TE Bvwg Beschluss 2021/3/31 W229 2104870-1

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Veröffentlicht am 31.03.2021
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Entscheidungsdatum

31.03.2021

Norm

AlVG §14
AlVG §7
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W229 2104870-1/37E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag.a Beatrix BINDER und den fachkundigen Laienrichter Peter STATTMANN als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft, Rathausstraße 19/DG/53, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai vom 18.12.2014, VN XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 06.03.2015, GZ: XXXX , beschlossen:

A)

Die Beschwerdevorentscheidung wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Arbeitsmarktservice Hietzinger Kai zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 18.12.2014 sprach das Arbeitsmarktservice Wien Hietzinger Kai (im Folgenden: AMS) aus, dem Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom 17.12.2014 werde gemäß § 7 Abs 1 Z 2 iVm § 14 AlVG mangels Erfüllung der Anwartschaft keine Folge gegeben. Begründend führte das AMS aus, der Beschwerdeführer könne in der gesetzlichen Rahmenfrist nur 285 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründende Zeiten nachweisen.

2. Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 30.12.2014 rechtzeitig Beschwerde und führte aus, der zur Gänze angefochtene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig und rechtswidrig in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften. Im angefochtenen Bescheid sei angegeben worden, er könne innerhalb der vorgegebenen Rahmenfrist lediglich 285 Tage arbeitslosenversicherter Beschäftigung nachweisen. Dies treffe bei Einblick in die gegenwärtigen Versicherungsdaten zu, entspreche jedoch nicht den Tatsachen. Er lege hier Beweise vor, wonach er seit 07.04.2014 laufend vollversichert beschäftigt gewesen sei. Die Tatsache, dass sich sein Arbeitgeber nicht korrekt verhalten habe, sei ihm nicht zuzurechnen. Er habe diesbezüglich bereits alle notwendigen Schritte bei der Arbeiterkammer Wien eingeleitet.

Der Beschwerde beiliegend brachte der Beschwerdeführer Verdienstnachweise der XXXX Ges.m.b.H (im Folgenden: T GmbH) für April 2014 bis Juni 2014, der XXXX GmbH (im Folgenden: B GmbH) für Juli 2014 und August 2014, und Stundennachweise der XXXX (im Folgenden: SB) für April 2014 bis August 2014, in Vorlage.

3. Im Verfahren über die Beschwerde erließ das AMS als belangte Behörde am 06.03.2015 gemäß § 14 VwGVG iVm. § 56 AlVG eine Beschwerdevorentscheidung, mit der die Beschwerde abgewiesen wurde. Das AMS führte dazu nach Wiedergabe der Rechtsgrundlagen und Feststellung des Sachverhalts in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen Folgendes aus:

Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Bescheiderstellung hätten sich aus den Versicherungsdaten des Beschwerdeführers innerhalb der (erstreckten) Rahmenfrist vom 25.10.2011 bis 17.12.2014 285 Anwartschaftstage ergeben, nunmehr seien zusätzlich 3 Tage Urlaubsersatzleistung aus dem Dienstverhältnis bei der XXXX GesmbH (im Folgenden: D GmbH) gespeichert vom 13.12.2014 bis 15.12.2014. Es liegen nunmehr daher 288 Anwartschaftstage vor. Da der Beschwerdeführer noch nie eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe, müssten zur Anspruchserfüllung jedoch 364 Anwartschaftstage vorliegen. Mit 13.01.2015 sei die Anfrage des AMS seitens der Wiener Gebietskrankenkasse dahingehend beantwortet worden, dass bezüglich der T GmbH eine Beitragsprüfung zugeteilt worden sei. Die Erledigung werde voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen. Ob für den Beschwerdeführer ein Versicherungsverhältnis festgestellt werde, könne noch nicht angegeben werden. Es laufen auch Ermittlungen der Finanzpolizei. Eine neuerliche Anfrage im Februar 2015 habe ergeben, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Eine neuerliche Abfrage der Versicherungsdaten des Beschwerdeführers habe lediglich die Veränderung gezeigt, dass zusätzlich 3 Tage Urlaubsersatzleistung für den Zeitraum 13.12.2014 bis 15.12.2014 eingespeichert seien. Da somit die erforderlichen 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung nicht vorliegen, müsse der Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld abgewiesen werden. Der Beschwerdeführer werde darauf hingewiesen, dass die Beantragung einer Wiederaufnahme des Verfahrens, nach Abschluss des Beitragsprüfungsverfahrens der Wiener Gebietskrankenkasse, möglich sei.

4. Der Beschwerdeführer stellte rechtzeitig einen Vorlageantrag und führte ergänzend aus, er sei im Zeitraum vom 03.11.2013 bis 12.12.2014 bei der D GmbH vollversichert beschäftigt gewesen, sei von dieser Firma aber nicht korrekt bei der Sozialversicherung angemeldet worden. Er habe über die Arbeiterkammer die Firma aufgefordert diese geringfügige Meldung auf eine vollversicherte Meldung umzuändern. Aufgenommen worden sei er von der Geschäftsführerin der D GmbH und habe von ihr auch die Anweisungen und die Zahlung erhalten. Ohne darüber Bescheid zu wissen, sei er über ihm unbekannte Firmen bei der Sozialversicherung angemeldet worden. Die D GmbH weigere sich bis jetzt die falschen Anmeldungen bei der Sozialversicherung umzuändern. Er könne durch Verdienstnachweise der T GmbH für die Monate April — Juni 2014, mit einer ausgewiesenen Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze, nachweisen, dass er bei der T GmbH vollversichert beschäftigt gewesen sei. Nur sei er bei der Gebietskrankenkasse geringfügig angemeldet worden. Die Verdienstnachweise der T GmbH belegen, dass er vollversichert beschäftigt gewesen sei. Weiters könne er durch Verdienstnachweise der B GmbH für die Monate Juli und August 2014, mit einer ausgewiesenen Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze, nachweisen, dass er bei der B GmbH vollversichert beschäftigt gewesen sei. Nur sei er auch in diesem Fall bei der Gebietskrankenkasse geringfügig angemeldet worden. Die Verdienstnachweise der B GmbH belegen, dass er vollversichert beschäftigt gewesen sei. Er habe der belangten Behörde diese Verdienstnachweise vorgelegt. Auch durch die Stundenlisten der SB für den Zeitraum vom April bis August 2014 könne er seine vollversicherte Beschäftigung in diesem Zeitraum nachweisen. Die Stundenlisten seien der Wiener Gebietskrankasse und der belangten Behörde bereits übermittelt worden.

Die Ummeldung seitens der Wiener Gebietskrankenkasse werde noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Er habe existenzielle Probleme und brauche unbedingt die Leistungen des AMS. Die belangte Behörde müsse anhand der vorliegenden Lohnzettel, die eine vollversicherte Beschäftigung belegen, über seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld entscheiden. Hierzu verweise er auf das Erkenntnis des VwGH vom 24.07.2013, Zl. 2011/08/0222

Weiters beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

5. Der Vorlageantrag und die Beschwerde wurden gemäß § 15 Abs. 2 letzter Satz VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens samt Stellungnahme vorgelegt. Das AMS führte darin aus, obwohl der Beschwerdeführer Unterlagen betreffend die behaupteten Beschäftigungen vorgelegt hat, erscheine es sinnvoll eine umfangreiche Betriebsprüfung durch die WGKK und die Finanzpolizei abzuwarten und einen Anspruch erst festzustellen, wenn die versicherungsrechtlichen Gegebenheiten, nicht zuletzt durch eine Prüfung, der drei genannten Firmen, geklärt seien. In der Beschwerdevorentscheidung sei aufgrund der Aktenlage entschieden worden und seien laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht genug Anwartschaftstage für eine Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vorgelegen.

6. Mit Schreiben vom 09.04.2015 gab der nunmehrige Rechtsvertreter seine Vollmacht bekannt.

7. Mit Schreiben vom 23.03.2016 legte der Beschwerdeführer Unterlagen über das gegen die D GmbH geführte arbeitsgerichtliche Verfahren am Arbeits-und Sozialgericht Wien vor, aus denen sich ergibt, dass zwischen dem Beschwerdeführer und der D GmbH ein Vergleich über Ansprüche aus seiner Beschäftigung vom 03.11.2013 bis 12.12.2014 geschlossen wurde. Weiters beantragte er die Zeugeneinvernahme eines Arbeitskollegen zum Beweis dafür, dass der Antragsteller durchgehend vom 03.11.2014 bis 12.12.2014 bei der D GmbH beschäftigt gewesen sei.

8. Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht teilte die WGKK mit Schreiben vom 10.05.2016 und 15.06.2016 im Wesentlichen mit, dass die Beitragsprüfung der T GmbH noch nicht abgeschlossen sei. Die Anmeldung des Beschwerdeführers bei der T GmbH bleibe storniert, da er lt. Fragebogen nicht für diese Firma beschäftigt gewesen sei. Bei der B GmbH sei die Anmeldung lt. Masseverwalter storniert worden und scheine im Versicherungsdatenauszug ebenso nicht auf. Diese Firma sei mittlerweile abgeprüft worden. Die SB sei bei der WGKK nicht ausfindig zu machen. Für die D GmbH sei derzeit kein Überprüfungsverfahren anhängig.

9. Das Bundesverwaltungsgericht teilte diese Schreiben dem Beschwerdeführer als Ergebnis der Beweisaufnahme mit. In der Stellungnahme vom 23.03.2017 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass es nicht verwunderlich sei, dass die Sozialversicherungsmeldungen des Beschwerdeführers bei der T GmbH und bei der B GmbH storniert worden seien, weil der Beschwerdeführer von einer Beschäftigung bei diesen Unternehmen eigentlich überhaupt gar nichts gewusst habe, beide Unternehmen in Konkurs gegangen seien und es sich bei beiden Firmen auch ganz offensichtlich um „Scheinfirmen“ handle (dazu ist/war auch bei Staatsanwaltschaft Wien ein Verfahren anhängig). Dieser Umstand spreche stark dafür, dass der Beschwerdeführer vom 03.11.2013 bis 12.12.2014 durchgehend bei der D GmbH vollzeitbeschäftigt gewesen sein musste und der Beschwerdeführer ohne sein Wissen offenbar bei diesen „Scheinunternehmen“ zur Gebietskrankenkasse gemeldet worden sei. Warum die Gebietskrankasse hinsichtlich der Vollzeitbeschäftigung des Beschwerdeführers bei der D GmbH offenbar kein Überprüfungsverfahren anhängig gemacht habe, sei nicht nachvollziehbar. Der Sachverhalt sei der Gebietskrankenkasse nämlich zur Kenntnis gebracht worden. Zum Beweis für die durchgehende Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der D GmbH vom 3.11.2013 bis 12.12.2014 werde neben der Befragung des Beschwerdeführers überdies die Beischaffung des Aktes Arbeits- und Sozialgericht Wien, die Beischaffung des Aktes Staatsanwaltschaft Wien sowie die Einvernahme eines damaligen Arbeitskollegen unter Beiziehung eines Serbisch- Dolmetschers beantragt.

11. Die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers wiederholte mit Schriftsatz vom 12.10.2018, dass die Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der D GmbH durchgehend im Zeitraum vom 03.11.2013 bis 12.12.2014 und Vollzeit war. Weiters wurde ua. mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nach dem Beschäftigungsende bei der WGKK vorstellig geworden sei, um seine unrichtigen Versicherungszeiten berichtigen zu lassen. Von Seiten der WGKK sei in dieser Angelegenheit aus dem Beschwerdeführer nicht nachvollziehbaren Gründen jedoch keine Niederschrift aufgenommen worden.

12. Mit Schreiben vom 07.11.2019 gab die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss des entsprechenden Antrages bekannt, dass nunmehr ein Antrag auf Feststellung der Versicherungszeiten bei der WGKK eingebracht worden sei.

13. Mit Schreiben vom 25.11.2019 wurde vom Bundesverwaltungsgericht bei der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) eine Anfrage hinsichtlich der Anhängigkeit des Verfahrens zur Feststellung der Versicherungspflicht des Beschwerdeführers gestellt.

14. Nachdem die Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) die Anfrage abschlägig beantwortete, wurde der Beschwerdeführer im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung ersucht bekanntzugeben, wann der Antrag auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens und Erlassung eines entsprechenden Feststellungsbescheides bei der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) eingebracht worden ist und eine Bestätigung der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) über die Anhängigkeit des Verfahrens vorzulegen.

15. Mit Schreiben vom 23.12.2019 übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung ua. ein E-Mail der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 27.11.2019, aus dem die Anhängigkeit des Verfahrens und das Bemühen die Angelegenheit so rasch als möglich zu klären hervorgeht, sowie ein weiteres Schreiben der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 10.12.2019, mit dem der Beschwerdeführer ua. zur Nachreichung von Unterlagen sowie die rechtsfreundliche Vertretung um telefonische Kontaktaufnahme gebeten wurde.

16. Mit Beschluss vom 17.01.2020, W229 2104879-1/28Z, wurde das Verfahren zur Beurteilung der Vorfrage gem. § 17 VwGVG iVm. § 38 AVG durch die Wiener Gebietskrankenkasse ausgesetzt.

17. Auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Verfahrensstandes gab die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 28.10.2020 an, im September eine Erledigung bei der ÖGK urgiert zu haben.

19. Mit Schreiben vom 02.03.2021 teilte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers mit, dass laut Mitteilung der ÖGK vom 01.03.2021 die Angelegenheit insoweit erledigt sei, als die Versicherungszeiten und auch die Beitragsgrundlagen bei den genannten Unternehmen aufgrund des hergestellten Konsenses wieder gespeichert worden seien.

20. Mit Verfügung vom 17.03.2021 teilte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mit und ersuchte das AMS zu den vom Beschwerdeführer übermittelten Schreiben der ÖGK sowie zum aktuellen Versicherungsdatenauszug im Hinblick auf das Bestehen von Anwartschaftszeiten im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Stellung zu nehmen.

21. Mit Schreiben vom 18.03.2021 teilte das AMS mit, dass unter Berücksichtigung der im Dachverband der Sozialversicherungsträger nachgespeicherten Beschäftigungszeiten innerhalb der (nicht erstreckten) Rahmenfrist 17.12.2012 bis 17.12.2014 372 Tage anwartschaftsbegründender Zeiten vorliegen und dass die Anwartschaft mit 17.12.2014 erfüllt ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 17.12.2014 beim AMS einen Antrag auf Arbeitslosengeld.

Der Beschwerdeführer hat bisher kein Arbeitslosengeld bezogen.

In der Rahmenfrist von 17.12.2012 bis 17.12.2014 liegen beim Beschwerdeführer insgesamt 372 Tage anwartschaftsbegründende Zeiten vor.

Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes hat die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen getätigt und auch keine Berechnung der Höhe eines allfälligen Anspruchs vorgenommen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der unzweifelhaften Aktenlage des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde. Der Antrag auf Arbeitslosengeld vom 17.12.2014 liegt im Akt ein.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bisher kein Arbeitslosengeld bezogen hat, ergibt sich aus dem Auszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zu den Versicherungszeiten des Beschwerdeführers, Stand 08.01.2015, Datenabfrage für den Zeitraum 01.01.1972 bis 08.03.2015. Das AMS brachte in der Beschwerdevorentscheidung (S. 3) vor, dass es sich bei der Eintragung „ALG“ für den Zeitraum 17.03.2014 bis 21.03.2014 nicht um den Bezug von Arbeitslosengeld, sondern der BF für die Einstiegswoche des ECDL Führerscheines eine entsprechende Beihilfe erhalten habe. Dieses Vorbringen sowie die Tatsache, dass er bisher kein Arbeitslosengeld bezogen hat, ließ der BF unbestritten.

Die Feststellungen zu den anwartschaftsbegründenden Zeiten in der nicht erstreckten Rahmenfrist von 17.12.2012 bis 17.12.2014 ergeben insbesondere aus dem Schreiben des AMS vom 18.03.2021 und daraus, dass im Auszug des AJ-Auskunfstverfahrens nunmehr insbesondere Beschäftigungszeiten in den vom Beschwerdeführer genannten Firmen und Zeiten wie insbesondere von 03.11.2014 bis 12.12.2014 bei der Firma D GmbH, vom 07.04.2014 bis 30.06.2014 bei der Firma T GmbH und von 01.07.2014 bis 05.10.2014 bei der B GmbH.

Die Feststellung, dass die belangte Behörde hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes keine Ermittlungen getätigt und auch keine Berechnung der Höhe eines eventuellen Anspruchs vorgenommen hat, kann aufgrund der auf die mangelnde Erfüllung der Anwartschaft beschränkten Begründung des angefochtenen Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung sowie des (übrigen) Akteninhalts getroffen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm. § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

3.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AlVG) BGBl. Nr. 609/1977 idgF lauten:

§ 7. (1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer

1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2. die Anwartschaft erfüllt und

3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat. […]

§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.

(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt. […]

§ 15. (1) Die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) verlängert sich um höchstens fünf Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland

1. in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden ist;

2. arbeitsuchend bei der regionalen Geschäftsstelle gemeldet gewesen ist, Sondernotstandshilfe bezogen hat oder als Vorschuss auf eine nicht zuerkannte Pension Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen hat; […]

Zu A) Zur Aufhebung und Zurückverweisung

3.4. Zur Erfüllung der Anwartschaft

Eine Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 AlVG (unter anderem) die Erfüllung der Anwartschaft. Anwartschaftszeiten werden grundsätzlich durch arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten oder sonstige Versicherungszeiten innerhalb festgelegter Rahmenfristen erworben (vgl. Krapf/Keul, Praxiskommentar Arbeitslosenversicherungsgesetz, 12. Lfg., § 14 AlVG Rz 339).

Die gesetzliche Rahmenfrist bei erstmaliger Antragsstellung beträgt gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz AlVG zwei Jahre, somit im vorliegenden Fall von 17.12.2012 bis 17.12.2014. Wie festgestellt, war der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum an 372 Tagen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die für die (erstmalige) Zuerkennung des Arbeitslosengeldes erforderliche Anwartschaft innerhalb der Rahmenfrist vom 17.12.2012 bis 17.12.2014 im Ausmaß von insgesamt 52 Wochen unter Berücksichtigung der zunächst strittigen und nunmehr festgestellten Beschäftigungszeiten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm § 14 Abs. 1 erster Satz und § 15 AlVG erfüllt.

Für eine abschließende Beurteilung des die Sache des Verwaltungsverfahrens bildenden Antrags des Beschwerdeführers vom 17.12.2014 ist jedoch eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld einschließlich des Beginns und insbesondere der Höhe des Bezugs erforderlich.

3.5. Befugnis zur Kassation

3.5.1. Gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG hat das Verwaltungsgericht in Rechtssachen nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (außer Verwaltungsstrafsachen) dann in der Sache zu entscheiden, wenn (1.) der maßgebliche Sachverhalt feststeht, oder wenn (2.) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. § 28 Abs. 2 VwGVG wiederholt diese Anordnung auf einfachgesetzlicher Ebene. § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG sieht die Entscheidung in der Sache vor, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, sofern nicht die belangte Behörde einer Entscheidung in der Sache bei Vorlage der Beschwerde (unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens) widerspricht.

Für den Fall, dass die Behörde "notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat, kommt dem Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG unter den durch die Judikatur präzisierten Voraussetzungen die Befugnis zu, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Nach dem einschlägigen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, hat die meritorische Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes Vorrang und bildet die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme, deren Inanspruchnahme begründungspflichtig ist und die strikt auf den ihr gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Zur Aufhebung und Zurückverweisung ist das Verwaltungsgericht bei "krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken" befugt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Verwaltungsbehörde "jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen", "lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt" oder "bloß ansatzweise ermittelt" hat oder wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Behörde "Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer ‚Delegierung' der Entscheidung ...)".

3.5.2. Im vorliegenden Verfahren reichen die bisher getätigten Ermittlungen nur ansatzweise zur Entscheidung aus.

"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfanges - nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032, mwN). Das Verwaltungsgericht hat also die Angelegenheit zu entscheiden, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. VwGH 27.08.2014, Ro 2014/05/0062; 27.01.2016, Ra 2014/10/0038).

Wie bereits erwähnt sind für eine abschließende Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld gebührt, die weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld zu prüfen. Zu diesen weiteren Voraussetzungen finden sich im Akt keinerlei Ermittlungsergebnisse der Behörde und ist die Ermittlung dieser Umstände durch das Verwaltungsgericht selbst nicht "im Interesse der Raschheit gelegen" oder mit einer "erheblichen" Kostenersparnis verbunden. Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht nicht verkennt, dass das Fehlen der weiteren Ermittlungsergebnisse lediglich darauf beruht, dass die belangte Behörde die Erfüllung der Anwartschaft als nicht gegeben erachtete und somit - wohl unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten - von der Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen Abstand nahm, so lässt sich die Inanspruchnahme der Befugnis der Zurückverweisung mit den genannten einschlägigen Kautelen in Einklang bringen. Zur Erreichung der Entscheidungsreife hinsichtlich des Antrags auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld bedürfte es Ermittlungen hinsichtlich der übrigen gesetzlich geregelten Anspruchsvoraussetzungen sowie einer Berechnung der Höhe des allenfalls zustehenden Arbeitslosengeldes. Diesbezüglich finden sich im Verwaltungsakt keinerlei Ermittlungsergebnisse des AMS. Vielmehr wurde hinsichtlich der Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld jegliche Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde unterlassen. Die derzeit vorliegenden Ermittlungen könnten eine abschließende Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes nicht ansatzweise tragen, weshalb das Bundesverwaltungsgericht die Befugnis zur Zurückverweisung der Angelegenheit in Einklang mit der Rechtsprechung in Anspruch nimmt (vgl. VwGH 06.07.2016, Ro 2016/08/0008 sowie zur Möglichkeit der Zurückverweisung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Ra 2015/08/0171).

3.5.3. Die Beschwerdevorentscheidung war daher spruchgemäß aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Das AMS wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob der Beschwerdeführer die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes erfüllt, und gestützt auf die Ermittlungsergebnisse - nach Gewährung von Parteiengehör - einen neuen Bescheid zu erlassen bzw. die Leistung in der im gesetzlichen Ausmaß zustehenden Höhe zu gewähren haben.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

3.6. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Pkt. II.3.4. und II.3.5. zitierte Rechtsprechung); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich anzusehen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Anspruchsvoraussetzungen Anwartschaft Arbeitslosengeld Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W229.2104870.1.00

Im RIS seit

11.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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