Entscheidungsdatum
14.05.2021Norm
B-VG Art132 Abs1Spruch
G314 2238408-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. der XXXX und 2. des Rechtsanwalts XXXX gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2020, XXXX , wegen Gerichtsgebühren (Grundverfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX ):
A) Die Beschwerde und die Anträge auf Herabsetzung, in eventu Stundung, der Gebühren sowie auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Am XXXX brachte der (mittlerweile verstorbene) Rechtsanwalt XXXX als Vertreter der Erstbeschwerdeführerin (BF1) eine Berufung gegen das Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , GZ XXXX , (Berufungsstreitwert EUR 13.950) ein.
Nach dem erfolglosen Versuch, die Pauschalgebühr für dieses Rechtsmittel einzuziehen, wurden der BF1 mit dem als Mandatsbescheid erlassenen Zahlungsauftrag vom XXXX .2018 die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG von EUR 1.143, die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8 sowie der Mehrbetrag gemäß § 31 GGG von EUR 22 (insgesamt daher EUR 1.173) zur Zahlung vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass XXXX hinsichtlich des Mehrbetrags und der Einhebungsgebühr als Bürge und Zahler auch zahlungspflichtig sei. Dagegen erhoben die BF1 und XXXX mit der Eingabe vom XXXX .11.2018 eine gemeinsame Vorstellung.
Mit dem am XXXX .2018 in der Insolvenzdatei veröffentlichten Beschluss des Landesgerichts XXXX , wurde über das Vermögen der BF1 das Konkursverfahren eröffnet und der Rechtsanwalt Hon.-Prof. Dr. Axel RECKENZAUN zum Masseverwalter bestellt. Das Insolvenzverfahren ist nach wie vor anhängig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX .2020 wurden der BF1, die in dieser Angelegenheit mittlerweile vom BF2 anwaltlich vertreten wird, folgende Gerichtsgebühren für die Berufung vom XXXX .2018 vorgeschrieben:
Pauschalgebühr TP 2 GGG (Bemessungsgrundlage: EUR 13.950) EUR 1.143
Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR 8
Mehrbetrag § 31 GGG EUR 22
Summe EUR 1.173
Gleichzeitig wurde die BF1 zur Zahlung dieses Betrages binnen 14 Tagen aufgefordert. Eine Haftung des Vertreters als Bürge und Zahler gemäß § 31 Abs 2 GGG wurde in diesem Bescheid nicht mehr festgelegt.
Der Bescheid wurde zunächst dem Rechtsanwalt Hon.-Prof. Dr. Axel RECKENZAUN als Masseverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der BF1 zugestellt. Mit Schreiben vom 23.11.2020 sandte dieser ihn gemäß § 78 Abs 3 IO an den Präsidenten des Landesgerichts XXXX mit der Begründung zurück, dass der Bescheid die Insolvenzmasse nicht berühre. Er habe am 22.01.2019 als Masseverwalter den Eintritt in den Rechtsstreit zu XXXX des Bezirksgerichts XXXX gemäß § 8 IO abgelehnt. Daraufhin wurde der Bescheid an die BF1 (mit dem Vermerk „Zustellung trotz Postsperre“) sowie an den BF2 zugestellt.
Mit ihrer am 23.12.2020 per Fax bei der Vorschreibungsbehörde eingebrachten gemeinsamen Beschwerde beantragen die BF, den angefochtenen Bescheid sowohl hinsichtlich der BF1, deren Zugang zum Recht vereitelt werde, als auch hinsichtlich des BF2, für dessen Haftung es keine grundrechtskonforme Rechtfertigung gebe, aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu die Gebühren herabzusetzen, in eventu bis zum Abschluss des Grundverfahrens zu stunden, sowie gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Außerdem wird beantragt, der Beschwerde „bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit“ die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, soweit die Gebühren nicht gestundet werden.
Der Präsident des Landesgerichts XXXX legte die Beschwerde und die Justizverwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten. Aus der Insolvenzdatei gehen einerseits die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der BF1 und die Bestellung von Hon.-Prof. Dr. Axel RECKENZAUN zum Masseverwalter hervor, andererseits aber auch, dass der Konkurs bislang nicht aufgehoben wurde.
In der Beschwerde, die den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt, wird im Wesentlichen die rechtliche Beurteilung der Vorschreibungsbehörde bekämpft. Da der relevante Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens feststeht, erübrigt sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung.
Rechtliche Beurteilung:
Zur Beschwerde der BF1:
Der Pauschalgebühr gemäß TP 2 GGG unterliegen Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz. Dazu gehört nach Anmerkung 1 zu TP 2 GGG auch das hier zu beurteilende Berufungsverfahren. Gemäß § 2 Z 1 lit c GGG entsteht der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift. Zahlungspflichtig ist gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Rechtsmittelwerber.
Da der die Zahlungspflicht für die Pauschalgebühr auslösende Sachverhalt (Überreichung der Rechtsmittelschrift) am 28.09.2018 und somit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der BF1 verwirklicht wurde, handelt es sich bei den dieser mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebenen Gerichtsgebühren iSd § 1 Z 1 GEG um eine Insolvenzforderung iSd § 51 IO. Dies ergibt sich insbesondere im Umkehrschluss zu § 46 Abs 1 Z 2 IO, wonach die die Masse treffenden Steuern, Gebühren, Zölle, Beiträge zur Sozialversicherung und anderen öffentlichen Abgaben dann Masseforderungen sind, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird (siehe VwGH 03.09.2020, Ra 2019/08/0082; vgl. auch Engelhart in Konecny, Insolvenzgesetze § 51 IO Rz 34).
Die (vom Masseverwalter im Schreiben vom 23.11.2020 angedeutete) Rechtsansicht, wonach Gerichtsgebühren, die aus einem Grundverfahren resultieren, in das einzutreten der Masseverwalter gemäß § 8 IO abgelehnt hat, dem Schuldner persönlich vorzuschreiben sind und nicht die Insolvenzmasse betreffen, gilt nur dann, wenn die Zahlungspflicht erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht (siehe VwGH 05.11.1971, 0083/71; so auch die GEG-Richtlinie I vom 18.07.2017, BMJ-Z 18.200/0004-I 7/2017 Rz 8).
Gemäß § 2 Abs 2 IO wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse), dessen freier Verfügung entzogen. Die Insolvenzmasse betreffende Bescheide, die nach Eröffnung und vor Beendigung eines Insolvenzverfahrens an den Schuldner und nicht an den Insolvenzverwalter gerichtet sind, erlangen keine Wirksamkeit. Eine derartige, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Schuldner gerichtete Erledigung geht ins Leere, und zwar auch dann, wenn sie an den Schuldner, zu Handen des Insolvenzverwalters, gerichtet ist; sie entfaltet weder eine Wirkung für den Schuldner noch für den Insolvenzverwalter (vgl. etwa VwGH 19.10.2017, Ra 2016/16/0112 und 10.09.2020, Ra 2019/15/0128).
Im vorliegenden Fall, in dem der Sachverhalt, der die Zahlungspflicht der Gerichtsgebühr begründet, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht und kein Zurückbehaltungsrecht iSd § 5 GEG begründet wurde, hat die Vorschreibungsbehörde vielmehr gemäß § 218 Abs 3 Geo die Gebührenforderung zu berechnen und (ohne Zustellung an den Insolvenzverwalter oder den Schuldner) der Einbringungsstelle unter Hinweis auf die Insolvenzeröffnung bekannt zu geben. Der Einbringungsstelle obliegt dann gemäß § 220 Geo die Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren (siehe Dokalik, Gerichtsgebühren13 § 6a GEG Bemerkung 1 und Danzl, Geo9 § 218 Anm 1 ff; so auch GEG-Richtlinie I vom 18.07.2017, BMJ-Z 18.200/0004-I 7/2017 Rz 4 und 15).
Da es sich bei der vorgeschriebenen Gerichtsgebühr um eine bereits zur Zeit der Konkurseröffnung bestehende, im Konkursverfahren anzumeldende Forderung handelt, und sich die Beschwerde der BF1 gegen einen Bescheid richtet, der keine Wirkungen entfaltet, ist sie als unzulässig zurückzuweisen, weil die BF1 weder durch den angefochtenen Bescheid beschwert noch zur Erhebung einer Beschwerde dagegen legitimiert ist.
Zur Beschwerde des BF2:
Art 132 Abs 1 B-VG regelt die Beschwerdelegitimation, die vorliegen muss, damit das BVwG meritorisch über die Beschwerde entscheiden kann. Voraussetzung der Beschwerdelegitimation für eine Parteibeschwerde ist die Behauptung, durch den angefochtenen Bescheid in einem eigenen subjektiven Recht verletzt zu sein, und dass eine solche Verletzung gegenüber dem Beschwerdeführer wenigstens möglich ist. Beim Fehlen der Beschwerdelegitimation ist die Beschwerde zurückzuweisen (siehe Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 700 ff).
Da der BF2 vom angefochtenen Bescheid nicht in einem subjektiven Recht betroffen ist und darin insbesondere nicht angeordnet wurde, dass er für die der BF1 vorgeschriebenen Gerichtsgebühren (ganz oder teilweise) zahlungspflichtig ist, ist eine Verletzung des BF2 in einem subjektiven Recht durch den Bescheid nicht möglich. Da er demnach nicht berechtigt ist, eine Beschwerde dagegen zu erheben, ist auch seine Beschwerde zurückzuweisen.
Zu den Anträgen auf Herabsetzung, in eventu Stundung, der Gebühren sowie auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde der BF1 und des BF2 sind auch die in der Beschwerde gestellten weiteren Anträge auf Herabsetzung, in eventu Stundung, der Gebühren sowie auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen.
Dazu kommt, dass über den Herabsetzungs- bzw. Stundungsantrag gemäß § 9 Abs 4 GEG nicht das BVwG, sondern der Präsident des Oberlandesgerichts Wien zu entscheiden hat, dessen Zuständigkeit erst nach der Entscheidung über die primären Beschwerdeanträge besteht, weil die BF (arg „in eventu“) eine Reihung ihrer Anträge vorgenommen und die Herabsetzung bzw. Stundung der Gebühren hilfsweise nur für den Fall beantragt haben, dass dem Primärantrag auf Behebung des angefochtenen Bescheids nicht Folge gegeben wird.
Bescheidbeschwerden haben gemäß § 13 Abs 1 VwGVG grundsätzlich aufschiebende Wirkung, die hier auch nicht ausgeschlossen wurde. Daher kann sie der Beschwerde vom BVwG auch nicht zuerkannt werden.
Eine mündliche Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass gegen die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Festsetzung der Gerichtsgebühren weder dem Grunde noch der Höhe nach Bedenken bestehen und das BVwG die in der Beschwerde geäußerten grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe – ausgehend von den bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 bei § 1 GGG und bei TP 1 GGG E 1 ff angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen – nicht teilt. Der VfGH lehnte die Behandlung einer Beschwerde, in der ähnlich wie hier von den BF argumentiert wurde, mangels hinreichender Erfolgsaussicht unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung zum System der Gerichtsgebühren im Zivilprozess ab (siehe VfGH 07.10.2020, E 3236-3247/2020-6).
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zuzulassen, weil das BVwG bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung Bescheidwirkung Beschwerdelegimitation Gerichtsgebühren Herabsetzung Insolvenzverfahren Stundung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:G314.2238408.1.00Im RIS seit
11.06.2021Zuletzt aktualisiert am
11.06.2021