TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/24 96/19/0858

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Veröffentlicht am 24.03.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/0859

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerden

1.) der mj. JZ, und 2.) des mj OZ, beide in der Volksrepublik China, beide vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 16. Februar 1996, zu 1.) Zl. 115.225/2-III/11/95 und zu

2.) Zl. 115.225/3-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 12.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheiden vom 13. Februar 1995 die am 18. März 1994 eingelangten Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Begründend führte der Landeshauptmann von Wien aus, daß sich zwar die Eltern der Beschwerdeführer in Österreich aufhielten, daß aber das monatliche Einkommen, welches der Familie zur Verfügung stünde, auch im Hinblick auf die monatliche Mietzinsbelastung für eine fünfköpfige Familie nicht als ausreichend angesehen werden könne.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer Berufung. In der Berufung wurde ausgeführt, daß die Begründung der Behörde falsch gewesen sei, weil einerseits die im Verfahren vorgelegten Vermögensnachweise nicht berücksichtigt worden seien, andererseits geänderte Verhältnisse vorlägen, weil der Vater der Beschwerdeführer mittlerweile ein höheres Monatseinkommen beziehe. Die erstinstanzliche Behörde habe auf ein Guthaben auf einem Sparbuch in der Höhe von

ca. S 290.000,-- nicht Bedacht genommen. Auf diesem Sparbuch befände sich zwar mittlerweile nur noch ein Guthaben von ca. S 25.000,--, die Berufung verweist jedoch ergänzend auf vier weitere Sparbücher, die dem Vater der Beschwerdeführer zur Verfügung stünden und insgesamt einen Guthabensstand von ca. S 360.000,-- aufwiesen.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufungen mit Bescheiden vom 16. Februar 1996 unter Berufung auf § 5 Abs. 1 AufG ab. Als Begründung für die von der Behörde angenommenen mangelnden Unterhaltsmittel wurde ausgeführt, daß einem grundsätzlichen Mindestbedarf von öS 16.344,-- pro Monat inklusive Mietkosten gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien tatsächlich nur S 14.984,-- pro Monat gegenüberstünden, die von der Familie der Beschwerdeführer aufgebracht werden könnten. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Die auf Grund einer verfassungskonformen Interpretation des Art. 8 Abs. 1 MRK erforderliche Abwägung öffentlicher Interessen mit privaten Interessen habe ergeben, daß den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen war, weil die angegebenen Unterhaltsmittel in der Höhe von S 14.984,-- pro Monat nicht als ausreichend zu betrachten seien, weshalb davon auszugehen sei, daß der Sozialhilfeträger Geldmittel für den Unterhalt der Beschwerdeführer zuschießen müßte.

Gegen diese beiden wortgleichen Berufungsbescheide richtet sich die vorliegenden Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit der Bescheide geltend gemacht wird. Darin wird im wesentlichen ausgeführt, daß die belangte Behörde bei der Ermittlung des monatlich für den Unterhalt der Familie zur Verfügung stehenden Betrages nicht sämtliche nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebliche Ressourcen erfaßt habe. Die belangte Behörde habe einerseits vernachlässigt, daß das monatliche Einkommen des Vaters der Beschwerdeführer 14 Mal pro Jahr gebühre, andererseits die in der Berufung dargelegten Guthaben auf mehreren Sparbüchern in der Höhe von

ca. S 383.000,-- nicht berücksichtigt. Bei Einbeziehung dieser zusätzlichen Ressourcen hätte die belangte Behörde die Anträge auf Aufenthaltsbewilligung nicht aus dem Grund des nicht gesicherten Unterhaltes abweisen dürfen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt, die Beschwerden abzuweisen und den Beschwerdeführern den Ersatz der Prozeßkosten aufzuerlegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind in die Berechnung der Gesamteinkünfte, die zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des Art. 5 Abs. 1 AufG zur Verfügung stehen, sämtliche Ressourcen des privaten und öffentlichen Rechts einzubeziehen, die einer Verwertung für die Bestreitung des Lebensunterhaltes zugänglich sind. Dies trifft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch auf Einkünfte zu, die z.B. durch eigene Arbeit erwirtschaftet werden oder auf die ein Rechtsanspruch besteht (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0457, 0462). Daher sind auch Sonderzahlungen wie das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zur Sicherung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel (vgl. das zuletzt erwähnte Erkenntnis vom 14. Februar 1997). Zieht die Behörde zur Beurteilung der Frage, ob die Einkünfte einen gesicherten Unterhalt für die Geltungsdauer der angestrebten Bewilligung erwarten lassen, den Maßstab des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes heran, so begegnet dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Bedenken (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0828).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entbehren die beiden angefochtenen Bescheide jedoch aus folgenden Gründen einer nachvollziehbaren Begründung: Zwar enthalten beide Bescheide die wortgleiche Feststellung, daß im Fall der Beschwerdeführer ein "grundsätzlicher Mindestbedarf" von öS 16.344,-- pro Monat inklusive Mietkosten gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien besteht. Wie die Behörde diesen Betrag ermittelt hat, läßt die Begründung der Bescheide jedoch nicht ansatzweise erkennen. Da die belangte Behörde nicht angegeben hat, wie hoch sie die Mietkosten veranschlagt hat, ist zwar grundsätzlich anzunehmen, daß sie die Begründung der Behörde erster Instanz übernommen hat, in der von Mietkosten in der Höhe von S 2.750,-- ausgegangen wurde. Unter der Annahme von Mietkosten in der Höhe von S 2.750,-- scheint sich aber der von der Behörde angenommene Mindestbedarf von S 16.344,-- weder bei Annahme eines Anspruches auf Familienbeihilfe für drei Kinder (die beiden Beschwerdeführer sowie deren bereits in Österreich lebende Schwester) noch unter der Annahme eines fehlenden Anspruches auf Familienbeihilfe zu ergeben. Geht man unter Heranziehung der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe in der Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 77/1995 davon aus, daß für die drei Kinder kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, so ergäben sich für den Hauptunterstützten S 4.759,--, für die mitunterstützte Ehefrau ohne Anspruch auf Familienbeihilfe S 2.443,-- sowie für die drei mitunterstützten Kinder S 7.329,--, somit insgesamt ein Mindestbedarf von S 14.531,--. Geht man hingegen von einem Anspruch auf Familienbeihilfe für drei Kinder aus, ergäbe sich für den Hauptunterstützten ein Betrag von S 4.759,--, für die mitunterstützte Ehefrau ohne Anspruch auf Familienbeihilfe ein Betrag von S 2.443,-- sowie für die drei mitunterstützten Kinder ein Betrag von S 4.392,--, somit insgesamt ein Betrag von S 11.594,--. In beiden Fällen wäre nicht nachvollziehbar, wie Mietkosten in der Höhe von S 2.750,-- insgesamt einen Mindestbedarf von S 16.344,-- ergeben sollen. Will man nicht annehmen, daß der belangten Behörde ein Rechenfehler unterlaufen ist, so muß angenommen werden, daß die belangte Behörde in ihre Berechnungen zusätzliche Prämissen hat einfließen lassen, die sie in der Begründung des Bescheides nicht zum Ausdruck gebracht hat. Das gänzliche Fehlen der Bekanntgabe der maßgebenden Erwägungen hindert jedoch die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit.

Der belangten Behörde fällt daher in Ansehung des von ihr allein herangezogenen Versagungsgrundes des § 5 Abs. 1 AufG ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß § 58 Abs. 2 iVm § 67 AVG zur Last, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Bei diesem Ergebnis brauchte auf die Frage, ob die belangte Behörde das den Beschwerdeführern zur Verfügung stehende Einkommen zutreffend ermittelt hat, insbesondere weshalb sie das Weihnachts- und Urlaubsgeld für den Vater der Beschwerdeführer anscheinend nicht in ihre Berechnung einbezogen hat und darüber hinaus auch die in der Berufung erwähnten Sparbuchguthaben in der Höhe von insgesamt fast S 400.000,-- nicht in ihre Überlegungen einbezogen hat, nicht eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I Z. 1 der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil die Vorlage der Beschwerde nur in zweifacher und die der angefochtenen Bescheide nur in einfacher Ausfertigung ausreichend gewesen wäre.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996190858.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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