Entscheidungsdatum
23.03.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I407 2134663-3/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2021, Zl. 1088911600/201313204, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste ohne Reisedokumente in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.09.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Seine Flucht begründete er mit der Angst vor der Familie eines Mädchens, mit dem er eine sexuelle Beziehung geführt hätte und das von ihm schwanger geworden sei.
Am 27.06.2016 vernahm das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, die belangte Behörde den Beschwerdeführer niederschriftlich ein, wobei er bestätigte, dass er von 2006 bis 2008 im Geheimen eine Beziehung mit einem Mädchen geführt habe und dieses von ihm schwanger geworden sei. Nachdem dessen Familie dies entdeckt habe, habe sie beabsichtigt ihn zu töten. Der Beschwerdeführer habe jedoch entkommen können und sei im März 2008 aus Ägypten ausgereist. In Griechenland habe er sich als irakischer Staatsbürger ausgegeben und Asyl beantragt. Nach negativem Abschluss des Asylverfahrens sei er im August 2013 von Griechenland nach Ägypten abgeschoben worden. Dort habe er sich für 15 Tage aufgehalten, ehe er wieder (illegal) nach Griechenland gereist sei. Im Jahr 2015 sei er dann weiter nach Österreich gereist, nachdem er in Griechenland von Mitgliedern einer ausländerfeindlichen Partei angegriffen worden sei.
Mit Bescheid vom 23.08.2016, Zl. 1088911600/151436730, wies die belangte Behörde, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ über ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.). Als Frist für seine freiwillige Ausreise legte die belangte Behörde einen Zeitraum von 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).
Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner Rechtsberatung vom 31.08.2016 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Er brachte ergänzend vor, dass er zudem nunmehr seinen Militärdienst ableisten müsse, dies jedoch nicht wolle.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.08.2017 wurde die Beschwerde mit mündliche verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts als unbegründet abgewiesen. Die schriftliche Ausfertigung erfolgte am 25.09.2017. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Ägypten nicht von der Familie eines Mädchens, mit dem er eine sexuelle Beziehung geführt hätte und das von ihm schwanger geworden sei, verfolgt oder bedroht werde.
2. Der Beschwerdeführer wurde am 22.12.2020 im Bundesgebiet angetroffen. Nachdem er in Schubhaft genommen wurde, trat er am 25.12.2020 in einen Hungerstreik. Am 28.12.2020 stellte er einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, dass seine alten Fluchtgründe noch aufrecht seien, dass die Familie des Mädchens zudem im Juni 2020 auf seine Familie geschossen habe. Am 07.01.2021 wurde ihm ein Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten und eine Ladung für eine Einvernahme am 18.01.2021 übergeben.
Am 18.01.2021 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich von der belangten Behörde einvernommen. Hierbei wiederholte er, dass seine alten Fluchtgründe noch aufrecht seien; nunmehr gab er allerdings an, dass im Dezember 2020 auf seine Eltern geschossen worden sei.
In der Folge wurde gegenüber dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid der belangten Behörde vom 18.01.2021, Zl. 1088911600/210068241 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 62 Abs. 2 AVG aufgehoben. Dies wurde damit begründet, dass sein Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sei. Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände könne zudem nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Auch habe sich die allgemeine Lage in seinem Herkunftsstaat nicht entscheidungswesentlich geändert.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.01.2021, Zl. I403 2134663-2/3E wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 für nicht rechtmäßig erklärt. Der mündlich verkündete Bescheid der belangten Behörde wurde aufgehoben.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 29.01.2021, Zl. 1088911600/201313204 wies die belangte Behörde den Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkte I. und II.). Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 10.02.2021 Beschwerde erhoben. Es wurde vor allem auf die private Situation des Beschwerdeführers verwiesen und angeführt, dass er mit einer in Österreich als Pflegerin tätigen ungarischen Staatsbürgerin verlobt sei und enge Freundschaften führe sowie außerordentlich gut Deutsch spreche. Zudem wurde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 letzter Satz BFA-VG beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist volljährig, Staatsangehöriger von Ägypten, sunnitischen Glaubens und gehört der Volksgruppe der Araber an. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer reiste erstmals spätestens im September 2015 illegal in das Bundesgebiet ein. Er war von Oktober 2019 bis August 2020 in Besitz eines gültigen italienischen Aufenthaltstitels. Im Dezember 2020 ist der Beschwerdeführer neuerlich illegal nach Österreich eingereist.
Der Beschwerdeführer nimmt lediglich Schlaftabletten und gelegentlich auch Magnesium ein, leidet aber an keinen lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist arbeitsfähig. Er gehört auch zu keiner der Risikogruppen für den Fall einer Erkrankung an Covid-19.
Der Beschwerdeführer weist eine elfjährige Schulausbildung und eine Ausbildung als Automechaniker in Ägypten auf. In seinem Herkunftsstaat ging der Beschwerdeführer bislang keiner Beschäftigung nach. Seinen Lebensunterhalt verdiente sich der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in Griechenland zuletzt als Fabriksarbeiter und in der Landwirtschaft. Seine Eltern, seine zwei Schwester und seine drei Brüder halten sich nach wie vor in Ägypten auf. Zu seiner Familie hält der Beschwerdeführer nach wie vor regelmäßig Kontakt.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte. Allerdings führt er eine Beziehung mit einer in Österreich nebenwohnsitzlich gemeldeten ungarischen Staatsbürgerin und ist mit dieser seit 01.03.2021 auch nach islamischen Recht verheiratet. Seine Freundin ist in Österreich seit 2018 mit Unterbrechungen immer wieder erwerbstätig, hauptsächlich als Reinigungskraft. Allerdings wohnt er mit ihr weder im gemeinsamen Haushalt noch besteht ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu ihr. Zudem hat der Beschwerdeführer Onkels und Cousins in Italien und in Griechenland, zu welchen telefonischer Kontakt besteht.
Des Weiteren verfügt der Beschwerdeführer über einen Freundeskreis in Österreich, zumal er aktuell bei einem Freund wohnt und von einem anderen Freund finanziell unterstützt wird. Er spricht auch gut Deutsch, brachte jedoch kein Deutschzertifikat in Vorlage.
Der Beschwerdeführer bezieht aktuell keine Leistungen aus der Grundversorgung mehr, geht aber auch keiner regelmäßigen Beschäftigung in Österreich nach und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig.
Zusammenfassend weist der Beschwerdeführer in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.
1.2. Zum Vorverfahren und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der erste Asylantrag des Beschwerdeführers vom 26.09.2015 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.08.2016, Zl. 1088911600-151436730 und in weiterer Folge mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.08.2017 und schriftlicher Ausfertigung vom 25.09.2017, Zl. I411 2134663-1/23E rechtskräftig abgewiesen.
Bei seinem verfahrensgegenständlichen Folgeantrag, sohin seinem insgesamt zweiten Antrag auf internationalen Schutz vom 28.12.2020 hielt der Beschwerdeführer seine bisher geltend gemachten Fluchtgründe - Verfolgung durch die Familie seiner Ex-Freundin - aufrecht, brachte jedoch ergänzend vor, dass die Familie der Ex-Freundin im Juni 2020 bzw. Ende Dezember 2020 auf seine Familie in Ägypten geschossen habe. Dieser Folgeantrag wurde mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29.01.2021, Zl. 1088911600/201313204, wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen.
Das Ermittlungsverfahren aufgrund des verfahrensgegenständlichen zweiten Asylantrages ergab, dass keine neu entstandenen Fluchtgründe vorgebracht wurden und sich die individuelle Situation für den Beschwerdeführer hinsichtlich seines Herkunftsstaates Ägypten nicht in einem Umfang verändert hat, dass von einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts auszugehen ist.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Ägypten mit Stand 24.07.2019 zitiert, seit 01.02.2021 gibt es ein neues Länderinformationsblatt zu Ägypten, jedoch sind betreffend die aktuelle Lage gegenüber den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.
Politische Lage:
Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Viele der darin garantierten Grundrechte finden jedoch keine Anwendung, die Verfassung wird zunehmend ausgehöhlt (AA 13.6.2020). Präsident Abdel Fatah Al-Sisi regiert Ägypten seit seiner Machtübernahme auf eine immer autoritärere Weise (FH 4.3.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Die Lage in Ägypten unter Staatspräsident Al-Sisi ist durch ein hohes Maß an staatlicher Repression und eine Politik geprägt, die – dominiert durch Militär und Sicherheitsbehörden und vermeintlich im übergeordneten Interesse der Stabilität – für oppositionspolitische Betätigungen und die Entfaltung bürgerlicher Freiheiten kaum noch Raum lässt (AA 13.6.2020; vgl. ÖB 25.11.2020).
Abdel Fatah Al-Sisi ist seit dem 8.6.2014 Präsident Ägyptens. Ende März 2014 gab er seine Kandidatur um das ägyptische Präsidentenamt bekannt. Er musste aus dem Militärdienst ausscheiden, um bei den Wahlen antreten zu können. Der Verfassung zufolge ist eine Kandidatur nur einem Zivilisten erlaubt. Al-Sisi war seit dem 12.8.2012 Minister für Verteidigung und Militärproduktion unter dem Ministerpräsidenten Hesham Kandil in der Regierung von Mohamed Mursi. Am 3.7.2013 war die Absetzung von Mursi durch das Militär erfolgt, mit Unterstützung der Bevölkerung, nachdem dieser versucht hatte, dem Präsidentenamt große Machtbefugnisse zuzuteilen, und das Land zu islamisieren. Bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgte die de-facto Machtübernahme Al-Sisis (GIZ 6.2020a; vgl. ÖB 25.11.2020).
Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt. Bei den Präsidentschaftswahlen 2014 und 2018 gewann Präsident Al-Sisi mit jeweils 97% der Stimmen (FH 4.3.2020). Die Präsidentschaftswahlen im März 2018 waren weder frei noch fair. Eine politische Debatte wurde rigoros unterbunden und eine Opposition nicht zugelassen. Der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat, der ehemalige Stabschef der ägyptischen Streitkräfte Sami Anan, wurde nur wenige Tage nach der Ankündigung seiner Kandidatur verhaftet und blieb bis Dezember 2019 in Haft (AA 13.6.2020). Die anderen Kandidaten wurden durch Druck und unfaire Wettbewerbsbedingungen aus dem Rennen gedrängt (AA 13.6.2020; vgl. FH 4.3.2020). Die Wahl wurde durch eine geringe Wahlbeteiligung, die Nutzung staatlicher Ressourcen und Medien zur Unterstützung der Kandidatur von Al-Sisi, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt. Die Wahlkommission drohte Nichtwählern mit Geldstrafen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen (FH 4.3.2020).
Der Großteil der Abgeordneten des von etwa 25% der ägyptischen Wahlberechtigten gewählten und im Jänner 2016 konstituierten ägyptischen Parlaments ist regierungstreu. Das Parlament führt kaum kritische Debatten und nimmt im Grunde die Rolle einer Legitimierungsinstitution für Regierungshandeln ein. Eine vergleichsweise kleine Gruppe von kritischen oppositionellen Abgeordneten erfährt immer wieder Restriktionen bis hin zu Ausschlüssen (AA 13.6.2020).
Im April 2019 trat nach einem Referendum eine Verfassungsänderung in Kraft, die dem Staatspräsidenten die Möglichkeit bietet, über die gegenwärtig festgelegten zwei Amtsperioden hinaus bis 2030 im Amt zu bleiben. Der Präsident erhielt des Weiteren mehr Macht über den Justizapparat und es kam zu einer Stärkung der Kontrolle des Militärs über das zivile Leben (DP 23.4.2019; vgl. ÖB 25.11.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- DP - Die Presse (23.4.2019): Ägypten: Referendum ermöglicht al-Sisi, bis 2030 Präsident zu bleiben, https://www.diepresse.com/5617070/agypten-referendum-ermoglicht-al-sisi-bis-2030-prasident-zu-bleiben, Zugriff 18.1.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020a): Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 18.1.2020
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html, Zugriff 18.1.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021
Sicherheitslage:
Die Bedrohung durch Terrorismus ist hoch. Anfällig für Angriffe sind z.B. religiöse Stätten, Touristenattraktionen und Regierungsgebäude (MSZ o.D.; vgl. MEAE/FD 15.1.2021, AA 21.1.2021). Der Ausnahmezustand wurde 2017 zunächst nach der Explosion mehrerer Bomben gegen Kirchen in den Gouvernements Kairo und Alexandria verhängt und in Folge immer wieder verlängert (MAE 16.1.2021; vgl. MSZ o.D., ÖB 25.11.2020, MEAE/FD 15.1.2021, AA 22.1.2021).
Die Lage auf der Sinai-Halbinsel ist sehr angespannt (MAE 16.1.2021; vgl. ÖB 25.11.2020). Der Einsatz der Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terrorismus hat vielfach dazu beigetragen, die Spannungen zwischen Beduinen und den staatlichen Institutionen zu verschärfen (AA 13.6.2020). Beduinenstämme sind für Einschüchterungsversuche und Gewalttaten verantwortlich (MAE 16.1.2021).
Terroristische Organisationen sind vor allem, aber nicht ausschließlich, in den nordöstlichen Teilen des Gouvernements Sinai aktiv (OSAC 30.4.2020; vgl. MAE 16.1.2021). Die meisten Anschläge im Nordsinai richten sich gegen militärische Einrichtungen und Personal (OSAC 30.4.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Sowohl Terroranschläge als auch Militäroperationen führen immer wieder zu zivilen Opfern (FH 4.3.2020; vgl. OSAC 30.4.2020, ACLED 14.5.2020).
Im Jahr 2018 führte die „Operation Sinai 2018“ zu einer deutlichen Intensivierung der militärischen Aktivitäten im Nordsinai (OSAC 30.4.2020; vgl. MAE 16.1.2021, MEAE/FD 15.1.2021, ÖB 25.11.2020). Die Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des Islamischen Staates (IS) in der Region Nordsinai dauern weiterhin an (FH 4.3.2020; vgl. OSAC 30.4.2020, MEAE/FD 15.1.2021, AI 18.2.2020, ÖB 25.11.2020), wenn auch deren Häufigkeit reduziert wurde (AI 18.2.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Im Sog der Gesundheitskrise und öffentlichen Unordnung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie konnte der Islamische Staat seine Aktivitäten auf der Halbinsel Sinai jedoch wieder verstärken (ACLED 14.5.2020, 9.4.2020).
Das Wüstengebiet von der libyschen Grenze im Westen bis zur sudanesischen Grenze im Süden ist ein Risikogebiet, in dem die Streitkräfte regelmäßig Operationen gegen Schlepper durchführen (MEAE/FD 15.1.2021; vgl. ÖB 25.11.2020) und Terroristen Anschläge verüben (OSAC 30.4.2020). Die Infiltration von terroristischen Elementen aus Libyen kann nicht ausgeschlossen werden (MEAE/FD 15.1.2021).
Es kommt gelegentlich zu Attentaten in den Großstädten (ÖB 25.11.2020).
In Ägypten sind folgende terroristische Organisationen aktiv. Der Islamischer Staat - Wilayat Sinai (auch: Ansar Bayt al-Maqdis - ABM) ist die aktivste Terrorgruppe in Ägypten (OSAC 30.4.2020; vgl. ÖB 25.11.2020). Darüber hinaus gibt es den Islamischen Staat in Ägypten, Harakat Sawa'd Misr (HASM), Liwa al-Thawra, mit al-Qaida verbundene Gruppen, Harket Elmokawma Elsha'biya alias "Volkswiderstand" und andere verschiedene kleinere Terrorgruppen (OSAC 30.4.2020). Seit Mitte 2016 sind die neuen Terrorgruppen HASM und „Liwaa al-Thawra“ mit islamistisch-nationalistischer Ausrichtung im ägyptischen Kernland für mehrere schwere Anschläge, v.a. gegen Sicherheitskräfte u. Justiz, verantwortlich. Anschläge haben seit 2019 etwas abgenommen aber nicht aufgehört (ÖB 25.11.2020).
Das Antiterrorismusgesetz von 2015 sieht für Journalisten empfindliche Geldstrafen für das Abweichen von der offiziellen Linie der Berichterstattung, etwa über Terroranschläge, vor (AA 13.6.2020; vgl. RSF 2020) und gelegentlich wird die Berichterstattung vollständig untersagt (ACLED 14.5.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.1.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 29.1.2021
- ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.5.2020): CDT Spotlight: Egypt, https://acleddata.com/2020/05/14/cdt-spotlight-egypt/, Zugriff 29.1.2021
- ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (9.4.2020): CDT Spotlight: Islamic State Attacks, https://acleddata.com/2020/04/09/cdt-spotlight-renewed-attacks-by-the-islamic-state/, Zugriff 29.1.2021
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025829.html, Zugriff 19.1.2021
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (18.12.2020): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 22.1.2021
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2025912.html, Zugriff 18.1.2020
- MAE - Ministero degli Affari Esteri e della Cooperazione Internazionale [Außenministerium Italien] (16.1.2021): Viaggiare Sicuri informatevi – Egitto, http://www.viaggiaresicuri.it/country/EGY, Zugriff 29.1.2021
- MEAE/FD - Ministère de l’Europe et des Affaires Étrangères / France diplomatique [Außenministerium Frankreich] (15.1.2021): Egypte - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 29.1.2021
- MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych / Außenministerium Polen (o.D.): Informacje dla podró?uj?cych – Egipt, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/egipt, Zugriff 20.1.2021
- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo (25.11.2020): Asylländerbericht Ägypten 2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042213/%C3%84GYPTEN__Asyll%C3%A4nderbericht_%28ALB%29_f%C3%Bcr_2020__finale_Version_%28GZ_Kairo-%C3%96B_KONS_1165_2020%29.pdf, Zugriff 21.1.2021
- OSAC - Overseas Security Advisory Council (30.4.2020): Egypt 2020 Crime & Safety Report, https://www.osac.gov/Country/Egypt/Content/Detail/Report/d1dea62c-57dd-4b34-bbb1-189224fb1423, Zugriff 29.1.2021
- RSF - Reporters sans frontières / Reporter ohne Grenzen (2020): Ägypten, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/aegypten, Zugriff 28.1.2021
Sicherheitsbehörden:
Das Innenministerium ist zuständig für die Durchsetzung der Gesetze und innere Sicherheit, ihm unterstehen die Polizei (Public Police), die Zentralen Sicherheitkräfte (Central Security Force – CSF), der Nationale Sicherheitssektor (National Security Sector – NSS) sowie Zoll und Immigration. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und führen Einsätze bei Demonstrationen durch. Der NSS ist bei Bedrohungen der inneren Sicherheit zuständig sowie für die Bekämpfung des Terrorismus, gemeinsam mit anderen ägyptischen Sicherheitskräften. Zivile Behörden haben eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020).
Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und anderen Verfassungsorganen weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 13.6.2020). Der nach einem Terroranschlag im April 2017 verhängte landesweite Ausnahmezustand dauert weiterhin an und geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher (AA 22.1.2021).
Die Regierung bestraft oder verfolgt Beamte, die Vergehen begehen, nur inkonsistent. Dies gilt sowohl für die Sicherheitskräfte als auch andere Regierungsstellen. Die nicht umfassende Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, vor allem innerhalb der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straffreiheit bei (USDOS 11.3.2020).
Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Militärs auch im wirtschaftlichen Umfeld. Die traditionell starke Verflechtung des Militärs in sämtlichen ägyptischen Strukturen ist laut Schätzungen für bis zu 45% des BIP verantwortlich, auch wenn es dazu aus Gründen der Geheimhaltung keine offiziellen/verlässlichen Zahlen gibt (Präsident Al-Sisi spricht von knapp 2%). Das Militär ist in sämtlichen Infrastrukturbereichen ebenso tätig wie beispielsweise beim Abfüllen von Wasser oder der Produktion von Pasta und beim Import von Babymilchpulver (WKO 9.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.1.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 29.1.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich | AußenwirtschaftsCenter Kairo (22.9.2020): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegypten-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.1.2021
NGOs und Menschenrechtsaktivisten:
Die Bedingungen für NGOs sind in der Praxis sehr repressiv (FH 4.3.2020). Internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen bestätigten, dass die Regierung weiterhin unkooperativ ist (USDOS 11.3.2020). NGOs bleiben weiterhin Belästigungen und Einschränkungen ausgesetzt und sehen sich mit Massenschließungen und Schikanen in Form von Bürodurchsuchungen, Verhaftungen von Mitgliedern, langwierigen Rechtsfällen und Reisebeschränkungen konfrontiert (FH 4.3.2020; vgl. AI 18.2.2020, USDOS 11.3.2020).
Das im Mai 2017 ratifizierte, repressive Gesetz betreffend Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) wurde im Juli 2019 infolge heftiger internationaler und nationaler Kritik geändert. Die Regierung führte im Vorfeld umfangreiche Konsultationen mit (unkritischer) Zivilgesellschaft und internationalen Gebern durch. Zwar sieht das reformierte Gesetz einige Verbesserungen bei administrativen Abläufen, Strafen und Zusammenarbeit mit ausländischen Geldgebern vor, bleibt aber in seinem Grundcharakter repressiv und ein potentes Instrument, um unliebsame Arbeit der ägyptischen Zivilgesellschaft zu unterbinden. Das Gesetz schränkt die Arbeit von NGOs und Vereinigungen so weit ein, dass eine freie Zivilgesellschaft unmöglich gemacht wird (AA 13.6.2020).
Die drakonischsten Bestimmungen des NGO-Gesetzes von 2017, das vom Gesetz 2019 ersetzt wurde, wurden beibehalten und die Behörden erhalten u. a. weitreichende Befugnisse zur Auflösung unabhängiger Menschenrechtsgruppen und zur Kriminalisierung legitimer Aktivitäten von NGOs (AI 18.2.2020; vgl. HRW 13.1.2021; USDOS 11.3.2020). Verstöße gegen das Gesetz können zur Auflösung oder zu empfindlichen Geldstrafen führen; die Möglichkeit von Haftstrafen wurde in einer im August 2019 unterzeichneten überarbeiteten Version des Gesetzes ausgeschlossen (FH 4.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt Deutschland (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 29.12.2020
- AI - Amnesty International (18.2.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/document/2025829.html, Zugriff 29.12.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/document/2025912.html, Zugriff 29.12.2020
- HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043578.html, Zugriff 18.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/document/2026355.html, Zugriff 29.12.2020
Bewegungsfreiheit:
Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 11.3.2020).
Die Behörden verlangten sporadisch, dass Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren eine Erlaubnis des Innenministeriums vorlegen, um in bestimmte Länder zu reisen. Dies soll den Beitritt zu terroristischen Gruppen erschweren und die Flucht von Kriminellen verhindern (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung verhängt zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 11.3.2020).
Zu internen Ausweichmöglichkeiten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es ist grundsätzlich von einer unterschiedslosen Verfolgungspraxis auszugehen. Allerdings kann zumindest bei vergleichsweise minder schweren Verfolgungsgründen (z.B. niedrigschwelligem oppositionellen Engagement) der Ortswechsel innerhalb des Landes dazu führen, dass die Betroffenen unbehelligt bleiben. Auf dem Nordsinai und in entlegenen Wüstenregionen ist das staatliche Gewaltmonopol zum Teil faktisch eingeschränkt. Bei geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründen (z.B. Genitalverstümmelung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt) ist eine interne Ausweichmöglichkeit keine realistische Option (AA 13.6.2020). Die Regierung versucht, den Zugang zum Nordsinai einzuschränken (USDOS 11.3.2020).
Es besteht keine zentrale Meldepflicht (DEB 3.2014). Die Wohnadresse wird auf dem Personalausweis angeführt. Bei einem Umzug muss die Adresse aktualisiert werden. Es gibt aber keine Überprüfung der Wohnsitzdaten durch die Meldebehörde, wodurch veraltete oder falsche Adressen unentdeckt bleiben und es gibt keine Strafe für die Nichtaktualisierung der Adresse (DFAT 17.6.2019). Bei Forderungen gegen unbekannt verzogene ägyptische Staatsangehörige ist daher der Versuch einer Aufenthaltsermittlung nahezu aussichtslos (DEB 3.2014).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- DEB - Deutsche Botschaft Kairo (03.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivil- und Handelssachen, https://kairo.diplo.de/blob/1504098/ed993d3218a2f43cdbae47f47c9650da/merkblatt-rechtsverfolgung-in-aegypten-data.pdf, Zugriff 21.1.2021
- DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade / Australian Government (17.6.2019): DFAT Country Information Report – Egypt, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-egypt.pdf, Zugriff 21.1.2021
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026355.html, Zugriff 19.1.2021
Grundversorgung und Wirtschaft:
Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben keinen Zugang zu diesem System (AA 13.6.2020).
Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geschlossen und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 13.6.2020).
Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an besonders Bedürftige sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 13.6.2020).
Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind (AA 13.6.2020; vgl. USSSA 9.2019). Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und wohltätige Stiftungen (AA 13.6.2020).
Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 13.6.2020).
Ägypten hat per se gute Voraussetzungen um im globalen Wettbewerb zu bestehen und verfügt über eine verhältnismäßig gut diversifizierte Wirtschaft, was bei der Absorbierung von externen wie internen Schocks hilft (WKO 9.2020). Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt etwa die Hälfte des BIP bei (GIZ 11.2020c). Schätzungsweise 63 Prozent aller ägyptischen Arbeitskräfte gehören dem informellen Sektor an; er umfasst fast 50 Prozent aller nicht-landwirtschaftlichen Arbeitsplätze einen überwältigenden Anteil von 30-40 Prozent der Wirtschaft des Landes (MEI 22.6.2020; vgl. WKO 9.2019).
Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt (GIZ 11.2020c).
Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurück bleiben (GIZ 11.2020c).
Die Armutsquote (2019) ist auf ca. 32,5 % gestiegen (die höchste seit 2000). Rund 8,6 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 11.2020c). Über USD 20 Mrd. werden jährlich von ägyptischen Migranten aus dem Ausland rücküberwiesen. Diese Überweisungen sind für die Bevölkerung und den Konsum unverzichtbar (WKO 9.2020).
Das dreijährige IWF-Hilfs- und Reformprogramm inklusive Subventionskürzungen ist abgeschlossen. Nun müssen die positiven makroökonomischen Effekte auch die Bevölkerung erreichen. Weiterhin ist der Plan mit einem Wirtschaftswachstum von 6% dem hohen Bevölkerungswachstum entgegenzuwirken. Im Wirtschafts- und Finanzjahr (Juli bis Juni) 2018/2019 konnte mit einem BIP-Wachstum von 5,6 % der höchste Wert in 10 Jahren erreicht werden. Mittelfristig verfolgt Ägypten einen Top-Down-Ansatz mit Megaprojekten (Infrastruktur, Landwirtschaft) durch den Staat und das Militär (WKO 9.2020).
Im Wirtschafts- und Finanzjahr (Juli bis Juni) 2019/2020 konnte trotz COVID-19 im 2. Quartal 2020 noch ein Wachstum von 3,5 % (Ziel war 6 %) erreicht werden. Laut IWF soll Ägypten mit einem Plus von 2 Prozent im Jahr 2020 eines der wenigen Länder mit einem Wirtschaftswachstum sein. Obgleich ein so geringes Wachstum kein Grund zum Feiern ist, steht Ägypten im internationalen Vergleich laut div. Analysten verhältnismäßig gut da. Bemerkenswert ist ein vom Präsidenten angekündigtes und bereits teilweise umgesetztes Rettungs- bzw. Konjunkturpaket über 100 Mrd. Ägyptische Pfund (ca. 6 Mrd. Euro). Manche Analysten beurteilen die Lage etwas prekärer und sehen 30 % des nominalen BIP gefährdet. Da sämtliche Einnahmequellen Ägyptens wohl teils massive Einbrüche (v.a. Tourismuseinnahmen, Remittances, Suezkanalgebühren, ausländische Investitionen) verzeichnen werden, steht die ägyptische Wirtschaft jedenfalls vor neuen Herausforderungen (WKO 9.2020).
Im Zuge der COVID-19-Pandemie ist die offizielle Arbeitslosenrate zum Ende des 2. Quartals 2020 auf 9,6 % gestiegen; von 7,5 % zum selben Zeitpunkt im Jahr zuvor bzw. 7,7 % zum Ende des 1. Quartals 2020 (AN 17.8.2020). Zum Ende des 3. Quartals 2020 ist die Arbeitslosenrate auf 7,3 % gesunken, wobei die Arbeitslosenrate unter Männern bei 5,8 % und bei Frauen bei 15,2 % lag (ET 15.12.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- AN - Arab News (17.8.2020): Egypt’s unemployment rate rises due to coronavirus, https://www.arabnews.com/node/1720631/business-economy, Zugriff 1.2.2021
- ET - Egypt Today (15.12.2020): Decline in 2020 unemployment rate shows Egypt's economic progress amid COVID-19 crisis : Cabinet, https://www.egypttoday.com/Article/3/95376/Decline-in-2020-unemployment-rate-shows-Egypt-s-economic-progress, Zugriff 1.2.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2020c): LIPortal - Das Länder-Informations-Portal: Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 20.1.2021
- MEI - Middle East Institute (22.6.2020): Egypt’s sizeable informal economy complicates its pandemic response, https://www.mei.edu/blog/egypts-sizeable-informal-economy-complicates-its-pandemic-response, Zugriff 20.1.2021
- USSSA - U.S. Social Security Administration (9.2019): Social Security Programs Throughout the World: Africa, 2019 – Egypt, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/africa/egypt.pdf, Zugriff 1.2.2021
- WKO - Wirtschaftskammer Österreich | AußenwirtschaftsCenter Kairo (22.9.2020): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegypten-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.1.2021
Medizinische Versorgung:
Neben den relativ zahlreichen, sehr teuren Kliniken und Krankenhäusern mit internationalem Renommee gibt es in Ägypten ein Netz von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, die vom Leistungsniveau europäischer Standards abweichen (MSZ o.D.). In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 30.11.2020). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängeln in der staatlichen Versorgung – mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 6.2020g).
Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 13.6.2020). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 6.2020g). Der Mangel an eigenen finanziellen Mitteln ist gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit, irgendeine medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen (MSZ o.D.). Informelle Zuzahlungen stellten im Jahr 2017 60 % der Gesundheitsausgaben dar (OBG 2020).
Aktuell soll eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausgedehnt werden (GIZ 6.2020g). Im Jahr 2018 wurde ein Gesetz zur universellen Krankenversicherung (UHI) verabschiedet. Es gab lange Diskussionen um einen universellen Versicherungsschutz, aber die Dynamik nahm nach dem Start eines Pilotprojekts in Port Said im Juli 2019 zu. Im Mai 2020 kündigte Premierminister Mostafa Madbouly an, dass ein oberster Gesundheitsrat geschaffen werden soll, um den Sektor zu stärken. Der Rat hat die Aufgabe, eine einheitliche Gesundheitsstrategie für das Land zu entwickeln und die Entwicklung der nationalen Krankenhäuser zu beschleunigen. Der universelle Versicherungsschutz soll in den kommenden Jahren nach und nach ausgerollt werden bis 2023 sollen voraussichtlich 15-17 Millionen Menschen abgedeckt sein (OBG 2020).
Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 13.6.2020). Jedoch stellen nachgemachte oder gefälschte Medikamente ein Problem dar (OBG 2020).
In den vergangenen Jahren wurden mehrere Programme initiiert, um die Aufklärung und Behandlungsergebnisse bei einer Reihe von Krankheiten zu verbessern. Die im Oktober 2018 gestartete Kampagne "100 Million Healthy Lives" soll die allgemeine Gesundheit der Ägypter durch Prävention und Früherkennung verbessern. Die Bekämpfung von Covid-19 nimmt im Jahr 2020 den größten Teil der Aufmerksamkeit im Gesundheitswesen in Anspruch (OBG 2020).
Hepatitis C ist in Ägypten weit verbreitet, ca. 20% der Bevölkerung ist betroffen (AA 30.11.2020). Durch flächendeckende Vorsorgeuntersuchungen und Behandlungen soll die Krankheit bis 2023 eliminiert werden. Personen, bei denen die Infektion diagnostiziert wird, werden zur kostenlosen Behandlung an Krankenhäuser überwiesen (OBG 2020).
Im öffentlichen Gesundheitswesen besteht für Psychartrie nur eine minimale Versorgung (AA 13.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (30.11.2020): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 21.1.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2020g): LIPortal, das Länder-Informations-Portal: Ägypten – Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 20.1.2021
- MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych / Außenministerium Polen (o.D.): Informacje dla podró?uj?cych – Egipt, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/egipt, Zugriff 20.1.2021
- OBG - Oxford Business Group (2020): What's next as Egypt rolls out universal health insurance, https://oxfordbusinessgroup.com/overview/new-era-universal-health-insurance-scheme-work-alongside-existing-programmes-improve-overall, Zugriff 20.1.2021
Rückkehr:
Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt (AA 13.6.2020).
Von repressiven Maßnahmen gegen zurückgekehrte Aktivisten und ihre Familienangehörigen ist, angesichts der allgemeinen Repression gegen Angehörige der Organisation im Land, bei Führungskadern auszugehen. Prominente regimekritische Aktivisten müssen mit Ausreisesperren, Inhaftierung und Strafverfolgung rechnen. Der ägyptische Staat stellt Nachforschungen zu exilpolitischen Aktivitäten im Ausland und daran beteiligten Personen an. Vermutete politische Aktivitäten im Ausland können selbst bei nur kurzen Aufenthalten (z.B. zur Teilnahme an Seminaren) zu längeren Befragungen, und nach Rückkehr u.U. zu Festsetzungen durch die Sicherheitsbehörden führen (AA 13.6.2020).
Alle ein- oder ausreisende Personen (Ägypter und Ausländer gleichermaßen) werden mit dem nationalen Fahndungsbestand abgeglichen. Ägyptische Staatsangehörige können bei freiwilliger Rückkehr nicht ohne Vorlage einer ägyptischen ID oder eines von einer ägyptischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokumentes (Laissez-Passer) wieder nach Ägypten einreisen (AA 13.6.2020).
IOM betreibt seit 1991 ein Regionalbüro in Kairo und führt eine Vielzahl von Unterstützungsprojekten für Migranten und Rückkehrer durch (AA 13.6.2020). Unter Anderem gibt es finanzielle Unterstützungsleistungen für Rückkehrer beispielsweise bei Firmengründungen. Die Hilfe für unbegleitete Migrantenkinder (UMCs), die alleine das Mittelmeer auf der Suche nach einem neuen Leben in Europa überquerten, wird ausgeweitet. Es werden erhebliche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes bei Rückkehr und Reintegration im Mittelpunkt steht (IOM o.D.).
Für die Einreise ist ein negativer PCR-Test erforderlich, der nachweislich nicht älter als 72 Stunden sein darf, bei Einreise über die Flughäfen von London Heathrow, Paris oder Frankfurt nicht älter als 96 Stunden. Das Testergebnis muss in englischer oder arabischer Sprache vorgelegt werden. Ansonsten droht eine Verweigerung der Einreise (AA 30.11.2020; vgl. USEMB 18.1.2021). Seit 17.1.2021 müssen alle Einreisenden eine 14-tägige Quarantäne antreten (USEMB 18.1.2021).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (30.11.2020): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 21.1.2021
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.6.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033569/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_M%C3%A4rz_2020%29%2C_13.06.2020.pdf, Zugriff 18.1.2021
- IOM Egypt - International Organization for Migration (o.D.): Assisted Voluntary Return and Reintegration, https://egypt.iom.int/en/assisted-voluntary-return-and-reintegration, Zugriff 20.1.2021
- USEMB - U.S. Embassy in Egypt (18.1.2021): COVID-19 Information - Last updated: 1/18/2021, https://eg.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/, Zugriff 20.1.2021
1.4. Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus:
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei etwa 80% der Betroffenen leicht bzw. symptomlos und bei ca. 20% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Sehr schwere oder tödliche Krankheitsverläufe treten am häufigsten bei Risikogruppen auf, zum Beispiel bei älteren Personen und Personen mit medizinischen Problemen oder Vorerkrankungen wie Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) (https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/question-and-answers-hub/q-a-detail/q-a-coronaviruses).
Die COVID-19-Risikogruppe-Verordnung listet die medizinischen Gründe (Indikationen) für die Zugehörigkeit einer Person zur COVID-19-Risikogruppe. Auf Grundlage dieser Indikationen darf eine Ärztin/ein Arzt ein COVID-19-Risiko-Attest ausstellen. Die medizinischen Hauptindikationen werden in der Verordnung weiter unterteilt und genau beschrieben (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html).
In Österreich gibt es mit Stand 22.03.2021 insgesamt 513.968 positiv getestete Fälle, aktuell 45.931 aktive Fälle und 8.859 gemeldete Todesfälle (https://covid19-dashboard.ages.at/).
In Ägypten gibt es mit Stand 19.01.2021 insgesamt 195.418 positiv bestätigte Fälle, 647 neue Fälle und 11.598 Todesfälle (https://covid19.who.int/region/emro/country/eg). Ägypten hat ungefähr die zehnfache Einwohnerzahl Österreichs.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Ägypten. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS) und des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (AJ-Web) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.
Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit sowie seiner Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers (Protokolle des Erstverfahrens vom 27.09.2015 sowie vom 27.06.2016 und Verhandlungsprotokoll vom 30.08.2017; Protokolle des Zweitverfahrens vom 29.12.2020 und 18.01.2021).
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und seiner Wiedereinreise ergeben sich aus seinen Angaben und einer Abfrage des zentralen Melderegisters der Republik Österreich vom 22.03.2021. Die Feststellungen zu seinem abgelaufenen italienischen Aufenthaltstitel ergeben sich aus einer diesbezüglichen im Akt einliegenden Kopie.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Der Beschwerdeführer brachte keine lebensbedrohlichen gesundheitlichen Einschränkungen vor. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.
Die Feststellungen zu seiner Schulbildung und Berufserfahrung ergibt sich aus seinen Angaben im Vorverfahren. Die Feststellungen zu seiner Familie in Ägypten sowie der Umstand, dass er nach wie vor regelmäßigen Kontakt zu seinen in Ägypten lebenden Angehörigen hat, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben vor dem BFA.
Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich sowie zu seiner Integration beruhen auf ihren Aussagen vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht in seinem vorangegangenen sowie dem gegenständlichen Verfahren. In seinem gegenständlichen Verfahren gab der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde an, in Österreich eine Beziehung mit einer in Österreich als Pflegerin tätigen ungarischen Staatsbürgerin zu führen. Aus dem Ehevertrag vom XXXX 2021 ergibt sich die Eheschließung des Beschwerdeführers nach islamischen Recht. Aus der Abfrage des zentralen Melderegisters ergibt sich die Feststellung darüber, dass aktuell kein gemeinsamer Wohnsitz des Paares besteht und auch zu keinem Zeitpunkt bestand. Aus einem Auszug aus dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 22.03.2021 ergibt sich, dass die Freundin des Beschwerdeführers entgegen seinen Angaben in Österreich zuletzt und hauptsächlich als Reinigungskraft tätig war. Die Feststellung zum Vorhandensein von Verwandten des Beschwerdeführers in Italien und Griechenland ergibt sich aus seinen Angaben.
Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 24.02.2021.
2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:
Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des Bescheides der belangten Behörde vom 23.08.2016 durch mündlich verkündetes Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.08.2017 und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid der belangten Behörde vom 29.01.2021 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.
Der Beschwerdeführer begründete seinen ersten Asylantrag mit einer Privatverfolgung durch die Familie seiner Ex-Freundin.
Die belangte Behörde kam zum Schluss, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevanten Fluchtgründe glaubhaft machen konnte und ihm keine persönliche Verfolgung drohe. Der Erstantrag wurde daher mit Bescheid vom 23.08.2016 abgewiesen und wurde diese Entscheidung durch die rechtskräftige Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.08.2017 bestätigt.