Entscheidungsdatum
31.03.2021Norm
BBG §42Spruch
W207 2237436-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV - Der Behindertenverband, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 03.11.2020, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer war laut Inhalt des vom Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) vorgelegten Verwaltungsaktes Inhaber eines bis 31.12.2020 befristet ausgestellten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H., dies auf Grundlage einer (erstmaligen) Antragstellung am 09.11.2018.
Zudem wurde dem Beschwerdeführer, soweit dem Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsaktes entnommen werden kann, am 08.01.2019 ein bis 31.12.2020 befristeter Ausweis gemäß § 29b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderung) ausgestellt.
Die Ausstellung dieses befristeten Behindertenpasses und dieses befristeten Parkausweises erfolgte auf Grundlage eines im Akt der belangten Behörde aufliegenden medizinischen Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Innere Medizin vom 05.01.2019. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 17.12.2018 auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage zur Einschätzungsverordnung die Funktionseinschränkungen
1. "Periphere arterielle Verschlusskrankheit II b; Unterer Rahmensatz bei bestehender Veränderung, Interventionen sind in Vorbereitung. Derzeit noch wesentliche Einschränkung der Gehstrecke bei bestehender Claudicatio intermittens ", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 50 v.H. nach der Positionsnummer 05.03.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung,
2. " Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Herzinfarkt; Oberer Rahmensatz da abgelaufener Infarkt und Zustand nach Gefäßdehnung mittels Stents ", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 40 v.H. nach der Positionsnummer 05.02.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung,
3. "Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD); Unterer Rahmensatz bei bedarfsweiser Therapie, Luftnot bei Exarcerbation", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 30 v.H. nach der Positionsnummer 06.06.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung,
festgestellt. Es wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. festgesetzt.
Im Hinblick auf die Frage der (Un)Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde in diesem medizinischen Sachverständigengutachten vom 05.01.2019 unter Bedachtnahme auf die angeführten Befunde im Rahmen des Untersuchungsbefundes unter „Gesamtmobilität – Gangbild“ ausgeführt, es liege eine eingeschränkte Gehstrecke auf 100m bei bekannter PAVK IIb vor, eine Gehbehinderung per se bestehe nicht. Aufgrund der peripher arteriellen Verschlusserkrankung bestehe eine wesentliche Einschränkung der Gehstrecke im Sinne einer Claudicatio intermittens, die es verunmögliche, eine Wegstrecke von 300 bis 400 m in der dafür vorgesehenen Zeit zurückzulegen. Eine postinterventionelle Nachuntersuchung erscheine sinnvoll. Es wurde von der medizinischen Sachverständigen eine Nachuntersuchung für Dezember 2020 angeregt, weil eine Verbesserung (Verlängerung der Gehstrecke) durch eine entsprechende Therapie zu erwarten sei.
Am 27.05.2020 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf „Verlängerung seines Behinderten- und Parkausweises“, der am 31.12.2020 ablaufe. Dieser Antrag gilt entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterfertigten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten vom 28.09.2020 wurde nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 15.07.2020 Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben – ausgeführt:
„…
Anamnese:
Siehe VGA 2018 - GdB 60% bei:
Peripher arterielle Verschlußkrankheit II b (50%)
Koronarer Herzkrankheit, Zustand nach Herzinfarkt (40%)
Chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) (30%)
Unzumutbarkeit der Benützung öffent. Verkehrsmittel gegeben.
Interkurrent keine stat. Aufenthalte, keine Interventionen/Operationen
Derzeitige Beschwerden:
„Vom Herzen her habe ich keine Beschwerden, schwindlig bin ich nicht. Den Loop-Recorder hab ich 2010 bekommen, bisher wurden noch keine Rhythmusstörungen festgestellt, zuletzt wurde er vor ca. 1 Jahr kontrolliert. Von der Lunge her geht's auch, im Vorjahr war es schlechter, weil es so heiß war. Mein Problem sind nur die Füße. Meist in der Nacht bekomme ich Schmerzen in den Beinen, mal rechts, mal links, mal bds., das dauert zw. ein paar Minuten bis zu einer halben Stunde. Ich kann nicht weit gehen, z.B von hier bis zum Spar und retour. Beim Internisten war ich schon lange nicht mehr."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Pantoloc 20mg b. Bed., Sucralan b. Bed., Mexalen 500mg, TASS 100mg 0-1-0, Spiolto Respimat 2-0-0, Concor 5mg 1-0-0, Rosuvastatin 40mg 0-0-1, Tritace 10mg 1-0-0, Nitrospray b. Bed., Berodual DA b. Bed.
Hilfsmittel: Brille
Sozialanamnese:
Gesch., LG, 3 Kinder, Pens., war davor beim X tätig
Tagesablauf: Beschäftigung am PC und im Garten, Hometrainer
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Lungenfachäztlicher Befund Dr. P., 06. Mai. 20..
LUFU: mittelgradige bronch. Obstruktion, Überblähungszeichen - COPD II
Weitere Befunde werden nicht vorgelegt oder nachgereicht.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Nikotin: 20-25 Zig./d
Ernährungszustand:
übergewichtig
Größe: 176,00 cm Gewicht: 89,00 kg Blutdruck: 135/92 mmHG
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: unauffällig
Thorax: Loop-Recorder li. thorakal in situ
Cor: Herztöne rein, rhythmisch, mittellaut, normofrequent
Pulmo: normaler Klopfschall, Basen normal verschieblich, reines VA
Abdomen: kein Druckschmerz, keine Resistenzen,
Leber am Ribo, Milz nicht tastbar, Nierenlager nicht dolent HWS: KJA: 2 cm
Rotation und Seitneigung altersentsprechend BWS: im Lot
LWS: FBA: USCH-Mitte, Seitneigung: Fingerspitzen bis Kniehöhe OE:Schultergelenke: altersentsprechend
Nacken-Kreuzgriff bds. durchführbar Ellbogengelenke: bds. altersentsprechend
Handgelenke: bds, altersentsprechend
Hand mit Fingergelenken: altersentsprechend, Faustschluß bds. durchführbar, die Finger bds. bräunl. verfärbt bei Nikotinabusus
UE: Sitzen mit 90° flektierter Hüfte und Knie möglich
Hüften: altersentsprechend bewegl.
Knie: altersentsprechend bewegl.
Sprunggelenke bds. altersentsprechend Fußpulse: a.d.p. bds. nicht tb.,
a.t.p. bds. tastbar
Venen: geringe oberflächl. Varikositas
Ödeme: keine
Gesamtmobilität - Gangbild:
AS kommt frei gehend, gute Belastbarkeit beider Beine, benötigt keine Gehbehelfe, Zehenspitzen-und Fersengang sowie Einbeinstand bds. durchführbar, selbständiges An-und Auskleiden möglich, problemloser Transfer auf die Untersuchungsliege.
Status Psychicus:
AS in allen Ebenen orientiert, gut kontakt-und auskunftsfähig, Stimmung ausgeglichen, Gedankenductus klar, logisch, Affekt stabil
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Peripher arterielle Verschlußkrankheit
Unterer Rahmensatz ohne bisherige Intervention/Operation.
05.03.03
50
2
Koronare Herzkrankheit
Oberer Rahmensatz bei abgelaufenem Infarkt mit Intervention
05.05.02
40
3
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - COPD II
Unterer Rahmensatz bei mittelgradiger Obstruktion mit stabilem
Verlauf.
06.06.02
30
Gesamtgrad der Behinderung 60 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da hier 2 schwerwiegende Leiden vorliegen, Leiden 3 erhöht nicht bei fehlender Leidensbeeinflussung.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Fehlsichtigkeit, da mit Brille korrigiert
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Die Leiden 1-3 werden unverändert eingeschätzt.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Durch die unveränderte Einschätzung der angeführten Leiden bleibt der Gesamtgrad der Behinderung mit 60% von Hundert unverändert.
X Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Bei bekannter PAVK besteht It. MRA-Befund vom 9.11.2018 (siehe VGA) eine mäßige Abgangstenose der Beckenarterie rechts, ein langstreckiger Verschluß der linken Oberschenkelarterie zeigt eine mäßige Kollateralbildung, im Bereich der Unterschenkelgefäße werden Stenosen/Verschlüsse im Bereich eines Gefäßes von drei beschrieben. Seit dem VGA hat keine Intervention/Operation stattgefunden, es werden auch keine neuen Befunde vorgelegt. Offensichtlich hat sich die Kollateralbildung seit dem VGA weiter verbessert, sodaß bei zügigem Gangbild eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden kann. Es bestehen kompensierte Herz/Kreislaufverhältnisse und eine altersentsprechende Beweglichkeit der Gelenke, sodaß sich hier keine Einschränkungen hinsichtlich Wegstrecke, Ein-und Aussteigen, sowie sicheren Transport ableiten lassen. Gesamtgesehen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
…“
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.09.2020 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und ihm das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten vom 28.09.2020 übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben. Das Gutachten vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.
Der Beschwerdeführer brachte eine Stellungnahme ein, in der er im Wesentlichen ausführte, seit seiner Erstbegutachtung im Jahr 2018 sei es zu keiner Verbesserung seiner Gehleistung gekommen, ganz im Gegenteil habe sich die Schrittmenge pro Tag weiter begrenzt. Eine Gesamtgehstrecke über 100m in einem Stück ohne Schmerz bis zum Stillstand sei ihm nicht möglich.
Die belangte Behörde holte in der Folge eine ergänzende Stellungnahme jener Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Innere Medizin, die das medizinische Sachverständigengutachten vom 28.09.2020 erstattet hatte, ein. Diese ergänzende sachverständige Stellungnahme vom 27.10.2020 lautet, hier vollständig wiedergegeben, wie folgt: „Bei der von AS angegebenen Einschränkung der Gehstrecke handelt es sich um subjektive Angaben, die befundmäßig nicht objektiviert sind, somit ergibt sich keine Änderung.“
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.11.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27.05.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.
Am 10.11.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein nunmehr unbefristeter Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 v.H. übermittelt.
Der Beschwerdeführer brachte, nunmehr vertreten durch den KOBV, mit Schriftsatz vom 26.11.2020 fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 03.11.2020, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen worden war, ein, in der u.a. Folgendes ausgeführt wird:
„…
Gemäß § 1 Abs. 2 Ziff. 3 der VO des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (BGBl II 495/2013) ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unter Anderem dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vorliegen.
In den Erläuterung dazu wird ausgeführt, dass zu den erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit unter Anderem arterielle Verschlusskrankheiten ab Mb nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option zählen. Der Beschwerdeführer leidet an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit llb, einer koronaren Herzerkrankung bei Zustand nach Herzinfarkt sowie COPD. Seit dem Vorgutachten aus dem Jahr 2018 ist im Gesundheitszustand des Beschwerdeführers keine Änderung eingetreten im Sinne einer Verbesserung. Nach wie vor ist der Beschwerdeführer nicht in der Lage, eine Wegstrecke von mehr als 100m zurückzulegen. Wenn im Gutachten von Dr. P. zur Gesamtmobilität und dem Gangbild des Beschwerdeführers ausführt, dass dieser freigehend bei guter Belastbarkeit beider Beine ohne Gehbehelfe mobil ist, so wird dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer um 10 Uhr am Untersuchungsort war und bis zum Beginn der Untersuchung um 10.40 Uhr sitzend gewartet hat. Dadurch war er ausgeruht und konnte im Ordinationsbereich die wenigen erforderlichen Schritte gehen. Aufgrund der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit llb ist er jedoch nach wie vor nicht in der Lage eine längere Wegstrecke von über 100m zurückzulegen und treten Schmerzen und Krämpfe in den unteren Extremitäten auf, welche die Zurücklegung einer Strecke von mehr als 100m verhindern.
Der Beschwerdeführer erfüllt somit die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“, da bei ihm erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit infolge peripherer arterieller Verschlusskrankheit llb im Sinne des Gesetzes vorliegen.
….“
Beantragt wurde in eventu, der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und Sache zur neuerlichen an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu Spruchteil A)
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
- der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
- die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn „die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen“ hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Die im Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 …
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…
…
2. …
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend – Folgendes ausgeführt:
„§ 1 Abs. 2 Z 3:
…
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
…“
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Der Beschwerdeführer ist unbestritten Inhaber eines (nunmehr unbefristet ausgestellten) Behindertenpasses; der Grad der Behinderung wurde von der belangten Behörde mit 60 v.H. festgestellt. Dem gegenständlichen Verfahren liegt nun ein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Grunde.
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt als mangelhaft, und zwar aus folgenden Gründen:
Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 05.01.2019, das zur Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den befristet ausgestellten Behindertenpass und zur bis 31.12.2020 befristeten Ausstellung eines Ausweis gemäß § 29b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderung) führte, wurde zum einen das Vorliegen einer „Peripheren arteriellen Verschlusskrankheit II b“ festgestellt, zum anderen wurde im Hinblick auf die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgeführt, es liege eine eingeschränkte Gehstrecke auf 100m bei bekannter PAVK II b vor. Aufgrund der peripher arteriellen Verschlusserkrankung bestehe eine wesentliche Einschränkung der Gehstrecke im Sinne einer Claudicatio intermittens, die es verunmögliche, eine Wegstrecke von 300 bis 400 m in der dafür vorgesehenen Zeit zurückzulegen. Auf Grund des Umstandes, dass Interventionen in Vorbereitung seien, wurde festgehalten, dass eine postinterventionelle Nachuntersuchung im Dezember 2020 sinnvoll erscheine, weil eine Verbesserung (eine Verlängerung der Gehstrecke) durch eine entsprechende Therapie zu erwarten sei. Dieses medizinische Sachverständigengutachten vom 05.01.2019 ging daher von der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus, erachtete aber eine Verbesserung der Funktionseinschränkung durch Interventionen, also Therapien, für möglich.
Wie in der Beschwerde grundsätzlich zutreffend ausgeführt wird, ergibt sich aus den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, unter anderem, dass die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ jedenfalls dann vorzunehmen ist, wenn eine arterielle Verschlusskrankheit ab ll/b nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option besteht.
Aus dem nunmehr von der belangten Behörde eingeholten – oben wiedergegebenen - medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Innere Medizin vom 28.09.2020 ergibt sich nun, dass seit dem letzten Sachverständigengutachten vom 05.01.2019 die damals in Aussicht genommenen Interventionen/Operationen, die erwartungsgemäß eine Verbesserung herbeiführen hätten können oder sollen, offenkundig nicht stattgefunden haben. Dennoch gelangt die medizinische Sachverständige in diesem Gutachten vom 28.09.2020 nunmehr zu dem Befund, dass sich „offensichtlich die Kollateralbildung seit dem VGA weiter verbessert hat, sodaß bei zügigem Gangbild eine kurze Wegstrecke zurückgelegt werden kann“, dies offenkundig auf Grundlage einer Statuserhebung zum Gangbild, wonach der Antragsteller frei gehend komme, gute Belastbarkeit beider Beine habe, keine Gehbehelfe benötige, Zehenspitzen-und Fersengang sowie Einbeinstand bds. durchführbar sowie selbständiges An-und Auskleiden möglich sei sowie ein problemloser Transfer auf die Untersuchungsliege. In der ergänzenden Stellungnahme vom 27.10.2020 führt die medizinische Sachverständige aus, bei der vom Antragsteller angegebenen Einschränkung der Gehstrecke (Anmerkung: 100 Meter) handle es sich um subjektive Angaben, die befundmäßig nicht objektiviert seien, somit ergebe sich keine Änderung.
Vor dem Hintergrund, dass das Vorliegen einer Peripheren arteriellen Verschlusskrankheit II b sowohl im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 05.01.2019 als auch im nunmehrigen medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Innere Medizin vom 28.09.2020 ausdrücklich als führendes Leiden 1 festgestellt wurde (in Letzterem durch Einstufung unter der Positionsnummer 05.03.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung [„50%: Arterielle Verschlusskrankheit II b trotz Intervention oder OP“], und im Vorgutachten deswegen von der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegangen wurde, bedarf es aber nunmehr einer schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Erläuterung und darauf aufbauenden Feststellung, warum im Falle des Beschwerdeführers trotz Vorliegens einer befundmäßig dokumentierten und festgestellten PAVK II/b, die entsprechend erläuternden Bemerkungen zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen „jedenfalls“ zur Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ zu führen hat, wenn eine arterielle Verschlusskrankheit ab ll/b nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option besteht, keine derartige Ausprägung vorliegt, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar macht, bzw. warum insbesondere eine derartige Änderung im Sinne einer Verbesserung dieser Funktionseinschränkung im Vergleich zum Vorgutachten vom 05.01.2019 eingetreten ist, sodass nunmehr – abweichend vom Vorgutachten - die Schlussfolgerung getroffen werden könnte, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht mehr vorliegen, dies trotz des Umstandes, dass die in Aussicht genommenen Interventionen, die zu einer Verbesserung der Gehleistung führen könnten, offenkundig nicht vorgenommen wurden.
In diesem Zusammenhang ist aber auch darauf hinzuweisen, dass gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind, was insbesondere auch im Zusammenhang mit einer arterielle Verschlusskrankheit ab ll/b gilt, die regelmäßig nur bei fehlender therapeutischer Option zur Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel führen wird.
Das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 28.09.2020 und dessen Ergänzung vom 27.10.2020 wird den Anforderungen an die Schlüssigkeit und Vollständigkeit eines Gutachtens in Bezug auf die im gegenständlichen Verfahren entscheidungserhebliche Frage zur tatsächlichen Schwere der vorliegenden Verschlusskrankheit – dies auch im Vergleich zum Vorgutachten - und zu den allenfalls möglichen – und allenfalls nicht ausgeschöpften – zumutbaren Therapieoptionen nicht gerecht und ist dieses ergänzungsbedürftig und daher im gegebenen Zusammenhang nicht geeignet, zur ausreichenden Sachverhaltsklärung beizutragen.
Die in der ergänzenden sachverständigen Stellungnahme vom 27.10.2020 getätigte Bemerkung, „Bei der von AS angegebenen Einschränkung der Gehstrecke handelt es sich um subjektive Angaben, die befundmäßig nicht objektiviert sind, somit ergibt sich keine Änderung.“, vermag insofern nicht zu greifen, als entscheidungserhebliche Einschränkungen der Gehstrecke bereits objektiviert waren und bereits zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geführt haben, und nunmehr von der medizinischen Sachverständigen nachvollziehbar und schlüssig darzulegen wäre, warum solche Einschränkungen nunmehr, obwohl die in Aussicht genommenen Interventionen nicht gesetzt wurden, nicht mehr vorliegen. Auf die rechtliche Relevanz allfälliger zumutbarer therapeutischer Optionen wurde – bei deren Nichtausschöpfung - allerdings bereits hingewiesen.
Trotz der im Rahmen der Beschwerde getätigten diesbezüglichen Ausführungen machte die belangte Behörde von der ihr gemäß § 14 VwGVG eingeräumten Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (die unter anderem auch dazu dienen kann, anlässlich des Beschwerdevorbringens bei allenfalls gleichbleibendem Bescheidergebnis wesentliche Sachverhalts- oder auch Begründungselemente nachzutragen) keinen Gebrauch und legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit dem Verwaltungsakt unverzüglich zur Entscheidung vor.
Im gegenständlichen Fall ist jedenfalls davon auszugehen, dass die belangte Behörde im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Sachverhalt – bezogen auf den konkreten Verfahrensgegenstand der Frage der (Un)Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel – nur ansatzweise ermittelt hat bzw. die Ermittlung des Sachverhaltes in entscheidungswesentlichen Fragen an das Bundesverwaltungsgericht delegiert hat.
Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlich mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zu berücksichtigen ist auch, dass mit dem verwaltungsgerichtlichen Mehrparteienverfahren ein höherer Aufwand verbunden ist.
Die belangte Behörde wird sich daher im fortgesetzten Verfahren genau mit der im gegenständlichen Verfahren entscheidungserheblichen Frage der tatsächlichen Ausprägung der vorliegenden arteriellen Verschlusskrankheit – insbesondere in Hinblick auf die oben wiedergegebenen Erläuterungen zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen – und der Frage allfälliger zumutbarer Therapieoptionen auseinanderzusetzen zu haben.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid der belangten Behörde gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückzuverweisen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes ausgeführt, dass im verwaltungsbehördlichen Verfahren notwendige Ermittlungen unterlassen wurden. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegt in Anbetracht des oben zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz keine grundsätzliche Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behindertenpass Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W207.2237436.1.00Im RIS seit
11.06.2021Zuletzt aktualisiert am
11.06.2021