Entscheidungsdatum
06.04.2021Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I412 2170007-1/25E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. IRAK, vertreten durch Kinder- und Jugendhilfeträger bei der BH Zell am See, diese vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg vom 04.08.2017, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin reiste im Dezember 2015 gemeinsam mit ihrem Bruder in das Bundesgebiet ein und stellte der Bruder für sich und für die minderjährige Schwester einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Begründet wurde der Antrag mit einer Verfolgung durch den IS. Der Bruder habe im Alkoholverkauf gearbeitet und sei daher mit dem Tod bedroht worden. Der Vater sei von Unbekannten angeschossen worden.
Die Beschwerdeführerin wurde im Beisein einer Vertreterin der Kinder- und Jugendhilfe vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.07.2017 niederschriftlich einvernommen. Ihr Bruder ist bereits zuvor freiwillig in den Irak zurückgereist und wurde sein Verfahren eingestellt.
Mit Bescheid vom 04.08.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde aber der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.). Dieser wurde zuletzt am 17.11.2020 rechtskräftig verlängert.
Die Beschwerde vom 31.08.2017 richtete sich gegen die abweisende Entscheidung über den Asylstatus. Moniert wurde, dass die Einvernahme nicht durch ein besonders geschultes Organ für die Befragung einer Minderjährigen durchgeführt worden sei und die Einvernahme nicht altersentsprechend gestaltet worden sei. Die Beschwerdeführerin wäre aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit als Jesidin im kurdischen Autonomiegebiet vom IS bedroht. Sie wäre dort Menschenrechtsverletzungen ausgeliefert und würde der Staat keinen Schutz bieten.
Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses der Gerichtsabteilung I412 neu zugewiesen.
Aufgrund von zweimaligen Ausreisewünschen der Beschwerdeführerin gefolgt von Widerrufen wurde ein Parteiengehör zur Abklärung der aktuellen Situation gewährt. Mit Eingabe vom 18.03.2021 wurde ein Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben und eine ausführliche Stellungnahme zur Lage der Jesiden im Irak abgegeben. Ausgeführt wurde auch, dass die Beschwerdeführerin eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientierten Frauen zu befürchten habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und den Fluchtgründen:
Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren, irakische Staatsangehörige und gehört der jesidischen Volksgruppe an. Ihre Identität steht fest. Aufgrund ihrer Minderjährigkeit wird sie durch die Kinder- und Jugendhilfe der BH Zell am See gesetzlich vertreten.
In Österreich ist die Beschwerdeführerin subsidiär schutzberechtigt, dieser Status wurde zuletzt am 17.11.2020 rechtskräftig verlängert. Aktuell ist sie bei ihrer Schwester und deren Familie in Salzburg wohnhaft. Die Asylanträge der Schwester und deren Familie wurden rechtskräftig negativ entschieden, sie halten sich nach Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 55 AsylG 2005 nunmehr auf Grundlage von Niederlassungsbewilligungen nach dem NAG im Bundesgebiet auf.
Die Beschwerdeführerin stammt aus der kurdischen Autonomieregion, wurde in der Region Ninewa geboren und absolvierte in Babira eine Grundschule. Im Irak leben ihre Eltern sowie vier Geschwister. Ihr Bruder, mit dem sie gemeinsam ausgereist ist, ist etwa eineinhalb Jahre nach der Asylantragstellung in den Irak zurückgekehrt. Ihre Angehörigen leben im Irak und steht sie in regelmäßigem Kontakt zu ihnen.
Die Beschwerdeführerin leidet weder an einer schweren Krankheit noch ist sie längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Sie ist strafgerichtlich unbescholten.
In Österreich absolvierte sie eine polytechnische Schule und sammelte erste Berufspraxis im Rahmen der schulischen Ausbildungstage.
Die Beschwerdeführerin ist im Irak weder inhaftiert, noch persönlich verfolgt worden. Sie hatte keine Probleme mit Behörden oder Privatpersonen und nahm auch nicht an bewaffneten Auseinandersetzungen teil. Sie hat sich nicht politisch engagiert und war auch kein Mitglied einer Partei. Sie hat den Irak gemeinsam mit ihrem Bruder verlassen, nachdem Bagdad, Mossul und das Heimatdorf Babira vom IS belagert worden sind und der Bruder in Bagdad wegen Alkoholverkäufen bedroht worden ist. Die restliche Familie übersiedelte nach Bagdad in eine Eigentumswohnung.
Die Beschwerdeführerin ist im Fall einer Rückkehr in die Herkunftsregion (Gouvernement Ninawa) oder nach Bagdad nicht einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintretenden individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur ethno-religiösen Gruppe der Jesiden ausgesetzt. Auch einer Verfolgung oder Bedrohung wegen Annahme des westlichen Lebensstils wird sie nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein.
1.2. Zur Lage im Irak:
1.2.1. Zum zeitlichen Ablauf der Ereignisse rund um den vom IS an den Jesiden verübten Genozid im Nordirak wird festgestellt:
Nachdem die kurdischen Peshmerga während des Kampfes gegen den IS im Distrikt Sinjar Anfang August 2014 die Flucht ergriffen (und zwei Monate zuvor auch bereits die irakische Armee) und die überwiegend jesidisch bewohnte Stadt Sinjar, sowie die umliegenden jesidischen Städte und Dörfer ungeschützt zurückließen, nahm der IS am 03.08.2014 Sinjar und die umliegenden Städte und Dörfer, ein. Der IS (und auch andere arabische Muslime) bezeichnen Jesiden als „Teufelsanbeter“. Es wurde der gesamten jesidischen Bevölkerung seitens des IS das Ultimatum gestellt, entweder zum sunnitischen Islam zu konvertieren oder zu sterben. In der Folge kam es zur Tötung tausender jesidischer Männer, Frauen und Kinder sowie zu Entführungen und Verkauf in die (sexuelle) Sklaverei von tausenden jesidischen Frauen und Mädchen durch den IS. Die Verbrechen des IS an den Jesiden führten gesamt zu etwa 500.000 Flüchtlingen und gelten allgemein als Genozid. Anfang August 2014 flohen etwa 50.000 Jesiden aus Sinjar und den umliegenden Städten und Dörfern, in die Berge nahe Sinjar, die übrigen flüchteten überwiegend nach Kurdistan. Viele konnten aus vom IS umzingelten Gebieten erst Monate später fliehen. Die kurdischen Peshmerga versuchten in einer ersten Offensive in der Nacht des 20.12.2014 Sinjar vom IS zurückzuerobern. Der Vormarsch der Peshmerga in die Stadt wurde jedoch von starkem Widerstand von IS-Kämpfern in der südlichen Hälfte der Stadt blockiert. Erst am 13.11.2015, einen Tag nach Beginn einer groß angelegten zweiten Offensive gelang es den kurdischen Peshmerga und jesidischen Milizen, unterstützt durch US-amerikanische Luftangriffe, die Stadt Sinjar einzunehmen und vom IS die volle Kontrolle über die Stadt zurückzuerlangen
Quellen:
wikipedia.org, https://en.wikipedia.org/wiki/Genocide_of_Yazidis_by_ISIL mw Quellen (Stand 12.07.2020), Zugriff am 21.07.2020; wikipedia.org, https://en.wikipedia.org/wiki/Sinjar mw Quellen (Stand 25.06.2020), Zugriff am 21.07.2020; Al-Jazzera – Arab-Yazidi reconcilation begins in Iraq´s IDP camps (15.11.2016), https://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/11/arab-yazidi-reconciliation-begins-iraq-idp-camps-161109010116321.html, Zugriff am 21.07.2020).
1.2.2. Zur Vertreibung, Rückkehr und zu den Siedlungsorten der Jesiden wird festgestellt:
Vertreibung und Rückkehr
Die Anzahl der vertriebenen Personen betrug im Dezember 2018 noch 1.073.994 Personen, von denen 539.436 Personen innerhalb des Gouvernements an einem anderen Ort lebten. Laut IOM ist das Gouvernements Ninawa mit 1.614.150 Rückkehrern jedoch auch das Gouvernements mit den meisten Rückkehrern.
HRW stellte im Jahresbericht 2018 fest, dass Familien mit wahrgenommenen Verbindungen zum Islamischen Staat in einigen Gebieten von Ninewa an der Rückkehr gehindert wurden. UNHCR berichtete außerdem, dass Stammesführer, Sicherheitsakteure und die örtliche Bevölkerung sich der Rückkehr von Familien mit wahrgenommenen Verbindungen zum Islamischen Staat widersetzen würden. 175 Familien, die aus dem Dorf Al Abour im Distrikt Mossul vertrieben wurden, durften einem Bericht zufolge im November 2018 nicht zurückkehren durften, bis sie Verwandte mit wahrgenommenen Verbindungen zu Extremisten verstoßen haben oder diese vom Bundesgericht in Bagdad und der örtlichen Polizei freigesprochen wurden. UNHCR berichtete auch von mehreren Fällen der abgelehnten Rückkehr von Familien, die der Mitgliedschaft beim islamischen Staat beschuldigt wurden, in Tal Afar, Ba'aj, Mosul, Haj Ali-Lager und Qayara. Anfang September 2018 haben Sicherheitskräfte mindestens 22 weiblich geführte Haushalte und Familien aus Dörfern bei Mossul aufgrund ihrer angeblichen Zugehörigkeit zum Islamischen Staat zwangsweise in Lager umgesiedelt.
Die höchste Anzahl von Rückkehrern entfällt auf den Distrikt Mosul, gefolgt von den Distrikt Tal Afar und Al-Hamdaniya. Mossul hat mit 955.140 zurückgelehrten Personen mit Abstand die meisten Rückkehrer. Die meisten Rückkehrer kehren von anderen Orten innerhalb des Gouvernements zurück, gefolgt von Rückkehrer aus den Gouvernements Erbil und Dohuk. Die Rückkehr aus dem de facto von der autonomen Region Kurdistan verwalteten Distrikte Sheikhan und Akre wird als Intra-Gouvernement gezählt. Berichten zufolge gab es nur sehr wenige Rückkehr nach Baaj, wo die Badr-Miliz die Kontrolle hat. Diejenigen, die nicht nach Mossul und Tal Afar zurückkehren können, begründen dies hauptsächlich mit der Zerstörung ihrer Wohnung bzw. ihres Hauses.
Nur sehr wenige jesidische Vertriebene sind nach Sinjar zurückgekehrt, was in erster Linie auf die instabile Sicherheitslage, die Präsenz verschiedener Sicherheitsakteure in der Region und die Wahrnehmung von Unsicherheit zurückzuführen ist. Darüber hinaus soll die autonome Region Kurdistan die Rückkehr von jesidischen Binnenvertriebenen, die in autonomen Region Kurdistan leben, nach Sinjar behindern, angeblich durch Anreize wie auch durch Ausübung von Druck.
Einem Bericht von IOM vom September 2018 zufolge kehrten 238.401 Familien im Gouvernement Ninawa zurück. IOM definierte vier Kategorien („category of severity“) im Hinblick auf die nach der Rückkehr vorgefundenen Bedingungen, nämlich very high, High, medium und Low. Die Mehrheit der zurückkehrenden Familien in Ninewa (54 %) fand mittelschwere Bedingungen („medium severity“) vor, gefolgt von 29 %, deren Rückkehr in die Kategorie „low severity“ eingestuft wurde. Nur 15 % der Rückkehrfamilien wären mit „high severity“ bei der Rückkehr mit hohen Schweregraden konfrontiert, gefolgt von kleinen Segment von 2%, das bei der Rückkehr mit sehr hohen Schwierigkeiten konfrontiert sei („very high severity“). Hohen Schwierigkeiten wurden in Sinjar, Westmossul, das Tel Afar, Ba'aj und der Wüstenstreifen von Al-Tal, Hatra und Muhalabiya in Ninawa festgestellt. IOM zufolge ist Sinjar der Bezirk, in dem die Binnenvertriebenen am wenigsten bereit sind, innerhalb des folgenden Jahres zurückzukehren. Die Rückkehr nach Sinjar wird auch durch die schweren Zerstörungen in der Region und den Mangel an Infrastruktur und Dienstleistungen für die Bevölkerung behindert. IOM sieht Sinjar als eines der Gebiete an, in das es am schwierigsten ist, im Irak zurückzukehren.
UNOCHA geht in einer Einschätzung vom November 2018 davon aus, dass in Ninewa 2.168.222 Menschen in einer Notlage sind. Die Gegend um Sinjar gilt dabei als solche, die die größten Zerstörungen aufweist: Bewässerungsbrunnen wurden oft mit Schutt, Öl oder anderen Fremdkörpern sabotiert, und Pumpen, Kabel, Generatoren und Transformatoren gestohlen oder zerstört. Der Islamische Staat setzte Obstgärten in Brand oder holzte sie ab und zerstörte Stromleitungen. Obwohl der Irak 2018 einen Wiederaufbauplan verabschiedete, sei es der Regierung nicht gelungen ist, das volle Ausmaß der Zerstörung landwirtschaftlicher Lebensgrundlagen sinnvoll anzugehen oder Pläne zur Unterstützung der Landwirte beim Wiederaufbau des zerbrochenen Landes im Irak und der damit verbundenen Lebensgrundlagen umzusetzen. Sauberes Wasser bleibt ebenfalls ein großes Anliegen der Bevölkerung in Rückkehrgebieten. Der Zerstörungsgrad ist in Westmossul ebenfalls hoch, aber auch andere Gebiete im Gouvernement erlitten schwere Schäden, wie die Städte Karakosch, Zummar, Rabia, Tal Afar und Qayara. Ba'aj soll die Stadt mit dem höchsten Zerstörungsgrad im gesamten Irak sein. Nicht nur Wohngebäude wurden beschädigt, sondern auch die Infrastruktur. So wurden in der Stadt Ba'aj das einzige Krankenhaus und alle primären Gesundheitszentren durch den Konflikt zerstört oder beschädigt. Vor der Krise verfügte die Stadt über ein funktionierendes Krankenhaus und elf Zentren für die medizinische Grundversorgung. In Westmossul unterstützte die WHO die Verlegung von zwei Feldkrankenhäusern aus anderen Städten. Drei Gesundheitseinrichtungen in Westmossul werden zerstört, 23 teilweise beschädigt.
Die Rückkehr der Binnenvertriebenen nach Mossul findet statt, aber der westliche Teil ist immer noch vollständig zerstört und fast niemand kehrt in diesen Teil der Stadt zurück. Durch die Zerstörung fehlt es an Wohnungen. Darüber hinaus befinden sich noch viele Leichen in den Ruinen und der Aufräumprozess wurde mehrmals wegen der Gefahr von Krankheiten gestoppt. Der UN-Sicherheitsrat stellte im Juli 2018 fest, dass seit Anfang 2018 rund 18.000 Sprengkörper in Mossul und Falludscha geräumt wurden. Im Stadtteil Chatuniyah entdeckten die Behörden mehrere Waffen- und Munitionsherstellungsanlagen des Islamischen Staates. Durch nicht geräumte Kampfmittel kommt es häufig zu Unfällen und einige Bereiche der Stadt blieben noch unzugänglich.
Siedlungsorte der Jesiden
Hauptsiedlungsorte der Jesiden im Irak sind Dörfer und Kleinstädte in den Distrikten Sindschar und Sheikhan. Die rechtlich zuständige Zentralregierung zeigt in den beiden Distrikten praktisch keine Präsenz. Die von Jesiden bewohnten Dörfer und Kleinstädte im Distrikt Sindschar sind im Zusammenhang mit dem Eroberungsfeldzug des Islamischen Staates in der Region im Sommer 2014 von den Jesiden verlassen worden. Der Distrikt Sheikhan wurde als Teil der umstrittenen Gebiete von kurdischen Peschmerga kontrolliert und fiel nicht an den Islamischen Staat, wiewohl Teile davon.
Die Siedlungsorte der Jesiden im Distrikt Sindschar sind (die in Klammern gesetzten Namen sind alternative Ortsbezeichnungen): Adika (Adikah), Alidina (Aldina, Aldinah), Bakhalif (Bakhulayf), Bara, Barana, Beled Sinjar [Stadt Sindschar], Chilmera, Gabara (Qabara), Girezarka (Kuri Zarqah), Gunde, Halayqi (Halayqiya, Halayqiyya), Jaddala (Jidala), Jafri (Chafari, Jafariya, Jafriyan, Jafriyya), Kahtaniya (Gemeinschaftsdorf; Bewohner der Dörfer Al Khataniyah, Kar Izir (Giruzer), Qahtaniya (Qahtaniyah), Til Ezer wurden 1970 in das Gemeinschaftsdorf Kahtaniya zwangsumgesiedelt.), Karsi (Karse), Khanasor (Khana Sor, Khana Sur, Khanesor), Kulakan (Kulkan), Mamise (Mamisi), Markan (Mahirkan, Merkan, Mihirkan, Mirkhan), Maynuniyya (Majnuniya, Majnuniyya, Majnuniyah), Milik (Malik), Nakhse Awaj (Nahisat Awj), Quwesa (Quwasi), Rubaidiya, Sakiniyya (Sakiniya, Sukainiya, Sukayniyah), Samuqa (Zamukhah), Shamika, Siba Sheikh Khidir (Gemeinschaftsdorf; Bewohner der Dörfer Al Adnaniyah Jazeera, Jazirah wurden 1970 in das Gemeinschaftsdorf Siba Sheikh Khidir zwangsumgesiedelt.), Jazeera, Jazirah Sinuni (Sinone, Sinune), Taraf (Taraf Jundik, Teraf), Wardi (Wardiya, Wardiyya), Yusafan (Yusufan), Zerwan (Zarwan, Zeravan, Zirawan), Zorafa (Zarafah, Gemeinschaftsdorf; Bewohner umliegender Dörfer wurden 1970 in das Gemeinschaftsdorf Zorafa zwangsumgesiedelt.)
Die Siedlungsorte der Jesiden im Distrikt Sheikhan sind (die in Klammern gesetzten Namen sind alternative Ortsbezeichnungen): Atrush (Atrus), Baadra (Ba‘adra, Baadhre, Baadre, Badra, Badre, Baedra, Bathra), Baadra – Ortsteil Sinjari (Ortsteil des Dorfes Baadra, der 1970 mit Zwangsumsiedlern besiedelt wurde.), Babira (Babirah), Bashiqe (Bashika, Bashiqa, Bashiqah), Beban (Biban), Behzani (Bahzan, Behzan, Behzane), Daka (Dakan, Dekan), Doghati (Doghan), Esiyan (Esian), Eyn Sifni (Ain Sifni, Ayn Sifni), Gabara (Kabara), Girepan (Gerepane, Gir Pahn, Girebun, Grepan), Jarahi (Jarahiya, Jarhiyah), Kebertu (Kibrtu), Kendali (Kandala, Qandal), Kersaf (Kar Saf), Khanke collective village (Khanek, Khanik, Xanke), Kharshani (Kharshnya, Khirschnia, Khurshinah, Xershenya), Khetara (Hatara), Khorzan (Khursan), Klebadir (Galebader, Kelebadre, Qalat Bardi), Lalish (Lalesh), Mem Shivan (Mam Shuwan, Mamshivan, Mamshuwan), Mom Reshan (Mamme Rashan, Mamrashan), Rubaidiya (Rubaydiyah), Shariya (Scharia, Sharia), Shariya (Shaira, Shaire, Sharya; Gemeinschaftsdorf; Bewohner der enteigneten Dörfer Dakan, Girepan (Gerepane), Khirschnia (Xershenya), Klebadir (Galebader), Scharia (Shariya), Schekh Khadir (Shexedra) and Sina (Sena), nach denen Ortsteile von Shariya benant sind, wurden 1970 nach Shariya zwangsumgesiedelt). Sheikh Xadr (Schekh Khadir, Shayk Adarah, Shekh Khdir, Shexedra), Sheikhan, Simel (Semel, Semil, Simele, Sumail, Sumel), Sina (Sena, Sini), Sireski (Sireshkan), Taftyan (Taftian, Tiftijan).
Der Jahresbericht 2018 des US-Außenministeriums zur Religionsfreiheit im Irak hält fest, dass laut jesidischen Führern die meisten der 600.000-750.000 Jesiden im Irak im Norden des Landes leben, wovon wiederum mehr als 350.000 Jesiden in Lagern in Irakisch-Kurdistan leben.
Quellen:
BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung zu Irak: Lage der Jesiden, 13. Mai 2019 https://www.ecoi.net/en/file/local/2008818/IRAK_MR_MIN_Lage+der+Jesiden_2019_05_13_KE.pdf (Zugriff am 31. März 2021)
BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Jesiden in der Provinz Ninawa, 11. Februar 2019 https://www.ecoi.net/en/file/local/2003063/IRAK_MR_MIN_Jesiden+in+der+Provinz+Ninawa_2019_02_11_KE.odt (Zugriff am 31. März 2021)
BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Schiitische Milizen in Sinjar, Übergriffe gegen religiöse Minderheiten in der Provinz Ninawa, 24. September 2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1446464/5818_1539590867_irak-mr-min-schiitische-milizen-in-sindschar-ninawa-2018-09-24-ke.odt (Zugriff am 31. März 2021)
BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Jesiden in Dahouk und Bagdad – Lebensräume der Jesiden, 27. Juli 2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1439657/5818_1533112567_irak-mr-min-jesiden-territoriale-verbreitung-niederlassungsbeschraenkungen-lage-in-dahuk-und-bagdad-2018-07-26-ke.docx (Zugriff am 31. März 2021)
1.2.3. Zur aktuellen Lage der Jesiden wird außerdem festgestellt:
Jesiden
Am 01.03.21 hat das irakische Parlament ein Gesetz erlassen, in dem die Überlebenden des Völkermordes finanzielle Unterstützung durch den Staat erhalten. Dazu zählt, dass 2 % der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst an Überlebende gehen, sie ein festes Gehalt erhalten und ein Stück Land zugesprochen bekommen. Dieses Gesetz gilt auch für Turkmenen, Shabak und Christen. Mit diesem Gesetz hat die irakische Regierung offiziell den Völkermord an den Jesiden anerkannt, wie zuvor schon das Kurdistan Regional Government (KRG).
Quelle:
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland): Briefing Notes, 15. März 2021 https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw11-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Zugriff am 31. März 2021)
Risikoanalyse:
Nicht alle Jesiden sind automatisch dem erforderlichen Risiko ausgesetzt, um eine begründete Angst vor Verfolgung annehmen zu müssen. Bei der individuellen Beurteilung, ob die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung für den Antragsteller angemessen ist oder nicht, sollten risikobehaftete Umstände berücksichtigt werden, z. B.: Herkunftsgebiet (z. B. Jesiden in Gebieten, in denen der IS weiterhin tätig ist), (Mangel an) Ausweispapiere(n), Geschlecht usw.
Quelle:
EASO – European Asylum Support Office: Country Guidance: Iraq; Common analysis and guidance note, Jänner 2021 https://www.ecoi.net/en/file/local/2045437/Country_Guidance_Iraq_2021.pdf (Zugriff am 31. März 2021)
1.2.4. Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 08.02.2021 eingeführten Länderberichte, nämlich das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Irak vom 17.03.2020, zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben.
Daraus ergibt sich auszugsweise:
Politische Lage
Letzte Änderung: 14.05.2020
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018) und es wurde ein neues politisches System im Irak eingeführt (Fanack 2.9.2019). Gemäß der Verfassung vom 15.10.2005 ist der Irak ein islamischer, demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.1.2019; vgl. GIZ 1.2020a; Fanack 2.9.2019), der aus 18 Gouvernements (muhafaz?t) besteht (Fanack 2.9.2019). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Kurdische Region im Irak (KRI) ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung (Kurdistan Regional Government, KRG), verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 2.9.2019). Beherrschende Themenblöcke der irakischen Innenpolitik sind Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcenverteilung, die systemisch miteinander verknüpft sind (GIZ 1.2020a).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 2.9.2019).
Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (Fanack 2.9.2019; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 2.9.2019). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 28.2.2020; vgl. GIZ 1.2020a). Neun Sitze werden den Minderheiten zur Verfügung gestellt, die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25% (GIZ 1.2020a).
Nach einem ethnisch-konfessionellen System (Muhasasa) teilen sich die drei größten Bevölkerungsgruppen des Irak - Schiiten, Sunniten und Kurden - die Macht durch die Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018). Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.1.2019).
Am 12.5.2018 fanden im Irak Parlamentswahlen statt, die fünfte landesweite Wahl seit der Absetzung Saddam Husseins im Jahr 2003. Die Wahl war durch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung und Betrugsvorwürfe gekennzeichnet, wobei es weniger Sicherheitsvorfälle gab als bei den Wahlen in den Vorjahren (ISW 24.5.2018). Aufgrund von Wahlbetrugsvorwürfen trat das Parlament erst Anfang September zusammen (ZO 2.10.2018).
Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih von Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018; vgl. ZO 2.10.2018; KAS 5.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (DW 2.10.2018). Nach langen Verhandlungsprozessen und zahlreichen Protesten wurden im Juni 2019 die letzten und sicherheitsrelevanten Ressorts Innere, Justiz und Verteidigung besetzt (GIZ 1.2020a).
Im November 2019 trat Premierminister Adel Abdul Mahdi als Folge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch den Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten (RFE/RL 24.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020). Präsident Barham Salih ernannte am 1.2.2020 Muhammad Tawfiq Allawi zum neuen Premierminister (RFE/RL 6.2.2020). Dieser scheiterte mit der Regierungsbildung und verkündete seinen Rücktritt (Standard 2.3.2020; vgl. Reuters 1.3.2020). Am 17.3.2020 wurde der als sekulär geltende Adnan al-Zurfi, ehemaliger Gouverneur von Najaf als neuer Premierminister designiert (Reuters 17.3.2020).
Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderung der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vgl. NYT 24.12.2019). Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass zukünftig für Einzelpersonen statt für Parteienlisten gestimmt werden soll. Hierzu soll der Irak in Wahlbezirke eingeteilt werden. Unklar ist jedoch für diese Einteilung, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (NYT 24.12.2019).
Die nächsten Wahlen im Irak sind die Provinzwahlen am 20.4.2020, wobei es sich um die zweite Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins vom 22.12.2018 handelt. Es ist unklar, ob die Wahl in allen Gouvernements des Irak stattfinden wird, insbesondere in jenen, die noch mit der Rückkehr von IDPs und dem Wiederaufbau der Infrastruktur zu kämpfen haben. Die irakischen Provinzwahlen umfassen nicht die Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Duhok und Halabja, die alle Teil der KRI sind, die von ihrer eigenen Wahlkommission festgelegte Provinz- und Kommunalwahlen durchführt (Kurdistan24 17.6.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
? Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-180915115434675.html, Zugriff 13.3.2020
? AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq, Zugriff 13.3.2020
? CIA - Central Intelligence Agency (28.2.2020): The World Factbook – Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html, Zugriff 13.3.2020
? DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salih-as-new-president/a-45733912, Zugriff 13.3.2020
? Fanack (2.9.2019): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and-politics-of-iraq/, Zugriff 13.3.2020
? GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020
? ISW - Institute for the Study of War (24.5.2018): Breaking Down Iraq's Election Results, http://www.understandingwar.org/backgrounder/breaking-down-iraqs-election-results, Zugriff 13.3.2020
? KAS - Konrad Adenauer Stiftung (5.10.2018): Politische Weichenstellungen in Bagdad und Wahlen in der Autonomen Region Kurdistan, https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=e646d401-329d-97e0-6217-69f08dbc782a&groupId=252038, Zugriff 13.3.2020
? KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020
? Kurdistan24 (17.6.2019): Iraq's electoral commission postpones local elections until April 2020, https://www.kurdistan24.net/en/news/80728bf3-eb95-4e76-a30f-345cf9a48d3c, Zugriff 13.3.2020
? NYT - The New York Times (24.12.2019): Iraq’s New Election Law Draws Much Criticism and Few Cheers, https://www.nytimes.com/2019/12/24/world/middleeast/iraq-election-law.html, Zugriff 13.3.2020
? Reuters (17.3.2020): Little-known ex-governor Zurfi named as new Iraqi prime minister-designate, https://www.reuters.com/article/us-iraq-pm-designate/iraqi-president-salih-names-adnan-al-zurfi-as-new-prime-minister-designate-state-tv-says-idUSKBN21419J?il=0, Zugriff 17.3.2020
? Reuters (1.3.2020): Iraq's Allawi withdraws his candidacy for prime minister post: tweet, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics-primeminister/iraqs-allawi-withdraws-his-candidacy-for-prime-minister-post-tweet-idUSKBN20O2AD, Zugriff 13.3.2020
? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.2.2020): Iraqi Protesters Clash With Sadr Backers In Deadly Najaf Standoff, https://www.ecoi.net/en/document/2024704.html, Zugriff 13.3.2020
? RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (24.12.2019): Iraqi Parliament Approves New Election Law, https://www.ecoi.net/de/dokument/2021836.html, Zugriff 13.3.2020
? RoI - Republic of Iraq (15.10.2005): Constitution of the Republic of Iraq, http://www.refworld.org/docid/454f50804.html, Zugriff 13.3.2020
? Standard, Der (2.3.2020): Designierter irakischer Premier Allawi bei Regierungsbildung gescheitert, https://www.derstandard.at/story/2000115222708/designierter-irakischer-premier-allawi-bei-regierungsbildung-gescheitert, Zugriff 13.3.2020
? ZO - Zeit Online (2.10.2018): Irak hat neuen Präsidenten gewählt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/barham-salih-irak-praesident-wahl, Zugriff 13.3.2020
Kurdische Region im Irak (KRI) / Autonome Region Kurdistan
Letzte Änderung: 14.05.2020
Die Kurdische Region im Irak (KRI) wird in der irakischen Verfassung, in Artikel 121, Absatz 5 anerkannt (Rudaw 20.11.2019). Die KRI besteht aus den Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah. sowie aus dem im Jahr 2014 durch Ministerratsbeschluss aus Sulaymaniyah herausgelösten Gouvernement Halabja, wobei dieser Beschluss noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Verwaltet wird die KRI durch die kurdische Regionalregierung (KRG) (GIZ 1.2020a).
Das Verhältnis der Zentralregierung zur KRI hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der KRI und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil „umstrittener Gebiete“ ab dem 25.9.2017 deutlich verschlechtert. Im Oktober 2017 kam es sogar zu lokal begrenzten militärischen Auseinandersetzungen (AA 12.1.2019). Der langjährige Präsident der KRI, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat als Konsequenz zurück (GIZ 1.2020a).
Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI (AA 12.1.2019).
Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird (France24 22.2.2020; vgl. KAS 2.5.2018). Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Sulaymaniyah. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018 (CRS 3.2.2020). Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad (GIZ 1.2020a). Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert (KAS 2.5.2018; vgl. WI 8.7.2019), sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien (KAS 2.5.2018).
Auch nach dem Rücktritt von Präsident Masoud Barzani teilt sich die Barzani Familie die Macht. Nechirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter seinem Onkel Masoud, beerbte ihn im Amt des Präsidenten der KRI. Masrour Barzani, Sohn Masouds, wurde im Juni 2019 zum neuen Premierminister der KRI ernannt (GIZ 1.2020a) und im Juli 2019 durch das kurdische Parlament bestätigt (CRS 3.2.2020).
Proteste in der KRI gehen auf das Jahr 2003 zurück. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind dabei gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018). Insbesondere in der nordöstlichen Stadt Sulaymaniyah kommt es zu periodischen Protesten, deren jüngste im Februar 2020 begannen (France24 22.2.2020).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
? CRS - Congressional Research Service (3.2.2020): Iraq and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/IF10404.pdf, Zugriff 13.3.2020
? France24 (22.2.2020): Iraqi Kurds rally against 'corruption' of ruling elite, https://www.france24.com/en/20200222-iraqi-kurds-rally-against-corruption-of-ruling-elite, Zugriff 13.3.2020
? GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020
? KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020
? LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf, Zugriff 13.3.2020
? Rudaw (20.11.2019): Will the Peshmerga reform – or be integrated into the Iraqi Army?, https://www.rudaw.net/english/analysis/201120191, Zugriff 13.3.2020
? WI - Washington Institute (8.7.2019): Gorran and the End of Populism in the Kurdistan Region of Iraq , https://www.washingtoninstitute.org/fikraforum/view/gorran-and-the-end-of-populism-in-the-kurdistan-region-of-iraq, Zugriff 13.3.2020
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 14.05.2020
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).
Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).
In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).
Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).
Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
? ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020
? ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020
? AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 13.3.2020
? Al Jazeera (24.9.2019): Two rockets 'hit' near US embassy in Baghdad's Green Zone, https://www.aljazeera.com/news/2019/09/rockets-hit-embassy-baghdad-green-zone-190924052551906.html, Zugriff 13.3.2020
? Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html, Zugriff 13.3.2020
? Al Monitor (23.2.2020): Iran struggles to regain control of post-Soleimani PMU, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2020/02/iraq-iran-soleimani-pmu.html, Zugriff 13.3.2020
? Diyaruna (5.2.2019): Baghdad sees steep decline in kidnappings, https://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/02/05/feature-02, Zugriff 13.3.2020
? FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020
? FIS - Finnish Immigration Service (6.2.2018): Finnish Immigration Service report: Security in Iraq variable but improving, https://yle.fi/uutiset/osasto/news/finnish_immigration_service_report_security_in_iraq_variable_but_improving/10061710, Zugriff 13.3.2020
? Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html, Zugriff 13.3.2020
? Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020
? MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/, Zugriff 13.3.2020
? New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations, Zugriff 13.3.2020
? Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020
? Reuters (30.9.2019): Iraqi PM says Israel is responsible for attacks on Iraqi militias: Al Jazeera, https://www.reuters.com/article/us-iraq-security/iraqi-pm-says-israel-is-responsible-for-attacks-on-iraqi-militias-al-jazeera-idUSKBN1WF1E5, Zugriff 13.3.2020
? USDOS - US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 - Chapter 1 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html, Zugriff 13.3.2020
Sicherheitslage Bagdad
Letzte Änderung: 14.05.2020
Das Gouvernement Bagdad ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).
Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Regionen (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmia, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten „Bagdader Gürtel“ (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 km um die Stadt Bagdad liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).
Fast alle Aktivitäten des Islamischen Staate (IS) im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den „Bagdader Gürtel“ im äußeren Norden, Süden und Westen (Joel Wing 5.8.2019; vgl. Joel Wing 16.10.2019; Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 5.3.2020), doch der IS versucht seine Aktivitäten in Bagdad wieder zu erhöhen (Joel Wing 5.8.2019). Die Bestrebungen des IS, wieder in der Hauptstadt Fuß zu fassen, sind Ende 2019 im Zuge der Massenproteste ins Stocken geraten, scheinen aber mittlerweile wieder aufgenommen zu werden (Joel Wing 3.2.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020).
Dabei wurden am 7.und 16.9.2019 jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Seit November 2019 setzt der IS Motorrad-Bomben in Bagdad ein. Zuletzt detonierten am 8. und am 22.2.2020 jeweils fünf IEDs in der Stadt Bagdad (Joel Wing 5.3.2020).
Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Bagdad 60 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten und 61 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle werden dem IS zugeordnet, jedoch wurden im Dezember 2019 drei dieser Vorfälle pro-iranischen Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) zugeschrieben, ebenso wie neun Vorfälle im Jänner 2020 und ein weiterer im Februar (Joel Wing 6.1.2020; vgl Joel Wing 5.3.2020)
Die Ermordung des iranischen Generals Suleimani und des stellvertretenden Kommandeurs der PMF, Abu Muhandis, durch die USA führte unter anderem in der Stadt Bagdad zu einer Reihe von Vergeltungsschlägen durch pro-iranische PMF-Einheiten. Es wurden neun Raketen und Mörserangriffe verzeichnet, die beispielsweise gegen die Grüne Zone und die darin befindliche US-Botschaft sowie das Militärlager Camp Taji gerichtet waren (Joel Wing 3.2.2020).
Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements, darunter auch in Bagdad, zu teils gewalttätigen Demonstrationen.
[Anm.: Weiterführende Informationen zu den Demonstrationen können dem Kapitel 11.1.1 Protestbewegung entnommen werden.]
Quellen:
? Al Monitor (11.3.2016): The rise of Islamic State sleeper cells in Baghdad, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/03/iraq-baghdad-belts-harbor-islamic-state.html, Zugriff 13.3.2020
? ISW - Institute for the Study of War (2008): Baghdad Belts, http://www.understandingwar.org/region/baghdad-belts, Zugriff 13.3.2020
? Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence Largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html, Zugriff 13.3.2020
? Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html, Zugriff 13.3.2020
? Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Its Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html, Zugriff 13.3.2020
? Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html, Zugriff 13.3.2020
? Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020
? Joel Wing, Musings on Iraq (5.8.2019): Islamic State’s Offensive Could Be Winding Down, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/08/islamic-states-offensive-could-be.html, Zugriff 13.3.2020
? OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf, Zugriff 13.3.2020
Sicherheitslage Nord- und Zentralirak
Letzte Änderung: 14.05.2020
Der Islamische Staat (IS) ist im Zentralirak nach wie vor am aktivsten (Joel Wing 3.2.2020), so sind Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala nach wie vor die Hauptaktionsgebiete der Aufständischen (Joel Wing 2.12.2019).
In den sogenannten „umstrittenen Gebieten“, die sowohl von der Zentralregierung als auch von der kurdischen Regionalregierung (KRG) beansprucht werden, und wo es zu erheblichen Sicherheitslücken zwischen den zentralstaatlichen und kurdischen Einheiten kommt, verfügt der IS nach wie vor über operative Kapazitäten, um Angriffe, Bombenanschläge, Morde und Entführungen durchzuführen (Kurdistan24 7.8.2019). Die Sicherheitsaufgaben in den „umstrittenen Gebieten“ werden zwischen der Bundespolizei und den Volksmobilisierungskräften (al-Hashd ash-Sha‘bi/PMF) geteilt (Rudaw 31.5.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).
Bei den zwischen Bagdad und Erbil „umstrittenen Gebieten“ handelt es sich um einen breiten territorialen Gürtel der zwischen dem „arabischen“ und „kurdischen“ Irak liegt und sich von der iranischen Grenze im mittleren Osten bis zur syrischen Grenze im Nordwesten erstreckt (Crisis Group 14.12.2018). Die „umstrittenen Gebiete“ umfassen Gebiete in den Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala. Dies sind die Distrikte Sinjar (Shingal), Tal Afar, Tilkaef, Sheikhan, Hamdaniya und Makhmour, sowie die Subdistrikte Qahtaniya and Bashiqa in Ninewa, der Distrikt Tuz Khurmatu in Salah ad-Din, das gesamte Gouvernement Kirkuk und die Distrikte Khanaqin und Kifri, sowie der Subdistrikt Mandali in Diyala (USIP 2011). Die Bevölkerung der „umstrittenen Gebiete“ ist sehr heterogen und umfasst auch eine Vielzahl unterschiedlicher ethnischer und religiöser Minderheiten, wie Turkmenen, Jesiden, Schabak, Chaldäer, Assyrer und andere. Kurdische Peshmerga eroberten Teile dieser umstrittenen Gebiete vom IS zurück und verteidigten sie, bzw. stießen in das durch den Zerfall der irakischen Armee entstandene Vakuum vor. Als Reaktion auf das kurdische Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017, das auch die „umstrittenen Gebiete“ umfasste, haben die irakischen Streitkräfte diese wieder der kurdischen Kontrolle entzogen (Crisis Group 14.12.2018).
Gouvernement Ninewa
Der Islamische Staat (IS) hat seine Präsenz in Ninewa durch Kräfte aus Syrien verstärkt und führte seine Operationen hauptsächlich im Süden und Westen des Gouvernements aus (Joel Wing 3.5.2019). Er verfügt aber auch in Mossul über Zellen (Joel Wing 5.6.2019). Es wird außerdem vermutet, dass der IS vorhat in den Badush Bergen, westlich von Mossul, Stützpunkte einzurichten (ISW 19.4.2019).
Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Ninewa 40 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 33 Toten und 25 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020), im Februar 2020 waren es zwölf Vorfälle mit 35 Toten und 15 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Ninewa ereigneten sich im Süden des Gouvernements (Joel Wing 3.2.2020).
Quellen:
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