TE Bvwg Beschluss 2021/4/16 W224 2232882-2

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Veröffentlicht am 16.04.2021
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Entscheidungsdatum

16.04.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
UG §74
VwGVG §32

Spruch


W224 2232882-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , XXXX , auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2020 abgeschlossenen Verfahrens W224 2232882-1, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller begehrte bei einem näher bezeichneten Universitätsprofessor die Ausstellung eines Zeugnisses über eine näher bezeichnete Lehrveranstaltung.

2. Mit Bescheid vom 27.01.2020 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Zeugnisses über die näher bezeichnete Lehrveranstaltung gemäß § 74 UG abgewiesen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

4. Mit Erkenntnis vom 17.11.2020, W224 2232882-1, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

5. Am 07.04.2021 brachte der Antragsteller den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 17.11.2020, W224 2232882-1, abgeschlossenen Verfahrens ein. Begründend führte der Antragsteller aus, ihm sei am 29.03.2021 ein E-Mail der TU Wien zugekommen, aus welchem aus seiner Sicht hervorgehe, dass „die TU-Wien in Wahrheit mit dem angefochtenen Bescheid nicht (nur) die Zeugnisausstellung verweigern wollte, sondern vielmehr eine Nichtigerklärung der Beurteilung wegen Erschleichung des Prüfungsantritts und Erschleichung der Prüfungsnote iSd § 73 Abs. 1 UG vornehmen wollte und das BVwG-Erkenntnis vom 17.11.2020 nun auf diese Weise auslegt“. Als Wiederaufnahmegründe formuliert der Antragsteller im Wesentlichen, dass die TU Wien sich „das BVwG-Erkenntnis erschlichen“ habe, um so „sämtliche Prüfungsdaten zu vernichten“, weil die TU Wien „das erschlichene BVwG-Erkenntnis“ fälschlich auslege. Die TU Wien habe das Bundesverwaltungsgericht über ihre „wahren Absichten“ getäuscht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

§ 32 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, (VwGVG) lautet:

„Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.“

Zu A)

Der Antragsteller begehrt die Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens betreffend die Abweisung seines Antrags auf Ausstellung eines Zeugnisses über die näher bezeichnete Lehrveranstaltung gemäß § 74 UG. Das Beschwerdeverfahren wurde mit hg. Erkenntnis vom 17.11.2020, zugestellt am 23.11.2020, rechtskräftig abgeschlossen.

Der Antragsteller erblickt einen Wiederaufnahmegrund darin, dass sich die TU Wien „das BVwG-Erkenntnis erschlichen“ habe, um so „sämtliche Prüfungsdaten zu vernichten“.

Weist das Verwaltungsgericht die gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab und lässt es den Bescheid unverändert, ist dieses Erkenntnis derart zu werten, dass das Verwaltungsgericht ein mit dem Inhalt des verwaltungsbehördlichen Bescheides übereinstimmendes Erkenntnis erlässt.

Ein solches Erkenntnis tritt - wie jede andere Entscheidung des Verwaltungsgerichts, welche die Angelegenheit erledigt, die zunächst von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war - an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides (vgl. VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0032; ua).

Betreffend ein durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts abgeschlossenes Verfahren kann die Wiederaufnahme ausschließlich mit einem Antrag gemäß § 32 VwGVG angestrebt werden, der beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen ist (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0106; VwGH 28.02.2019, Ra 2019/12/0010; ua).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Bestehen von Wiederaufnahmegründen – weil sie eine Durchbrechung der Rechtskraft und damit einen Eingriff in die Rechtssicherheit ermöglichen – streng zu prüfen (vgl. etwa VwGH 22.3.2011, 2008/21/0428). Der Wiederaufnahmewerber muss den Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, in seinem Antrag aus eigenem Antrieb konkretisiert und schlüssig darlegen (vgl. etwa VwGH 26.4.2013, 2011/11/0051). Der Antrag kann nur dann zur Wiederaufnahme führen, wenn er Tatsachen vorbringt, auf die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutrifft, dass sie im wiederaufzunehmenden Verfahren zu einer anderen Entscheidung geführt hätten (vgl. etwa VwGH 22.10.2020, Ra 2018/11/0126 mit Verweis auf VwGH 26.4.2013, 2011/11/0051; 19.2.2014, 2013/08/0275; 14.3.2019, Ra 2018/18/0403; 4.3.2020, Ra 2020/18/0069). Das Rechtinstitut der Wiederaufnahme dient weder der allgemeinen Überprüfung eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens noch hat es den Zweck, es zu ermöglichen, dass allfällige Versäumnisse einer Partei im Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung von (außerordentlichen) Rechtsmitteln im Wege über die Wiederaufnahme nachgeholt werden. Ebensowenig dient die Wiederaufnahme dazu, eine allfällige Mangelhaftigkeit des früheren Verfahrens nachträglich geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 24.9.2014, 2012/03/0165; VfSlg. 18.919/2009).

Im Gegensatz zur gerichtlich strafbaren Handlung kann vom Erschleichen eines Erkenntnisses nur dann gesprochen werden, wenn das Erkenntnis seitens einer Verfahrenspartei durch eine vorsätzliche (also schuldhafte), verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsunterlagen veranlasst wird (VwGH 8.9.1998, 98/08/0090; 7.9.2005, 2003/08/0171). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Erschleichung nur von der Partei oder ihrem Vertreter vorgenommen werden, da im Tatbestand „Erschleichen“ ein „Sichzuwenden“ liegt, wofür jedenfalls die Behörde nicht in Betracht kommt (VwGH 19.2.1992, 91/12/0296; vgl. auch VwGH 8.11.1995, 93/12/0178; 28.9.2000, 99/09/0063). Der Verwaltungsgerichtshof rekurriert bei dieser Auslegung auf die „naheliegende Bestimmung des § 530 Abs. 1 Z. 3 ZPO, der von strafbaren Betrugshandlungen des Gegners oder eines Parteienvertreters spricht“ (VwGH 19.2.1992, 91/12/0296).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt das „Erschleichen“ eines Erkenntnisses dann vor, wenn dieses in der Art zustande gekommen ist, dass beim Verwaltungsgericht von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Erkenntnis zugrunde gelegt worden sind (Kausalzusammenhang zwischen den unrichtigen Angaben und dem Entscheidungswillen), wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist (VwGH 25.4.1995, 94/20/0779; 29.1.2004, 2001/20/0346; 8.6.2006, 2004/01/0470).

Gegenständlich hat weder die TU Wien noch die im Verfahren W224 2232882-1 belangte Behörde ein Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht veranlasst, eingeleitet, angestrebt bzw. eine Handlung gesetzt, die auf die Erlassung eines Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts gerichtet war.

Es war der nunmehrige Wiederaufnahmewerber, der eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.01.2020 einbrachte, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2020, W224 2232882-1, als unbegründet abgewiesen wurde.

Die TU Wien, welche im Übrigen nicht bescheiderlassende Behörde im Verfahren W224 2232882-1 war, konnte daher denkmöglich in keiner Weise eine vorsätzliche (also schuldhafte), verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsunterlagen des Bundesverwaltungsgerichts bewerkstelligen bzw. objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht machen, die als Erschleichung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts erkennbar wären.

Dem Wiederaufnahmeantrag ist daher mangels Erfüllung der dafür normierten Voraussetzungen nicht stattzugeben.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bzw. eine mündliche Erörterung lässt angesichts des unstrittigen Sachverhaltes keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten. Im vorliegenden Fall ging es nicht um Fragen der Beweiswürdigung oder strittige Tatsachenfeststellungen, sondern Verfahrensgegenstand war nur die Lösung von Rechtsfragen. Es stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (§ 24 Abs. 4 VwGVG; vgl. auch etwa EGMR 18.7.2013, Fall Schädler-Eberle, Appl. 56.422/09; VfGH 15.10.2016, A7/2016; VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Abweisung des Antrags stützt sich auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. statt vieler VwGH 19.2.1992, 91/12/0296; 26.4.2013, 2011/11/0051).

Schlagworte

Erschleichen Wiederaufnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W224.2232882.2.00

Im RIS seit

11.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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