TE OGH 2021/5/3 8ObA12/21d

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Veröffentlicht am 03.05.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Robert Hauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei HR Dr. M*****, vertreten durch Dr. Mag. Georg Prchlik, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17–19, und 2. Mag. E*****, vertreten durch Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, Handlung, 5.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2020, GZ 7 Ra 53/20w-74, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1.1 Nach gefestigter Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0106178) besteht abseits ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen (zB § 18 TAG) kein allgemeines Recht auf Beschäftigung. Nur in Ausnahmefällen wurde bestimmten Arbeitnehmern, bei denen das Brachliegen ihrer Fähigkeiten zwangsläufig zu einem Qualitätsverlust und zur Minderung des Niveaus führt, ein solches, sich aus der Natur des abgeschlossenen Arbeitsvertrags ergebendes Recht auf Beschäftigung zuerkannt (9 ObA 2263/96a [Gefäßchirurg]; 8 ObA 202/02t [Neurochirurg]; 9 ObA 121/06v [Profifußballer]; nicht hingegen 8 ObA 89/10m [Verkaufsleiter]; 9 ObA 112/19i [Orchestermusiker]).

[2]            1.2 Davon ausgehend gelangten die Vorinstanzen übereinstimmend zur Auffassung, dass dem Kläger, der seit 1997 für die Erstbeklagte als sicherheitspolitischer Forscher und Hauptlehroffizier tätig war, bevor im Jahr 2014 auf seine Arbeitsleistung verzichtet wurde, ein Recht auf Beschäftigung nicht zusteht. Es sei nicht unüblich, dass mit einer Dienstfreistellung etwa auch der Wegfall bestimmter dienstlicher Kontakte und die Einschränkung des Zugriffs auf gewisse Publikationen verbunden sei.

[3]            1.3.1 Dem hält der Kläger entgegen, dass auch intellektuelle Fähigkeiten „einrosten“ können und seine Arbeitstätigkeit für die Erstbeklagte von ausschlaggebender Bedeutung für den Erhalt und die Entwicklung seiner beruflich-wissenschaftlichen Qualifikation sei.

[4]            1.3.2 Es ist nicht auszuschließen, dass im Einzelfall auch schutzwürdige Interessen eines Wissenschaftlers – wie des Klägers – durch Nichtbeschäftigung beeinträchtigt werden, etwa wenn der Wissenschaftler (ausnahmsweise) ein objektiv eigenes nachvollziehbares Interesse an den Arbeitsergebnissen hat (vgl Wolf, Glosse zu 9 ObA 51/16i in ZAS 2018, 30 [34 f]). In einem solchen Fall ist danach zu fragen, ob den schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers gewichtige Gründe entgegenstehen, die dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers objektiv unzumutbar machen (9 ObA 2263/96a). Dabei wird auch die Dauer der Nichtbeschäftigung eine Rolle spielen.

[5]            Hier stellt sich diese Frage aber gar nicht, weil sich eine Beeinträchtigung schützenswerter Interessen weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt: Es mag sein, dass der Zugang zur Bibliothek und zu den von der Erstbeklagten angebotenen Fortbildungsveranstaltungen samt den Kontakten zu anderen Forschern die wissenschaftliche Tätigkeit des Klägers erleichtern würde. Dieser Benefit allein reicht aber nicht, um ein Recht auf Beschäftigung zu begründen. Schließlich ist das Publizieren, Forschen und Halten von Vorträgen und Lehrveranstaltungen jedenfalls auch außerhalb der L*****akademie – allenfalls mit anderen Schwerpunkten – möglich. Dass dem Kläger durch die Nichtbeschäftigung jegliche berufliche Perspektive (welcher Art auch immer) verbaut wäre, bringt er insoweit nicht schlüssig zur Darstellung.

[6]            2. Im Einklang mit der Rechtsprechung haben die Vorinstanzen daher ausgehend von den geltend gemachten Rechtsgrundlagen ein Recht der Klägers auf Beschäftigung verneint. Den darüber hinausgehenden Begehren des Klägers haben die Vorinstanzen entgegen gehalten, dass sie, soweit sie pauschal auf die Unterbindung jeglicher Mobbinghandlungen bzw schikanöser Verhaltensweisen als Ausfluss der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gerichtet sind, mangels Bestimmtheit nicht exekutierbar sind. Daran ändert auch die Möglichkeit des Zuspruchs eines Minus nichts. Die dem Schmerzengeld- und Feststellungsbegehren zugrundeliegende Behauptung eines jahrelangen Mobbings konnte nach Ansicht der Vorinstanzen vom Kläger nämlich nicht dargetan werden.

[7]            3.1 In diesem Zusammenhang sollen verschiedene Handlungen bzw Unterlassungen seit 27. 4. 2015 (drei Jahre vor Klagseinbringung) als Mobbing verstanden werden.

[8]       Für Mobbing ist das systematische, ausgrenzende und prozesshafte Geschehen über einen längeren Zeitraum typisch, etwa durch systematische Verweigerung jeder Anerkennung, Isolation, Zurückhaltung von Informationen, Rufschädigung etc (RS0124076 [T2]). Die Beurteilung, ob Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern am Arbeitsplatz ein Mobbing zugrunde liegt, das den Dienstgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht zu Gegenmaßnahmen verpflichtet, sowie um welche Maßnahmen es sich dabei handeln muss, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0124076 [T5]).

[9]            3.2 Insbesondere meint der Kläger, die Nichtbeschäftigung durch die Erstbeklagte sei als Mobbing zu qualifizieren. Aus dem Verbot des Mobbings ergebe sich zwingend, dass der Kläger nicht von seinem Arbeitsplatz ferngehalten werden dürfe.

[10]           Der Kläger erkennt allerdings selbst, dass ihm, wollte man schon seine Nichtbeschäftigung als Mobbinghandlung mit der Konsequenz in Betracht ziehen, dass ihm daraus der begehrte Anspruch erwächst, quasi durch die Hintertür ein Recht auf Beschäftigung zugebilligt würde. Das liefe der Rechtsprechung zuwider, die ein allgemeines Recht auf Beschäftigung gerade nicht anerkennt.

[11]           3.3 Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, seine Ladung zur ärztlichen Untersuchung zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit ebenso wie herabwürdigende Äußerungen des Beklagtenvertreters und die Nichtbeantwortung zweier seiner Schreiben im Zusammenhang mit seiner „Dienstfreistellung“ seien Mobbing. Schließlich wirft er dem Zweitbeklagten, den er als einen seiner Vorgesetzten persönlich in Anspruch nimmt, (konkret nur) vor, diese beiden Schreiben an die Dienstbehörde weitergeleitet zu haben.

[12]           3.4 Eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz unter Kollegen und Kolleginnen oder zwischen Vorgesetzten und Untergebenen („Bossing“), bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer oder mehreren Personen systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet (RS0124076 [T8]), bringt der Kläger damit nicht zur Darstellung:

[13]           Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die aufgrund der Aussage des Klägers über seine diversen gesundheitlichen Beschwerden erfolgte Ladung geeignet sein soll, seine Menschenwürde zu beeinträchtigen. Dasselbe gilt für die Weiterleitung der beiden Schreiben des Klägers, in denen er um Nachricht bezüglich seines neuerlichen Dienstantritts (nach Entscheidung im Kündigungsverfahren) ersuchte, durch den Zweitbeklagten an die nach den Feststellungen zur Prüfung der Verwendungsmöglichkeiten des Klägers zuständige Behörde. Diese Maßnahmen waren offensichtlich sachlich motiviert. Äußerungen des Beklagtenvertreters vor Gericht können nicht ohne Weiteres der Kommunikation am Arbeitsplatz des Klägers zugeordnet werden. Eine Zurechnung an die Erstbeklagte als Mobbing scheidet schon aus diesem Grund aus. Die Nichtbeantwortung seiner beiden Schreiben steht wiederum im Kontext mit der Weigerung der Erstbeklagten, den Kläger wieder einzusetzen. Eine darüber hinausgehende systematische Isolation des Klägers ist darin nicht zu erblicken.

[14]           3.4 Es ist daher nicht unvertretbar, dass die Vorinstanzen ein für Mobbing charakteristisches prozesshaftes Geschehen verneint haben. Aus diesem Grund bedarf es keiner Feststellungen zu psychischen Beschwerden des Klägers.

[15]           4. Dem Einwand des Klägers, dass im Anlassverfahren „der Sinnzusammenhang mit den Feststellungen des Kündigungsverfahrens nicht gewahrt“ sei, ist zu erwidern, dass Gegenstand des zugunsten des Klägers entschiedenen Vorverfahrens die Frage des Vorliegens von Kündigungsgründen nach dem VBG 1948 war. Hier sind demgegenüber die Ansprüche des Klägers auf tatsächliche Beschäftigung bzw wegen eines von ihm behaupteten Mobbings streitgegenständlich. Schon deshalb kommt eine Bindungswirkung der Vorentscheidung nicht in Betracht. Die vom Kläger bemühte Theorie, dass nicht die Identität, sondern der teleologische Sinnzusammenhang die Rechtskraftwirkung objektiv begrenze, hat sich in der Rechtsprechung nicht durchgesetzt (RS0041572).

[16]           5. Da keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt, ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Textnummer

E131820

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00012.21D.0503.000

Im RIS seit

11.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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