TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/9 W169 2175157-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2021
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Entscheidungsdatum

09.04.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch


W169 2175157-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2019, Zl. 610116509-1583233, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.03.2021, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.11.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprache Punjabi in Wort und Schrift beherrsche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikh und Volksgruppe der Jat an. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer keine Schule besucht. In Indien würden die Mutter und die beiden Brüder des Beschwerdeführers leben. Sein Vater sei bereits verstorben. Zu seinem Ausreisegrund führte er an, dass er in ein Mädchen verliebt gewesen und mir ihr weggelaufen sei. Das Mädchen sei von ihrer Familie wieder zurückgebracht worden. Angeblich sei sie von ihren Verwandten umgebracht worden. Die Verwandten des Mädchens würden auch den Beschwerdeführer umbringen wollen, weswegen er seine Heimat verlassen habe.

2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesasylsamt am 19.11.2012 wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt. Zudem gab er zu Protokoll, dass er in Indien einen Reisepass und einen Führerschein habe.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2012, Zl. 12 16.585-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

5. Am 12.07.2013 legte der Beschwerdeführer seinen indischen Führerschein und zwei Bestätigungen über dessen Echtheit vor.

6. Mit Bericht vom 09.09.2013 gab die Landespolizeidirektion XXXX bekannt, dass der Beschwerdeführer nie der ab 13.12.2012 verfügten Meldeverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 AsylG nachgekommen sei.

7. Ein Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 30.01.2014 ergab, dass der indische Führerschein des Beschwerdeführers keine Verfälschungsmerkmale aufweise. Mangels Sicherheitsmerkmalen könne aber keine Aussage über die Echtheit des Dokuments gemacht werden.

8. Mit Verfahrensanordnung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.12.2014 wurden dem Beschwerdeführer allgemeine Feststellungen zur aktuellen Lage in Indien übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung zum Ergebnis dieser Beweisaufnahme eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer ersucht, binnen zwei Wochen allenfalls über die im bisherigen Verfahren vorgebrachten Gründe hinaus weitere Gründe bekannt zu geben, die einer Ausweisung seiner Person aus Österreich in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden, insbesondere solche, die im Bereich des Privat- und/oder Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK gelegen sind. Dem Beschwerdeführer wurde in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eingeräumt, zu den zu Art. 8 EMRK relevanten Fragen entsprechend Stellung zu nehmen.

9. Mit Schreiben vom 30.12.2014 teilte der Magistrat der Stadt XXXX mit, dass der Beschwerdeführer seit 26.11.2013 zur Ausübung des Gewerbes „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“ berechtigt sei.

10. Am 07.01.2015 führte der Beschwerdeführer in einem Schreiben aus, dass die ihm übermittelten Länderberichte auf keiner ausgewogenen Recherche beruhen würde. Sie würden nicht von regierungsunabhängigen Quellen stammen. Die angeführten Informationen über die Menschenrechtssituation in Indien würde kaum auf seine individuelle Situation eingehen. In den Feststellungen würde davon ausgegangen werden, dass er in einem anderen Landesteil in Indien unbehelligt leben könne. Diese Feststellungen würden nicht richtig sein, da er das Problem, auch in anderen Landesteilen verfolgt zu werden, in Indien habe.

Hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse gab der Beschwerdeführer an, ein wenig Deutsch zu sprechen und zur Zeit einen Deutschkurs zu besuchen. Eine entsprechende Bestätigung würde er so bald als möglich dem Bundesverwaltungsgericht zukommen lassen.

11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2015, W124 1431062-1/15E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen (Spruchpunkt II.). Dem Erkenntnis lagen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:

„Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und bekennt sich zur Religionsgemeinschaft der Sikhs. Seine Identität steht mangels Vorlage von Dokumenten nicht fest. Die Muttersprache ist Punjabi, welche er in Wort und Schrift gut beherrscht.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer ist ledig. Seine Mutter und Brüder leben in Indien.

Der Beschwerdeführer hat keine in Österreich lebenden Familienangehörigen oder Verwandte und verfügt auch sonst über keine nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über bestimmte Deutschkenntnisse verfügt und allenfalls bereits ein Deutschkurs besucht oder erfolgreich abgeschlossen hat.

Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlichen Sicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat Indien zuletzt am 11.11.2012 von New Delhi aus mit dem Flugzeug und reiste direkt nach Österreich. Der Beschwerdeführer reiste dabei schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 13.11.201[2] einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu einer möglichen Gefährdung im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat ist nicht glaubhaft und wird daher dieser Entscheidung nicht als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Ein konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.“

12. Im fortgesetzten Verfahren zur Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 25.10.2016 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, worin dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gewährt wurde, binnen 14-tägiger Frist zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zu den Länderfeststellungen über die Situation in Indien Stellung zu nehmen. Zudem wurde der Beschwerdeführer ersucht, eine Reihe von Fragen über sein Privat- und Familienleben in Österreich zu beantworten.

13. Mit Stellungnahme vom 13.11.2016 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er während seines gesamten Aufenthaltes versucht habe, sich zu integrieren. Er sei unbescholten und selbsterhaltungsfähig. Als Beilage übermittelte der Beschwerdeführer, jeweils in Kopie, seine eCard, eine Meldebestätigung und ein Zertifikat des ÖSD über eine bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau A2 vom 24.09.2015.

14. Mit Schreiben vom 11.09.2017 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer auf, binnen Frist etwaige Änderungen seiner privaten, familiären und/oder beruflichen Verhältnisse bekanntzugeben.

15. Mit als „Bescheid“ bezeichneter Erledigung vom 05.10.2017 traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.).

Das im Akt einliegende Originalexemplar der Erledigung weist keine Unterschrift oder Amtssignatur auf.

16. Gegen diese Erledigung erhob der Beschwerdeführer am 27.10.2017 Beschwerde.

17. Das Bundesverwaltungsgericht richtete am 08.11.2017 eine Anfrage an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, ob dieses eine unterfertigte oder mit einer elektronischen Amtssignatur versehene Version der angefochtenen Erledigung dem Beschwerdeführer zugestellt habe.

18. Das Bundesamt erklärte in seiner Antwort vom 10.11.2017, dass dies aus dem Akt ersichtlich sei.

19. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.11.2017, W191 2175157-1/3E, wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen, da der bekämpften Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Bescheidqualität fehle und die Beschwerde sich somit nicht gegen einen Bescheid im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG richte.

20. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 21.02.2018 persönlich einvernommen (Gegenstand der Amtshandlung: „Mitwirkung HRZ, Erlassung Wohnsitzauflage“). Im Rahmen dieser Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass gegen ihn eine „rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung“ bestehe, er seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nachgekommen und illegal im Bundesgebiet verblieben sei. Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass er hier Deutsch gelernt habe. Er wolle nach Indien fliegen, doch erst brauche er eine Arbeitsgenehmigung in Österreich. Er habe kein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch genommen, zumal er dieses Schreiben nicht erhalten habe. Auf die Frage, ob er bereit sei, aus dem Bundesgebiet auszureisen, gab der Beschwerdeführer an, dass er erst einen Visaantrag stellen werde. Wenn er diesbezüglich eine negative Entscheidung erhalten werde, dann werde er das Bundesgebiet verlassen. Der Beschwerdeführer verweigerte schließlich die Unterfertigung von Formblättern zur Erlangung eines Heimreisezertifikats.

21. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2018, Zl. 610116509-180011015, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer näher bezeichneten Betreuungseinrichtung zu nehmen, und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

22. Am 01.03.2018 übermittelte der Beschwerdeführer seine indische Geburtsurkunde samt indischer Beglaubigung und Übersetzung ins Deutsche.

23. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.02.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

24. Am 02.04.2018 wurde der Beschwerdeführer von der Landespolizeidirektion XXXX wegen Missachtung des Meldegesetzes nach § 22 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 1 MeldeG angezeigt, da er nicht an der gemeldeten Adresse wohnhaft sei.

25. Mit Schreiben vom 22.11.2018 übermittelte der Beschwerdeführer einen Befundbericht vom 19.11.2018, wonach ihm Asthma bronchiale, eine Hausstaubmilbenallergie und der Verdacht auf eine Arzneimittelallergie diagnostiziert wurden.

26. Am 18.12.2018 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerde gegen den unter Punkt I.21. genannten Bescheid dem Bundesverwaltungsgericht.

27. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2018, W169 2175157-2/2E, wurde der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG behoben, da keine rechtskräftig erlassene Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer vorliege, welche aber Voraussetzung für die Erlassung einer Wohnsitzauflage wäre.

28. Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer am 13.02.2019 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme niederschriftlich einvernommen.

Dabei gab der Beschwerdeführer zu seiner Person an, dass er in Indien die Volksschule abgeschlossen und ungefähr zwei Jahre lang als Taxifahrer gearbeitet habe. Er habe zudem auf der elterlichen Landwirtschaft mitgeholfen. Er sei gesund, ledig und kinderlos. In Indien würden seine Mutter und seine beiden Brüder leben. Er habe mit seiner Mutter Kontakt. Seine Mutter besitze eine Landwirtschaft und ein Haus, in welchem er schon vor seiner Ausreise gelebt habe. Der Beschwerdeführer werde in Indien nicht verfolgt, aber wolle dort nicht wieder bei null anfangen.

Der Beschwerdeführer sei seit November 2012 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig und wolle hierbleiben. Er habe Deutsch auf dem Niveau A2 gelernt. Er habe eine serbische Freundin, welche er vor ungefähr einem Jahr kennengelernt habe. Sie würden nicht zusammenleben, aber sich meistens an Wochenenden und, wenn es gehe, auch unter der Woche treffen. Er arbeite als Zeitungszusteller und verdiene EUR 300,- bis 400,- pro Monat. Momentan verfüge er über EUR 600,-. Er wohne mit drei anderen Personen zur Miete und zahle dafür EUR 120,- monatlich. In Österreich habe er keine Angehörigen.

Der Beschwerdeführer sei vor ungefähr zwei oder drei Monaten bei der indischen Botschaft gewesen, um einen Reisepass zu erhalten, habe aber keinen bekommen. Eine Bestätigung darüber könne er nicht vorweisen.

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, binnen Frist eine Stellungnahme abzugeben, wovon in weiterer Folge aber nicht Gebrauch gemacht wurde.

29. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 09.05.2019 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, worin dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gewährt wurde, binnen 14-tägiger Frist zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zu den Länderberichten über die Situation in Indien in Bezug auf Grundversorgung und Wirtschaft, medizinische Versorgung und Rückkehrer Stellung zu nehmen. Zudem wurde der Beschwerdeführer ersucht, eine Reihe von Fragen über sein Privat- und Familienleben in Österreich zu beantworten. Der Beschwerdeführer machte davon nicht Gebrauch.

30. Am 05.06.2019 meldete die Landespolizeidirektion XXXX , dass der Beschwerdeführer sich bei einer Verkehrskontrolle mit einem gefälschten griechischen Führerschein (Totalfälschung) ausgewiesen habe. Der Beschwerdeführer gab im Zuge der Vernehmung unter anderem an, sieben Jahre die Grundschule besucht zu haben und ein Nettomonatseinkommen von EUR 250,- zu erwirtschaften.

31. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), weiter festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und schließlich gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG erfülle. Er habe keine wesentlichen sozialen oder familiären Bindungen zu Österreich geltend gemacht und verfüge folglich über kein schützenswertes Privat- oder Familienleben gemäß Art. 8 EMRK. Angesichts der bereits rechtskräftigen, abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien, zumal der Beschwerdeführer zuletzt selbst angab, in Indien nicht verfolgt zu werden. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Zum Schluss des Bescheides wurde der Beschwerdeführer über die erforderliche Rechtsmittelgebühr von EUR 30,- gemäß § 14 TP 6 Gebührengesetz iVm § 2 BuLVwG-EGebV hingewiesen.

32. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte insbesondere vor, dass er seit seiner Einreise legal im Bundesgebiet aufhältig sei. Der Beschwerdeführer sei gut integriert und selbsterhaltungsfähig.

Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie „die Feststellung, dass gem § 70 AsylG bzw in analoger Anwendung iSd Gesetzgebers keine Eingabegebühr von 30 Euro vom Beschwerdeführer einzuheben“ seien.

33. Mit Schreiben vom 11.07.2019 erklärte der Beschwerdeführer nochmals, gut integriert zu sein.

34. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.08.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Wochen verurteilt.

35. Am 15.02.2021 wurde der Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 10.03.2021 um 11:30 Uhr im Bundesverwaltungsgericht geladen. Die Ladung wurde nachweislich am 19.02.2021 übernommen.

36. Mit an die Einlaufstelle des Bundesverwaltungsgerichts gerichtetem E-Mail des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers vom 09.03.2021 um 18:53 Uhr gab dieser bekannt, dass der Beschwerdeführer leider nicht an der morgigen Verhandlung teilnehmen könne. Der Rechtsvertreter habe etliche Male versucht, den Beschwerdeführer zu erreichen, jedoch ohne Erfolg.

37. Am 10.03.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, zu welcher weder der Beschwerdeführer noch sein Rechtsvertreter erschienen. In der Verhandlung wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer und nachweislicher Ladung unentschuldigt der Verhandlung ferngeblieben ist. Ebenso wurden keine Gründe für das Fernbleiben des Rechtsvertreters bekannt gegeben, weshalb die Verhandlung in deren Abwesenheit durchgeführt wurde. Infolge wurde der gesamte Akteninhalt verlesen und erörtert. Die aktuellen Länderfeststellungen der Staatendokumentation zu Indien vom 11.11.2020 wurden zum Akt genommen und anschließend das Beweisverfahren geschlossen.

38. Am selben Tag wurde die Verhandlungsschrift dem Vertreter des Beschwerdeführers elektronisch zugestellt.

39. Eine am selben Tag vom Bundesverwaltungsgericht in Auftrag gegebene Aufenthaltserhebung des Beschwerdeführers an seiner Meldeadresse ergab mit Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom Folgetag, dass der Beschwerdeführer gemäß Angaben einer dort wohnhaften Person seit sechs Monaten nicht mehr an dieser Adresse aufhältig oder wohnhaft sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Er spricht die Sprache Punjabi. Im Herkunftsstaat besuchte er sieben Jahre die Grundschule. Er hat als Taxifahrer sowie auf der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter gelebt. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. Er leidet an Asthma und einer Hausstaubmilbenallergie.

Der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 13.11.2012 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2015, W124 1431062-1/15E, gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurde das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter. Die Mutter und die beiden Brüder des Beschwerdeführers leben im Herkunftsstaat. Sein Vater ist verstorben. Seine Mutter besitzt ein Haus und eine Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer hat Kontakt mit seiner Mutter.

Dem Beschwerdeführer droht in Indien keine an asylrelevanten Merkmale anknüpfende Verfolgung.

Der Beschwerdeführer hat keine Angehörigen in Österreich. Er hat eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Er führte zuletzt eine Beziehung mit einer serbischen Frau. Es bestand und besteht kein gemeinsamer Haushalt und sie haben sich zumeist an Wochenenden getroffen. Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist seit 26.11.2013 zur Ausübung des Gewerbes „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“ berechtigt. Er ist seit 12.03.2014 bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gemeldet. Er ist als Zeitungszusteller tätig und verdiente zuletzt EUR 200,- bis EUR 400,- respektive EUR 250,- netto pro Monat. Sonstige familiäre oder private Bindungen zum Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 22.08.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Wochen verurteilt, da er sich bei einer Lenkerkontrolle mit einem totalgefälschten griechischen Führerschein auswies.

Der Beschwerdeführer ist seit sechs Monaten nicht mehr an seiner Meldeadresse aufhältig und wohnhaft. Er verfügt über keine gültige Meldung im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter sind unentschuldigt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 10.03.2021 ferngeblieben.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

1. COVID-19

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten. Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit SARS-CoV-2 registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten, wo der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist (WKO 10.2020). Durch die COVID-Krise können Schätzungen zu Folge bis zu 200 Mio. in die absolute Armut gedrängt werden. Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten, wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Pandemie und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.10.2020): https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 12.10.2020

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

2. Grundversorgung und Wirtschaft

Die Anzahl jener Personen, die in Indien unter der absoluten Armutsgrenze (1,90 USD/Tag Kaufkraft) leben, konnte zwischen 2012 und 2019 von 256 Mio. auf 76 Mio. reduziert werden. Gemäß Schätzungen könnten durch die COVID-Krise allerdings bis zu 200 Mio. Menschen wieder in die absolute Armut zurückgedrängt werden (ÖB 9.2020).

Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und 2017/18 bei 6,75 Prozent (BICC 12.2019). 2019 betrug das Wirtschaftswachstum 4,9 Prozent. Für 2020 wurde ein Wachstum der Gesamtwirtschaft um 6,1 Prozentpunkte erwartet (WKO 1.2020). Doch schrumpfte im ersten Quartal des Geschäftsjahres 2020/2021 (1. April 2020 bis 30. Juni 2021) aufgrund der COVID-19-Pandemie das Wirtschaftswachstum um beispiellose 23,9 Prozent. Der private Konsum und die Investitionen gingen stark zurück. Gleichzeitig verringerte sich in derselben Periode der Output der Industrie (Minus 38 Prozent) und des Dienstleistungssektors (Minus 21 Prozent) dramatisch. Für das am 1.4.2020 begonnene Geschäftsjahr erwarten Experten, dass die indische Wirtschaft um 9,6 Prozent schrumpfen und danach nur sehr langsam eine Erholung einsetzen wird. Die schwächelnde Nachfrage im In- und Ausland dürfte auch die Handelsbilanz in beide Richtungen belasten (WKO 10.2020).

2017 lag die Erwerbsquote bei 53,8 Prozent (StBA 26.8.2019). Frauen sind weniger häufig als Männer berufstätig (FES 9.2019). Indien besitzt mit ca. 520 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote bei 7,6 Prozent, 2020 bei 10,8 Prozent. Für 2021 wird eine Arbeitslosenrate von 9,5 Prozent erwartet (WKO 10.2020).

Der indische Arbeitsmarkt wird durch den informellen Sektor dominiert. Er umfasst Familien- und Kleinbetriebe der Landwirtschaft, des produzierenden Gewerbes sowie des Dienstleistungsbereichs und unterliegt keiner Kontrolle oder Besteuerung des Staates. Infolgedessen bestehen in diesem Bereich keine rechtsverbindlichen Bestimmungen oder formal geregelte Arbeitsverhältnisse. Annähernd 90 Prozent der Beschäftigten werden dem informellen Sektor zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (Wienmann 2019). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,1 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (Shah-Paulini 2017).

Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 2019; vgl. PIB 23.7.2018). Einige Bundesstaaten geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 2019).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.852 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 131 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (BICC 7.2020).

Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zumeist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, die sich ebenfalls an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 2019).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmern ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018).

55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016). Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz (AA 23.9.2020). Ein Programm, demzufolge 800 Mio. Menschen gratis Lebensmittelrationen erhalten (also etwa 2/3 der Bevölkerung) wurde bis November 2020 verlängert. Die Ausmaße dieses Programms verdeutlichen, wie hart Indien von der COVID-Krise und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft betroffen ist (ÖB 9.2020).

Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar. Im Juli 2019 verabschiedete das Parlament Änderungen zum Aadhaar-Gesetz. Damit wird der Weg für den Einsatz der Daten durch private Nutzer frei. Die geplanten Änderungen gaben Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Privatsphäre und des Datenschutzes und wurden angesichts eines Entscheids des Obersten Gerichtshofs vom September 2018 vorgenommen, welcher eine Nutzung von Aadhaar für andere Zwecke als den Zugang zu staatlichen Leistungen und die Erhebung von Steuern beschränkt (HRW 14.1.2020). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).

Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 13.1.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2019): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2019_India_DE.pdf, Zugriff 22.10.2020

?        BBC - British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787, Zugriff 17.1.2019

?        BICC - Bonn International Centre for Conversion (7.2020): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf, Zugriff 20.10.2020

?        FES – Friedrich-Ebert-Stiftung (9.2019): Feminist perspectives on the future of work in India, http://library.fes.de/pdf-files/bueros/indien/15719.pdf, (Zugriff 18.3.2020

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?        ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung, https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 17.1.2019

?        ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment (23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges, http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 13.3.2020

?        Shah-Paulini, Purvi (2017): Chefsache Integrales Business mit Indien. Den Subkontinent aus verschiedenen Perspektiven verstehen. Springer Gabler Verlag. Seite 40

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?        Wiemann, Kristina N. (2019): Qualifizierungspraxis deutscher Produktionsunternehmen in China, Indien und Mexiko: Eine Analyse der Übertragbarkeit dualer Ausbildungsansätze. Springer Verlag. Seite 201

?        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

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3. Medizinische Versorgung

Eine gesundheitliche Minimalversorgung wird vom Staat im Prinzip kostenfrei gewährt (ÖB 9.2020; vgl. BAMF 3.9.2018). Sie ist aber durchwegs unzureichend (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten europäische Standards. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 23.9.2020). Darüber hinaus gibt es viele weitere Institutionen, die bezahlbare Behandlungen anbieten (BAMF 3.9.2018). Ebenfalls gibt es Gemeindegesundheitszentren und spezialisierte Kliniken. Diese sind für alle möglichen generellen Gesundheitsfragen ausgestattet und bilden die Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden. Sie werden von der Regierung betrieben und nehmen auf Empfehlung der Ersteinrichtungen Patienten auf. Jede dieser Einrichtungen ist für 120.000 Menschen aus städtischen bzw. 80.000 Patienten aus abgeschiedenen Orten zuständig. Für weitere Behandlungen können Patienten von den Gemeindegesundheitszentren zu Allgemeinkrankenhäusern transferiert werden. Die Zentren besitzen daher auch die Funktion einer Erstüberweisungseinrichtung. Sie sind dazu verpflichtet, durchgängig Neugeborenen- bzw. Kinderfürsorge zu leisten sowie Blutkonservenvorräte zu besitzen. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben (BAMF 3.9.2018).

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Personen-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 25.500 solcher Kliniken in Indien, von denen 15.700 von nur einem Arzt betrieben werden. Einige Zentren besitzen spezielle Schwerpunkte, darunter Programme zu Kinder-Schutzimpfungen, Seuchenbekämpfung, Verhütung, Schwangerschaft und bestimmte Notfälle (BAMF 3.9.2018).

Von den Patienten wird viel Geduld abverlangt, da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Gesundheitssektors sehr groß ist. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen fortschrittlicher Infrastruktur und qualifizierterem Personal einen besseren Ruf, ein Großteil der Bevölkerung kann sich diesen aber nicht leisten. In allen größeren Städten gibt es Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich. Fast alle gängigen Medikamente sind in Indien (meist als Generika westlicher Produkte) auf dem Markt erhältlich. Für den (relativ geringen) Teil der Bevölkerung, welcher sich in einem formellen Arbeitsverhältnis befindet, besteht das Konzept der sozialen Absicherung aus Beitragszahlungen in staatliche Kassen sowie einer Anzahl von – vom Arbeitgeber zu entrichtenden – diversen Pauschalbeträgen. Abgedeckt werden dadurch Zahlungen für Renten, Krankenversicherung, Mutterkarenz sowie Abfindungen für Arbeitslosigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit (ÖB 9.2020).

Für 10.000 Inder stehen 0,8 praktizierende Ärzte (StBA 26.8.2019) und 0,5 Klinikbetten je tausend Einwohnern zur Verfügung (GTAI 23.4.2020). In ländlichen Gebieten ist der Zugang zur medizinische Versorgung teilweise nur rudimentär oder gar nicht vorhanden. Sorge bereitet die zunehmende Ausbreitung von COVID-19-Infektionen (WKO 10.2020).

Die staatliche Krankenversicherung erfasst nur indische StaatsbürgerInnen unterhalb der Armutsgrenze. Für den Rest der Bevölkerung ist eine beitragspflichtige Krankenversicherung durch verschiedene private und staatliche Firmen zu unterschiedlichen Konditionen gegeben. Bekannte Versicherer sind General Insurance, Bharti AAA, HDFC ERGO, Bajaj, Religare, Apollo Munich, New India Assurance, Max Bupa etc. (BAMF 3.9.2018).

Im September 2019 wurde mit der Einführung des indienweiten Pradhan Mantri Jan Arogya Abhiyaan begonnen (auch „Modicare“ genannt), einer Krankenversicherung, die insgesamt 500 Millionen Staatsbürger umfassen soll, welche sich ansonsten keine Krankenversicherung leisten können. Diese Krankenversicherung deckt die wichtigsten Risiken und Kosten ab. Dazu kommen noch verschiedene öffentliche Krankenversicherungen in einzelnen Unionsstaaten mit unterschiedlichem Empfänger- und Leistungsumfang (ÖB 9.2020). Eine private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und die Patienten müssen einen Großteil der Kosten selber zahlen. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personalausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN) (BAMF 3.9.2018).

In Indien sind fast alle gängigen Medikamente auf dem Markt erhältlich (AA 23.9.2020). Apotheken sind in Indien zahlreich und auch in entlegenen Städten vorhanden. (BAMF 3.9.2018). Die Einfuhr von Medikamenten aus dem Ausland ist möglich. Indien ist der weltweit größte Hersteller von Generika und Medikamente kosten einen Bruchteil der Preise in Europa (AA 23.9.2020). Die Kosten für die notwendigsten Medikamente sind staatlich kontrolliert, sodass diese weitreichend erhältlich sind (BAMF 3.9.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 16.10.2020

?        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff 18.3.2020

?        GTAI – German Trade and Invest (23.4.2020): Covid-19: Gesundheitswesen in Indien, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/covid-19-gesundheitswesen-in-indien-234420, Zugriff 15.5.2020

?        StBA – Stadistisches Bundesamt (26.8.2019): Indien: Statistisches Länderprofil, https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Laenderprofile/indien.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 19.3.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

?        WKO - Aussenwirtschaft Austria (10.2020): Aussen Wirtschaft Wirtschaftsbereich Indien, WIRTSCHAFTSBERICHT Indien (Q1–Q22020), https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdfhttps://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 21.10.2020

4. Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung (AA 23.9.2020). Abgeschobene erfahren bei der Rückkehr nach Indien von den indischen Behörden grundsätzlich keine nachteiligen Konsequenzen, abgesehen von einer Prüfung der Papiere und gelegentlichen Befragung durch die Sicherheitsbehörden. Gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt, sofern ihre Aktivitäten den indischen Behörden bekannt geworden sind. Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der indischen Polizei gegen Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese ihre Strafe bereits verbüßt haben (ÖB 9.2020).

Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 9.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (23.9.2020): Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien (Stand: Juni 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2038579/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_zur_asyl-_und_abschiebungsrelevanten_Lage_in_der_Republik_Indien_%28Stand_Juni_2020%29%2C_23.09.2020.pdf, Zugriff 15.10.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (9.2020): Asylländerbericht Indien

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der vorgelegten Geburtsurkunde fest bzw. ging die belangte Behörde in ihrem angefochtenen und insoweit unstrittig gebliebenen Bescheid von einer feststehenden Identität aus.

Die Feststellungen zur Herkunft, Religionszugehörigkeit und Sprachenkenntnis des Beschwerdeführers stützen sich auf das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 03.02.2015, W124 1431062-1/15E. Die Feststellungen über den Schulbesuch und die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, sowie dass er dort im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter gelebt hat, sind wiederum Folge seiner nunmehrigen Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2019 sowie der Meldung der Landespolizeidirektion XXXX vom 05.06.2019. Dass der Beschwerdeführer ledig und kinderlos ist, hat er ebenso zuletzt in der Einvernahme durch das Bundesamt vom 13.02.2019 angegeben. Dass der Beschwerdeführer an Asthma und einer Hausstaubmilbenallergie leidet, ergibt sich aus dem mit Schreiben des Beschwerdeführers vom 22.11.2018 übermittelten Befundbericht vom 19.11.2018.

Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unstrittigen Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Die Feststellungen über die nunmehrigen Verhältnisse der Angehörigen des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat und den bestehenden Kontakt stützen sich ebenso auf die Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 13.02.2019.

Dass der Beschwerdeführer in Indien keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt, hat er in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.02.2019 selbst angegeben und wurde bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2015, W124 1431062-1/15E, rechtskräftig festgestellt.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich folgen seinen Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 13.02.2019, der Meldung der Landespolizeidirektion XXXX vom 05.06.2019, der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 13.11.2016 und dem Schreiben des Magistrats der Stadt XXXX vom 30.12.2014 (samt etlicher im Akt aufliegender Urgenzen) und einer AJ-WEB-Auskunft. Sonstige familiäre oder private Bindungen hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einem eingeholten Auszug aus dem Grundversorgungssystem.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug in Verbindung mit der polizeilichen Meldung vom 05.06.2019.

Dass der Beschwerdeführer seit sechs Monaten nicht mehr an seiner Meldeadresse aufhältig und wohnhaft ist und über keine gültige Meldung im Bundesgebiet verfügt, folgt aus dem polizeilichen Erhebungsbericht vom 11.03.2021.

Dass der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter unentschuldigt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 10.03.2021 ferngeblieben sind, ergibt sich aus dem Protokoll dieser, dem der Rechtsvertreter auch nach Zusendung nicht entgegengetreten ist.

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderberichten, die dieser Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben und denen nicht entgegengetreten wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid:

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.11.2012, Zl. 12 16.585-BAT, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 13.11.2012 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Die Übergangsbestimmungen des § 75 Abs. 19 und 20 AsylG 2005 normiert auszugsweise:

„(19) Alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren sind ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

(20) Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des Abs. 18 und 19 in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes

(…)

so hat das Bundesverwaltungsgericht in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.“

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.02.2015, W124 1431062-1/15E, wurde gegenständlich gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit November 2012 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der S

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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