten werden. Zum Abschluss der Jahrestagung beauftragten die Abgeordneten den Ständigen Ausschuss des Parlaments, das Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Chinas Sonderverwaltungsregion zu erlassen (ZO 28.5.2020). Peking reagiert mit dem Sicherheitsgesetz auf die monatelangen, mitunter gewalttätigen Proteste der Hongkonger Demokratiebewegung im vergangenen Jahr. Das Gesetz soll „Abspaltung“, „Subversion“, „Terrorismus“ und die „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ unter Strafe stellen und den offenen Einsatz festlandchinesischer Sicherheitsbehörden in Hongkong ermöglichen. Die Pekinger Pläne haben neue Proteste in Hongkong ausgelöst, bei denen es zu gewalttätigen Konfrontationen mit der Polizei kommt (ARTE 28.5.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        AA - Auswärtiges Amt (5.3.2020): China – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/-/200846, Zugriff 18.5.2020

?        AA - Auswärtiges Amt (5.3.2020a): Hongkong: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/hongkong-node/politisches-portraet/200956, Zugriff 18.5.2020

?        AA - Auswärtiges Amt (5.3.2020b): Macau: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/macau-node/politisches-portraet/200934, Zugriff 18.5.2020

?        AA - Auswärtiges Amt (5.3.2020c): Taiwan: Politisches Porträt Macau: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/taiwan-node/politisches-portraet/200910, Zugriff 18.5.2020

?        ARTE – Association Relative à la Télévision Européenne (28.5.2020): Chinas Volkskongress billigt umstrittenes Sicherheitsgesetz zu Hongkong, https://www.arte.tv/de/afp/neuigkeiten/chinas-volkskongress-billigt-umstrittenes-sicherheitsgesetz-zu-hongkong, Zugriff 29.5.2020

?        BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020): Allgemeine Landesinformationen: China, https://www.kooperation-international.de/laender/asien/china/allgemeine-landesinformationen/, Zugriff 18.5.2020

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 18.5.2020

?        CIA - Central Intelligence Agency (20.5.2020): The World Factbook - China, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 22.5.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.5.2020): China erstmals seit 1990 ohne Wachstumsziel, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/volkskongress-eroeffnet-china-erstmals-seit-1990-ohne-wachstumsziel-16780739.html, Zugriff 22.5.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 18.5.2020

?        Heilmann, Sebastian (2016): Das politische System der Volksrepublik China, Springer Fachmedien Verlag

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 20.1.2020

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.190

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 9.4.2020

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (12.5.2020): Die chinesische Wirtschaft, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-chinesische-wirtschaft.html#heading_wirtschaftslage, Zugriff 20.5.2020

?        ZO – Zeit Online (28.5.2020): Volkskongress verabschiedet Sicherheitsgesetz für Hongkong, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/china-volkskongress-verabschiedet-sicherheitsgesetz-fuer-hongkong, Zugriff 29.5.2020

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 4.6.2020

Seit Dezember 2019 wurden in Wuhan (Hauptstadt der Provinz Hubei) und in weiteren Provinzen zahlreiche Fälle einer unbekannten Lungenkrankheit diagnostiziert. Bei den Erkrankten wurde eine Infektion mit einem neuartigen Coronavirus nachgewiesen (BMEIA 3.6.2020a). Im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus sind Einschränkungen der Reise- und Bewegungsfreiheit unterschiedlichen Ausmaßes verhängt worden (AA 28.1.2020). Umfangreiche Schutzvorkehrungen in und bezogen auf die Provinz Hubei und Wuhan bleiben in Kraft (AA 3.6.2020).

Aufgrund einer massiven Präsenz von Sicherheitskräften in besonders gefährdeten Regionen ist eine Wahrscheinlichkeit von Terroranschlägen in China generell niedrig (GW 25.2.2020). Dennoch kann es vereinzelt zu Demonstrationen und Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften kommen. Auch sind In den letzten Jahren in China Anschläge verübt worden. (EDA 3.6.2020). Die Risiken beschränken sich hauptsächlich auf die Autonome Region Xinjiang. Konflikte und mutmaßliche Diskriminierung und Ungleichbehandlung durch die Han-Mehrheitsbevölkerung, wie auch weit verbreitete „Anti-Halal“ Kampagnen [Anmerkung d. Staatendokumentation: dem Verbot einer Etikettierung von Waren mit den arabischen Schriftzeichen für „Halal“] und die anhaltende harte Linie der lokalen Regierung, können die laufende Problematik der muslimischen Gemeinschaft ethnischer Minderheiten über die uigurischen Minderheiten hinaus noch verschärfen (AA 28.1.2020; vgl. GW 25.2.2020).

Zwar gibt es in China noch keine unversöhnlichen ethnischen, sozialen oder religiösen Spaltungen, soziale Unruhen sind allerdings an der Tagesordnung. Auch wenn die meisten Demonstrationen als Ausdruck der Unzufriedenheit mit die Regierungspolitik personell meist gering ausfallen, betreffen sie dennoch existentiellen Fragen wie Lohnrückstände, dem Abriss von Häusern und der Umsiedlung oder Enteignung (BTI 29.4.2020). Landerwerb ohne volle Einbeziehung der örtlichen Betroffenen stößt zunehmend auf Proteste, insbesondere in Guangdong, Fujian, Zhejiang, Jiangsu, Shandong und Sichuan. Proteste wegen der Modalitäten von Zwangsumsiedlungen wie auch Entschädigungsleistungen sind an der Tagesordnung und die Behörden verfolgen einige der Anführer solcher Proteste strafrechtlich. Die Wahrscheinlichkeit von Protesten, vor allem in Form von Demonstrationen und Blockaden, wird in Bezug auf den Bau größerer Infrastrukturprojekte, dem Bergbau, etc. auch weiterhin hoch eingeschätzt (GW 25.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020, BTI 29.4.2020).

China hat anhand der Vorkommnisse der späten 1980er Jahre gelernt, dass soziale Spannungen zu einer ernsthaften Gefährdung des Systems führen können. Infolgedessen wurde ein engmaschiges Kontroll- und Regulierungssystem (z.B. Social Credit System) sowohl in urbanen Kerngebieten als auch in den peripheren Siedlungsgebieten der Minderheiten aufgebaut (LVAk 9.2019). Die staatliche Kontrolle durch eine massive, sichtbare Polizeipräsenz an strategischen Punkten und wichtigen Orten wird aufrechterhalten (BTI 29.4.2020).

Auf der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 kündigte der Ministerpräsident an, dass auch trotz der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie sowie des Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten, der Verteidigungshaushalt im laufenden Jahr abermals deutlich steigen soll. Die Ankündigung erfolgte vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren gewachsenen Spannungen zwischen China und mehreren Nachbarstaaten sowie die USA wegen der von Peking erhobenen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer (SN 22.5.2020, FAZ 21.5.2020; vgl. WKO 12.5.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        AA – Auswärtiges Amt (3.6.2020): China: Reise- und Sicherheitshinweise, Aktuelles, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/chinasicherheit/200466#content_1, Zugriff 3.6.2020

?        AA – Auswärtiges Amt (28.1.2020): China: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/china-node/chinasicherheit/200466#content_1, Zugriff 29.1.2020

?        BMEIA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (3.6.2020a): China, Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/china/, Zugriff 3.6.2020

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 18.5.2020

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.5.2020): China erstmals seit 1990 ohne Wachstumsziel, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/volkskongress-eroeffnet-china-erstmals-seit-1990-ohne-wachstumsziel-16780739.html, Zugriff 22.5.2020

?        GW - GardaWorld (25.2.2020): China Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/china, Zugriff 3.6.2020

?        EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (3.6.2020): Reisehinweise für China, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/china/reisehinweise-fuer-china.html, Zugriff 3.6.2020

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.228

?        SN – Salzburger Nachrichten (22.5.2020): Chinas Volkskongress eröffnet - Hongkong und Corona im Fokus, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/chinas-volkskongress-eroeffnet-hongkong-und-corona-im-fokus-87870631, Zugriff 22.5.2020

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 9.4.2020

Tibet

Letzte Änderung: 4.6.2020

China regiert Tibet über die Administration der „Autonomen Region Tibet“ (TAR) und zwölf autonome Präfekturen bzw. Landkreise in den angrenzenden Provinzen Sichuan, Qinghai, Gansu und Yunnan (FH 2020b). Durch die Behörden in den tibetischen Gebieten wird die Religionsfreiheit, wie auch die freie Meinungsäußerung, die Bewegungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit weiterhin stark eingeschränkt (HRW 14.1.2020) und werden in einem höheren Ausmaß angewendet als in anderen Regionen des Landes (USDOS 11.3.2020).

Zudem werden von der Regierung großangelegte Umsiedlungen, Arbeitsvermittlungsprogramme und Massenverhaftungen mit dem Zweck betrieben, die Demographie der ethnischen Minderheitenregion in Tibet langfristig zu verändern. Ein stetiger Anstieg des Anteils der Han-Chinesen an der Bevölkerung der Regionen trägt dazu bei. Im Laufe des Jahres 2019 wurde über neue Initiativen und Anreize zur Förderung interethnischer Ehen berichtet (FH 4.3.2020).

Unter der tibetischen Bevölkerung besteht angesichts einer chinesischen Politik der wirtschaftlichen Expansion, die wenig Rücksicht auf Mitbestimmung, kulturelles Erbe und religiöse Freiheit nimmt, eine große Frustration. Besonders in den tibetischen Gebieten Sichuans, Gansus und Qinghais kam es seit 2009 zu über 100, meist tödlichen, Akten von Selbstverbrennung, die von religiösen Versammlungen, Protesten und schließlich einer oft gewaltsamen Auflösung durch Sicherheitsorgane gefolgt wurden. Einige Tibeter wurden wegen Anstiftung zur Selbstverbrennung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt (ÖB 11.2019).

Die Beziehungen zwischen Chinas tibetischen Minderheiten und den Han-Chinesen bleiben nach den großen Unruhen von 2008 angespannt. Die staatliche Kontrolle wird durch einen massiven und offensiven Polizeieinsatz aufrechterhalten (BTI 29.4.2020). Die Regierung geht gegen vermeintlich separatistische Kräfte in Tibet mit besonderer Härte vor (AA 22.12.2019). Die Behörden in Tibet weiten den Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie, verbesserten Personalausweisen und integrierten Überwachungssystemen aus, um die Bewegungen von Bewohnern und Reisenden in Echtzeit zu erfassen (FH 2020b).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 18.5.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 18.5.2020

?        FH - Freedom House (2020b): Freedom in the World 2020 – Tibet, https://freedomhouse.org/country/tibet/freedom-world/2020, Zugriff 19.5.2020

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 20.1.2020

?        ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 9.4.2020

Xinjiang

Letzte Änderung: 4.6.2020

Die chinesische Regierung wirft Teilen der uigurischen Bevölkerung in der Autonomen Provinz Xinjiang (XUAR), im äußersten Westen Chinas, separatistische Bestrebungen und terroristische Aktivitäten vor und wertet diese als Bedrohung gegen den Staat (ÖB 11.2019).

2013 erfolgte eine Eskalation der Gewalt, bei der ca. 200 Menschen ums Leben kamen. Die Gewalt griff zunehmend auch auf andere Regionen Chinas über. 2013/2014 kam es zu drei, offenbar von Uiguren verübten Anschlägen, die sich gegen Unbeteiligte richteten (AA 15.10.2014). Die seit Jahren eskalierende Gewaltspirale konnte durch die umfassende Repression 2016 scheinbar zwar gebremst, aber nicht gestoppt werden, wie eine Reihe bekannt gewordener blutiger Anschläge mit insgesamt 18 Toten seit Jahresende 2016 zeigt. 2015 hat sich nach chinesischen Angaben die Zahl der Verurteilungen wegen Terrorismus und Separatismus auf über 1.400 verdoppelt. Der allergrößte Teil dieser Urteile steht aller Voraussicht nach in Zusammenhang mit Xinjiang, wo im August 2016 das erste Antiterrorgesetz auf Provinzebene verabschiedet wurde (AA 14.12.2018). Den Behörden ist es bisher weitgehend gelungen, die Unruhen lokal zu begrenzen. Eine existentielle Bedrohung für China stellen sie nicht dar. Die chinesische Regierung fürchtet jedoch den Fortgang der blutigen Scharmützel und potentiell eine Wiederkehr einzelner Attacken auch außerhalb Xinjiangs (AA 14.12.2018). Die Beziehungen zwischen der uigurische Minderheiten und den Han-Chinesen bleiben angespannt. Die staatliche Kontrolle wird durch eine massive, sichtbare Polizei aufrechterhalten (BTI 29.4.2020).

Die chinesische Führung hat in mehreren Verlautbarungen darauf hingewiesen, dass es nach ihrer Überzeugung direkte Verbindungen zwischen uigurischen Separatisten und den afghanischen Taliban und Al Qaida gebe und dass ein energisches Vorgehen gegen den uigurischen Separatismus, Extremismus und Terrorismus Teil des internationalen Kampfes gegen den Terror sei (AA 22.12.2019). Zudem macht China seit Jahren im Exil lebende uigurische Separatisten für Angriffe in Xinjiang verantwortlich (Aljazeera 1.3.2017).

In der Autonomen Region Xinjiang (XUAR) verfolgt die chinesische Zentralregierung einen zweigleisigen Ansatz: zum einen verstärkte Sicherheitsmaßnahmen zur Bekämpfung der Gefährdungs-Triade (religiöser) Extremismus, (ethnischer) Separatismus und (internationaler) Terrorismus, zum anderen Wirtschaftsförderung und Erhöhung des Lebensstandards der Menschen mit dem Ziel der Gewährleistung sozialer Stabilität bzw. der Eindämmung von Unruhepotential (AA 22.12.2019). Die Regierung betreibt zudem großangelegte Umsiedlungen, Arbeitsvermittlungsprogramme und Massenverhaftungen mit dem Zweck, die Demographie der ethnischen Minderheitenregion in Xinjiang langfristig zu verändern, indem sie zu einem stetigen Anstieg des Anteils der Han-Chinesen an der Bevölkerung der Regionen beiträgt. Im Laufe des Jahres 2019 wurde über neue Initiativen und Anreize zur Förderung interethnischer Ehen berichtet (FH 4.3.2020).

Die 2014 gestartete besonders repressive Kampagne „Strike Hard“ wird unvermindert gegen die türkisch-muslimische Bevölkerung fortgesetzt (HRW 14.1.2020). Im Laufe des Jahres intensivierte die Regierung ihre Strategie der Massenverhaftung von Mitgliedern muslimischer Minderheitengruppen in der autonomen Region der Uiguren (Xinjiang) deutlich. Es wird berichtet, dass die Behörden mehr als eine Million Menschen, unter Umständen mehr als zwei Millionen Uiguren, ethnische Kasachen und andere Muslime, willkürlich in Internierungslagern festhalten, deren Zielsetzung in der Vernichtung ihrer religiösen und ethnischen Identitäten liegt. Von Regierungsseite wird angegeben, dass diese Lager zur Bekämpfung von Terrorismus, Separatismus und Extremismus benötigt würden. Internationale Medien, Menschenrechtsorganisationen und ehemalige Häftlinge berichten davon, dass Sicherheitskräfte in den Lagern Häftlinge misshandeln, foltern und töten (USDOS 11.3.2020; vgl. FH.2.2019a).

Vertrauliche Dokumente der Kommunistischen Partei Chinas aus den Jahren 2017 und 2018 beschreiben, wie die Verfolgung und Internierung insbesondere von Uiguren in Umerziehungslagern in Xinjiang organisiert wird. Die „China Cables“ genannten Papiere geben Anleitung zur Gestaltung des Lagerlebens und zur strengen Überwachung der Uiguren in den Lagern und außerhalb davon und bestätigen im Wesentlichen Berichte von Beobachtern und ehemaligen Lagerinsassen. Die Berichte widersprechen der offiziellen chinesischen Darstellung, dass es sich bei den von der Regierung errichteten Lagern lediglich um Einrichtungen zur beruflichen Weiterbildung handelt (NYT 16.11.2019; vgl. WZ 25.11.2019).

Der Einsatz von Technologien zur massenhaften Überwachung und sozialen Kontrolle durch die Behörden ist beispiellos. Die Integrated Joint Operations Platform (IJOP), ein Computerprogramm, das im Mittelpunkt der Massenüberwachungssysteme von Xinjiang steht, überwacht viele Facetten des Lebens der Menschen, einschließlich ihrer Bewegungen und ihres Stromverbrauchs und alarmiert die Behörden, wenn Unregelmäßigkeiten aufscheinen (HRW 14.1.2020). So werden über eine App, die sogenannte Integrated Joint Operations Platform (IJOP) personenbezogene Daten gesammelt. Das IJOP-System registriert und überwacht Bewegungs- und Standortdaten auf ID-Karten und Mobiltelefonen. Durch das System als problematisch gekennzeichnete Vorfälle haben sofortige Untersuchungen zur Folge. Abhängig vom Grad der wahrgenommenen Bedrohung und basierend auf der Programmierung, kann die Bewegungsfreiheit einer Person eingeschränkt werden, indem das Verlassen eines registrierten Standorts ebenso, wie auch ein Betreten öffentlicher Räume wahrgenommen werden (HRW 1.5.2019; vgl. HRW 14.1.2020).

Die IJOP-App bewertet auch Regierungsbeamte nach ihrem Arbeitserfolg bei der Erfüllung von Aufgaben und ist ein Werkzeug übergeordneter Vorgesetzter zur Überprüfung untergeordneter Beamter (HRW 1.5.2019). Mehr als eine Million Beamte sind durch die Regierung zur Überwachung mobilisiert worden (HRW 17.1.2019).

Um der wachsenden internationalen Besorgnis über die Niederschlagung entgegenzuwirken, organisierten die chinesischen Behörden mehrere streng kontrollierte Reisen für ausgewählte Journalisten und Diplomaten - auch von der UN - nach Xinjiang und erklärte Ende Juli 2019, dass „die meisten“ in den Lagern für „politische Bildung“ in Xinjiang „in die Gesellschaft zurückgekehrt“ sind. Beide Behauptungen werden von Beobachtern bezweifelt (HRW 14.1.2020), zumal Berichten zufolge eine unbekannte Zahl Internierter nicht in Freiheit, sondern in streng kontrollierte Zwangsarbeit entlassen worden sind (BAMF 16.12.2019; vgl. HRW 14.1.2020). Darüber hinaus werden durch die Behörden auch weiterhin Kinder, deren Eltern interniert sind oder sich im Exil befinden, ohne elterliche Zustimmung in staatlichen „Kinderfürsorge-Einrichtungen“ und „Internaten ohne Zugang“ betreut (HRW 14.1.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China,

?        AA - Auswärtiges Amt (14.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China, https://www.ecoi.net/en/file/local/1456146/4598_1547112750_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-volksrepublik-china-stand-oktober-2018-14-12-2018.pdf, Zugriff 6.12.2019

?        AA - Auswärtiges Amt (15.10.2014): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        Aljazeera (1.3.2017): ISIL video threatens China with 'rivers of bloodshed', http://www.aljazeera.com/news/2017/03/isil-video-threatens-china-rivers-bloodshed-170301103927503.html, Zugriff 20.11.2019

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (16.12.2019): Briefing Notes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2022112/briefingnotes-kw51-2019.pdf, Zugriff 21.1.2020

?        BTI - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): Country Report China, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029406/country_report_2020_CHN.pdf, Zugriff 18.5.2020

?        FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025907.html, Zugriff 18.5.2020

?        FH - Freedom House (2.2019a): Freedom in the World 2019 – China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002611.html, Zugriff 21.10.2019

?        HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022687.html, Zugriff 20.1.2020

?        HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002248.html, Zugriff 22.10.2019

?        HRW - Human Rights Watch (1.5.2019): China’s Algorithms of Repression, https://www.hrw.org/report/2019/05/01/chinas-algorithms-repression/reverse-engineering-xinjiang-police-mass-surveillance, Zugriff 14.10.2019

?        NYT – New York Times (16.11.2019): The Xinjiang Papers. ‘Absolutely No Mercy’: Leaked Files Expose How China Organized Mass Detentions of Muslims, https://www.nytimes.com/interactive/2019/11/16/world/asia/china-xinjiang-documents.html, Zugriff 21.11.2019

?        ÖB Peking (11.2019): Asylländerbericht Volksrepublik China

?        USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - China, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026349.html, Zugriff 9.4.2020

?        WZ – Wiener Zeitung (25.11.2019): Enthüllungen um chinesische Umerziehungslager, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2039665-Enthuellungen-um-chinesische-Umerziehungslager.html, Zugriff 25.11.2019

Hongkong

Letzte Änderung: 4.6.2020

Vor der Rückgabe Hongkongs durch die Briten am 1. Juli 1997 wurde ausgehandelt, dass Hongkong nach der Formel „Ein Land, zwei Systeme“ als Sonderverwaltungsregion seine freie Marktwirtschaft, seine eigene Währung, sein eigenes Rechtswesen, ein politisches System mit demokratischen Elementen und garantierten bürgerlichen Freiheiten wie der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit, 50 Jahre lang beibehalten dürfe, also bis 2047 (AA 8.2019).

Im ersten Jahrzehnt nach der Übergabe funktionierte dieses Arrangement für beide Seiten weitgehend reibungslos. 2010 kam es zu ersten großen Demonstrationen, 2014 zu wochenlangen Massenprotesten, an denen Zehntausende teilnahmen. 2019 entzündete sich die Protestwelle an Plänen für ein umstrittenes Auslieferungsgesetz. Die Demonstranten werfen der Führung in Peking eine immer stärkere Einmischung in Hongkonger Belange und den Abbau der bürgerlichen Freiheiten vor (AA 8.2019; vgl. LVAk 9.2019). Seit Anfang Juni 2019 führen Großdemonstrationen, unangekündigte Protestaktionen sowie Aufrufe zum Streik immer wieder zu Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens. Es kommt zu teils heftigen Zusammenstößen mit der Polizei, bei welchen bisher mehrere Personen getötet worden sind (AA 22.11.2019; vgl. TG 14.11.2019, ZO 11.11.2019, FH 2020c).

Die chinesische Staats- und Parteiführung hat die Regierung von Hongkong wiederholt aufgefordert, mit aller Härte gegen die Demonstranten vorzugehen und sie wegen „Aufstand“ strafrechtlich zu verfolgen. Mittlerweile werden nur noch vereinzelt Demonstrationen und Versammlungen genehmigt, was eine deutliche Einschränkung der Versammlungsfreiheit darstellt (AA 22.12.2019).

Auf der Tagung des Volkskongresses im Mai 2020 legte Li Keqiang zu Beginn der Tagung den Entwurf des Volkskongresses vor, wonach China künftig eigene nationale Sicherheitskräfte in Hong Kong einsetzt. So sollen die zuständigen Pekinger Sicherheitsbehörden Außenstellen in Hongkong errichten. Verabschiedet werden soll das Gesetz von Mitgliedern des Parlaments in Peking. Das Vorhaben ist stark umstritten, da das Hongkonger Parlament damit keinen Einfluss auf die Entscheidung hat (ZO 22.5.2020). Der Volkskongress hat dem umstrittenen Sicherheitsgesetz zugestimmt und den Ständigen Ausschuss des Parlaments beauftragt, das Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit in Chinas Sonderverwaltungsregion zu erlassen (ZO 28.5.2020). Durch die Regierung von Hong Kong wird das von China geplante Sicherheitsgesetz verteidigt. Es werde die Unabhängigkeit der Justiz in Hong Kong nicht beeinträchtigen, sagte Regierungschefin Carrie Lam. Die Regierung in Peking will damit illegale Aktivitäten bekämpfen, die der nationalen Sicherheit schadeten (ZO 22.5.2020). Die Pläne haben die Proteste in Hongkong neu angefacht (FAZ 21.5.2020). Wegen unerlaubter Versammlung und Teilnahme an Ausschreitungen wurden daraufhin hunderte Personen von Polizeikräften verhaftet. Ein Sprecher des Verbindungsbüros der Zentralregierung verurteilte die Proteste, die aufzeigen, warum ein nationales Sicherheitsgesetz in Hongkong notwendig ist (SCMP 25.5.2020).

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt (22.12.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

?        AA - Auswärtiges Amt (14.11.2019): Hongkong: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/hongkongsicherheit/200854, Zugriff 20.11.2019

?        AA - Auswärtiges Amt (9.2019): China – Außen- und Europapolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/hongkong-node/sonderstatus-hongkong/2239262, Zugriff 23.10.2019

?        FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (21.5.2020): China erstmals seit 1990 ohne Wachstumsziel, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/volkskongress-eroeffnet-china-erstmals-seit-1990-ohne-wachstumsziel-16780739.html, Zugriff 22.5.2020

?        FH - Freedom House (2020c): Freedom in the World 2020 – Hong Kong, https://freedomhouse.org/country/hong-kong/freedom-world/2020, Zugriff 19.5.2020

?        LVAk – Landesverteidigungsakademie (9.2019): Buchas, Peter/Feichtinger, Walter/Vogl, Doris (Hg.): Chinas Grand Strategy im Wandel, Militärwissenschaftliche Publikationsreihe der Landesverteidigungsakademie, 1.2019, S.228

?        SCMP – South China Morning Post (25.5.2020)Hong Kong police ramp up security ahead of planned protests to disrupt Legco debate on national anthem law, https://www.scmp.com/news/hong-kong/politics/article/3086000/hong-kong-police-ramp-security-ahead-planned-protests, Zugriff 29.5.2020

?        TG – The Guardian (14.11.2019): Second death in week as Xi Jinping demands end to Hong Kong violence, https://www.theguardian.com/world/2019/nov/14/second-death-in-hong-kong-protests-as-xi-demands-end-to-violence, Zugriff 20.11.2019

?        ZO – Zeit Online (28.5.2020): Volkskongress verabschiedet Sicherheitsgesetz für Hongkong, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/china-volkskongress-verabschiedet-sicherheitsgesetz-fuer-hongkong, Zugriff 29.5.2020

?        ZO – Zeit Online (22.5.2020): Hongkong weist Kritik an geplantem Sicherheitsgesetz zurück, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-05/china-hongkong-sicherheitsgesetz-sonderverwaltungszone, Zugriff 22.5.2020

?        ZO – Zeit Online (11.11.2019): Polizei schießt erneut Demonstranten an, https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-11/hongkong-demonstration-gewaltschuesse-video-verletzter , Zugriff 20.11.2019

Taiwan

Letzte Änderung: 4.6.2020

Taiwan war das Rückzugsgebiet der national-bürgerlichen Regierung der Kuomintang (KMT), die China seit dem Sturz des Kaiserreichs 1911 bis zur eigenen Niederlage gegen die Kommunisten 1949 beherrschte. Von 1895 bis 1945 war Taiwan japanisches Kolonialgebiet (BMBF 27.2.2020). Die Insel wird seit 1949 de facto autonom regiert, nachdem sich die Truppen der früheren chinesischen Regierung nach dem verlorenen Bürgerkrieg zurückzogen FAZ 22.5.2020). Der Staatsaufbau orientiert sich im Wesentlichen noch an der Verfassung der 1911 gegründeten Republik China. Bis 1987 herrschte in Taiwan Kriegsrecht. Danach setzte eine erfolgreiche Demokratisierung ein, die sich durch Gewaltenteilung, Mehrparteiensystem, freie Wahlen, Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit, eine pluralistische Presse, Rechtsstaatlichkeit und eine lebendige Zivilgesellschaft auszeichnet. Seit 1996 wird der Präsident direkt vom Volk für die Dauer von 4 Jahren gewählt. Der Präsident setzt den Ministerpräsidenten ein, der nicht vom Parlament (Legislativ-Yuan) bestätigt werden muss (BMBF 27.2.2020).

Taiwan ist eine Demokratie, die von einem Präsidenten und einem in Mehrparteienwahlen gewählten Parlament regiert wird. Im Jahr 2016 wählten die Wähler Präsident Tsai Ing-wen von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) in einer als frei und fair angesehenen Wahl für eine vierjährige Amtszeit (USDOS 11.3.2020). Die letzte Präsidentschaftswahl fand parallel zu den Parlamentswahlen des 10. Legislativ-Yuan am 11.1.2020 statt. Tsai Ing-wen von der Democratic Progressive Party (DPP) verteidigte ihr Amt mit 57,13 Prozent der Stimmen. Die Parlamentswahlen am 11.1.2020 endeten trotz Stimmverlusten mit einem erneuten Sieg der DPP (BMBF 27.2.2020).

Zum Beginn ihrer zweiten Amtszeit hat die taiwanische Präsidentin an die chinesische Führung appelliert, einen langfristigen „Weg der Koexistenz“ beider Seiten zu finden, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Tsai Ing-wen weist die Formel „ein Land, zwei Systeme“ zurück, mit der die chinesische Regierung für eine Vereinigung mit Taiwan wirbt. Das chinesische Büro für Taiwan-Angelegenheiten hingegen sieht eine Wiedervereinigung als eine historische Zwangsläufigkeit des großen Wiedererwachens der chinesischen Nation. Zusätzlichen Unmut rief in Peking die Ankündigung eines amerikanischen Rüstungsgeschäfts mit Taiwan hervor. Tsai Ing-wen kündigt an, die Verteidigungskapazitäten Taiwans weiter auszubauen, darunter asymmetrische Fähigkeiten im Cyberspace und in der Abwehr von Informationskriegen (FAZ 22.5.2020).

China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz und strebt dessen globale Isolierung an. Zuletzt erhöhte Peking den Druck, indem es Länder diplomatisch von Taiwan losgeeist, offizielle Kontakte zu Taipeh gekappt und Militärübungen nahe dem Inselstaat abgehalten hat (SZ 25.7.2019).

Quellen:

?        BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (2020): Allgemeine Landesinformationen: Taiwan, https://www.kooperation-international.de/laender/asien/taiwan/allgemeine-landesinformationen/, Zugriff 22.5.2020

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten