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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Juli 1995, Zl. 104.939/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Juli 1995 wurde der gemäß § 7 Abs. 7 des Fremdengesetzes (FrG) nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gewertete Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Sichtvermerkes vom 31. Dezember 1992 (Datum des Einlangens) gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei nach seinen eigenen Angaben am 29. Juli 1992 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist. Er habe am 31. Juli 1992 einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei mit Bescheid vom 11. April 1994 rechtskräftig negativ entschieden worden. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG sei die Erteilung einer Bewilligung ausgeschlossen, wenn ein Versagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Fremden, die sich der Möglichkeit bedienten, einen Asylantrag zu stellen, könnten nicht darauf zählen, bei Ablehnung ihres Asylantrages einen Niederlassungsantrag zu stellen und dadurch ihre Abschiebung aus dem Bundesgebiet zu verhindern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 FrG lautet auszugsweise:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"
Die belangte Behörde hat erstmals vom Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG Gebrauch gemacht. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so hat sie dies der Partei vorzuhalten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221).
Dieses Gebot, dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu gewähren, hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall mißachtet.
Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei ein irakischer Staatsangehöriger, dem die Bezirkshauptmannschaft Baden am 4. August 1992 einen bis 4. November 1992 gültigen Wiedereinreisesichtvermerk ausgestellt habe, verstößt daher nicht gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.
Dieses Vorbringen zeigt die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels aus nachstehenden Gründen in tauglicher Weise auf:
Zwischen Österreich und dem Irak bestand im Zeitpunkt der Einreise des Beschwerdeführers kein auf Grundlage des § 23 Abs. 2 des Paßgesetzes 1969 geschlossenes Abkommen, wonach Staatsangehörige des Irak berechtigt gewesen wären, ohne Sichtvermerk in das österreichische Bundesgebiet einzureisen. Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers, er sei irakischer Staatsangehöriger, läge eine sichtvermerksfreie Einreise im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG auch dann nicht vor, wenn man darunter auch eine Einreise aufgrund eines Abkommens im Sinne des § 23 Abs. 2 des Paßgesetzes 1969, und nicht nur aufgrund eines solchen gemäß § 14 FrG verstehen wollte.
Unabhängig davon könnte hier nicht die Rede davon sein, daß die beantragte Aufenthaltsbewilligung unmittelbar an eine sichtvermerksfreie Einreise anschließen solle, weil sie - unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beschwerdeführers - an einen infolge Ablaufes eines Wiedereinreisesichtvermerkes (illegal) fortgesetzten Aufenthalt im Inland anschließen würde.
§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG trägt aber dem Bestreben Rechnung, die Fortsetzung des Aufenthaltes im Bundesgebiet im Anschluß an Touristenaufenthalte, die mit sichtvermerksfreier Einreise begonnen haben, nicht mehr zu gestatten (vgl. RV 692 BlgNR 18. GP, zu § 10). § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist dann nicht anwendbar, wenn der Fremde, aus welchen Gründen immer, nach seiner - auch sichtvermerksfreien - Einreise eine Berechtigung zum Aufenthalt aufgrund eines Wiedereinreisesichtvermerkes erlangte (vgl. hiezu das die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach sichtvermerksfreier Einreise betreffende hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0536). Vor Inkrafttreten des AufG war der Wiedereinreisesichtvermerk eine für die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes taugliche fremdenrechtliche Bewilligung, sodaß die für die Aufenthaltsbewilligung entwickelte Judikatur auch auf Wiedereinreisesichtvermerke, welche im Anschluß an eine sichtvermerksfreie Einreise erteilt wurden, Anwendung findet.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191476.X00Im RIS seit
02.05.2001