TE Bvwg Beschluss 2021/3/26 W269 2143219-2

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Veröffentlicht am 26.03.2021
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Entscheidungsdatum

26.03.2021

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W269 2143219-2/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Dr. Elisabeth MAYER-VIDOVIC als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2021, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, folgenden Beschluss:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Asylwerber stellte nach unrechtmäßiger Einreise ins Bundesgebiet am 31.08.2016 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 07.12.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Dem Asylwerber wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen und weiters festgestellt, dass die Abschiebung des Asylwerbers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2020, W163 2143219-1, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

2. Am 25.02.2021 stellte der Asylwerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 25.02.2021 gab der Asylwerber zu Protokoll, dass er die Probleme von damals immer noch habe. Außerdem sei nun sein Bruder an Krebs gestorben, und sein Vater habe einen Herzinfarkt erlitten, als er erfahren habe, dass sein Verfahren negativ entschieden worden sei. Er habe nun niemanden mehr in Afghanistan. In Afghanistan sei die Sicherheitslage sehr schlecht. Im Fall der Rückkehr befürchte er, von seinem Onkel mütterlicherseits getötet zu werden, weil er mit diesem verfeindet sei.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.03.2021 erklärte der Asylwerber abermals, dass seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch aufrecht seien und er um nochmalige Überprüfung dieser bisher vorgebrachten Fluchtgründe ersuche.

3. Mit gegenständlichem, gemäß §§ 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 mündlich verkündeten Bescheid vom 19.03.2021 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 auf.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dass sich aus dem nunmehrigen Vorbringen des Asylwerbers kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt ergeben habe; folglich werde der Antrag des Asylwerbers vom 25.02.2021 voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Auch seine Abschiebung nach Afghanistan lasse keine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 2, 3 und 8 EMRK erwarten.

Nach Rückübersetzung bestätigte der Asylwerber die schriftliche Ausfertigung des Einvernahmeprotokolls samt Beurkundung des mündlich verkündeten Bescheides.

4. Die Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 25.03.2021 bei der zuständigen Gerichtsabteilung W269 des Bundesverwaltungsgerichtes ein, worüber die belangte Behörde gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit Mitteilung vom selben Tag in Kenntnis gesetzt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Asylwerbers:

Der Asylwerber ist Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken.

Der Asylwerber ist ledig und kinderlos.

Er leidet an keiner schwerwiegenden Erkrankung und ist gesund.

Mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 05.06.2020 wurde der Asylwerber rechtskräftig wegen der Begehung von Suchtmitteldelikten gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 4 Z 1 SMG und § 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Der Asylwerber verfügt weder über Verwandte im Bundesgebiet noch im Herkunftsstaat. Er hat in Österreich einen Deutschkurs besucht.

1.2. Zu den Asylverfahren:

Der Asylwerber stellte am 31.08.2016 seinen ersten Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz und begründete diesen dahingehend, dass er Afghanistan wegen der schlechten Sicherheitslage und der schlechten Erwerbsmöglichkeiten verlassen habe. Zudem würden sich im Fall der Rückkehr Probleme mit seinem Onkel mütterlicherseits ergeben, weil er sich von diesem Geld für die Flucht ausgeborgt habe und dieses nicht zurückzahlen habe können.

Dieser Antrag auf internationalen Schutz wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.10.2020 negativ abgeschlossen. Mit diesem Erkenntnis wurde zugleich eine vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG bestätigt.

Ende des Jahres 2020 reiste der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Frankreich aus.

Am 25.02.2021 stellte der Asylwerber den zweiten (gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz. Diesen zweiten Antrag auf internationalen Schutz begründete der Asylwerber im Rahmen der Erstbefragung mit den Fluchtgründen aus dem ersten Asylverfahren. Ergänzend führte er aus, dass nunmehr sein Bruder und sein Vater verstorben seien und er niemanden mehr in Afghanistan habe.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.03.2021 erklärte der Asylwerber abermals, dass seine Fluchtgründe aus dem Erstverfahren noch aufrecht seien und er um nochmalige Überprüfung dieser bisher vorgebrachten Fluchtgründe ersuche.

Mit gegenständlichem, gemäß §§ 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 iVm § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 mündlich verkündeten Bescheid vom 19.03.2021 hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 auf.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation im Herkunftsstaat des Asylwerbers ist zwischenzeitlich nicht eingetreten.

Auch die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie bildet kein Rückkehrhindernis. Der Asylwerber ist gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Asylwerber bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde. COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Asylwerbers:

Die Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit des Asylwerbers konnten aufgrund der glaubhaften und gleichbleibenden Angaben des Asylwerbers festgestellt werden und wurden zudem bereits im Vorverfahren festgestellt. Es besteht kein Grund an diesen Angaben zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Asylwerbers sowie dazu, dass er ledig und kinderlos ist, beruhen auf dessen glaubhaften Angaben im Rahmen seiner Erstbefragung und seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des Asylwerbers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Dass der Asylwerber weder in Österreich noch in Afghanistan über Verwandte verfügt, gründet ebenso wie die Feststellung, dass er einen Deutschkurs besucht hat, auf seinen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

2.2. Zu den Feststellungen zu den Asylverfahren:

Die Feststellungen zum Gang der Asylverfahren ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Verfahren aufgrund der zwei Anträge auf internationalen Schutz des Asylwerbers.

Bei den vom Asylwerber im Rahmen seiner zweiten Antragstellung vorgebrachten Fluchtgründen handelt es sich um dieselben Gründe wie jene, mit denen er bereits seine erste Antragstellung begründete. Der Asylwerber gab im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt an, dass er nicht lügen und neue Gründe erfinden wolle. Er führte dezidiert an, dass er um die nochmalige Überprüfung seiner bisher vorgebrachten Fluchtgründe ersuche. Auch die Feindschaft zu seinem Onkel mütterlicherseits hatte der Asylwerber bereits in seinem ersten Asylverfahren vorgebracht. Ein zusätzliches, neues Vorbringen erstattete der Beschwerdeführer nicht.

Dass eine entscheidungswesentliche Änderung der Situation in Afghanistan nicht eingetreten ist, ergibt sich aus dem gegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom 19.03.2021, welche ihrer Entscheidung die in das Verfahren eingeführten aktuellsten Lageinformationen zur Allgemeinsituation in Afghanistan mit Stand vom 14.12.2020 zugrunde legte.

Die notorische Lage in Afghanistan betreffend die COVID-19-Pandemie sowie die Definition von Risikogruppen ergeben sich aus allgemein zugänglichen, wissenschaftsbasierten Informationen von WHO (https://www.who.int) und CDC (https://www.cdc.gov/) sowie auf Basis von Informationen der österreichischen Bundesregierung https://www.oesterreich.gv.at/?gclid=EAIaIQobChMI0ZWfp52a6QIVRaqaCh2o2gR4EAAYASAAEgL9NfD_BwE) und aus unbedenklichen tagesaktuellen Berichten. Die derzeitige Lage in Afghanistan im Hinblick auf die weltweite COVID-19-Pandemie ist nicht dergestalt, dass für jeden dort aufhältigen Menschen ein reales Risiko bestünde, an dieser Krankheit schwer zu erkranken oder daran zu sterben. Der Asylwerber ist jung und leidet an keinen schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen. Er fällt somit weder in die Risikogruppe der älteren Personen noch in jene der Personen mit spezifischen physischen Vorerkrankungen, sodass auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Asylwerber bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus zu gewärtigen hätte. Inwiefern die COVID-19-Pandemie in Bezug auf Afghanistan der Rückkehr des Asylwerbers konkret entgegenstehen soll, tat dieser auch in seinen Einvernahmen in keiner Weise dar.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 VwGVG trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A)

Der mit „Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen“ betitelte § 12a Abs. 2 AsylG 2005 lautet:

„(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 leg.cit.mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese Übermittlung gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Der mit „Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes“ betitelte § 22 BFA-VG lautet:

„(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.“

§ 75 (23) AsylG 2005 lautet:

„Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012.“

3.2. Zu den Voraussetzungen des § 12a Asylgesetz 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

3.2.1. Aufrechte Rückkehrentscheidung:

Mit rechtkräftig negativem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2020 wurde gegen den Asylwerber eine Rückkehrentscheidung erlassen. Ende des Jahres 2020 reiste der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Frankreich aus. Unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 12a Abs. 6 Asylgesetz 2005, wonach Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht bleiben, liegt gegen den Asylwerber im Entscheidungszeitpunkt eine rechtskräftige aufrechte Rückkehrentscheidung vor.

3.2.2. res iudicata:

Der Asylwerber hat im gegenständlichen zweiten Asylverfahren anlässlich seiner niederschriftlichen Befragung bzw. Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärt, aus den gleichen Gründen wie schon im ersten Asylverfahren einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Er ersuchte um die erneute Überprüfung seiner bisher vorgebrachten Fluchtgründe. Dieses Vorbringen stellt, wie in der Beweiswürdigung aufgezeigt, keinen entscheidungswesentlichen neuen Sachverhalt dar.

Auch die für den Asylwerber maßgebliche Ländersituation ist seit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2020 zur Frage der Zuerkennung von Asyl bzw. subsidiärem Schutz in Hinblick auf Afghanistan im Wesentlichen gleich geblieben, und wurde Gegenteiliges auch nicht behauptet.

Nach Anstellung einer Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Folgeantrages vom 19.03.2021 kommt das Bundesverwaltungsgericht sohin zum Ergebnis, dass der gegenständliche Folgeantrag des Asylwerbers gemäß § 68 Abs. 1 AVG voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, weil im Zuge der Grobprüfung durch das Gericht keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes im Vergleich zum Vorverfahren hervorgetreten ist.

3.2.3. Prüfung der Verletzung von Rechten nach der EMRK:

3.2.3.1. Bereits im ersten Verfahren hat das Bundesasylamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochen, dass der Asylwerber bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde.

Im nunmehr zweiten Asylverfahren bestehen – im Lichte der eben getroffenen Erwägungen – keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Asylwerbers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Asylwerbers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des Asylwerbers wurde kein entsprechendes Vorbringen hiezu getätigt.

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, besteht weiters keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung nach Art. 3 EMRK alleine aufgrund der gegenwärtigen COVID-19-Pandemie.

3.2.3.2. Es liegt auch keine Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK vor: Es ist der Ansicht des Bundesamtes beizupflichten, dass kein schützenswertes Familien- oder Privatleben des Asylwerbers in Österreich feststellbar ist. Bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.10.2020 wurde ein solches schützenswertes Privat- und Familienleben des Asylwerbers verneint. Neue Sachverhaltselemente haben sich auch nach der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme des Asylwerbers nicht ergeben. Insbesondere verfügt der Asylwerber über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und ist auch eine verfestigte Integration im vorliegenden Fall aufgrund der Angaben des Asylwerbers nicht ersichtlich.

Der am 25.02.2021 gestellte Folgeantrag wird daher zurückzuweisen sein.

3.2.4. Rechtmäßigkeit des Verfahrens:

Im Verfahren zur Aberkennung des faktsichen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 ist durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren durchzuführen (vgl. § 18 Asylgesetz 2005), wobei auch der Grundsatz der Einräumung von rechtlichem Gehör (§§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat das Ermittlungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Der Asylwerber hat Parteiengehör erhalten, er wurde am 19.03.2021 im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari einvernommen.

Im Lichte des § 22 BFA-VG hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.03.2021 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

Zu Spruchpunkt B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind vom Asylwerber nicht vorgebracht worden oder im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag non-refoulement Prüfung Pandemie Prognose res iudicata Risikogruppe Vorerkrankung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W269.2143219.2.00

Im RIS seit

11.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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